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Wege des Schicksals

Oder eine kleine Zusatzstory zu "Schicksalswege"
von

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Unverhofft

Emilie rannte aufgebracht durch das abendliche Paris, als wäre sie auf der Flucht. Ihre Augen wurden immer glasiger, ihr Atem immer stockender und an den Seiten stach es durch das schnelle Laufen unangenehm.

Für kurz blieb sie stehen, fuhr sich mit ihrem Handrücken verächtlich über die Augen und rannte weiter, ungeachtet all der Menschen, die ihr begegneten. Und niemand schenkte ihr Beachtung oder hielt sie auf. Das war gut so! Sie wollte allein sein, ihren Frust und ihre Enttäuschung mit sich selbst ausmachen und dabei brauchte sie niemanden der sie sehen konnte! Oder noch schlimmer, ansprechen konnte!

 

Zu ihrer Erleichterung, wurden die Menschen auf die Straßen immer weniger. Unbewusst erreichte Emilie den großen Marktplatz – zu Rosalie und Bernard wollte sie nicht! Denn genau dorthin würden ihre Eltern ganz bestimmt gleich reiten. Und auch zu Jean nicht. Sie wollte niemanden von ihnen sehen – vor allem ihre Eltern nicht!

 

Ihre Mutter... Wie konnte sie nur?!

Und ihr Vater... Warum hatte er nichts dagegen unternommen?!

Emilie fühlte sich von ihnen verraten, wie noch nie zuvor. So, als hätte sich die ganze Welt gegen sie gewandt und niemand wollte sie verstehen! Was war denn schon dabei, wenn sie ihren Großvater näher kennenlernen wollte?

 

Die Straßen wurden immer leerer, die Sonne war schon zur Hälfte untergegangen und mehr Verkäufer schlossen ihre Läden zu, aber Emilie war das alles gleichgültig. Sie beachtete nichts, ihre Füße trugen sie wie von alleine zu dem Stand zurück, an dem sie glaubte ihren Großvater begegnet zu sein. Sie ahnte zwar, dass er dort nicht mehr anzutreffen sein würde, aber dennoch...

 

Emilie wich in ihrer blinden Eile einem älteren Ehepaar aus, übersah nach ihnen eine Person und so prallte sie unerwartet gegen diese.

Dieser jemand schnappte nach ihrem Handgelenk und bewahrte sie vor dem Fall. Emilie fand sich plötzlich in den Armen eines jungen Mannes, der schätzungsweise Anfang zwanzig sein konnte und vergaß plötzlich alles um sich. Eigentlich hätte sie sich gesträubt oder überrascht aufgeschrien, aber stattdessen sah sie in dessen kristalgraue Augen und die Welt schien auf einmal still zu stehen. Ihre Wangen glühten und das nicht wegen der Ohrfeige ihrer Mutter... In diesem Moment dachte sie erst gar nicht an sie – wenn sie überhaupt an etwas dachte...

Ihr Herz schlug bis zum Hals, drohte beinahe auszubrechen und ihr Atem entwich ihr nur stückweise...

Lag das an diesem jungen Mann mit dem dunkelblonden Haar und den fesselnden Augen oder weil sie so schnell gerannt war?

 

„Alles in Ordnung, Mademoiselle?“ Wie sanft doch seine Stimme klang...

Und ebendiese angenehme Stimme erweckte ihre Lebensgeister. „Ja...“, säuselte sie und verfluchte sich selbst, weil sie keinen festen Ton finden konnte. „Bitte entschuldigt, das war keine Absicht...“

 

„Schon gut.“ Der Mann lächelte, dabei zeigten sich kleine Grübchen an seinen Wangen nicht weit von seinen Mundwinkeln und seine Wangenknochen überzog eine leichte Röte. „Habt Ihr Euch verletzt?“

 

„Nein... Ich...“, Emilie war von ihm hingerissen wie von keinem anderen jungen Burschen oder älteren Männern, die ihr in Aquitanien schon zu häufig Aufwartungen gemacht hatten. Alle mit der Hoffnung ihr Herz zu gewinnen, aber natürlich erfolglos. Im Gegensatz zu Catherine, die bereits mit einem der von ihr Angebeteten verlobt war, hatte Emilie kein Interesse an Männern. Bis sie diesen hier begegnete, dessen Arme sie noch immer vor dem Fall bewahrten und sie wünschte sich, er möge sie nicht mehr loslassen...

