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Seelenschatten

HPYGO
von

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Unruhen


 

Unruhen

 
 

*

 

»… weil manche Änderungen zum Besseren ausschlagen, während andere im Urteil der Geschichte sich als Fehlentscheidung erweisen werden. Desgleichen werden manche alten Gewohnheiten bewahrt werden, und das ganz zu Recht, während andere, veraltet und überholt, aufgegeben werden müssen. Gehen wir also in eine neue Ära der Offenheit, der Effizienz und der Verantwortlichkeit, bestrebt, das zu bewahren, was bewahrenswert ist, zu vervollkommnen, was vervollkommnet werden muss, und zu säubern, wo wir Verhaltensweisen finden, die verboten gehören.«*)

 
 

*

 

Yugi spürte, wie er gegen seine schwindende Konzentration ankämpfte. Er wusste, dass es wichtig war, dieser Hexe zu zuhören. Doch ihre Stimme hatte eine unglaublich einschläfernde Wirkung auf ihn. Seine Augenlider wurden bleiern und flatterten.

Derweil regte sich die Präsenz des Geistes unruhig in dessen Seelenraum. Atemu war offenkundig beunruhigt. Yugi konnte nicht ganz beurteilen, was ihn so dermaßen aufkratzte. Er wollte dem Geist gerne versichern, dass es ihm soweit gut ginge, er nur müde sei und Atemu sich nicht um ihn sorgen sollte.

Er spähte kurz die Tafel hinunter, um sich zu vergewissern, dass niemand ihn beobachtete, dann sagte er nahezu lautlos: »Mach dir keine Sorgen. Ich bin nur müde.«
 

Tatsächlich schien die Unruhe des Geistes für kurze Zeit zu stocken. Doch kaum darauf fuhr er in seinem aufgedrehten Tun fort.
 

»Mir missfällt die Botschaft dieser Rede«, erklärte er. Yugi öffnete den Mund, um dies zu hinterfragen. Doch der Geist intervenierte.

 

»Ich werde es dir zusammenfassen. Aber bedenke, dass wir vorsichtig sein müssen.«
 

Yugi nickte unmerklich zum Zeichen, dass er verstand.
 

»Diese Frau ist Bestandteil einer Art Regierung, welche die Geschicke der magischen Welt lenkt: Das Zaubereiministerium. Seit Kurzem scheint es offensichtlich sehr bestrebt darin zu sein, die Ausbildung der Schüler an dieser Schule zu verbessern«, berichtete Atemu, wobei er reichlich besorgt klang. Yugi öffnete den Mund, um zu fragen, was genau er meinte. Er verstand nicht, weswegen sich Atemu sorgte. Doch dann fiel ihm sein Versprechen ein und er schloss den Mund wieder.

»Natürlich ist das ein an sich nobles und ehrenwertes Vorhaben«, fuhr Atemu unbeirrt fort, »Doch so, wie sie es formuliert, klingt es eher nach einer Drohung, zukünftig jeden Schritt der Lehrer an dieser Schule zu überwachen. Das Zaubereiministerium scheint nicht sehr angetan von der Schulleitung zu sein.«

 

Das überraschte Yugi. Er räumte zwar ein, dass Dumbledore vielleicht nicht unbedingt ein ordinärer Lehrer war. Doch er hatte nicht den Eindruck gewonnen, dass er deswegen auch schlecht in seiner Position war. Während seiner Eröffnungsrede hatten die meisten Schüler ehrfürchtig oder zumindest begierig zu ihm aufgesehen.

 

Der Pharao stimmte ihm zu. »Ich glaube nicht, dass es hier um gute oder schlechte Lehrer geht. Oder darum, ob der Unterricht den Erwartungen der Regierung entspricht. Schau dir mal die Reaktionen der Lehrer an.«

 

Yugi tat, wie ihm geheißen, und blickte sich verstohlen am Tisch um. Tatsächlich machten die Lehrer äußerst angespannte Gesichter. Professor McGonagall hatte die Brauen so scharf zusammengezogen, dass sie wie ein Raubvogel aussah, und Severus Snapes Mundwinkel waren noch tiefer gesunken, sofern das überhaupt im Bereich des Möglichen lag. Lediglich Dumbledore lächelte eisern. Aber auch er sah nicht glücklich aus. In seinen Augen fehlte das vertraute Funkeln und Zwinkern.

Atemu hatte Recht.

Hier ging es nicht um den Unterricht. Hier ging es um mehr.

Er beobachtete Professor Umbridge aus den Augenwinkeln. Ihre triefenden Glubschaugen ruhten gequollen auf den Schülern, die sich längst abgewandt hatten und nun entweder verstohlen unter den Tischen in Magazinen blätterten oder sich flüsternd unterhielten. Doch Umbridge schien es nicht zu bemerken oder sich nicht dafür zu interessieren. Auf ihren Lippen hatte sich ein Lächeln ausgebreitet. Es war furchteinflößend und unheilverkündend.

 

Yugi lief es eiskalt den Rücken hinab und eine Erkenntnis traf ihn so plötzlich und eindringlich wie die Schläge seiner Mutter mit der Suppenkelle. Entgegen seiner äußerst miserablen schulischen Leistungen war er nie ein Dummkopf gewesen und durchaus in der Lage, Eins und Eins zusammen zu zählen. Er erinnerte sich daran, wie Dumbledore jäh verstummt war, als Professor Umbridge sich zu ihnen gesellt hatte, und das gerade, als er ihm von äußerst beunruhigenden Geschehnisse berichten wollte.
 

»Professor Dumbledore meinte diese Frau, nicht wahr?«, fragte er leise und bemühte sich, seine Lippen kaum zu bewegen.
 

»Das ist anzunehmen.«

 

Yugi spürte, wie er unruhig wurde. Ihm missfiel der gehässige und gierige Ausdruck in den fahlen Augen dieser Frau. Es erinnerte ihn ein wenig an den bösen Bakura, der wie eine fette, gierige Katze seine arglose Beute beobachtet hatte, mit ihr gespielt und ihr Vertrauen suggeriert hatte, ehe er sich hinterhältig auf sie gestürzt und ihr die Kehle durchgeschnitten hatte. Oder es zumindest versucht hatte.

 

Yugi schüttelte es und er war dankbar dafür, dass die Seele des Grabräubers endgültig verbannt war.

 

Erneut versicherte er sich, dass auch wirklich alle Lehrer eifrig Professor Umbridge zuhörten und die Schüler längst in ihren anderen Sphären weilte, dann fragte er halblaut: »Worum geht es hier eigentlich?«

 

»Ich kann es dir nicht sagen«, entgegnete der Geist und war deutlich verstimmt darüber, »Aber mich lässt das Gefühl nicht los, dass wir soeben zwischen die Fronten eines schwelenden Konflikts geraten sind.«
 

»Woran machst du das fest?«
 

»Weil ich eine Kriegserklärung erkenne, wenn sie ausgesprochen wird«, sagte Atemu grimmig, »Und das war zweifellos eine.«

 
 

*

 

Nachdem Professor Umbridges Rede endlich ein Ende gefunden hatte, wurde das Fest unfeierlich aufgelöst. Stuhlbeine schabten laut über den Steinboden. Schwatzende Schüler erhoben sich und trotteten träge durch die Flügeltüren aus der Großen Halle. Yugi wusste nicht, was man von ihm erwartete und hielt es für das Beste, zu warten. Er nutzte die Gelegenheit, um fasziniert das Treiben zu beobachten.

Er entdeckte das Mädchen, dem der Kater Krummbein gehörte, an einem der Tische und sah, wie sie eine Schar verängstigter Erstklässler gebieterisch zu sich heranwinkte. Sie zählte sie ab, dann drehte sie sich rasch um und marschierte resolut als Spitze der kleinen Gruppe durch die Flügeltüren hinaus. Die neuen Schüler folgten und als Nachhut zog der rothaarige Junge aus dem Zug missmutig hinterher.

 

Nach und nach leerte sich die Große Halle, bis lediglich noch eine Handvoll Lehrer und vereinzelte Schüler zurückblieben.

 

Ein winziger Professor – er war sogar noch kleiner als Yugi, was diesen absolut irritierte – rutschte von einem Stuhl, auf dem mehrere Kissen lagen, quiekte an Yugi adressiert fröhlich seinen Namen (»Fillius Flitwick«) und an alle ein »Gute Nacht«, bevor er einige Nachzügler aus Ravenclaw hurtig dazu antrieb, in ihren Gemeinschaftsraum zu verschwinden. Sie sputeten sich und Professor Flitwick trippelte ihnen hinterher. Professor Snape verabschiedete sich indes, in dem man den Saum seines Umhangs gerade so noch durch eine düster aussehende Kerkertür flattern sah.

Eine pummlige Hexe mit Flickenhut (»Pomona Sprout, mein Lieber.«) sprach davon, sich noch um ihre jungen Teufelsschlingen kümmern zu müssen, und eine weitere Hexe, die sich als Madam Hooch vorstellte, schloss sich ihr an. Yugi hörte beide darüber debattieren, inwieweit die letztjährige Pflanzung einer Hecke dem Quidditch-Feld geschadet hatte.

