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Behind the Mask

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Sorry für die lange Sendepause, ich war nicht im Land und musste mich außerdem noch um ein paar familiäre Notfälle kümmern. Updates kommen von jetzt an wieder regelmäßiger.
Enjoy! Komplett anzeigen

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Lullaby

Marinette brach ihr Kreuzverhör an dieser Stelle ab. Tikkis Gesichtsausdruck verriet genug über ihren inneren Gefühlsaufruhr, um aufzuhören nachzubohren. Schweigend legte sie sanft beide Hände um ihren Kwaami und hob sie hoch, bis sie ihre Stirn gegen die des kleinen magischen Geschöpfes legen konnte. Tikki sah sie dankbar, aus ihren großen blauen Augen, an, in denen noch immer die Verzweiflung stand. Marinette wollte fragen, was genau sie tun wollte, was genau konnte so schlimm sein, dass sie sich geschworen hatte, es nie wieder zu tun? Doch sie wollte kein Salz in offene Wunden reiben, besonders nicht, wenn es – was auch immer es war, das Tikki vor hatte – sie auch nach langer Zeit noch immer so mitnahm.

„Es ist alles ok Tikki.“, flüsterte sie. „Ich vertraue dir.“ Tikki sah sie aus weit aufgerissenen Augen an und dann flossen die Tränen über ihre Wangen. Marinette konnte nichts weiter tun, als sie schützend in ihrer Hand zu bergen. Auch Kwaamis waren nicht perfekt, wurde ihr in diesem Moment bewusst. Sie mochten in der Lage sein einem Menschen die Kraft eines Gottes zu verleihen, doch auch sie waren nicht perfekt. Sie konnten in die falschen Hände fallen – wie Hawkmoth bewies – sie waren nicht allwissend und sie hatten genau so Emotionen wie sie auch. Sie konnte sich vermutlich nicht einmal im Geringsten vorstellen, was Tikki alles miterlebt hatte. Was ihre Schützlinge alles miterlebt hatten. Den Vesuv? Vielleicht den Stadtbrand in Rom? Die Französische Revolution? Den Boxeraufstand im Kaiserpalast? Wie Hannibal über die Alpen zog? Die Weltkriege? Die Hexenverbrennungen? Vielleicht waren Ladybug und Chat Noir selbst auch für Hexen gehalten worden und auf dem Scheiterhaufen gelandet? Bei der Vorstellung überzog sie ein Schauder. In wie vielen historischen Ereignissen hatten sie ihre Finger im Spiel gehabt? Vor ihrem inneren Auge lief eine bedeutende historische Szene nach der anderen ab. Welche anderen Legenden, Mythen, Märchen was-auch-immer, waren unsichtbar im Hintergrund von Kwaamis beeinflusst worden? Robin Hood? Karl der Große? Troja? König Arthur und die Ritter der Tafelrunde?

„Tut mir leid, Marinette, ich glaube ich brauche eine Minute.“, murmelte Tikki leise und Marinette nickte verständnisvoll, bevor sie den Kwaami liebevoll auf dem Kissen absetzte, dass sie für sie zu einem kleinen Bett umgestaltet hatte. Sie verstand, dass Tikki nicht wollte, dass sie Zeuge ihrer Schwäche wurde, also stand sie leise auf, um ihrer Freundin den Raum zu geben den sie brauchte, um sich wieder sammeln zu können und stieg die Leiter hinab in ihr Zimmer. Ihre Eltern waren schon schlafen gegangen – wenn man um drei Uhr morgens aufstehen musste, um den Teig für die ersten Baguettes des Tages zu machen, dann ging man auch früher schlafen - und sie schlüpfte geräuschlos hinab in die Küche um die Tinktur für Chat zu machen, die sie sich zuvor aus den Zutaten ihre Mutter gemerkt hatte. Langsam zog sie die Schubladen im Medizinschränkchen ihrer Mutter auf und suchte sich die Kräuter zusammen, bevor sie sie in den Mörser gab und so leise sie konnte begann die Blätter zu zerreiben und zu zerstoßen. Ihre Mutter hatte schon ihr Leben lang darauf bestanden Marinette mit Traditioneller Chinesischer Medizin zu behandeln und Marinette war der festen Überzeugung, dass es einer der Gründe war, warum sie praktisch nie krank wurde. Ihr Vater hatte sich jahrelang strikt geweigert die – zumeist übel riechenden – Gebräue seiner Frau einzunehmen wenn er krank war, bis eine besonders hartnäckige Grippe ihn mehr als zwei Wochen ans Bett gefesselt hatte und Marinette und ihre Mutter ihm schließlich gemeinsam das eingeflößt hatten, was ihre Mutter als „Chinesische Aspirin“ bezeichnete. Cola, die mit kleingeschnittenem Ingwer zwei Stunden lang geköchelt wurde. Das daraus entstehende Gebräu war dickflüssig genug um damit Wände tapezieren zu können, doch Marinette wusste aus eigener Erfahrung, dass es wahr Wunder wirken konnte. Außerdem machte ihre Mutter eine ganz fantastische Hühnersuppe – deren Zutaten mindestens zur Hälfte aus Chinesischer Medizin bestanden – und die Marinette schon öfters Klassenkameraden vorbei gebracht hatte, wenn sie mit der Grippe ans Bett gefesselt waren. Ausnahmslos jeder ihrer Klassenkameraden hatte sie danach nach dem Rezept gefragt.

