Zum Inhalt der Seite

Die Grotten von Necrandolas

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Moin Moin,
ich hab das Gefühl, ich bin jedes Mal später dran *seufz* Ich versuche das zu ändern ^^ Ich weiß, ich habs letztes Mal schon gesagt, aber wir kommen nun langsam zum Finale :) Spätestens bei der letzten Szene werdet ihr selber merken, wie weit wir nun inzwischen sind ^^
Viel Spaß! :) Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die niederschmetternde Wahrheit

Harry wühlte im Bett hin und her. Es war zwar noch nicht sonderlich spät, aber trotzdem fuchste es ihn, dass sein Kopf schon wieder so voller Gedanken war. In letzter Zeit war einfach viel zu viel passiert, was ihn zum Nachdenken brachte. Allein schon, dass er letzte Nacht zusammen mit Severus bei ihm auf dem Sofa geschlafen hatte. Und nicht zu vergessen die ganzen Informationen, die er erhalten hatte. Severus hatte ihn heute nicht noch einmal darauf angesprochen und so ganz wusste Harry nicht, was das zu bedeuten hatte. Er hätte ja erwartet, dass der Slytherin ihm sofort das Versprechen nochmal im nüchternen Zustand abnehmen würde, aber entweder war er nicht dazu gekommen, oder er hielt doch lieber Abstand. Was eigentlich ebenfalls typisch Severus wäre.

Seufzend setzte Harry sich auf und kramte unter dem Bett nach der Karte des Rumtreibers. Als erstes kontrollierte er, ob Malfoy im Slytheringemeinschaftsraum zu finden war, oder sich schon wieder im Raum der Wünsche aufhielt. Da es schon sehr spät war, wunderte es ihn nicht, als er Malfoy tatsächlich in den Kerkern entdeckte. Dann glitt Harrys Blick zu Severus' Räumen und er stellte verdutzt fest, dass sie leer waren. War Severus auf Kontrollgang? Der Gryffindor ging Stock für Stock die Hauptgänge durch, ehe ihm sein Gefühl verriet, dass er sich ganz oben mal umsehen sollte. Da war er, auf dem Astronomieturm.

Harry schluckte. Es war eine gefühlte Ewigkeit her, dass der Slytherin dort gesessen hatte. Also wollte er doch mit ihm reden. Seltsam, wie nervös ihn der Gedanke nun machte. Gar nicht mal wegen Severus' Geschichte, sondern wegen dem, was zwischen ihnen passiert war. Schon seltsam, in Necrandolas hatten sie fast einen ganzen Monat lang miteinander verbracht, hatten sich in sämtlichen Gemütszuständen erlebt... und trotzdem hatte die letzte Nacht so intim gewirkt wie keine andere. Wie sollte er denn jetzt damit umgehen? Wie sollte er sich Severus gegenüber verhalten? Aber sich nun zu drücken und einfach im Schlafsaal zu bleiben, würde die Situation sicherlich auch nicht besser machen.

Seufzend suchte Harry sich seine Klamotten zusammen und schlich sich so leise wie möglich aus dem Schlafsaal. Mit Tarnumhang, Zauberstab und Karte bewaffnet, schlich er durch die dunklen Korridore und musste ein paar Umwege nehmen, um Filch und McGonagall aus dem Weg zu gehen. Am Fuß des Turmes steckte Harry die Karte ein und ging mit gemischten Gefühlen die Treppe hoch. Nicht nervös werden, nicht nervös werden...

„Du hast länger gebraucht, als ich dachte“, wurde Harry sogleich begrüßt, obwohl er den Tarnumhang noch gar nicht abgenommen hatte.

Der Slytherin hatte nicht einmal hingesehen, stattdessen blieb sein Blick auf den Wald gerichtet, während er entspannt auf der Mauer saß.

„Bin ich wirklich so laut?“, murrte Harry, nahm den Tarnumhang ab und trat zum anderen.

„Ich würde sagen deine Kondition hat ganz schön nachgelassen. Du schnaufst richtig, wenn du hier die Treppen hochkommst“, spottete der Slytherin ruhig und zog eine Augenbraue hoch.

„Pfe“, kommentierte Harry das gespielt beleidigt. „Mag sein, dass ich momentan nicht viel Sport mache, aber es war diesen Monat sicherlich trotzdem mehr, als du in deinem ganzen Leben gemacht hast.“

„Kommt drauf an was man als Sport zählen lässt“, erwiderte Severus nur unbeeindruckt und sah dann wieder ernst zum Gryffindor.

