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Die Grotten von Necrandolas

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Moin Moin,
so Leute... bei diesem Kapitel bin ich etwas nervös. Die Szene hier ist eine von denen, die ich von Anfang an geplant hatte und im Laufe der Zeit hab ich mich gefragt, ob ich das nu wirklich einbauen soll, aber ich habe im Laufe der Geschichte nun schon so viele Hinweise eingebaut, dass ich nu keinen Rückzieher mehr machen wollte. Jetzt seid ihr gespannt, nicht wahr? :D
Viel Spaß! ^^ Komplett anzeigen

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Ehrlichkeit

„Sieben Seelenstücke?!“, keuchte Hermine auf und Ron machte hektisch „Pscht“, damit sie nicht zu laut redete.

Harry sah sich unauffällig um, aber ihre Mitschüler waren alle zu sehr mit ihren Zaubertränken beschäftigt und auch Severus war genug abgelenkt.

Leise zischend ergänzte Hermine fassungslos: „Wie kann man sich selbst nur soetwas antun?“

„Tja, was tut man nicht alles für die Unsterblichkeit“, zuckte Harry mit den Achseln und rührte seinen Zaubertrank um, bis die Farbe schlagartig von braun zu blau wechselte.

„Wir müssen also erst die Horkruxe vernichten, bevor Voldemort selbst getötet werden kann?“, flüsterte Ron und erhielt ein Nicken vom Schwarzhaarigen.

„Wenn ich Dumbledore beim nächsten Horkrux begleite, kann ich sicherlich lernen, mit was für Zaubern sie geschützt sind und wie man sie vernichtet...“

„Potter! Sie sollen kein Kaffeekränzchen halten, sondern arbeiten!“, schnauzte Severus kalt dazwischen und sofort huschten die drei Gryffindors wieder zu ihren Kesseln. „10 Punkte Abzug jeweils für Granger und Weasley und für Potter 20 Punkte Abzug!“

Protestierend sah Harry auf, doch bevor er irgendetwas sagen konnte, zischte Severus: „Wenn Sie nun auch noch rebellieren wollen, kriegen Sie zusätzlich eine Strafarbeit auf, Potter!“

Sofort schloss Harry den Mund wieder und biss die Zähne zusammen, während er den Slytherin böse anfunkelte. Es war nicht sonderlich schwer im Unterricht so zu tun, als sei alles normal, wenn Severus ihn so behandelte. Wenn er ihm Nachsitzen gab, wusste Harry wenigstens, dass es dieses Nachsitzen in dem Sinne gar nicht geben würde, aber eine Strafarbeit war tatsächlich eine Strafarbeit, genauso wie die Punkte wirklich abgezogen wurden. Grummelnd ließ Harry den Blick zu seinen Zutaten sinken und ließ seine Wut an ihnen aus.

Am Ende der Stunde war Harry schon fast aus dem Raum, als Severus ihn zurückhielt.

„Potter, hier bleiben! Sie müssen sich noch Ihre Strafarbeit abholen.“

Die Augen verdrehend, drehte Harry sich wieder um und trat vor den Schreibtisch, während Severus die Trankproben zusammensammelte. Anschließend schnappte er sich eines seiner Bücher und schien etwas zu suchen.

Da bereits alle Schüler gegangen waren, wagte Harry zu sagen: „Bist du für Strafarbeiten jetzt schon so unkreativ, dass du dir eine aus dem Buch raussuchen musst?“

„Vorsicht, Potter“, knurrte der Slytherin und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Ich überlege nur, welcher deiner verpatzten Tränke genug Stoff bietet, um dir einen ganzen Nachmittag zu versauen.“

Genervt seufzte Harry auf. „Ich habe doch meinen Mund gehalten. Wofür also hab ich diese Strafarbeit überhaupt verdient?“

„Du verdienst sie, weil du ein Dickkopf bist“, sagte Severus nüchtern ohne aufzublicken.

