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Die Wölfe 4 ~Die Rache des Paten~

Teil IV
von

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~Wiedersehen~

Das Festland ist schon zu sehen. So viele Wochen auf hoher See und nun ist das Ende seiner Reise endlich in Sicht. Die wenigen Habseligkeiten, die er mitgenommen hat, hat er bereits zusammen gepackt. Die Gitarre trägt er auf dem Rücken, sein Koffer steht zu seinen Füßen. Mit den Armen auf die Reling gebeugt, betrachtet er die Küste. Nur vereinzelte Häuser flankieren den Berg und die flache Bucht davor. Hier und da laufen Menschen auf dem Steg auf und ab. Sie helfen das Schiff einzuweisen und zu vertauen. Was für eine trostlose Gegend. Es scheint nur eine einzige Straße zu geben, die durch das verschlafene Dorf hinein und wieder hinaus führt. Ein ungutes Gefühl beschleicht Antonio, als er den Hafen vergeblich nach einem vertrauten Gesicht absucht. Er hat kein Geld mehr, um ein Ticket in die Heimat zu kaufen und könnte nicht einmal ein Hotelzimmer bezahlen. Einmal zieht er an der Zigarette zwischen seinen Fingern.

Das Schiff kommt in der Bucht zum Liegen, die ersten Passagiere steigen aus. Antonio gibt sich einen Ruck und stößt sich von der Reling ab. An Bord zu bleiben, ist erst mal keine Option, doch sollte Lui nicht auftauchen, wird ihm wohl nichts anderes übrig bleiben, sich als blinder Passagier die Heimfahrt zu sichern. Noch mal etliche Wochen auf hoher See, hoffentlich bleibt ihm das erspart.

Antonio schnippt die Kippe ins Meer, dann folgt er den anderen Passagieren über eine Rampe auf den Pier. Mit dem Koffer in der einen und der anderen Hand in der Hosentasche, sieht er sich nach allen Seiten um. Einige Hafenarbeiter eilen an ihm vorbei, um das Schiff zu entladen. Er sieht ihnen dabei zu und stellt seinen Koffer neben sich ab. Ein Glück bleibt ihm dieser Knochenjob heute erspart. Der derbe Geruch von Fisch steigt ihm in die Nase. An etlichen Ständen, rund um den Pier, preisen Fischer ihre frisch gefangene Ware an. Auch unter ihnen und ihrer Kundschaft befindet sich kein bekanntes Gesicht. Seufzend kramt Antonio in seinen Taschen nach Feuerzeug und Zigarette. Es ist seine Letzte Schachtel, er wird dringend neue besorgen müssen. Während er sich nach einem passenden Geschäft dafür umsieht, nähern sich ihm eilige Schritte.

„Antonio, gut ich dachte schon, ich hätte dich verpasst.“ Ein junger Asiat nähert sich ihm. Er ist außer Atem, seine schwarzen Haare stehen ihm zerzaust vom Kopf. Tiefe Augenringe zeugen von wenig Schlaf, in der vergangenen Nacht. Antonio zündet sich in Ruhe seine Zigarette an und wartet darauf, dass Lui ihn erreicht.

„Tut mir leid, dass ich etwas spät dran bin, ich musste noch einen anderen Weg erledigen.“

„Bin selbst gerade erst angekommen.“ Lui bleibt vor ihm stehen, zur Begrüßung reicht er ihm die Hand, doch Antonio ignoriert diese Geste und zieht stattdessen an seiner Zigarette. Misstrauisch betrachtet er den Polizisten, bis Lui die Hand sinken lässt.

„Immer noch der alte Eisklotz, wie ich sehe.“ Antonio überhört die Worte kommentarlos und will stattdessen ernst wissen: „Weswegen bin ich hier Lui?“ Diese Frage hat ihn die ganze Fahrt über beschäftigt und bevor er keine Antwort darauf hat, wird er den Hafen nicht verlassen. Luis Blick geht an ihm vorbei. Misstrauisch betrachtet er die anderen Passagiere, die noch immer das Schiff verlassen.

„Nicht hier! Außerdem glaubst du mir das eh erst, wenn du ihn siehst.“ Lui setzt sich in Bewegung.

„Ihn?“ Als Lui den Pier verlässt, ohne zurück zu schauen, bleibt Antonio nichts anderes übrig, als seinen Koffer zu nehmen und ihm zu folgen.

„Lui, ich habe echt keinen Nerv für diese Spielchen. Sag endlich was Sache ist, oder ich nehme das nächste Schiff zurück.“ An der Schulter hält er den Asiat fest, um ihn dazu zu bringen, endlich stehen zu bleiben. Der junge Mann dreht sich unbeeindruckt zu ihm um, seine Hände verstaut er in den Taschen seiner Stoffhose. Wieder wandert sein Blick an Antonio vorbei, auf die anderen Passagiere, die an ihnen vorbei kommen.