Es war ein seltsamer Blick, den Severus ihm selten zuwarf. Irgendwie lauernd und misstrauisch, aber auf eine andere Art als noch vor einem Jahr. Für Harry war klar, warum er ihn so musterte.

Gemächlich setzte er sich dem Slytherin gegenüber, zog ebenfalls seine Beine hoch und betrachtete den anderen einen kurzen Augenblick lang.

Schließlich sagte er besänftigend: „Ich habe dir versprochen niemandem etwas zu erzählen und das werde ich auch nicht.“

„Ich will, dass du das Versprechen ausweitest“, forderte Severus sofort. „Auf alles, was an diesem Abend gesagt und getan wurde.“

Augenverdrehend erwiderte Harry: „Das versteht sich doch wohl von selbst. Ich schwöre dir, dass ich niemandem davon erzähle. Okay?“

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er Severus fragend an und wartete darauf, dass dieser endlich diesen misstrauischen Blick sein ließ.

Doch dieser knurrte nur: „Wäre dein Überleben für den Kampf gegen den Dunklen Lord nicht so wichtig, würde ich von dir den unbrechbaren Schwur verlangen.“

Verdutzt fragte Harry: „Ähm... unbrechbarer Schwur?“

„Dein Ernst, Potter? Nicht einmal den kennst du?“

„Der stand noch nicht auf dem Lehrplan, oder?“, verteidigte der Gryffindor sich schulterzuckend. „Also kann ich ihn nicht kennen. Ich bin bei Muggeln aufgewachsen, schon vergessen?“

Ächzend ließ Severus seinen Kopf zurücksinken, womit er wohl zeigte, dass er nachgab.

„Man stirbt, wenn man den Schwur bricht. Ganz einfach. Und er wird übrigens auch nicht auf dem Lehrplan stehen.“

„Nicht einmal, um zu verhindern, dass man auf solch einen reinfällt?“, zweifelte Harry irgendwie an dieser Methode.

„Jedes Kind kennt diesen Schwur und würde nicht darauf hereinfallen.“ Süffisant lächelnd ergänzte er: „Außer du natürlich.“

Harry streckte ihm grummelnd die Zunge entgegen.

Unbeeindruckt ergänzte Severus: „Es hat sich gezeigt, dass, wenn man den Spruch im Unterricht anspricht und man den Schülern grob schildert, wie er funktioniert, man ihnen damit nur Flausen in den Kopf setzt. Dann versucht plötzlich jeder Teenager jemandem diesen Schwur zu verpassen.“

„Hm“, kommentierte Harry das überlegend und fügte dann zuckersüß hinzu: „Dann vielen Dank, dass du mich jetzt vor so etwas gewarnt hast.“

„Dein Leben zu retten ist meine Lebensaufgabe“, brummte Severus nur und ließ seinen Blick wieder zu den Sternen schweifen.

Irgendetwas hatte in seinem letzten Satz mitgeschwungen, das Harry nachdenklich stimmte. Da lag doch noch irgendetwas in der Luft. Der Gryffindor vermutete, dass sein erneutes Versprechen nicht der einzige Grund war, warum Severus hier saß.

„Also... ist jetzt alles wieder gut?“, wagte Harry einen mehr als kläglichen Versuch und ärgerte sich bereits über sich selbst.

„Der Dunkle Lord versucht in Hogwarts einzudringen und du fragst, ob alles gut ist?“, spottete Severus leise. „Es wird nie alles gut sein, Potter. Das nennt sich Leben.“

„So allgemein gefasst war die Frage nicht gemeint“, grummelte der Gryffindor augenverdrehend. „Und ich denke, das weißt du auch.“

„Und was erwartest du von mir zu hören?“

„Was der wahre Grund ist, warum wir hier sitzen.“

Überrascht sah Severus wieder zum anderen, der nur abwartend zurückblickte. Es war offensichtlich, dass Harry ihn bei etwas ertappt hatte, und er rechnete bereits mit einer Abwehrreaktion. Doch stattdessen seufzte Severus auf, lehnte sich wieder vollends zurück und schloss kurz die Augen. Irgendetwas belastete ihn schon wieder gewaltig, das war nicht zu übersehen und es bereitete Harry Sorgen. Er schätzte seine Chancen nicht sonderlich groß ein, dass er die Wahrheit vom anderen erfahren würde. Zumindest nicht ohne Gegenwehr. Allein schon, dass Severus ihn gerade nicht ansehen konnte, konnte nichts gutes bedeuten.