»Ich glaube nicht, dass die Wurzeln Schäden hinterlassen haben, Rolanda«, sagte Professor Sprout fröhlich, »Aber Hagrids knallrümpfige Kröter könnten natürlich …«
 

Die Hexen verließen die Halle. Weitere Lehrer folgten ihrem Beispiel. Sie erhoben sich vom Tisch, wünschten eine gute Nacht oder einen angenehmen Abend, und gingen. Sogar Professor Dumbledore verabschiedete sich höflich, allerdings nicht ohne Yugi vergnügt zu zuzwinkern.

»Bedauerlicherweise habe ich noch einige dringende Korrespondenzen zu erledigen«, erklärte er, »Minerva wird so freundlich sein und Ihnen alle wichtigen Räumlichkeiten unserer schönen Schule zeigen. Wenn ich mich nicht irre, haben Sie noch diverse Unterlagen für Yugi, nicht wahr?«
 

Er hatte die letzten Worte an Professor McGonagall gerichtet, die knapp nickte.
 

»Vortrefflich«, sagte Dumbledore erheitert. »Nun denn, ich wünsche Ihnen einen vergnüglichen Start ins neue Schuljahr. Auf das wir in der Lage sind, die Gehirne unserer Schüler zu füllen. Und dabei ist es gleichgültig ob es sich nun um Banalitäten wie Schulwissen handelt oder um die zweifellos bedeutenden Kompetenz mit offenen Augen schlafen zu können. Dann eine gute Nacht.«

 

Und bevor Yugi überhaupt richtig begriff, was Dumbledore gesagt hatte, hatte sich dieser bereits umgedreht und marschierte elegant und mit wehender Robe zwischen den Haustischen entlang.

Professor McGonagall wartete, bis Professor Dumbledore die Große Halle verlassen hatte, dann erhob sie sich steif und bat Yugi frostig, ihr zu folgen.  

Yugi sah keinen Grund, ihr zu widersprechen. Sie hatte vielleicht eine unheimliche Art, doch im Vergleich zu der schaurigen Hexe in Pink schien sie die angenehmere Gesellschaft. Denn auch Dolores Umbridge saß noch am Lehrertisch. Sie unterhielt sich angeregt mit Professor Raue-Pritsche; sie lächelte abermals.

Yugi schnappte sich seine Tasche, die unter dem Tisch zu seinen Füßen stand, schlüpfte unbemerkt von seinem Platz und folgte Professor McGonagall. Diese eilte bereits hastig zwischen den nun leeren Tischreihen entlang, sodass Yugi beinahe rennen musste, um mit ihr Schritt zu halten. Auch sie schien schnellstmöglich die Große Halle verlassen zu wollen. Sie verlangsamten ihren Gang erst, als sie die Eingangshalle erreicht hatten und die Flügeltüren hinter ihnen zufielen. Vor dem Fuße einer prächtigen Marmortreppe blieb Professor McGonagall jäh stehen. Sie legte eine Hand auf das geschwungene Geländer und schloss resignierend die Augen. Geräuschvoll stieß sie Luft aus und ihre Nasenflügel wölbten sich bedrohlich darunter. Sie sah einem Drachen ungeheuer ähnlich. Einem sehr müden und alten Drachen.
 

Yugi drückte sich unbehaglich hinter ihrer beeindruckenden Gestalt herum. Er tauschte einen unsicheren Blick mit Atemu aus, der ebenfalls gefolgt war. Doch dieser zuckte bloß ratlos mit den Schultern.
 

»Anou … Professor?«, fragte Yugi schließlich zögernd, »Geht es Ihnen gut?«
 

Professor McGonagall drehte sich herum und blickte Yugi über den Rand ihrer Brille an. Sie musterte ihn abschätzend, als hätte er eben etwas gesagt, womit sie nicht gerechnet hatte. Schließlich seufzte sie schwerfällig. »Professor Dumbledore hat mich darüber informiert, dass Sie kein großes Wissen über die magische Welt haben. Sie werden daher nicht jede Ausführung verstanden haben, von der Dolores Umbridge sprach?«
 

»Nicht alles«, gab Yugi zu, woraufhin Professor McGonagall bedächtig nickte.
 

»Es ist nicht einfach, die Zusammenhänge zu erklären, ohne alle Hintergründe zu kennen.« Sie presste die Lippen zusammen, bis sie eine schmale Linie bildeten. »Zunächst sollten Sie wissen, dass-«
 

»Ah, da sind Sie ja, Minerva. Yugi.« Professor Umbridge war ihnen aus der Große Halle gefolgt und schloss zu ihnen auf.
 

»Dolores«, sagte Professor McGonagall knapp. Ihre Miene war unergründlich. Lediglich ihre Lippen kräuselten sich minimal in einem Anflug wachsender Unzufriedenheit und Groll. »Was kann ich diesmal für Sie tun?«
 

»Dürfte ich Ihnen wohl Gesellschaft leisten?«, fragte Professor Umbridge zuckrig süß und ihre Augen richteten sich unverhohlen gierig auf Yugi – als würde sie ihre neuste Beute inspizieren. »Ich hatte gehofft, noch ein wenig mit Ihnen zu plaudern, Yugi. Das macht Ihnen doch nichts aus?«

Sie lächelte ihn an und bleckte dabei die Zähne. Yugi zögerte kurz und dachte nach. Es war zu riskant, sich mit Atemu abzustimmen. Allerdings bemerkte er, wie Atemus Skepsis wuchs. Seine Gesichtszüge waren ähnlich hart und widerstrebend wie die Professor McGonagalls.
 

»Sehr schön«, sagte Professor Umbridge plötzlich, die sein Schweigen offenbar als Zustimmung aufgefasst hatte, und schloss sich ihnen an. Zu dritt – und gefolgt von einer vierten, unsichtbaren Person – stiegen sie die breite Marmortreppe hinauf.
 

»Also, wo waren wir stehen geblieben?«, begann Dolores Umbridge süßlich, verzog das Gesicht zu einer Grimasse, ehe sich ihre Miene aufhellte. »Ach ja, genau. Ägypten … Dürfte ich Sie fragen, wie Sie dazu kamen, sich ausgerechnet mit dem alten Ägypten zu beschäftigen?«
 

»Mein Großvater war schon von Ägypten fasziniert. Er hat früher einige Gräber erforscht«, antwortete Yugi. Er überlegte einen Moment und wog ab, was er noch erlaubt war zu sagen. »Als ich acht war, hat mir Großvater eine Art … Souvenir geschenkt und seitdem komme ich einfach nicht davon los. Es hängt quasi in meinem Verstand fest.«
 

»Dann ist Ägyptologie ein … « – Umbridge schürzte die Lippen – »... Familienhobby? Wie spannend. Und gehe ich recht in der Annahme, dass Sie nicht von hier kommen?«
 

»Ee. Aus Japan.«

 

Sie bogen in einen weiteren Korridor, in den Sie Professor McGonagall wies. Die Gesellschaft von Dolores Umbridge schien sie eigenartig schweigsam gemacht zu haben. Sie hatte seither kein Wort mehr verloren.
 

»Japan …«, wiederholte Professor Umbridge mit Bedacht und etwas Unheimliches glitzerte nun in ihren wässrigen Augen, »Das heißt, Sie sind zum ersten Mal hier in Hogwarts?«
 

»Ja.«
 

»Dann sind Sie hier natürlich auch nicht zur Schule gegangen?«

 

Erneut bejahte Yugi die Frage, allerdings wurde ihm langsam sehr unbehaglich zumute und er hoffte, dass das Gespräch bald ein Ende fand. Ihm missfiel die Richtung, in die es ging.
 

»Ah ja, in Japan gibt es natürlich eine eigene Schule für Zauberei. Mahoutokoro, nicht wahr? Ich habe bereits beeindruckende Dinge darüber gehört. Hervorragende schulische Leistungen in internationalen Vergleichen und Wettbewerben. Ich nehme an, Sie haben dort Ihre Ausbildung absolviert?«
 

Yugi öffnete den Mund, doch er war nicht imstande, auch nur einen vernünftigen Satz zu verfassen. Fassungslos blickte er Professor Umbridge an, die unentwegt scheinheilig lächelte. Er hatte nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass es auch in Japan Magie gab! Also Magie, die nichts mit Ägypten und Duel Monsters zu tun hatte. Allein die Tatsache irritierte ihn. Hilflos sah er sich nach Atemu um. Der Geist hatte die Neuigkeit gefasster aufgenommen.
 

»War anzunehmen«, sagte er knapp, zog allerdings argwöhnisch die Augenbrauen zusammen, während er Professor Umbridge abschätzig studierte. »Unglücklicherweise wissen wir nichts über das japanische Zaubereiwesen und ich fürchte, dass wir in arge Bedrängnis geraten, wenn sie uns weiter auf den Zahn fühlt.«
 

Yugi reagierte darauf nicht. Professor Umbridge hatte ihre Krötenaugen bereits argwöhnisch verkniffen, weil er nicht antwortete. Doch bevor sie nachhaken konnte, mischte sich plötzlich Professor McGonagall ein.
 

»Dolores, ich glaube, Sie sollten dieses Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt fortführen«, sagte sie, wobei ihre Stimme kalt wie blankes Eis war. »Wie Sie so vortrefflich festgestellt haben, ist Hogwarts Professor Mutou vollkommen fremd und es wäre sicherlich von Vorteil, wenn er sich mehr auf das Schloss und den Weg konzentrieren könnte.«
 

Professor Umbridge machte erneut Anstalten, den Mund zu öffnen. Doch diesmal unterbrach sie Yugi.
 