„Ich habe dir doch schon geschrieben, dass wir uns erst unterhalten können, wenn wir ungestört sind.“ Lui streckt den Arm aus und deutet auf ein Fahrzeug, dass auf halbem Wege zur Straße geparkt steht.

„Mein Wagen steht dort, Antworten gibt es auf dem Weg zum Sommerhaus.“ Das sind ja tolle Aussichten. Erst wenn er sich in einem Wagen befindet, der ihn sonst wo hin bringen kann, wird er Antworte bekommen. Misstrauisch mustert Antonio den Asiat. Lui setzt sich wieder in Bewegung, ohne eine Reaktion abzuwarten, hält er auf sein Automobile zu. Antonio seufzt ergeben und folgt ihm. Lui öffnet den Wagen. Noch einmal wirft Antonio dem jungen Mann einen prüfenden Blick zu, dann nimmt er seinen Gitarren vom Rücken und schiebt sie, zusammen mit dem Koffer, auf den Rücksitz. Er selbst nimmt auf dem Beifahrersitz platz.

„Du spielst Gitarre?“, will Lui wissen, als er zu ihm steigt.

„Ja, ich brauchte etwas, was mir auf der langen Fahrt die Zeit vertreibt. Ehrlich, wenn sich das hier für mich nicht lohnt, bist du fällig.“ Lui schmunzelt verschwörerisch und startet den Motor. Auf direktem Wege lassen sie das verschlafene Dorf hinter sich. Die befestigte Straße wird von einer Schotterpiste abgelöst, die sich im Nichts verliert.

„Du wohnst hier ganz schön am Arsch der Welt, oder?“ Nichts als Bäume und weite Felder, keine Menschenseele, so weit das Auge reicht.

„Naja, der Arzt hat empfohlen aufs Land zu ziehen, irgendwo hin, wo es schön ruhig ist und glaub mir hier ist es verdammt ruhig.“

„Der Arzt?“ Antonio betrachtet Lui von oben bis unten, doch mal von dem müden Erscheinungsbild, sieht er fit aus.

„Es ging nicht um mich.“

Auffordernd betrachtet Antonio den Polizisten.

„Er ist es, der zwei Jahre im Koma lag und seit dem sein Gedächtnis verloren hat. Wir haben echt alles versucht, aber langsam übertreiben es Jan und Robin mit ihren Lügengeschichten. Er glaubt uns schon kein Wort mehr und deswegen brauche ich dich.“

„Jan und Robin sind auch hier? Es ging das Gerücht um, sie wären tot.“

„Ja, das Gerücht haben wir verbreitet.“

„Warum?“

„Weil wir ständig angegriffen wurden. Deswegen wohnen wir auch hier im Nirgendwo.“

„Ich blick da nicht durch. Von welchen Lügengeschichten sprichst und wer hat euch angegriffen?“

„Das ist eine wirklich lange Geschichte.“ Antonio betrachtet die endlose Piste. In der Ferne ist weder eine Stadt noch ein Haus zu erkennen.

„Wir scheinen Zeit zu haben, oder? Also rede endlich!“

„Die Drachen sind bis ins Krankenhaus gekommen, sie haben uns selbst über die Ländergrenzen hin verfolgt. Es ging nicht anders, als uns alle für tot zu erklären. Er lag doch schon im Koma und war so gut wie tot, aber sie haben einfach keine Ruhe gegeben und als wir ihn endlich aus New York raus hatten, wollte er einfach nicht wieder aufwachen. Die Ärzte haben zwei Jahre um sein Leben gekämpft und dann kommt er endlich wieder zu sich und weiß nichts mehr. Zwei Jahre ist das jetzt her und er hat immer noch keine Ahnung, wer er eigentlich ist. Jan und Robin tragen auch nicht gerade dazu bei, dass sich das ändert.“

„Moment mal, ich verstehe nur Bahnhof. Von wem reden wir hier eigentlich?“, versucht Antonio in Erfahrung zu bringen, doch Lui ist so in seinem Redefluss vertieft, dass er einfach weiter spricht.

„Mag ja sein, dass es besser ist die schlimmen Passagen auszulassen und ihm erst mal keinen Grund zu bieten nach New York zurückzukehren. Er ist noch lange nicht so weit, dort zurecht zu kommen, aber ihre Lügen gehen allmählich zu weit. Ich habe mir vergeblich den Mund fusselig geredet. Sie hören mir einfach nicht zu und weil er auch mir kein Wort mehr glaubt, brauche ich dich. Du bist der einzige Name, an den er sich erinnert. Wenn es da noch irgendwo etwas in ihm gibt, dann bist du der Einzige, dem er vertrauen wird.“

„Könntest du endlich mal mit nem Namen arbeiten?“, wird Antonio lauter. Lui schweigt, er lenkt den Wagen auf ein freies Grundstück, dass direkt an den Klippen liegt. Nur ein Haus steht hier, aus dessen Schornstein dicker Rauch aufsteigt. Lui seufzt ergeben und und beugt sich über das Lenkrad, schließlich öffnet er die Wagentür und steigt aus.