Leise und kraftlos murmelte Severus: „Du hast keine Ahnung, was noch auf uns zukommt. Natürlich nicht, wie solltest du auch. Du kannst nicht wissen, was für Opfer solch ein Krieg mit sich bringen kann. Beim letzten Krieg warst du noch zu klein. All die Morde, die Angst, der Verrat unter Freunden und sogar Familien, nur um die eigene Haut zu retten... für den Sturz des Dunklen Lords wäre kein Preis zu hoch... schätze ich.“

Nachdenklich betrachtete Harry den anderen. Der kommende Kampf sollte also der Grund für seine Sorgen sein? Wer hätte jemals gedacht, dass ein solcher Krieg den kaltherzigen Severus Snape so mitnehmen würde. Und auch wenn es Severus sicherlich nicht passte, dass Harry es erkannte, sah der Gryffindor sehr wohl die Angst vor dem Kommenden in seinen Augen.

„Im letzten Krieg...“, setzte Harry zögernd an, „hast du... noch auf der anderen Seite gestanden, richtig?“

Es kam keine Reaktion, was Harry Antwort genug war.

„Wie darf ich mir das vorstellen, wie... dieser Krieg auf die Todesser wirkt? Auch in ihren Reihen wird es doch Verluste geben und... naja...“

Harry wusste nicht ganz, ob er seine Frage richtig formuliert hatte und hoffte einfach, dass Severus verstand, worauf er hinaus wollte.

„Das einzige, wovon Todesser angetrieben werden, ist Machtgier und Angst“, erklärte Severus ruhig. „Um Macht zu erhalten, müssen sie sich dem Dunklen Lord anschließen und sind sie erstmal aufgenommen, treibt die meisten nur noch die Furcht vor seinem Zorn an. Kein Mensch der Welt hat mehr Angst vor dem Dunklen Lord, als ein Todesser. Natürlich gibt es Todesser, die voll und ganz im Foltern und Töten aufgehen und allein deshalb schon niemals die Seiten wechseln würden, aber auch eine Bellatrix Lestrange weiß, dass jeder Wutausbruch ihres Herren ihr letztes Stündchen bedeuten könnte. Wenn du erstmal gelernt hast, in Anwesenheit des Lords nicht in Panik zu verfallen, fällt es dir leicht bei jedem Auftrag ebenfalls keine Miene zu verziehen und nicht zu zögern, denn nichts ist furchterregender als der Dunkle Lord. Und wegen den Verlusten... alle wissen, dass sie nur austauschbare Schachfiguren sind. Jeder ist für sein eigenes Leben verantwortlich und würden sie zu große Trauer bei einem Verstorbenen zeigen, würde das kein gutes Ende für sie nehmen. Das wissen sie, sie wissen, worauf sie sich eingelassen haben und haben das bereits von Anfang an akzeptiert. Das einzige, was betrauert werden darf, ist die schwindende Gruppenstärke.“

Überlegend biss Harry auf seiner Lippe herum. „Das klingt alles ziemlich düster.“

„Du weißt erst, wie düster, wenn du das Dunkle Mal verpasst bekommst. Und von da an ist es zu spät umzukehren.“ Leise murmelnd ergänzte Severus: „Draco wird es auch erst jetzt richtig klar.“

Sofort wurde Harry hellhörig.

„Also habe ich doch recht. Malfoy hat das Dunkle Mal im Sommer bekommen.“

„Er hatte keine Wahl“, knurrte der Slytherin. „Sein Vater hat seine gesamte Familie mit reingezogen und war dann auch noch so dämlich zu versagen. Jetzt müssen sie den Preis dafür zahlen.“

„Sein Versagen bestand darin, mich und die Prophezeiung zu verlieren“, murrte Harry düster.

Wie konnte Severus so von den Ereignissen sprechen? Wäre es ihm lieber gewesen, wenn Lucius Malfoy die Prophezeiung erhalten hätte? Außerdem fuchste es Harry, dass er Draco in Schutz nahm. Auch wenn er mit seiner Frage dieses Thema provoziert hatte, wollte Harry dennoch keine Ausreden für irgendeinen Todesser hören.

„Die Prophezeiung hätte nichts an den Plänen des Dunklen Lords geändert“, zischte Severus. „Er hatte dich bereits gekennzeichnet, das hätte er nicht mehr rückgängig machen können.“

Stirnrunzelnd und misstrauisch fragte Harry: „Woher kennst du denn den Text der Prophezeiung?“

„Von Dumbledore natürlich, woher denn sonst“, antwortete Severus knurrend. „Wenn du mal ein bisschen nachdenken würdest, müsstest du nicht solch dämliche Fragen stellen.“

Murrend erhob sich der Slytherin und wollte anscheinend gehen. Arme verschränkend sah Harry ihm dabei zu und konnte nicht fassen, dass der Kerl einfach so abhauen wollte. Er konnte doch nicht einfach gehen, nur weil sie auf ein riskantes Thema gestoßen waren! Er hatte Harry ja nicht einmal richtig zu Wort kommen lassen. Das war dann wohl das erste Mal, dass sie sich auf diesem Turm in die Haare bekamen und sogar mit dicker Luft zwischen ihnen auseinander gingen. Schade eigentlich, irgendwie war dieser Turm zu einem Ort geworden, wo sie vernünftig miteinander reden konnten.