Stirnrunzelnd stellte Harry fest: „So ergibt sich also seit Jahren deine ungerechte Behandlung? Aus Charaktereigenschaften? Ich bin stur, Neville ist tollpatschig, Hermine ist besserwisserisch... Malfoy ist ein Schleimbeutel und trotzdem gibst du ihm nie was auf.“

„Er ist in Slytherin, also kann sein Charakter nicht so falsch sein.“

Harry konnte nicht anders als laut und spöttisch aufzulachen. „Vielleicht ist es dir noch nicht aufgefallen, aber fast alle Todesser waren Slytherins.“

„Todesser sind muggelfeindlich und stolz auf ihr reines Blut und in Slytherin landen reinblütige Zauberer und Hexen aus alten Zaubererfamilien. Also ist es nur logisch, dass die Todesser aus Slytherin stammen. Das heißt aber noch lange nicht, dass alle Slytherins Todesser sind oder dass der Charakter eines Slytherins dem eines Todessers entspricht. Aber mir war klar, dass du diesen feinen Unterschied nicht bemerkst.“

Augenverdrehend leierte Harry gelangweilt: „Mir fehlt das Feingefühl, weshalb ich auch so mies im Brauen von Zaubertränken bin, ich weiß schon.“

„Ganz genau“, sagte der Slytherin ungerührt und deutete dann auf eine Buchseite. „Den Abschwelltrank hast du letztes Mal versaut. Nächste Woche will ich von dir einen Bericht über die exakte Zubereitung und die Funktion der einzelnen Zutaten und ihren Mengen haben, verstanden?“

Grummelnd nahm Harry die Aufgabe hin und da Severus das als Zustimmung reichte, packte er seine Sachen zusammen.

„Wenn du gleich damit anfängst, hast du noch was vom Wochenende.“

„Hey, du brauchst Hermine nicht ihren Text zu stehlen“, grummelte Harry und beobachtete den anderen grübelnd dabei, wie er die Phiolen im Etui verschwinden ließ. „Wieso können wir nicht in allem so ehrlich zueinander sein?“

„Ich vermute du meinst damit, dass ich nicht ehrlich zu dir bin“, stellte Severus fest, verschloss seine Tasche und ging am Gryffindor vorbei Richtung Tür.

„Zumindest bist du es in den letzten Tagen nicht gewesen“, erwiderte Harry und drehte sich um, um Severus nachzusehen.

„Ich weiß nicht, was du meinst“, erwiderte Severus aalglatt und verließ den Raum.

Knurrend folgte Harry ihm, sah sich im Flur kurz nach Zuschauern um und folgte Severus energisch.

„Oh doch, das weißt du ganz genau“, zischte der Gryffindor durch zusammengebissene Zähne.

„Genau dieses Verhalten meinte ich, als ich von deinem Dickschädel gesprochen habe“, reagierte Severus sofort bissig. „Warum musst du immer alles ausdiskutieren? Akzeptiere einfach, dass sich nicht immer alles um dich dreht.“

„Wenn es nicht an mir liegt, dann hättest du das vorgestern einfach sagen können“, ließ Harry nicht locker und hielt problemlos mit Severus mit.

„Das Problem liegt nur insoweit an dir, dass du dir Probleme einbildest“, zischte Severus und erreichte endlich sein Büro.

Doch wenn er dachte, dass er Harry so abwimmeln konnte, dann hatte er sich verrechnet. Bevor Severus dem anderen die Tür vor der Nase zuknallen konnte, war dieser bereits in den Raum geschlüpft und funkelte den Slytherin herausfordernd an.

„Mag sein, dass du sonst ein guter Lügner bist, aber in dem Fall bist du wirklich grottig darin. Verkauf mich nicht für dumm!“

Severus seufzte lautlos auf, hielt noch immer die Tür auf und sagte neutral, aber mit angespanntem Kiefer: „Raus.“

„Nein.“

„Ich sagte raus!“

„Nein!“, blieb Harry stur, griff nach der Tür und schloss sie. „Nicht bevor du mir sagst, was los ist.“

Langsam verlor Severus die Beherrschung. „Verdammt, Potter, wie kann man nur so stur sein?!“

„Wenn das Problem nicht bei mir gelegen hätte, hättest du es nur sagen müssen. Aber da du das nicht getan hast, sondern noch immer so tust, als sei nichts, kann ich wohl davon ausgehen, dass das Problem sehr wohl was mit mir zu tun hat“, argumentierte Harry laut und ließ sich vom tödlichen Blick des anderen nicht einschüchtern.