»Natürlich«, sagte er rasch und dankbar für den Themenwechsel. Aus den Augenwinkel bemerkte er, wie sich das Gesicht von Dolores Umbridge verfinsterte. Allerdings beugte sie sich zähneknirschend dem Vorschlag und folgte von nun an schweigend als Nachhut.

Sie stiegen weitere Treppen empor, marschierten in ihrer eigenartigen Konstellation durch verschiedene Korridore, bis sie den fünften Stock erreichten. Vor einem weiteren, mit Fackeln beleuchteten Gang hielten sie an. Professor McGonagall schnippte kurz mit ihrem Zauberstab und aus dem nichts fiel ein gut sortierter Stapel Pergamentblätter. Yugi musste sich beeilen, um ihn aufzufangen. Es waren die Unterlagen, von denen Dumbledore gesprochen hatte.
 

»Dies sind diverse Zusammenstellungen der bisher im Unterricht abgedeckten Themengebiete, sowie Klassenlisten und Stundenplan«, erklärte sie knapp und deutete auf den Stapel. Dann wies sie auf einen langen Flur. In der Ferne konnte Yugi eine Tür sehen. »Dort hinten finden Sie Ihre Räumlichkeiten. Ihr Gepäck …« Sie blickte kurz zu der Tasche an Yugis Seite und räusperte sich. »Ihr restliches Gepäck befindet sich bereits dort. Haben Sie sonst noch irgendwelche Fragen?«
 

Yugi schüttelte hastig den Kopf und für einen kurzen Moment schwor er, dass Professor McGonagall ihm zulächelte. Zumindest zuckten ihre Mundwinkel minimal in die Höhe.
 

»Dann wünsche ich Ihnen eine gute Nacht«, sagte sie, »Dolores, wollen Sie mich nicht begleiten. Ihre Räumlichkeiten befinden sich doch ebenfalls im ersten Stock, nicht?«
 

Professor Umbridge zog eine Grimasse. Sie hatte zweifellos eine neue Chance für eine Unterhaltung gewittert.
 

»Ja«, sagte sie lahm, »Ja, natürlich.«
 

Und widerwillig schloss sie sich Professor McGonagall an, die bereits davon marschiert war. Sogar in einigen Metern Entfernung war Yugi sicher, noch die frostige Kälte zu spüren, die zwischen den Hexen herrschte.

 
 

*

 

Der Gemeinschaftsraum der Gryffindors war beinahe leer, als Hermine durch das Porträtloch kletterte, welches sich hinter einem Bildnis einer fetten Dame im rosafarbenen Seidenkleid befand. Sie sah sich kurz um, um sich zu vergewissern, dass alles seine Ordnung hatte und niemand unnötigen Schabernack trieb, dann winkte sie das Rudel verschüchterter Erstklässler mit einer energischen Handbewegung herein. Die Augen der neuen Schüler weiteten sich schlagartig und ihre Münder stießen beeindruckte »Ah«‘s und »Oh«‘s aus, was sogar Hermine, die bisher durchweg ernst gewesen war, flüchtig lächeln ließ. Sie konnte den Neuen ihr Staunen nicht verdenken. Der Gemeinschaftsraum war ein sehr gemütlicher und behaglicher Ort. Er befand sich in der Spitze eines Schlossturms, war kreisrund und mit diversen roten und goldenen Samtvorhängen an den Wänden verziert. Auf der einen Seite des Raums brannte ein prasselndes Kaminfeuer, um welches mehrere gemütliche Sessel, Lehnstühle und Tische drapiert waren. Ihnen gegenüber gingen zwei Türen ab, die zu den Schlafsälen der Mädchen beziehungsweise der Jungen führte.
 

Als die letzten Erstklässler in den Raum getreten waren und sie sich zu einer kleinen, zitternden Traube zusammengerobbt hatten, zählte Hermine sie rasch ab, ehe sie ungeduldig über ihre Köpfe hinwegblickte.
 

»Ron, beeil dich«, sagte sie scharf und stemmte die Hände in die Seiten. Ron jedoch kroch ohne große Eile durch das Loch und streckte sich genüsslich, was Hermine fast zur Weißglut trieb. Sie funkelte ihn wütend an.
 

»Was?«, fragte Ron abwehrend und steckte die Hände in die Taschen. Auch er zählte rasch die Köpfe der Neulinge, denn er hatte ihnen während ihres Aufstiegs zum Turm keinerlei Beachtung geschenkt und fürchtete nun, dass ihm womöglich ein oder zwei abhandengekommen waren. Sie waren bestimmt winzig genug, um durch die zahlreichen Trickstufen in den Treppen zu fallen. Dann aber grinste er Hermine überlegen an.

»Siehst du, ich kann doch auf sie aufpassen«, sagte er triumphierend, »Alle noch da.«
 

Hermine presste die Lippen fest zusammen, offenbar vor unterdrückter Wut. Sie kämpfte mit dem Verlangen, Ron für seine Verantwortungslosigkeit zur Schnecke zu machen, und dem Bedürfnis, ein Vorbild zu bleiben. Schließlich seufzte sie nur und wies den neuen Schülern die Türen zu den Schlafsälen.

»Und zeig ihnen ja die richtige Tür«, beschwor sie Ron, während sie die Erstklässler aufteilte.   

Ron machte den Mund auf, um ihr eine Bemerkung entgegenzuschleudern, als aus dem Schlafsaal der Jungen laute Stimmen zu hören waren. Die Erstklässler erschraken und ihr Knäuel zitterte nun wie ein gigantisches, verängstigtes Knuddelmuff.
 

»Hör auf, meine Mutter zu beleidigen!«
 

»Ich beleidige jeden, der mich einen Lügner nennt!«
 

»So redest du nicht mit mir!«
 

»Ich red mit dir, wie es mir passt!«
 

»Klingt nach Harry und Seamus«, bemerkte Ron trocken und spähte wachsam die von Fackeln beschienene Wendeltreppe hinauf. Hermine biss sich auf die Lippen. Sie schwankte zwischen der Sorge um ihren Freund und ihrer Pflicht als Vertrauensschülerin im Turm der Gryffindors für Ordnung und Ruhe zu sorgen. Dann, als müsste sie einen unangenehmen Gedanken verscheuchen, schüttelte sie den Kopf. Sie wies die Erstklässler dazu an, zu warten, und wollte sich eben an Ron vorbeizwängen, um dem Streit Einhalt zu verbieten. Doch Ron streckte einen Arm aus und versperrte ihr den Weg.
 

»Lass mal gut sein, Hermine«, sagte er, als sie den Mund öffnete. Er blickte die neuen Jungen auffordernd an. »Los, nun macht schon ihr Knirpse. Da oben ist nichts, was euch den Kopf abreißt … jedenfalls nicht unmittelbar.«
 

Nervös sahen sich die Jungen an, als bestünde noch die Hoffnung, dass vielleicht gar nicht sie gemeint waren, doch schließlich ergaben sie sich ihrem Schicksal und stiegen – immer noch mit sehr erschrockenen Mienen – die Wendeltreppe hinauf. Ron folgte ihnen murrend.
 

Hermine sah dem kleinen Tross kurz nach. Für einen Moment zögerte sie und überlegte, ob es nicht doch besser wäre, Ron zu folgen. Doch die Tür fiel bereits zu und wenig später klang auch die Auseinandersetzung zwischen Harry und Seamus ab. So scheuchte Hermine stattdessen die verängstigte Schar Mädchen die geschlungene Treppe zu ihren Schlafsälen hinauf.

Etwa auf der Hälfte der Wendeltreppe kam ihnen ein großer, orangeroter Kater entgegen, der gemächlich die Stufen herabstieg. Hermine blieb stehen.
 

»Wo willst du hin, Krummbein?«, fragte sie verwirrt. Auch Krummbein blieb stehen, blickte sie kurz mit seinen durchdringenden gelben Augen an, dann hob er seinen flaschenbürstengleichen Schwanz und marschierte erhobenen Kopfes davon. Hermine sah ihm nach. Sie hatte die Stirn gerunzelt. Doch bevor sie ihn zurückrufen konnte, war der buschige Katzenschwanz bereits aus der Tür gehuscht und verschwunden.

 

Krummbein lief durch den Gemeinschaftsraum und hüpfte geschickt durch das Porträtloch. Obwohl er nicht den Anschein machte, graziös oder gar flink zu sein, huschte der alte Kater meisterhaft wie ein Schatten durch die Schulkorridore, sprang auf Vorsprünge, zwängte sich durch angekippte Fenster und balancierte in schwindelerregenden Höhen auf den äußeren Zierleisten der Schlossmauern, während heulender Wind ihm um die Ohren fegte.

Schließlich erreichte er einen Fenstersims im fünften Stock. Leichtfüßig sprang er hinauf. Sofort spähten seine gelben Augen gierig durch ein sprossenbesetztes Bleiglasfenster in den dahinterliegenden Raum. Er lag nahezu im Dunklen; die Lichter waren gelöscht worden, lediglich im Kamin brannte noch – auf eine schwächliche Flamme reduziert – ein Feuer. Der Bewohner des Raums schlief. Krummbein entdeckte dessen Gestalt schemenhaft in einem großen Bett, die Hände hatte er auch im Schlaf noch um die Pyramide gelegt, deren Metall im Wiederschein des Kaminfeuers golden glänzte. Sie lag auf einem separaten Kissen; die schwere Eisenkette war um einen der stabilen Bettpfosten gewickelt worden. 
 