„Also verlassen wir diesen Turm zum ersten Mal mit bissigen Kommentaren als Abschied?“, konnte Harry sich nicht verkneifen und tatsächlich hielt Severus inne.

Noch stand er an der Mauer, drehte sich zu Harry um und sah ihn unschlüssig an. Harry sah stur zurück und sah mit Genugtuung, dass Severus anscheinend wirklich an diesem Gedanken zu knabbern hatte. Schließlich seufzte er auf und die Milde kam in seine Augen zurück.

„Das Schuljahr ist fast zu Ende“, sagte er schließlich vollkommen zusammenhangslos. „Ich denke nicht, dass wir es schaffen werden, nochmal Okklumentik zu üben. Das wichtigste kennst du jetzt, es fehlt dir nur ein wenig Übung.“

Verwundert vergaß Harry vollkommen böse zu gucken. Er beendete seinen Unterricht? Einfach so, ohne Vorwarnung, ohne abschließende Übung? Das war doch jetzt nicht die Reaktion darauf, dass Harry sich die letzten Tage so stur gestellt hatte, oder? Es kam Harry vor wie eine Ohrfeige, dass Severus ihre einzige gemeinsame Zeit nun einfach so kündigte.

Verdattert starrte Harry den anderen an, der geduldig auf eine Antwort wartete. Seine Worte wirkten so endgültig und auch sein Blick zeugte von einer gewissen Verschlossenheit.

„Also hast du mich hierher bestellt, um mir zu sagen, dass das hier unser letztes privates Gespräch sein wird?“, stellte Harry mehr fest, als das er fragte und spürte einen kalten Schauer über seinen Rücken wandern.

Es traf den Gryffindor wie ein Schlag. Er hatte gar nicht darüber nachgedacht, dass das Schuljahr tatsächlich bald zu Ende war und damit auch keine Gelegenheiten mehr geboten werden würden, um Severus zu treffen. Sie würden sich nicht mehr täglich zu Gesicht bekommen, vielleicht würden sie sich für Monate nicht mehr sehen. Harrys Brust schnürte sich zu und machte ihm das Atmen schwerer. Das ging ihm alles zu schnell, kam zu plötzlich. Gestern noch hatten sie zusammen auf dem Sofa geschlafen und jetzt sollte er ihm für eine so lange Zeit auf Wiedersehen sagen? Das war nicht fair! Wo war nur die beschissene Zeit geblieben?!

„Ich war mir nicht sicher, ob du am letzten Abend vor den Ferien auf die Idee kommen würdest, hier auf dem Turm nachzusehen“, erwiderte Severus schließlich etwas kleinlaut, was absolut untypisch für ihn war und er wohl selbst merkte, da er versuchte es zu überspielen.

Dennoch war sein Blick so offen und ehrlich, dass es Harry ganz beklommen machte. Allein die Tatsache, dass Severus zugab, dass er ihn noch einmal sehen wollte, bevor sie ihrer Wege gingen...

„Und wenn ich dir verspreche, dass ich am letzten Abend nachsehen werde?“, fragte Harry seltsam entrückt.

Einen Moment herrschte Stille, bis Severus antwortete: „Dann werden wir nochmal die Chance haben, uns hier ohne Streit zu unterhalten.“

Wieder wurde es still und Harry nickte stumm als Zustimmung, da er ohnehin kein Wort herausgebracht hätte. Er konnte seinen Blick nicht vom anderen lösen und dem Slytherin schien es ebenso zu gehen. Harry schossen so viele Dinge durch den Kopf, wühlten seine Gefühle auf, sodass er mit der Situation vollkommen überfordert war. Es war unglaublich, wie groß sein Bedürfnis war, den anderen zu berühren, ihm nah zu kommen, seinen Duft einzuatmen... und das nur, weil Severus ihn so ansah.

Der Slytherin war der erste, der sich einen Ruck gab. Er seufzte erneut auf, bevor er den Augenkontakt brach.

„In den letzten Unterrichtsstunden werde ich dir kein Schein-Nachsitzen verpassen können, also versau die Tränke nicht. Sonst hagelt es zusätzliche Aufsätze“, erklärte er ruhig, ohne den Blick heben zu können.