 

„Philippe, wo steckst du?!“ Die tiefe Stimme aus nicht weitere Ferne, zerstörte den angenehm rauschenden Augenblick zwischen ihnen. Der junge Mann, als wäre er von etwas wachgerüttelt worden, schob die junge Dame von sich und stellte verlegen einen distanzierten Abstand her. „Oh, das ist mein Patenonkel.“, erklärte er ihr entschuldigend und wendete seinen Kopf, um einer sich nähernden Person entgegen zu rufen: „Ich bin hier!“

 

Philippe... So hieß er also... Und weiter? Emilie hätte es gerne erfahren, aber wurde selbst hellwach: Ein älterer Mann, dem sie heute schon begegnet war, erreichte sie und blieb äußerst verblüfft vor ihr stehen. „Ihr?“

 

„Ihr kennt Euch?“, Philippe sah überrascht von seinem Patenonkel auf Emilie. Diese verharrte nur stocksteif und wagte sich gar nicht zu rühren. Der besagte Patenonkel lächelte wohlwollend, als hätte er gerade etwas kostbares oder wertvolles gefunden. „Ja, wir sind uns heute schon einmal begegnet. Mademoiselle Emilie, nicht wahr?“

 

„Ja...“, stotterte sie und schollt sich selbst, weil sie bestimmt noch immer wie ein unreifes Ding auftrat und nicht wie eine erwachsene Dame. „Und Ihr...“ Sie überflog schnell die Begegnung am Stand mit zwei Männern am heutigen Nachmittag in ihrem Kopf und erinnerte sich auch an seinen Namen. „Ihr seid Monsieur Girodel...“

 

„Ganz recht.“ Girodel vollführte eine knappe Verbeugung und stellte sich ihr dann ganz vor: „Mein Name ist Victor de Girodel. Und ich war gerade auf der Suche nach Euch, im Auftrag des Generals de Jarjayes. Wir sind Freunde, schon seit langem.“

 

Eine innere Stimme warnte Emilie vor diesem Girodel, aber bei der Erwähnung des Namens ihres Großvaters, vergaß sie die Vorsicht. „General Jarjayes?“

 

„Ja.“ Victors Mundwinkel zogen sich nach oben, in seinen Augen glomm ein seltsamer Glanz auf und bescherte Emilie Unbehagen. Von diesem Girodel wusste sie aus den Erzählungen nicht viel. Bis auf, dass er vor einer langen Zeit ihre Mutter heiraten wollte, er aber abgewiesen wurde, weil sie damals schon eine heimliche Liebe mit ihrem Vater genossen hatte. „Ihr seht Euer Mutter sehr ähnlich.“, fügte Girodel hinzu und riss Emilie aus ihren Gedanken. „Meiner Mutter?“

 

Victor kam es so vor, als müsste er sie aufklären. Aber warum auch nicht? Er war nun sich sicher, dass seine verlorene Liebe noch am Leben war und er hätte gerne mehr über sie erfahren... „Lady Oscar war früher seine Tochter und er glaubte sie schon längst verloren zu haben...“ Sein Lächeln verstärkte sich und jagte Emilie einen kalten Schauer über den Rücken. Jedoch seine nächste Worte weckten in ihr den Drang mehr zu erfahren wieder, wegen dem sie mit ihren Eltern gestritten hatte: „Aber heute traf General Jarjayes auf Euch und würde gerne mehr über seine verlorengeglaubte Tochter wissen. Wenn Ihr möchtet, könnt Ihr uns zu meinem Haus am Rande der Stadt begleiten...“

 

Zu seinem Haus? Nein! Zumindest jetzt hätte Emilie dem Mann den Rücken gekehrt und weglaufen sollen, wenn nicht die Sache mit General Jarjayes da wäre... „Wenn er dort bei Euch anzutreffen sein wird...“, entfuhr es ihr ungewollt.