Krummbeins Augen glühten gefährlich, als sie das Schmuckstück fixierten. Sein eingedelltes Gesicht rückte näher an das Fenster heran, sodass seine flache Schnauze förmlich am Glas klebte. Wie besessen starrte er es an. Ein Knurren entwich seiner Kehle. Krummbein wusste, dass etwas mit diesem klobigen Anhänger nicht stimmte. Er hatte es gespürt. Etwas lebte in diesem Ding. Etwas, das in seinen Grundzügen an einen Menschen erinnerte, doch ganz bestimmt kein Mensch mehr war.

Ein Fleckchen Luft neben dem Bett flirrte. Es sah aus wie heißer, durchsichtiger Dampf, der die Konturen des dahinterstehenden Mobiliars seltsam verzog und ineinander verwischte. Krummbeins Knurren wurde lauter. Es war nun beinahe ein ausgewachsenes Fauchen. Er beobachtete, wie die verschwommene Luft – ähnlich flimmernd wie ein Hitzeschleier – durch das Zimmer schritt. Sie hatte in etwa die Form eines Menschen.

 

Dann – plötzlich und ohne Vorwarnung – durchbrach gleißende Helligkeit die Düsternis im Raum. Goldene Lichtstrahlen strömten in eigenartig gerade Bahnen aus einer achtlos auf einem Schreibtisch abgestellten Tasche hervor.

Die unsichtbare Gestalt blieb wie angewurzelt stehen. Krummbein spürte, dass sie ihr Augenmerk nun auf die Tasche richtete, und er tat es ebenso. Er fauchte. Sein Schwanz bauschte sich bedrohlich auf.

Das Licht brannte unaufhörlich. Es schien an Intensität zu gewinnen, denn die Schatten von umstehenden Gegenständen wurden länger und dunkler. Dann erreichte es die unsichtbare Person und seine Konturen schienen sich jäh zu schärfen. Die Luft war nicht länger formlos, sondern nahm nun die Gestalt eines Menschen an, der zwar durchsichtig und gläsern war, doch stetig an festeren Umrissen gewann. Schließlich stand der Geist eines jungen Mannes im Raum, der immer noch starr auf die Tasche blickte, die blutroten Augen voller Argwohn zu gefährlichen Schlitzen verengt. Im Grunde, so fand Krummbein, sah er genauso aus wie jener Mensch, der im Bett lag, auch wenn diverse Feinheiten vielleicht nicht stimmten. Doch was Krummbein am meisten interessierte, war ein langer, unübersehbarer Kratzer auf dem Arm des Geistes, der im Lichtschein scharf hervortrat. Krummbein fauchte inbrünstig. Seine gelben Augen leuchteten genauso eindringlich wie das grelle Licht und schließlich schlug er mit krallengewetzten Pfoten angriffslustig gegen das Fensterglas. 

Der Geist, der bisher wie in Trance nur auf die Quelle des Lichts geachtet hatte, merkte auf. Langsam drehte er den Kopf zum Fenster herum. Seine unheimlichen Augen wurden noch schmaler, als sie auf Krummbein trafen. Für einen Augenblick starrten Geist und Kater einander unverhohlen feindselig an.

Plötzlich schien dem Geist jedoch ein Gedanke zu durchfahren. Und es musste ein für ihn absolut entsetzlicher Gedanke gewesen sein. Denn er erschrak. Er hob die Hände und starrte sie mit einer Spur Nervosität an, als stimmte mit ihnen etwas nicht, er sich allerdings nicht imstande sah, zu begreifen, was es war.
 

Dann – so unerklärlich wie es aufgetreten war – erstarb das Lichtspektakel wieder. Es löste sich auf und hinterließ nichts als eine undurchdringliche Finsternis. Und dort, wo eben noch der Geist gestanden hatte, blieb nichts als verschwommen wabernde Luft zurück.

 
 

*

 

Am nächsten Morgen erwachte Yugi von einem unerklärlichen Gefühl wachsender Unruhe, das sich unaufhörlich durch seine Gedanken fraß. Er blieb liegen, hielt die Augen geschlossen, während er versuchte, dem beklemmenden Gefühl auf den Grund zu gehen. Er wusste, dass er eigentlich nervös hätte sein müssen. Schließlich gab es genug Gründe dafür. Die unheilverkündende Rede von Professor Umbridge, die einen Krieg deklariert hatte; die Warnung des sprechenden Hutes, die weder er noch Atemu nachvollziehen konnten; und nicht zuletzt der bevorstehende erste Schultag. Doch seltsamerweise machte ihm nichts davon nervös oder bereitete ihm gar Angst. Er hatte schon in schlimmeren Debakeln gesteckt als einem politischen Scharmützel und unbequemen Fragen; Warnungen über den bevorstehenden Weltuntergang hatten einst sogar mal auf der Tagesordnung seines Lebens gestanden und was den Unterricht betraf, so war er darauf einigermaßen vorbereitet.
 

Was also kratzte ihn so auf?
 

Natürlich war da immer noch sein Vorhaben, Atemu zu befreien, welches wie eine dunkle Wolke über ihm schwebte. So sehr er sich auch wünschte, einen Weg zu finden, um das Siegel vom Millenniumspuzzle zu lösen, Yugi wusste, was die Konsequenzen waren. Wenn es ihm gelang, den Bann zu brechen, dann würde er seinen engsten Freund verlieren.

Bei dem Gedanken wurde Yugi ganz flau im Magen und etwas schnürte ihm unangenehm die Kehle zu. Er machte sich nichts vor. Sobald der Zauberbann gelöst war, würde Atemu diese Welt verlassen. Seitdem der Geist des Millenniumspuzzles seine Erinnerungen zurückgewonnen hatte, wusste Yugi, dass dieser sich stillschweigend nach nichts mehr sehnte, als in das Reich der Toten einzukehren. Und Yugi wollte ihm diesen Wunsch um jeden Preis erfüllen – auch wenn das bedeutete, dass sie danach für immer getrennte Wege gingen.
 

Yugi kniff die Augen fester zusammen. Er wollte jetzt noch nicht daran denken, wie es sein würde, wenn Atemu nicht mehr bei ihm war. Denn noch war es nicht so weit. Noch war Atemu …
 

Yugi öffnete die Augen. Schlagartig hatte er begriffen, dass es nicht sein Gefühl der Unruhe gewesen war, dass ihn geweckt hatte.

Langsam setzte er sich auf und blickte sich verschlafen im Raum um. Es dauerte nicht lange, bis er Atemu entdeckte. Er saß auf einem prächtigen Lehnstuhl, hatte die Beine übereinanderschlagen und einen Arm ausgestreckt, um mit den Fingern in einem nervenaufreibenden Takt gegen die Oberfläche eines nahestehenden Schreibtischs zu schlagen. Sein Gesicht war eine steinerne Maske, doch Yugi war sich sehr sicher, dass er über etwas nachdachte. Er blickte starr durch ein Bleiglasfenster hinauf in den Himmel, der ein Paradebeispiel englischen Wetters war. Dicke, fast pechschwarze Wolken zogen über das Schloss und seine Ländereien hinweg; fette Regentropfen peitschten unbeständig gegen die Glasscheibe und von der Sonne war nicht eine Spur zu sehen, sodass es unmöglich war, zu sagen, ob es noch Nacht oder bereits Tag war.
 

»Morgen«, gähnte Yugi und rieb sich über die Augen.

 

Atemu hielt sofort inne. Seine Finger gefroren inmitten der Bewegung.
 

»Es tut mir leid, dass ich dich geweckt habe.« Er drehte sich nicht um. Stur blickte er in den unwettergezeichneten Himmel, die Augen seltsam distanziert, als würde er das schlechte Wetter gar nicht registrieren, womit er sämtliche Anzeichen eines tiefgrübelnden Pharaos einwandfrei erfüllte.

 

»Stimmt etwas nicht?«, fragte Yugi besorgt und jäh schien sich die gesamte Geistergestalt seines anderen Ichs zu versteifen.
 

»Es …«, begann er, offensichtlich mit sich selbst ringend. Ein merkwürdiger, widerstrebender Ausdruck huschte über seine Gesichtszüge. Nach einer Weile schloss er matt: »Es ist nichts.«
 

Yugi öffnete den Mund, doch bevor er eine Frage formulieren konnte, schüttelte Atemu den Kopf.
 

»Es ist nichts«, beharrte er und sogar ein Anflug eines Lächelns kämpfte sich auf seine Gesichtszüge, als er den Kopf zu Yugi drehte. Es war kein echtes Lächeln. Es war nur der Schatten eines Lächelns, seltsam verkrampft und erzwungen.

Dennoch gab sich Yugi damit zufrieden. Sie waren schon vor geraumer Zeit zu der Übereinkunft gekommen, nicht auf Antworten zu drängen, wenn der andere einfach noch nicht bereit war, sie freiwillig zu geben. Das war ihre Art der Freundschaft. Und es war der Aspekt, der sie gleichermaßen so besonders machte.
 