Harry rang sich ein trauriges Schmunzeln ab. „Aye Sir.“

„Mach nicht mehr allzu lange“, ergänzte Severus schließlich und wandte sich dann endgültig ab.

„Aye Sir.“

„Verarsch mich nicht, Potter“, rief Severus noch von der Treppe her zurück.

Schmunzelnd erwiderte Harry laut: „Dir auch eine gute Nacht.“

Es kam keine weitere Erwiderung und so lehnte Harry sich seufzend zurück. Grübelnd betrachtete er die Sterne, während er versuchte, das Chaos in sich zu bändigen. Kam das Ende des Schuljahres nun wirklich so plötzlich für ihn? Wie hatte er das nur verdrängen können? Doch viel schockierender war, dass er Severus bei dem Gedanken nicht hatte gehen lassen wollen. Es fühlte sich an, als gäbe es da noch so viel wichtiges, was er ihm vorher sagen müsste. Und trotzdem hatte Harry keinen blassen Schimmer, was das sein sollte.

Ächzend strich Harry sich durchs Haar. Naja, jetzt hatte er wenigstens noch ein paar Tage Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen.

 

Grübelnd hing Harry über seinen Kräuterkundehausaufgaben, doch wirklich konzentrieren konnte er sich nicht. Auch Ron schubste viel lieber seinen Zauberstab von einer Seite des Tisches zur anderen, statt seinen Aufsatz für McGonagall fertig zu schreiben. So war es eine angenehme Abwechslung, als Hermine sich mit dem Tagespropheten zu ihnen setzte.

„Irgendwer gestorben, den wir kennen?“, fragte Ron standardmäßig nach.

„Nein, aber es gab drei weitere Dementorenangriffe“, erwiderte die junge Hexe und regte sich über Rons Kommentar schon gar nicht mehr auf. „Wenn das Leben außerhalb von Hogwarts so gefährlich ist, sollten wir uns langsam überlegen, wie wir in den Sommerferien vorgehen sollen.“

„Wie genau meinst du das?“, runzelte Harry verwundert die Stirn und wurde sowohl von Hermine als auch Ron stirnrunzelnd angesehen.

„Na, wie wir dir und Dumbledore helfen können, die Horkruxe zu finden“, erklärte Hermine selbstredend. „Außerdem sollten wir uns langsam um deine Sicherheit Gedanken machen.“

„Glaubst du nicht, dass der Orden da nicht schon seine Pläne mit mir hat?“, grummelte Harry und begann auf seinem Pergament herumzukritzeln.

„Und genau darin sollten wir sie unterstützen.“

Protestierend sah Harry auf, doch Hermine unterbrach ihn sofort. „Ron und ich sind jetzt volljährig, also kann Molly uns nicht mehr davon abhalten, dem Orden beizutreten.“

„Und was ist mit mir?“, beschwerte Harry sich. „Ich habe jede Berechtigung im Orden mitzumachen.“

„Das wird Mum anders sehen“, runzelte Ron zweifelnd die Stirn. „Sie wird alles tun, um dich bis zu deinem Geburtstag vom Orden fernzuhalten.“

„Sie hat da aber kein Recht zu“, keifte Harry weiter. „Sirius hat mir schon damals die Erlaubnis gegeben und...“

„Das soll ich dir geben“, wurde das Gespräch plötzlich von einem Viertklässler unterbrochen, der Harry eine Pergamentrolle hinhielt.

Verdutzt sahen alle drei auf und zögerlich nahm Harry die Rolle entgegen.

|„Danke Jimmy.“

Noch immer verwirrt, entrollte Harry die Nachricht und las sie sich durch.

Seinen Ärger völlig vergessend, erzählte er aufgeregt: „Die ist von Dumbledore! Ich soll so schnell wie möglich in sein Büro kommen.“

Die drei starrten sich einen Moment an, ehe Ron seine Worte wiederfand.

„Meinst du etwa... er hat vielleicht einen...?|²“, traute er sich nicht, seinen Satz zu beenden.

„Es gibt wohl nur eine Möglichkeit, um das herauszufinden“, verstand Harry ihn trotzdem und sprang auf.

Eilig verließ er den Gryffindorturm und lief so schnell er konnte Richtung Schulleiterbüro. |Da in wenigen Minuten die Ausgangssperre begann, begegnete Harry nur Peeves, der ihn mit Kreide bewarf, was Harry aber mit einem lockeren Zauber abwehrte. Er wollte gerade um die nächste Ecke biegen, als er einen Schrei hörte und wie angewurzelt stehen blieb.