 

„Das wird er.“, versicherte Victor und reichte ihr höflich seine Hand. „Ihr erlaubt? Meine Kutsche steht nicht weit von hier und wenn wir bei mir sind, dann lasse ich sofort einen Boten nach ihm schicken...“

 

 

 

 

 

- - -

 

 

 

 

 

„Was soll das heißen, sie ist nicht hier?“ Oscar und André waren gleichermaßen besorgt. Bei Rosalie war Emilie nicht mehr aufgetaucht. Und auch bei Jean nicht, bei dem sie schon zuvor nachgeschaut hatten.

 

„Ich werde mich in der Stadt erkundigen, vielleicht hat sie jemand gesehen.“, erbot sich Bernard, der gerade ahnungslos von seiner Arbeit nach Hause kam und erfahren musste, was vorgefallen war.

Als Journalist und Gerichtsschreiber hatte er mehr Möglichkeiten und vielleicht auch Glück, die verschwundene Tochter seiner Freunde zu finden. Seine wertvollen Kontakte zu seinen Mithelfern, die ihm bei den damaligen Bewegungen gegen Adel und Monarchie zur Seite gestanden hatten, pflegte er geflissentlich. Vor ein paar Jahren hatte er sogar ein Buch über die Revolution geschrieben, welches ihm noch ein größeres Ansehen in ganz Paris eingebracht hatte.

 

„Das ist eine gute Idee, mein Gemahl.“ Rosalie taten Lady Oscar und André vom Herzen leid und sie hoffte sehr, dass Emilie schon bald gefunden sein würde.

 

Bernard verließ seine Wohnung und nicht einmal zehn Minuten später, folgte ihm Oscar. „Ich kann nicht hier tatenlos sitzen bleiben und auf Bernards Rückkehr warten!“, war ihre aufgebrachte Begründung, was in ihrer Lage verständlich war.

 

André verließ selbstverständlich mit ihr die Wohnung. „Vielleicht ist sie zu deinem Vater?“, vermutete er auf dem Weg nach draußen, wo schon die Abenddämmerung hereinbrach.

 

„Nein! Soweit kann sie nicht gekommen sein! Sie weißt ja nicht einmal wo er wohnt!“ Das wusste Oscar nicht einmal mehr selbst. Oder besser gesagt, sie wusste nicht, ob ihr elterliches Anwesen noch überhaupt existierte. „Wir werden sie suchen, bis wir sie gefunden haben und dann kann sie was erleben!“, schwor sich Oscar und lief schneller nach draußen zu den Pferden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  chrizzly
2016-05-04T08:13:40+00:00 04.05.2016 10:13
Unvernünftiges kleines Ding.... nee scherz. Ganz ganz super wieder geworden. Bin schon gespannt wie es weiter geht. Freut mich. Mach weiter so.
Antwort von:  Saph_ira
04.05.2016 17:28
Ja, ja, die liebe Unvernunft... XD Alles gut, ich weiß wie du das meinst und bedanke mich für deinen Kommentar. :-)
Von:  YngvartheViking86
2016-05-02T22:27:43+00:00 03.05.2016 00:27
Ohje, ich ahne Böses. Ich konnte den Girodel noch nie leiden....
LG Chris
Antwort von:  Saph_ira
03.05.2016 17:56
Ich betrachte Girodel meistens mit Vorsicht - er hat für mich etwas zwiespaltiges an sich.^^ Und du ahnst nicht zu unrecht Böses, aber mehr verrate ich nicht. ;-)
Dankeschön für dein Kommentar. :-)
Liebe Grüße,
Ira


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