»Gut«, sagte Yugi. Auch er probierte, ein Lächeln zustande zu bringen, doch es wollte auch ihm nicht gelingen. Schließlich gab er es auf, lehnte sich stattdessen vor, um das Millenniumspuzzle vom Bettpfosten zu lösen und stülpte sich die Kette über den Kopf. Rasch zog er sich an, wobei er den eigentümlichen Zaubererumhang absichtlich vergaß, und stellte sich neben den Geist, um ebenfalls aus dem Fenster zu sehen. Sein erster Eindruck hatte ihn nicht getäuscht. Draußen herrschte wirklich verdammt mieses Wetter. Der Himmel war bedeckt von schweren, tiefhängenden Gewitterwolken, die den Anschein machten, als würde etwas in ihnen brodeln und überkochen. Über das Land zogen unbeständige Regenschauer und die Baumkronen eines in der Nähe liegenden Waldes schüttelte es in einem brausenden Wind.
 

Yugi verzog ein wenig das Gesicht. »Sieht nach einem hässlichen Unwetter aus.«

 

»Ein Unwetter, ja«, bemerkte der Pharao nachdenklich, »Oder aber die Ruhe vor dem Sturm.«

 

»Was?« Verdutzt war Yugi zu dem Geist herumgefahren. Dessen Mimik war absolut unlesbar. Außerdem schien er, nun, da Yugi ihn zum ersten Mal aus der Nähe sah, ziemlich erschöpft zu sein. Unter seinen Augen lagen dunkle Schatten und obwohl sein Teint immer noch die übliche sonnengebräunte Färbung hatte, wirkte er blass. Tatsächlich sah er irgendwie kränklich aus.

Yugi wusste natürlich, dass das unmöglich war. Atemu war tot und immun gegen Krankheiten. Das hatten sie bereits vor geraumer Zeit festgestellt, als Yugi sich eine recht hartnäckige Erkältung eingefangen hatte, sich mit Schnupfen, Heiserkeit und Fieber hatte herumplagen müssen, wohingegen sein anderes Ich sich bester Gesundheit erfreut hatte – abgesehen natürlich von dem Umstand, dass dieser nicht mehr am Leben war.

Trotzdem erweckte Atemu nun den Eindruck, als müsste er sich mit den Folgen einer hässlichen Erkältung herumschlagen. Yugi fragte sich automatisch, ob der Katzenkratzer vom Vortag ihn vielleicht irgendwie infiziert hatte. Gab es magische Krankheiten? Gab es so eine Art Geistergrippe, die einen nur befiel, wenn man schon tot war? Wenn ja, was passierte, wenn man sie sich einfing? Und konnte man es heilen?  

 

Ein Muskel in Yugis Hand zuckte. Er hob sie, dazu bereit, sie an Atemus Stirn zu halten, um zu überprüfen, ob er Fieber hatte. Doch auf halben Weg hielt er plötzlich inne. Atemu war ein Geist und Yugi konnte ihn nicht berühren – jedenfalls nicht in der wirklichen Welt. Seine Hand würde bloß schnurstracks durch ihn hindurchgleiten, was erfahrungsgemäß ein verdammt unangenehmes Gefühl für sie beide war. Außerdem würde er es niemals zulassen, dass Yugi ihn bemutterte. Er ließ die Hand wieder sinken, sah Atemu aber weiterhin skeptisch an.
 

»Warst du die ganze Nacht auf?«, fragte er schließlich. Vielleicht war der Geist einfach übernächtigt.
 

Atemu schnaubte amüsiert.

»Ich bin tot, Partner.« Er drehte den Kopf und blickte Yugi an. Seine Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. Einem echten Lächeln. Die Müdigkeit schien von ihm abzufallen. »Ich brauche keinen Schlaf.«
 

»Aber du kannst dich ausruhen«, entgegnete Yugi strikt, erwiderte aber das Lächeln. Das war es also gewesen. Atemu hatte sich einfach überanstrengt. Vermutlich hatte er die ganze Nacht gegrübelt; verschiedene Dinge mit sich selbst beraten oder irgendwelche Thesen gedanklich erörtert. Der Geist des Puzzles war so und es machte keinen Sinn, ihn in dieser Hinsicht noch einmal zu belehren. Da war er einfach ein königlicher Sturkopf.
 

Yugi trat vom Fenster weg und ging hinüber zum Schreibtisch. Da seine Sorgen hinsichtlich Atemu halbwegs zerstreut waren – sie köchelten nur noch unterschwellig in seinem Unterbewusstsein vor sich hin – konnte er sich auf den kommenden Tag konzentrieren. Er nahm sein Handy, prüfte es und stellte fest, dass es immer noch spann, und legte es wieder beiseite, um sich stattdessen dem beeindruckenden Stapel Pergamente zu widmen, der auf dem Schreibtisch lag. Gestern war er einfach zu erschöpft gewesen, um sich damit zu beschäftigen.

Ganz zuoberst fand er einen Stundenplan, den er flüchtig durchging. Heute hatte er nur zwei Klassen zu unterrichten: Zunächst eine fünfte Klasse und danach die Zweitklässler. Der Rest des Tages, was den gesamten Nachmittagsblock umfasste, war frei.

Neben dem Stundenplan entdeckte er auch die von Professor McGonagall angesprochenen Namenslisten. Er suchte sich die heraus, die er heute brauchte, und steckte sie zusammen mit dem Stundenplan in die Tasche mit den Millenniumsgegenständen. Die restlichen Listen legte er beiseite.

Übriggeblieben war nun ein insignifikant kleinerer Stapel aus Blättern: Aufzeichnungen bisher im Unterricht behandelter Themen.

 

Gemeinsam gingen Yugi und der Geist die Unterlagen durch. Sie entdeckten Aufzeichnungen zu Riesenkriegen, Koboldaufständen, Vertreibungen von Vampiren und eine wirklich spannende Darstellung der mittelalterlichen Hexenjagden. Nach einer Weile jedoch nagte an Yugi ein ungutes Gefühl. Besorgt biss er sich auf die Lippe.

 

»Du glaubst doch nicht, dass wir das alles wissen müssen, oder?«
 

»Das bezweifle ich«, entgegnete Atemu, während er die Abschrift einer Zusammenkunft der Internationalen Zauberervereinigung studierte. »Das dürfte lediglich zur Information über den aktuellen Wissensstand der einzelnen Klassen dienen. Hat Dumbledore nicht gesagt, einige Schüler hätten dieses Jahr Prüfungen? Vermutlich sind diese Unterlagen dazu da, sie den Schülern zur Verfügung zu stellen, sollten sie Fragen zu gewissen Themen haben, die du nicht beantworten kannst.«
 

»Gut«, sagte Yugi erleichtert, der gerade eine besonders abstoßende Zusammenfassung zur Ausrottung der Werwolfbestände von 1034 gelesen hatte.
 

In diesem Moment gab es einen ohrenbetäubenden Knall.

 

Yugi erschrak. Er ließ das Pergament fallen, dann wirbelte er herum. Neben ihm sprang der Pharao auf. Alarmiert suchte er das Zimmer nach dem Ursprung des Geräuschs ab. Er stockte plötzlich und seine Augen verengten sich argwöhnisch.
 

»Verzeihen Sie die Störung, Sir«, quiekte eine hohe, piepsige Stimme und ein Etwas – Yugi fiel kein besserer Ausdruck ein – verbeugte sich tief vor ihm. Es war gut halb so groß wie ein Mensch, dürr und knorrig und seine Haut hatte die Farbe vergilbten Papiers. Riesige, fledermausähnliche Ohren standen von einem grotesk winzigen Kopf ab, auf dem kein einziges Haar wuchs. Und seine Augen waren groß wie Tennisbälle und leuchtend grün. Was auch immer dort vor ihm stand, es war ohne Zweifel ein magisches Geschöpf.

Doch noch seltsamer als das Wesen an sich war die Kleidung, die es anhatte. Es hatte sich in einen eingelaufenen, kastanienbraunen Pullover mit einem darauf gestickten ‚R’ gezwängt, trug dazu eine unpassende Fußballhose und seine Füße steckten in mehreren Paaren nicht zusammenpassender Socken.

Irgendwie erinnerte Yugi das Wesen an eine eigentümliche Karikatur eines Duel Monsters.
 

»Was bist du?«, rutschte es ihm unwillkürlich heraus. Jede Spur von Höflichkeit vergessen.    

 

»Mein Name ist Dobby, Sir. Und Dobby ist ein Hauself, Sir.«

 

»Ein was?«, fragte Yugi verblüfft, während Atemu eine Augenbraue in die Höhe zog.
 

»Ein Hauself, Sir«, antwortete Dobby und nickte eifrig mit dem Kopf, »Wir Hauselfen arbeiten hier im Schloss, Sir. Wir kümmern uns um viele Dinge. Wir sorgen dafür, dass die Feuer in den Kaminen brennen; wir waschen Wäsche, leeren die Papierkörbe, putzen die Böden und die Fenster und kochen unten in der Schlossküche für Schüler und Lehrer. Professor Dumbledore hat Dobby persönlich eingestellt und Dobby ist hier, weil Professor Dumbledore ihn gebeten hat, Ihnen etwas zu übergeben.«

 

Der Elf zog etwas unter dem Kragen seines Pullovers hervor und hob es darbietend hoch, wobei er sich erneut eifrig verneigte. Es war eine Pergamentrolle.