„Wie... können... Sie... es... wagen... Ah!“

Sofort sprintete Harry wieder los und entdeckte Trelawney, die vollkommen zerzaust auf dem Boden lag und vergeblich versuchte, ihre Schals zu sortieren.

„Professor“, rief Harry aus und ging zu ihr, um ihr aufzuhelfen. „Was ist passiert, Professor?“

Völlig zerstreut zog Trelawney sich an Harrys Arm hoch und befreite ihre Brille von den Ketten, die sich daran verfangen hatten.

„Das ist eine gute Frage!“, rief sie schrill aus. „Ich schlendere so vor mich hin und dachte über gewisse düstere Menerekel nach, die ich zufällig zu sehen bekommen hatte...“

Sofort schaffte die Lehrerin es, dass Harry das Interesse verlor. Ohne ihr weiter zuzuhören, betrachtete Harry die Sherryflaschen, die Trelawney bei sich hatte. Warum lief sie nur mit so vielen Flaschen umher? Sein Blick fiel auf die Wand und erst jetzt wurde dem Gryffindor klar, wo sie sich befanden: Vor dem Raum der Wünsche.

„Professor, haben Sie versucht, in den Raum der Wünsche zu gelangen?“, unterbrach Harry die mystischen Erzählungen seiner Professorin, die verdattert inne hielt.

„Wie bitte?“

„Der Raum der Wünsche“, wiederholte Harry ungeduldig. „Haben Sie versucht ihn zu benutzen?“

„Ich... nun... ich wusste nicht, dass Schüler davon Kenntnis haben...“

„Nicht alle“, erwiderte Harry schnell, um das Gespräch abzukürzen. „Also wollten Sie? Was ist denn passiert? Es klang, als seien Sie angegriffen worden.“

„Ich... nun“, stotterte Trelawney und schien sich ertappt zu fühlen. „Ich wollte, äh, gewisse, ähm, persönliche Dinge im Raum deponieren...“

„Verstehe“, erwiderte Harry bei dem Blick auf die Flaschen. „Und Sie haben es nicht geschafft, hineinzukommen und sie zu verstecken?“

Es war Harry ein Rätsel, warum sich der Raum sträuben sollte. Erst letztens hatte er es doch geschafft den Raum zu betreten, wo all diese Dinge versteckt wurden.

„Oh doch, hineingekommen bin ich“, erwiderte Trelawney und warf der Wand einen bösen Blick zu. „Aber es war schon jemand drin.“

Sofort wurde Harry hellhörig. „Was? Wer?“

„Keine Ahnung, wer“, antwortete Trelawney und war offenbar erstaunt über den Tonfall von Harry. „Ich bin in den Raum hineingegangen und habe eine Stimme gehört.“

„Eine Stimme? Was hat sie gesagt?“

Das konnte doch nur Malfoy gewesen sein!

„Etwas gesagt hat sie eigentlich nicht“, berichtete Trelawney zögernd. „Sie hat eher... gejohlt.“

„Gejohlt?“

„Gehässig“, bestätigte die Hexe nickend.

„Klang sie glücklich? War die Stimme männlich oder weiblich?“

„Männlich, würde ich sagen“, überlegte Trelawney weiter, auch wenn Harrys Verhalten sie langsam zu beunruhigen schien. „Und sie war sehr glücklich. Als würde sie etwas feiern.“

„Und dann?“

„Dann rief ich 'Wer da?'. Plötzlich wurde alles pechschwarz und im nächsten Moment wurde ich kopfüber aus dem Raum geworfen!“

„Und das haben Sie nicht kommen sehen?“, rutschte es Harry unwillkürlich heraus, ehe er sich auf die Zunge beißen konnte.

„Nein, habe ich nicht, wie gesagt, es war pech-...“, unterbrach Trelawney sich selbst, als ihr bewusst wurde, was Harry damit gemeint hatte, und funkelte ihn dann böse an.

Um die Situation zu retten, schlug Harry vor: „Ich glaube, Sie sollten damit zu Dumbledore gehen und ihm erzählen, was passiert ist.“

Hochmütig erwiderte Trelawney: „Der Direktor hat mir zu verstehen gegeben, dass er es vorzöge, seltener Besuch von mir zu bekommen. Ich gehöre nicht zu jenen, die Leuten ihre Gesellschaft aufzwingen, die sie nicht zu schätzen wissen. Wenn Dumbledore meint, er könne Warnungen ignorieren, die die Karten offenbaren...“

Plötzlich griff Trelawney nach Harrys Handgelenk, zeigte ihm eine Tarotkarte und sagte mit unheilvoller Stimme: „Wieder und wieder, gleich, wie ich sie auslege, der vom Blitz getroffene Turm. Unglück. Katastrophe. Es kommt immer näher...“

„Verstehe“, wimmelte Harry sie ab.