„Komm mit rein, dann wirst du's verstehen“, schlägt er vor. Antonio atmet tief durch, ein flaues Gefühl breitet sich in seinem Magen aus. Nur widerwillig steigt er aus und folgt dem Asiat zur Haustür. Lui verstaut den Wagenschlüsse in seiner weiten Manteltasche und kramt aus seiner Hose den Hausschlüssel. Als er die Tür für sie öffnet, greift Antonio ihm in die Manteltasche und lässt den Wagenschlüssel in seiner eigenen Jackentasche verschwinden. Lui bemerkt den Diebstahl nicht, seine Hände zittern so sehr, dass er zwei Versuche braucht, um das Schloss zu finden. Argwöhnisch sieht Antonio ihm dabei zu, als ein Schatten um das Haus herum geflitzt kommt. Bellend springt ihnen ein Fellknäuel entgegen und umrundet Lui aufgeregt. Immer wieder springt der Welpe an ihm hoch und versucht ihm das Gesicht zu lecken.

„Hat er dich wieder ausgesperrt?“, will Lui von dem Welpen wissen und streichelt ihn durch das Fell. Als er die Tür endlich aufgeschlossen hat, stürmt der Hund an ihnen vorbei, hinein ins Haus. Wohlige Wärme kommt ihnen entgegen. Irgendwo Knistert ein Kaminfeuer. Die Pfote des Hundes schlittern über den gefliesten Boden. Das Fellbündel verschwindet laut kläffend.

„Lui, lass den Köter gefälligst draußen!“, schallt es aus einem der Zimmer. Antonios Herz durchzuckt ein heftiger Stich. Diese Stimme, das kann nicht sein. Als Lui vor ihm das Haus betritt, hält Antonio ihn an der Schulter fest und schiebt sich an ihm vorbei. Der Asiat lässt ihn gewähren.

„Geh nur zu ihm, ich kümmer mich um dein Gepäck.“ Luis Worte verklingen ungehört. Seine Beine tragen Antonio von ganz allein durch den Flur, doch mit jedem weiteren Schritt, werden sie immer schwerer. Er muss sich einfach verhört haben. Vielleicht spielt ihm ja wieder Enricos Geist einen Streich.

Unendlich lang erscheint Antonio der Weg durch den Flur, bis er endlich die Türrahmen erreicht. Er macht einen Schritt in den Raum und atmet noch einmal tief durch. Sein Blick bleibt an einem Sofa hängen. Ein junger Mann mit blonden Haaren sitzt dort. Er hat eine Decke über den Beinen liegen und ein Buch in der Hand. Der Welpe springt neben ihm auf dem Sofa herum. Die Stirn des Blonden legt sich genervt in Falten. Er greift das Tier im Genick und reicht es in Antonios Richtung.

„Würdest du das Tier bitte entfernen!“ Als Antonio wie angewurzelt stehen bleibt und nicht reagiert, richtet sich der Blick des Blonden auf ihn. Die selben eisblauen Augen, die selbe Frisur, selbst das Gesicht ist um keinen Tag gealtert. Das ist kein schemenhafter Umriss mehr, kein Schatten der sich durch Blinzeln wieder auflöst. Dieser Enrico wirkt so echt und lebendig, das Antonio das Gefühl hat, nur die Hand nach ihm ausstrecken zu müssen, um ihn berühren zu können. Doch er traut sich nicht, wagt noch nicht mal zu atmen.

Die Augen des Blonden weiten sich. Seine Hand, mit der er den Welpen hält, öffnet sich. Das Tier purzelt unsanft auf das Sofa. Das Buch lässt der Blonde sinken und starrt ihn mit offenem Mund an.

„Ist … ist … das euer verdammter ernst?“, schreit Antonio. Sein Magen dreht sich um, ihm wird so flau, das ihm schwarz vor Augen wird. Seine Beine wollen sein Gewicht nicht mehr tragen, unter ihm knicken sie weg. Wie ein nasser Sack, fällt er auf die Knie. Alles um ihn herum, beginnt sich zu drehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Tales_
2017-02-14T18:27:14+00:00 14.02.2017 19:27
Huhu.
Ich hinterlasse dir mal ein kleines Kommentar!
Sobald ich wieder auf dem neuesten Stand bin, gibt's wieder zu jedem eins.

Teil 3 kannte ich ja bisher gar nicht...
Das macht mich fertig, gott ich liebe deine Fanfics!
Der Teil macht so süchtig, ich kann einfach nicht aufhören.
Es ist so mega spannend!

Ein dickes Lob!
Lg shanti
Antwort von:  Enrico
15.02.2017 00:11
Hey Shanti,

Das freut mich dass du dich gleich wieder so in die Storry verliebt hast. Dann wünsche ich dir erst mal viel Spaß mit diesen Teil und freu mich natürlich auf deine Meinung, wenn du dann wieder aufgeholt hast.

Wölfe Grüße
Enrico


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