 

»Sei vorsichtig, Partner«, warnte Atemu und Yugi nickte unmerklich. Dann tat er einen Schritt auf Dobby zu und nahm ihm die Botschaft ab. Er brach das Siegel auf. Dumbledores feine, geschwungene Handschrift erkannte er sofort.
 

Lieber Yugi,
 

Ich hoffe doch sehr, Sie mit diesem morgendlichen Überfall nicht aus ihrem wohlverdienten Schlaf zu reißen und entschuldige mich zutiefst, sollte ich Sie geweckt haben. Doch leider erwies sich nur die Morgendämmerung als eine halbwegs verlässliche Uhrzeit, um Informationen sicher und unbemerkt zu übermitteln. Wie ich Ihnen bereits am gestrigen Abend mitteilen musste, ist es zurzeit sehr schwierig, vertrauliche Gespräche zu führen. Und ich kann gar nicht ausreichend in Worte fassen, wie wichtig es ist, ein vertrauliches Gespräch zu führen – und das möglichst bald. 

Glücklicherweise waren Professor McGonagall und meine Wenigkeit in der Lage, einen geeigneten Zeitpunkt zu finden, zu welchem wir uns ungestört unter sechs Augen unterhalten können. Sollte es Ihnen passen, würde ich Sie bitten, sich nach Beginn des Nachmittagsblocks in meinem Büro einzufinden. Ich werde dann mein Versprechen halten und Sie über die aktuellen Entwicklungen in der magischen Welt in Kenntnis setzen, so unbehaglich und unbequem diese auch sein mögen.

Bitte geben Sie Dobby Bescheid, ob Sie den Termin wahrnehmen können. Er wird mir Ihre Botschaft vollkommen vertraulich übermitteln.
 

Mit herzlichem Gruß,

Albus Dumbledore

 

PS: Sofern Sie es wünschen, wird sich Dobby sicherlich auch bereit erklären, Ihnen den Weg zu meinem Büro zu zeigen.
 

Yugi hatte den Brief so gehalten, dass auch Atemu ihn hatte lesen können, und beobachtete dessen Reaktion. Der Geist las ihn sehr aufmerksam. Yugi bemerkte, wie er misstrauisch jedes Wort ganz genau abwog, seine Augen dabei immer schmaler wurden und sich zwischen seinen Augenbrauen eine tiefe Falte grub. Schließlich gab er seine Zustimmung.
 

»Es dürfte wichtig sein, zu verstehen, was genau sich in der magischen Welt abspielt – nun, da wir bereits Bestandteil von ihr sind und eine gewisse Aufmerksamkeit auf uns gezogen haben. Und wir müssen natürlich herausfinden, inwieweit du dich dadurch in Gefahr befindest.«
 

Yugi nickte vorsichtig, ehe er sich an den Hauselfen wandte: »Anou … Dobby?«
 

»Ja, Sir?«, quiekte der Elf und spitzte aufmerksam die Ohren.

 

»Könntest du Professor Dumbledore bitte ausrichten, dass ich … anou … einverstanden bin und mich gerne mit ihm unterhalten würde?«

 

»Natürlich, Sir. Oh, Professor Dumbledore wird sich freuen, dass zu hören, Sir.«
 

»Und …« Yugi spähte auf das Postskriptum der Nachricht. »Wäre es möglich, dass du mir dann den Weg zeigst. Ich fürchte, dass ich mich in diesem Schloss nicht genug auskenne und mich nur verlaufe, wenn ich das Büro alleine suche.«
 

Dobby strahlte nun über das ganze, runzlige Gesicht. »Es wäre mir eine Freude, Sir. Dobby wird Sie sehr gerne zum Büro bringen, denn Dobby kennt sich vortrefflich in Hogwarts aus.« Erneut machte Dobby eine tiefe Verbeugung. »Wenn es Ihnen recht ist, dann holt Sie Dobby nach dem Unterricht ab, Sir.«

 

»Ja, gern«, sagte Yugi, deutlich überfahren von so viel offen dargebotener Unterwürfigkeit.
 

»Sehr wohl, Sir. Dobby freut sich bereits darauf und es war ihm bereits jetzt eine Freude, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, Sir. Auf Wiedersehen.«

 

Und mit einem weiteren lauten Knall disapparierte der Hauself.

 
 

*

 

Harry konnte sich nicht daran erinnern, jemals Schüler vor dem Klassenzimmer für Zaubereigeschichte Schlange stehen gesehen zu haben. Niemand von ihnen war jemals besonders erpicht darauf gewesen, Professor Binns zuzuhören, denn er hatte es noch in jeder Unterrichtsstunde allein durch den Einsatz seiner pfeifenden und eintönigen Stimme geschafft, binnen fünf Minuten eine gesamte Klasse in einen komatösen Zustand zu versetzen. Tatsächlich konnte sich Harry nur an eine einzige Stunde Zaubereigeschichte erinnern, in der er nicht gegen seine Müdigkeit angekämpft oder mit Ron Galgenmännchen gespielt hatte. Damals hatte Binns ihnen – und das auch nur unter dem eifrigen Drängen der gesamten Klasse – die Legende von der Kammer des Schreckens erzählt.

Heute jedoch, am ersten Schultag, hatte sich bereits eine beachtliche Ansammlung ihrer Mitschüler vor dem Klassenzimmer für Geschichte der Zauberei eingefunden, als Harry, Ron und Hermine in den Korridor im ersten Stock traten. Ron, der immer noch mit ihrem Stundenplan haderte und ihn ungläubig in der Hand schüttelte, als würden sich dadurch die Fächer an ihrem besonders grausigen Montag – Geschichte der Zauberei, Zaubertränke, Wahrsagen und Verteidigung gegen die dunklen Künste – austauschen, stutzte.
 

»Was’n hier los?«, fragte er baff und machte ein verwirrtes Gesicht. Er blickte sich um, als glaubte er, sie seien falsch abgebogen.

 

Hermine rollte mit den Augen.

»Nun, ist das nicht klar?«, fragte sie scharf. Als jedoch Harry und Ron sie lediglich verständnislos ansahen, tat sie einem besonders langen und beruhigenden Atemzug.

»Binns hat Geschichte der Zauberei schon ewig unterrichtet. Mindestens die letzten fünfzig Jahre, aber möglicherweise noch länger«, erklärte sie sachlich, »Ich wette, die Leute sind einfach neugierig darauf, ob sich nun am Unterricht etwas ändert. Binns hatte für jeden Jahrgang den gleichen Lehrplan.«
 

Harry konnte sich den Hoffnungen seiner Mitschüler nur anschließen. Binns Unterricht war totlangweilig gewesen. Begeistert lauschten sie den regen Spekulationen. Ernie Macmillian, ein großspuriger Junge aus Hufflepuff, kündigte an, dass er es vorzöge, die Riesenkriege und Koboldaufstände weiterhin zu behandeln. Binns hätte schließlich prüfungsrelevante Dinge behandelt. Und streng genommen war alles davon sehr interessant gewesen. Er war – wie Ron und Hermine – Vertrauensschüler und bemühte sich deswegen, eine möglichst pflichtbewusste Haltung einzunehmen. Doch Harry erinnerte sich daran, dass auch er jedes Mal mit glasigen Augen aus dem Fenster gestarrt hatte, anstatt sich auf Binns zu konzentrieren. Andere gaben sich direkter. Die Ravenclaws hofften darauf, alle Aspekte der Geschichte zu behandeln – nicht nur die, der magischen Welt, was die Slytherins heftig johlen und buhen ließ.

 

»Hauptsache, es wird nicht so ätzend wie bei Binns«, verkündete Dean Thomas lauthals und Seamus Finnigan, beide aus Gryffindor,  stimmte ihm zu, verzog allerdings grimmig das Gesicht, als er bemerkte, dass Harry ihn ansah. Er drehte sich verärgert weg.

Harry spürte den Zorn in sich lodern. Er wollte Seamus anbrüllen. Ihm erneut seine Meinung an den Kopf schleudern. Er hatte bereits den Mund geöffnet und eine schneidende Bemerkung beinahe formuliert, als Ron ihm eine Hand auf die Schulter legte.
 

»Reg dich ab, Mann«, sagte er beschwichtigend. Harry sah auch ihn kurz zornfunkelnd an, dann jedoch schien die Wut kurzerhand aus ihm zu weichen, als hätte jemand plötzlich ein Ventil aufgedreht.
 

»Ja, schon gut«, murrte er und blickte sich, in der Hoffnung eine Ablenkung zu finden, um. Er sah, wie zwei Personen eine nahegelegene Treppe emporstiegen, und er stieß Ron und Hermine an, um ihre Aufmerksamkeit darauf zu lenken. 

 

Professor Umbridge und Professor Mutou waren eine eigenartige Kombination. Obwohl beide recht klein waren, schien es dennoch unmöglich, auch nur einen von ihnen zu übersehen. Professor Umbridge hatte sich erneut in ihre rosafarbene Strickjacke gezwängt und trug abermals den Haarreifen mit der schwarzen Samtschleife. Professor Mutou sah immer noch aus wie ein durchgeknallter Muggelpunk, der sich eine goldene Pyramide um den Hals gehängt hatte, die bei jedem Schritt gegen seine Brust schlug.