Marinette wusste also schon einiges auf dem Gebiet der Traditionellen Chinesischen Medizin und sie hatte sich aus Interesse auch schon viel mit heimischen europäischen Heilkräutern und alternativer Medizin auseinander gesetzt, was einer der Gründe dafür war, dass es für sie selbst jetzt im halbdunkeln keinerlei Problem darstellte, die richtigen Kräuter und Blüten an Geruch und Textur zu erkennen und in den Mörser zu werfen. Wenn man Chinesische Medizin selber aufkochen wollte mussten sehr genaue Anweisungen befolgt werden und sie war sich nicht sicher, ob sie Chat das antun wollte in seinem momentanen Zustand, also entschied sie sich dazu eine Kräutertinktur zu machen und füllte die halb zerriebenen Kräuter in ein altes Marmeladenglas, bevor sie vorsichtig wieder in ihr Zimmer zurück schlich und eine halbleere Wodka Flasche aus der untersten Schublade ihres Schreibtischs zog, die Alya einmal dagelassen hatte. Marinette hatte die Flasche seitdem nicht mehr angerührt. Seit dieser einen verhängnisvollen Migräne am nächsten Morgen wusste sie, dass Alkohol selbst in den geringsten Mengen nicht ihr Ding war. Für die Tinktur jedoch, war es genau das, was sie brauchte. Sie übergoss ihre Kräutermischung großzügig bevor sie dir Flasche wieder sicher vor den observierenden Blicken ihrer Mutter verbarg und das kleine Marmeladenglas mit der Tinktur verschloss. Bei der nächsten Gelegenheit würde sie es Chat mitbringen. Doch jetzt gab es drängenderes als das. Sie stellte das Glas auf ihrem Schreibtisch ab und stieg langsam wieder die Treppe zu ihrem Bett hinauf. Tikki saß in der Mitte ihres kleinen Bettchens und sah unheimlich klein und verletzlich aus. Sie sah verloren aus. Und in diesem Moment beschloss Marinette, dass es an ihr war, für Tikki stark zu sein. Ihr Kwaami hatte sie in allem unterstützt, in jeder ihrer kleinen und großen Krisen, war immer für sie da gewesen, in und außerhalb des Kostüms und jetzt brauchte sie seelischen Beistand und Marinette würde ihn ihr geben. Vorsichtig streckte sie Tikki die Hand entgegen und das kleine, magische Wesen sah sie aus großen Augen an, bevor sie langsam in ihre Hand flog und zuließ, dass Marinette sie einfach nur an ihrer Brust barg. Einmal musste sie nicht stark sein und sie sog die Geborgenheit auf, die Marinette ihr vermittelte. Sie hatte viele Ladybugs und Chat Noirs kennen gelernt. Sie hatte sie kommen und gehen sehen, sie hatte ihr Glück und ihr Leid geteilt. Und mit jeder unglücklichen Wendung, die ein Schicksal nahm wurde auch sie beeinflusst. Doch sie musste stark bleiben, sie musste weiter machen und einer neuen Ladybug in die Augen blicken, wohl wissend, dass sie dasselbe Schicksal teilen konnte wie ihre Vorgängerin.

Diesmal musste sie nicht stark bleiben. Und obwohl sie spüren konnte, dass es auch Marinette stark mitgenommen hatte, was sie ihr zuvor erzählt hatte, so versuchte diese unglaubliche Mädchen doch für sie stark zu sein, damit sie sich einmal bei jemand anderem geborgen fühlen konnte. Also ließ Tikki zu, dass ihr Schützling diesmal sie beschützte, indem sie sie einfach nur hielt und sie trauern ließ, obwohl sie nicht wusste, was ihre Trauer ausgelöst hatte. Und es war genau diese Stärke, die Tikki schließlich dazu brachte ihre Stimme wieder zu erheben. Nicht um zu sprechen, wie Marinette erwartet hatte, als sie das tiefe Luftholen ihres Kwaamis vernahm, sondern um mit klarer Stimme zu singen.

Das Lied war alt, sie konnte es spüren, daran wie es in ihr wieder hallte und ihre Knochen zum Vibrieren brachte. Es waren Wörter die sie erfüllten, obwohl sie die alte Sprache in der es geschrieben war nicht verstand. Doch ihre Bedeutung war klar und Marinette hörte sich selbst leise in das Schlaflied einstimmen. „Evening rise, spirit comes…. Sun goes down when the day is done… Mother earth, awakens me… With the heartbeat of the sea.” Das Lied erfüllte sie mit Ruhe und dem Gefühl eines Sonnenuntergangs, es verband sie mit der Natur und der Welt. Sie sang weiter, als Tikki einschlief und sich zusammen rollte. Sie summte weiter, als ihr selbst die Augen zufielen und sie in den Schlaf abdriftete und von Sonnenuntergängen und weiten, unberührten Ebenen träumte.

In dieser Nacht schlief Tikki in der Umarmung ihres Schützlings geborgen, tief und beschützt, mit dem Klang eines längst vergessenen Schlaflieds in ihren Träumen



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Angel_of_Thursday
2016-09-16T19:40:38+00:00 16.09.2016 21:40
Cola mit Ingwer? Echt jetzt? o_o

Und bei dem Schlaflied musste ich (warum auch immer) an das Spiel "Zelda" denken.

Trotzdem schönes Kapi. Bitte schnell weiter schreiben. ^^
Antwort von:  namu
21.09.2016 10:28
Ich lebe in Taiwan.... glaub mir :D, das gibts. und so schlimm schmeckt es nicht :D
Antwort von:  Angel_of_Thursday
21.09.2016 20:43
Das kann ich mir sogar noch irgendwie vorstellen. Aber ich frage mich, wie man auf diese Mischung kommt! XD


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