Doch dann fiel ihm ein, dass er das vielleicht für sein Argument nutzen konnte. Es war tatsächlich etwas im Gange, denn Malfoy feierte gerade genau in diesem Raum etwas und das konnte nichts gutes bedeuten. Harry hatte ein ganz schlechtes Gefühl bei der Sache und Dumbledore musste das endlich ernst nehmen!

„Ich bin sicher, dass Dumbledore Ihre Warnungen unterschätzt und er sollte sich noch einmal anhören, was sie zu sagen haben. Vor allem sollten Sie ihm schildern, was gerade mit dem Raum der Wünsche passiert ist.“

„Meinen Sie?“, dachte Trelawney kurz darüber nach, doch Harry merkte bereits, dass sie ohnehin schon überzeugt war.

„Ich bin gerade auf dem Weg zu ihm, weil wir ein Treffen vereinbart hatten. Wir könnten gemeinsam hingehen.“

„Oh, nun, wenn das so ist“, sagte Trelawney und lächelte.

Sie hob noch ihre Sherryflaschen auf und versteckte sie ohne viel Federlesen in einer Vase, ehe sie sich mit Harry zusammen auf den Weg machte.|² Der hingegen saß auf heißen Kohlen. Was hatte Malfoy zu feiern? Wie sah sein Plan aus? Und vor allem: Was konnte er dagegen unternehmen? Er konnte nur hoffen, dass Dumbledore ihm endlich Gehör schenken würde, aber mit Trelawneys Erlebnis hatte er doch nun einen Beweis, oder nicht? Das konnte der Direktor nicht mehr abtun.

Während seiner Überlegungen plapperte Trelawney fröhlich auf ihn ein, doch das ignorierte er vollkommen. Bis plötzlich das Wort Vorstellungsgespräch fiel.

|„Dumbledore war tief beeindruckt, natürlich, tief beeindruckt... Ich wohnte im Eberkopf, den ich übrigens nicht empfehlen kann, Bettwanzen, mein lieber Junge, aber meine Mittel waren damals gering. Dumbledore erwies mir die Höflichkeit, mich in meinem Zimmer in diesem Gasthaus aufzusuchen. Er stellte mir Fragen... ich muss bekennen, dass ich mich plötzlich etwas unwohl fühlte, ich hatte an jenem Tag nicht viel gegessen... aber dann...“

Jetzt wurde Harry richtig neugierig. Dumbledore hatte ihm erzählt, dass Trelawney damals an jener Stelle ihre Prophezeiung über ihn und Voldemort gemacht hatte.

„...aber dann wurden wir unsanft von Severus Snape unterbrochen!“

„Was?“, entfuhr es Harry verwirrt.

„Ja, draußen vor der Tür gab es einen Tumult und sie flog auf, und da stand dieser ziemlich ungehobelte Wirt zusammen mit Snape, der davon schwafelte, er sei die falsche Treppe hinaufgestiegen, obwohl ich ehrlich gesagt glaubte, dass er dabei ertappt worden war, wie er mein Gespräch mit Dumbledore belauschte...“

Harry war es, als hallte Trelawneys Stimme durch einen langen Tunnel zu ihm. Der Todesser, der die Prophezeiung belauscht hatte... der sie an Voldemort weitergegeben hatte...

„...wissen Sie, er war damals selbst auf der Suche nach einer Stelle, und zweifellos hoffte er, irgendwelche nützlichen Hinweise aufschnappen zu können! Nun, danach schien Dumbledore jedenfalls viel eher bereit, mir eine Stelle zu geben, und ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, Harry, dass er den deutlichen Gegensatz zu würdigen wusste zwischen meiner bescheidenen Art und stillen Begabung und dem hartnäckigen, aufdringlichen jungen Mann, der so weit ging, sogar an Schlüssellöchern zu lauschen... Harry mein Lieber?“|²

Harry merkte gar nicht, dass er stehen geblieben war und Trelawney nun fragend zurücksah. Severus hatte seine Eltern verraten. Er hatte Voldemort auf die Jagd nach seinen Eltern geschickt. Den Gryffindor durchfluteten eiskalte Wellen der Erkenntnis und er merkte gar nicht, dass er immer bleicher wurde. Dieses letzte Puzzelteil hatte ihm all die Zeit über gefehlt. Es war ein winziges Detail und doch so unglaublich weitreichend, sodass es sein gesamtes Weltbild zerstörte. Gerade erst vor ein paar Tagen waren er und Severus auf dem Turm auf die Prophezeiung zu sprechen gekommen und jetzt verstand Harry auch, warum er das Thema so abrupt abgebrochen hatte. Natürlich, er hatte es nicht riskieren wollen, dass Harry hinter die grausame Wahrheit kam. Nämlich, dass Severus seine Eltern auf dem Gewissen hatte.