 

»Es ist wirklich bedauerlich«, seufzte Professor Umbridge. Sie hatte ihren Blick auf eine Seite Pergament gerichtet. »Aber wie ich feststellen muss, sehe ich keine Gelegenheit, zu der wir uns vernünftig unterhalten können.« Sie runzelte die Stirn und ihre Krötenaugen wurden schmaler, während sie das Blatt studierte. »Es scheint mir beinahe so, als überschnitten sich keine unserer Freistunden. Wirklich sehr eigenartig.«
 

Sie reichte Professor Mutou das Papier, der es zurück in seine Tasche steckte. Etwas darin schepperte leise, doch Professor Umbridge schien es nicht zu hören. Ihr abscheuliches Lächeln wurde breiter. 
 

»Nun, da es so nicht klappt, was halten Sie davon, wenn ich Sie stattdessen zum Tee einlade?«
 

»Zum Tee?«, fragte Professor Mutou perplex.
 

»Ja, ein klassischer Fünf-Uhr-Tee würde ich vorschlagen. Und nebenbei könnten wir uns dann gemütlich und ungestört über Ihren beeindruckenden Werdegang unterhalten.«
 

Harry bildete es sich vielleicht ein, doch er glaubte zu sehen, dass Professor Mutou deutlich blasser wurde. Er sah sich verstohlen um, als suchte er nach einem Ausweg aus einer sehr unangenehmen Situation. Eine Weile schien er sogar unfähig, etwas zu erwidern. Dann aber seufzte er ergeben, setzte ein gezwungenes Lächeln auf und antwortete: »Gerne.«
 

»Vortrefflich«, sagte Professor Umbridge, »Wie wäre es am Freitag um fünf?«
 

Professor Mutou bestätigte den Termin und Professor Umbridge marschierte zufrieden davon, nachdem sie sich rasch verabschiedet hatte. Ihr Lächeln hätte kaum grässlicher sein können. Professor Mutou wartete, bis sie um eine Ecke gebogen war, dann murmelte er etwas in einer Sprache, die Harry nicht verstand. Es klang wie eine Frage und tatsächlich schien er sogar auf eine Antwort zu warten, denn eine Weile lang sagte er nichts.

 

Harry blickte fragend zu Hermine. Sie hatte leicht die Stirn gerunzelt.
 

»Verstehst du, was er sagt?«, fragte Harry sie neugierig. Doch Hermine schüttelte den Kopf.
 

»Weißt du wenigstens, welche Sprache das ist?«, wollte Ron wissen, was ihm einen erzürnten Blick von Hermine einbrachte.
 

»Warum glaubt ihr zwei eigentlich immer, dass ich alles weiß?«

 

»Weil du nun mal alles weißt«, beharrte Ron nachdrücklich, »Wenn du mal etwas nicht weißt, dann ist das … komplett seltsam.« Es schüttelte ihn. Hermine machte ein Gesicht, als wüsste sie nicht recht, ob sie wegen der Bemerkung nun beleidigt oder verlegen sein sollte.
 

»Nein, ich kenne die Sprache nicht«, sagte sie schließlich, »Es ist jedenfalls nichts, was wir in Alte Runen gelernt haben.«

 

Harry spürte, wie ein Kloß Enttäuschung in seinen Magen sank. Er hätte wirklich gerne gewusst, was Professor Mutou sich selbst zugemurmelt hatte. Allerdings schien eben jene Debatte ohnehin soeben ein Ende gefunden zu haben. Er verstummte, als er die wartenden Schüler bemerkte, und sah sie der Reihe nach an. Dann rieb er sich verlegen über den Nacken, wo er ein mit Nieten besetztes Lederhalsband trug.
 

»Sieht so aus, als würden alle auf mich warten. Gomen nasai.«
 

*

-------

 

*) Auszug aus Dolores Umbridge’s Rede aus Harry Potter und der Orden des Phönix, S. 252

 
 

*

 

AN: Bitte Nachwort beachten. Danke.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Meine Fresse!

Das nenn ich mal ein überlanges Kapitel. Puh, ey, ich bin echt froh, dass ich es endlich hinter mir habe. Es war nervenaufreibend – vor allem da es mich wirklich etliche Überlegungen gekostet hat, wie ich nun meine Basiskonflikte aufbaue. Denn dieses Kapitel ist essentiell in dieser Hinsicht. Es fasst bisher wichtige Knackpunkte noch einmal zusammen und streut auch ein paar neue »Konflikte« (Ich mag das Wort an dieser Stelle aufgrund seiner negativen Assoziation nicht, allerdings fällt mir kein besseres ein) ein. Zu viele, wie ich zugeben muss. Ich hätte das vielleicht doch nicht alles in ein Kapitel packen sollen … Jedenfalls bin ich daraufhin hin nochmal alle bisher eingebauten Anspielungen für brodelnde Konflikte, mit denen sich diese FF beschäftigen wird, durchgegangen und komme bereits auf 8 – 9, wobei nur 3 dem wirklichen HP-Setting entstammen.
Möchte zufällig jemand raten, welche nicht original HP sind?
Wer sie alle findet, bekommt einen immateriellen Keks von mir. :P

Wie dem auch sei, zurück zu dem Kapitel … Wie ihr sicherlich schon bemerkt habt: Es ist verdammt lang. Es ist, glaube ich, das längste Kapitel, das ich jemals geschrieben habe. Und natürlich habe ich überlegt, es aufzuteilen, weil es schlichtweg zu viel ist. Allerdings habe ich einfach keinen geeigneten Punkt gefunden. Ich hätte es natürlich nach der Krummbein-Szene aufteilen können – von der Länge wäre es ideal gewesen und eigentlich auch ein guter Abschluss. Aber irgendwie hat sich das falsch angefühlt … es hätte einfach die darauffolgende Szene und Grübelei zu sehr aus dem Kontext gerissen …
Was denkt ihr?
Soll ich das Kapitel noch mal aufsplitten?

Und bevor ihr euch nun zu sehr auf Yugis erste Unterrichtsstunde freut …ich werde sie voraussichtlich nicht schreiben. Es macht in meinen Augen keinen Sinn, weil vieles eine Wiederholung von bereits gefallenen Bemerkungen wäre und dazu noch absolut irrelevant für den Plot. Natürlich bekommt ihr eine Zusammenfassung dessen, was Yugi nun eigentlich geplant hat. Und im Laufe der Geschichte werden wir natürlich auch noch in den Unterricht eintauchen – ab einen bestimmten Punkt wird es sogar sehr wichtig für die Geschichte – doch jetzt ist es einfach nicht nötig und würde den Settingaufbau unnötig aufblähen. Hat jemand Einwände dagegen? Möchte jemand unbedingt die erste Stunde als komplette Handlung ausgebaut haben? Falls ja, werde ich mir noch einmal Gedanken darum machen … ansonsten bleibe ich bei meinem Plan. :P

Sonstige Anmerkungen zu diversen Bemerkungen im Kapitel, die ich noch schnell loswerden möchte:

- Ich liebe die Tatsache, dass Yugi im Manga ein unglaublich schlechter Schüler war (Platz 372 von 400). »Book-Dumb« trifft auf ihn wirklich gut zu.
- Genauso mochte ich Yugis Mutter (ja, Anime-Schauer, sie existiert und ist am Leben) und den Einsatz ihrer Suppenkelle, um Yugi Verstand einzubläuen.
- Mahoutokoro ist tatsächlich die japanische Schule für Hexerei und Zauberei aus dem Harry Potter Universum und gehört zu den elf größten Zauberschulen. Dort tragen die Schüler Umhänge, die wie Karate-Gürtel ihre Farbe ändern, wenn sich die schulische Leistung verbessert
- Ich bin mir nicht sicher, ob Geschichte der Zauberei im Hausverband oder Jahrgangsverband unterrichtet wird. Ich meine fast, es wäre Hausverband – aber ich greife hier auf künstlerische Freiheit zurück und lass den Unterricht im Jahrgangsverband stattfinden.

So, ich glaube, dass war’s von meiner Seite. Ich entschuldige mich für alle Rechtschreibfehler, Grammatikschnitzer und Wörter, die sich unter Tarnumhängen verstecken (Danke, HathorCat!), … es war mir einfach zu lang, um es noch mal in jedem Detail betazulesen. Wem also etwas auffällt, habt bitte keine Scheu, es mir mitzuteilen. Ich beiße nicht … hab zurzeit sowieso Zahnschmerzen.
Ansonsten war es das von meiner Seite aus. Ich danke all meinen treuen Lesern, Favoritennehmern und Reviewschreibern für ihre grandiose Unterstützung und hoffe, wir lesen uns wieder – mit etwas Pech allerdings erst im neuen Jahr. Ich verpulvere grade meinen gesamten Resturlaub, um ungestört »Pokémon Sonne und Mond« zu spielen, wenn es erscheint …
Ach apropos, weil das auch im November rauskommt, freut sich noch jemand auf »Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind«?
Der Trailer sah ja echt geil aus und ich mag Newt jetzt schon.

Das war’s jetzt aber. Bis denne!

(Langes Kapitel = langes Nachwort) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  dracoxharry
2017-01-03T13:38:17+00:00 03.01.2017 14:38
Hi,

Ich habe deine Story gerade gefunden und alle Kapitel in einem Rutsch durchgelesen :)
Ich war erst etwas skeptisch. Ich habe noch keine Harry Potter / Yu-Gi-Oh fanfiction bisher gelesen und ich finde es total spannend! Du hast die Charaktere sehr gut getroffen und durch die detaillierte Beschreibung der Umgebung wirkt alles total gut durchdacht! Ich bin gespannt ob Yugi seind erste Unterrichtsstunde gut übersteht und wie das treffen mit Umbridge verläuft. Und was hat es mit Krumbeins Reaktion auf das Puzzle auf sich?
Ich freue mich schon auf dein nächstes Kapitel!

Liebe Grüße
DracoxHarry


Antwort von:  Maclilly
12.03.2017 12:12
Hallo,

ich weiß, ich melde mich ziemlich spät, aber ich wollte dir noch herzlich danken. Ich freue mich sehr, dass du dich an diese Geschichte gewagt hast, obwohl du skeptisch warst. Ich persönlich habe längst keine Zweifel mehr, dass diese beiden Fandoms zusammengehören, aber ich kann verstehen, wenn man am Anfang zögert. Auch bin ich megahappy darüber, dass es dir bis dahin gefallen hat. Ich hoffen, du findest auch in Zukunft Gefallen an dieser Geschichte.

Liebe Grüße,
Maclilly
Von:  Votani
2016-11-22T18:14:55+00:00 22.11.2016 19:14
Ist mal wieder ein tolles Kapitel geworden. Durch die vielen kleinen Details (wie die Beschreibung der Professoren, Umgebungsbeschreibungen etc.) hauchst du der Geschichte wirklich Leben ein und alles wirkt lebending und authentisch. Es macht immer wieder Spass weiterzulesen!
Fast schon nett - und wahrscheinlich auch in Dumbledores Sinne -, dass er und McGonnagal Umbridge von Yugi fernhalten. Sie kann aber auch nervig sind und scheinbar ist sie bei Yugi auch auf der richtigen Spur. Jedenfalls wird das eine interessante Unterhaltung, wenn er bei ihr zum Tee ist. XD
Krumbeins Szene hat mir am besten gefallen und es ist das Raetsel, auf das ich meisten gespannt bin. Jedenfalls hat es einige Fragen aufgeworfen, als Atemu kurzzeitig "sichtbar" gewesen ist!
Ob du den Unterricht zeigst oder nicht ist natuerlich deine Sache. Ich verstehe auch, was dagegen sprichst, weswegen du dir da nicht reinreden lassen solltest. Du kriegst das schon perfekt hin, da bin ich mir sicher. Ich freu mich aufs naechste Kapitel und lass es diesmal bei einem etwas kuerzeren Kommentar, obwohl das Kapitel unheimlich lang (und gut) geworden ist. Und viel Spass beim Pokemon zocken. ;) Weisst du schon, welche Edition du spielen wirst?
Antwort von:  Maclilly
26.12.2016 14:24
Huhu!
OMG, sorry, dass ich dir jetzt erst auf dein Kommi antworte. Gelesen habe ich es schon vor Ewigkeiten, aber irgendwie ... Jedenfalls danke ich dir von ganzen Herzen für deine Rückmeldung. :D
Es freut mich, dass dir das Kapitel gefallen hat.
Ja, sicherlich ist es ratsam, Umbridge auf Abstand zu Yugi zu halten ... wobei das im Endeffekt wohl besonders für Umbridge gut ist (was sie natürlich nicht weiß. :P)
Hihi ... ja, warum war Atemu sichtbar? Puh, mal gucken, was ihr zu der Erklärung sagen werdet, wenn ich sie raushaue. Aber bis dahin fließt noch viel Wasser den Nil entlang. Das ist schließlich einer der wichtigsten Plotpunkte in meiner FF ... vielleicht sogar der Kernhandlungspunkt. :)
Danke für deine Meinung zum Unterricht und dein Vertrauen. Ich werde sehen, was es im Endeffekt in die Geschichte schaffen wird. Das nächste Kapitel wird ohnehin noch eine Weile dauern (nicht vor Ende Januar), von daher habe ich noch Zeit.
Nochmals sei dir für deine Rückmeldung sehr gedankt. :)

LG Maclilly

PS: Erst Mond, und jetzt bin ich bei Sonne. :)
Von:  Rowanna
2016-11-12T23:42:07+00:00 13.11.2016 00:42
Cool! Langsam mache ich mir wirklich Sorgen um Atemu. Und Umbridge beginne ich schon wieder so zu hassen wie im fünften Band.^^ Auf Yugis Unterricht freue ich mich allerdings schon...nicht in der Hinsicht, dass ich einen auserzählten Unterricht erwarte, sondern eher in die Richtung, das ich gerne erfahren würde, welche Art von Unterricht er macht und wie er auf die Schüler wirkt. Oder muss in einem jähen Anflug von Wissenslücken oder Lampenfieber sogar Atemu übernehmen? Und wie verdauen die Schüler diesen Charakterumschwung? Das würde mich durchaus interessieren. Aber in den letzten Kapiteln hast du bereits so eindrucksvoll deine Fähigkeiten demonstriert, dass ich deiner Schreibplanung vollkommen vertraue. Und mit umso größerer Vorfreude erwarte ich das nächste Kapitel
Antwort von:  Maclilly
26.12.2016 15:05
Ah, ja, die Sorgen um Atemu sind vielleicht gar nicht so unberechtigt. :P
Und ja, Umbridge ist ein Charakter, den man mit voller Leidenschaft hassen kann. Aber deswegen schreibe ich sie auch irgendwie so gerne. Die Frau kennt keine Grenzen und deswegen muss ich sie als Autor auch nicht kennen. Und ihre Durchtriebenheit ... wirklich ein unglaublich guter Bösewicht, den Rowling da geschaffen hat. Und natürlich das nahezu komplette Gegenteil zu Yugi und Atemu.
So in etwa werde ich es dann wohl auch handhaben. Ich werde den Unterricht selbst nicht wirklich ausformulieren, sondern nur auf die Kernpunkte der Interaktion eingehen. Das macht sich auch einfacher. Ich habe einfach nicht das Wissen, um eine Stunde vollständig zu füllen und auf Dauer wird sowas auch sehr langweilig. :) Jedenfalls danke ich dir sehr für dein Vertrauen. Es wird ohnehin noch ein wenig dauern, bis diese Szene kommt. Ich schaffe zurzeit einfach gar nichts und vor Ende Januar wird kein neues Kapitel kommen, tiut mir leid.

So, und jetzt noch einmal ein großes, fettes Dankeschön für deine Kommentare. Ich habe mich einfach unglaublich darüber gefreut. Entschuldigung, dass ich jetzt erst antworten konnte.

LG Maclilly
Von:  EL-CK
2016-11-09T14:31:28+00:00 09.11.2016 15:31
Ein tolles Kapitel...
und es passt sehr gut - von länge her und so...
ich bin ehrlich gesagt schon auf den "kleinen Einblick" in Yugis Unterricht gespannt ^^
Antwort von:  Maclilly
09.11.2016 18:21
Hallo!

Vielen Dank für dein Kommi! Es freut mich, dass es dir gefallen hat und das die Länge doch noch ok war. Ich fand es zwischenzeitlich wirklich ziemlich krass.
Mal gucken, was ich mir für Yugis Unterricht einfallen lassen. Vielleicht lass ich euch doch mal kurz reinschnuppern.

Nochmals vielen Dank für die Rückmeldung!

LG Maclilly
Von:  Seelendieb
2016-11-09T05:37:50+00:00 09.11.2016 06:37
Sehr toll. Die Penetranz von Umbridge ist einfach nur... der wahnsinn... war die im Original genauso so krass? o.Ô Herrlich!
Antwort von:  EL-CK
09.11.2016 15:30
>"war die im Original genauso so krass?"
So weit ich mich erinnere... JA ^^
Antwort von:  Seelendieb
09.11.2016 15:53
ich hatte die nicht so penetrant in erinnerung XD Brutal ja, aber nicht so penetrant
Antwort von:  Maclilly
09.11.2016 18:20
Huhu Seelendieb,

Ich danke dir ganz herzlich für dein Kommi und freue mich natürlich, dass es dir gefallen hat. Ich persönlich sehe Umbridge als sehr penetrant an, auch wenn die Andeutungen im Buch eher diskreter sind, weil Umbridge und Harry nicht zu häufig direkt interagieren. Wir sehen Umbridge ja eher als Verkünderin des Bösen. Doch dahinter steckt viel Arbeit und sehr viel ... hm ... Engagement ist ein blödes Wort, aber im Prinzip ist es das ... Sie war ja wirklich gewillt, diese Schule umzukrempeln. Und dafür war sie sehr beharrlich. Sie hat die Hintergründe der Lehrer überprüft, sie hat Harry systematisch demontiert (auch wenn er daran nicht ganz unschuldig ist), sie hat die Kamine überwachen lassen; sie engagiert Schüler dazu, ihre Mitschüüler zu bespitzeln und zu verpetzen. Das spricht mMn für eine Person, die sehr weit geht, um ihr Ziel zu erreichen. Und da sie über das Ministerium keine Informationen über Yugi bekommt, muss sie halt einen anderen Weg gehen, um das zu bekommen, was sie will. Verstehst du, wie ich das meine? Ich bin echt nicht gut darin, das auszudrücken ...

Jedenfalls nochmal vielen Dank für deinen Kommi.

LG Maclilly


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