„Harry?“, fragte Trelawney ein weiteres Mal unsicher nach und riss Harry so aus seinen Gedanken.

„Gehen Sie alleine zu Dumbledore“, antwortete Harry leise und eiskalt. „Ich habe noch was zu erledigen.“

|„Aber... ich dachte, wir würden gemeinsam zum Schulleiter gehen?|²“, sagte Trelawney verwirrt, doch da hatte Harry sich bereits umgedreht.

„Sie müssen alleine zu ihm gehen“, wiederholte Harry, ohne seine Lehrerin noch einmal eines Blickes zu würdigen und lief Richtung Kerker.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Tada, ein Cliffhanger :D Hatten wir ja soo lange nicht mehr, dann darf das auch mal wieder sein *grins*
Bis Montag! ^^
-------------------------
2. Rowling, Joanne K. (2005): Harry Potter und der Halbblutprinz. Hamburg: Carlsen Verlag GmbH. S.544, 545-548, 549-550, 550. Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2016-11-13T21:37:39+00:00 13.11.2016 22:37
Über den Krieg, wie er damals war und wie er erneut sein wird mit all den Opfern hat Snape alles gesagt auf dem Turm. Besonders wichtig war seine Schilderung, wie Todesser sich verhalten und welche Angst sie vor Voldemort empfinden. Dies wäre dann wohl die Erklärung dafür, warum Snape damals die (unvollständige?) Prophezeiung an den Dunklen Lord weitergegeben hat und vermutlich auch wusste, dass er damit Lily in Gefahr brachte.
Harrys Wut darüber, dass ausgerechnet Severus der Todesser war, der James und Lily verraten hat, ist absolut verständlich. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass Harry auf dem Weg in die Kerker sich rechtzeitig an Severus' Erklärungen erinnert, bevor er seine Liebe zu Snape in puren Hass verwandelt!

Das ganze Kapitel wirkt düster und hat was von "Endzeitstimmung" in sich.

Wäre schon schön, wenn sich Harry und Severus nochmals auf dem Turm treffen würden, aber da sehe ich ziemlich schwarz für, dass sie das noch hinkriegen! X(
Antwort von:  -wolfsmoon-
14.11.2016 18:39
Ich fands auch mal ganz interessant, mir vorzustellen, wie das alles aus der Sicht der Todesser aussieht. Dass sie alle Angst vor Voldemort haben, wird in den Büchern ja oft überdeutlich. Selbst Bellatrix is schonmal vor ihrem Herrn geflohen.
Endzeitstimmung... schöne Umschreibung :) Wenn ich ehrlich bin, war es auch das Gefühl, was ich beim Schreiben des Kapitels hatte :) Mit ordentlich depressiver Musik im Hintergrund XD Schön, dass das jemand so bemerkt hat ^^ Ich hatte zuerst die Befürchtung, dass es schon fast zu melancholisch geworden ist.
Von:  Salatgurke
2016-11-10T19:36:46+00:00 10.11.2016 20:36
Ich wusste dass das noch Stress gibt XD
Hatte schon gedacht du würdest es weg lassen.
War ja klar das Snape nun auf Abstand geht.
Aber im Gegensatz zu ihm möchte Harry das wenigstens direkt klären.
Da bin ich mal gespannt wie das weiter geht. XD

Bis Mo :)
Antwort von:  -wolfsmoon-
14.11.2016 18:35
Ne, Harry hätte es früher oder später herausgefunden, dann lieber jetzt als später. Außerdem hat das Buch ja die perfekte Vorlage geboten.
Von:  Im_Whats_Left
2016-11-10T16:40:12+00:00 10.11.2016 17:40
Naja, son richtiger Cliffi ist es eigentlich gar nich :D das is ja noch arg harmlos.
Das die Beiden auch dauernd streiten müssen... ohman. Bin gespannt, was jetzt passiert und ob das Treffen am letzten schultag noch stattfinden wird :o
Antwort von:  -wolfsmoon-
14.11.2016 18:34
Naja, trotzdem haben sich genug über den Cliff beschwert :D Aber für meine Verhältnisse is das tatsächlich harmlos :D


Zurück