„Merkst du denn gar nicht, dass du hier schon wieder aus einer Mücke einen Elefanten machst?!“, rief Severus aufgebracht aus.

„Nur, weil du nicht ehrlich zu mir bist!“, wurde Harry genauso laut. „Du hättest einfach sagen können, was los war und alles wäre in Ordnung gewesen.“

„Was geht es dich an, ob alles bei mir in Ordnung ist“, zischte Severus erbost, wandte sich von Harry ab und ging hinter seinen Schreibtisch. „Und jetzt verschwinden Sie, Potter!“

„Ach, jetzt steigen wir einfach wieder aufs Siezen um? Jetzt hast du es mir aber gegeben, gratuliere“, spottete Harry und verschränkte die Arme, während Severus einen Schluck aus seinem Wasserglas nahm. „Ist das jetzt deine neue Methode, um mich auszuschließen?“

„Anders scheinst du ja nicht zu verstehen, dass du zu weit gehst“, rief Severus. „Merkst du gar nicht, dass wir hier vollkommen sinnlos streiten? Und das nur, weil du so ein verdammter Idiot bist!“

„Das ganze ist doch nur so weit gekommen, weil du mir nicht sagen willst, was los war! Lag es an den Erinnerungen? Wäre es so schwer gewesen, über deinen Schatten zu springen und zu sagen, dass dir bei den Erinnerungen an Necrandolas nicht wohl ist?!“

„Die Erinnerung hat mir nicht aus dem Grund nicht gefallen“, knurrte Severus und stockte bei seinen eigenen Worten, allerdings war Harry so sehr in Fahrt, dass er ihm keine Zeit ließ darüber nachzudenken.

„Also hatte ich doch Recht!“, wetterte Harry. „Es lag an der Legilimentik, nicht wahr?“

„Ich konnte deine Erinnerungen nicht ertragen“, polterte Severus und hatte das Gefühl, dass er erst sprach und dann nachdachte, was sonst nie vorkam.

„Und warum sagst du mir sowas nicht einfach?“, warf Harry hilflos die Arme in die Luft. „Warum musst du mich immer von dir stoßen, wenn es um was persönliches geht?“

„Weil ich das schon immer so gemacht habe.“

Was zum Teufel war hier los? Warum rutschten ihm ständig die Antworten heraus, die er gar nicht geben wollte?

„Es geht hier also nur um eine Gewohnheit?“, runzelte Harry verständnislos die Stirn. „Nur wegen sowas lässt du mich ständig im Dunkeln tappen? Weil du es nicht 'gewohnt' bist jemanden an dich heranzulassen?“

„Ich lasse niemanden an mich heran und das soll auch so bleiben“, zischte Severus und fühlte sich langsam in die Ecke gedrängt.

Gar nicht mal wegen Harrys Art, sondern weil Severus das Gefühl hatte, sich nicht mehr unter Kontrolle zu haben.

Der Gryffindor strich sich ächzend durchs Haar, ehe er seinen Gedanken weiter spinnte: „Also basierten sämtliche Ausflüchte von dir nur auf deiner blöden Sturheit?! Du hast dir einfach mal gedacht, dass kein Mensch es wert wäre, zu erfahren, was du wirklich denkst und fühlst. Hältst du dich etwa für was besseres?!“

„Nein“, knurrte der Slytherin und krampfte seine Hände zu Fäusten, sodass seine Knöchel weiß wurden.

Merkte Harry denn gar nicht, dass etwas nicht stimmte? Konnte dieser verdammte Idiot nicht endlich mal die Klappe halten?!

„Na dann erkläre es mir!“, rief Harry stattdessen ungebremst aus. „Erkläre mir, warum du mich immer von dir stößt! Ich habe das immer kommentarlos hingenommen, aber wenn der einzige Grund dafür wirklich nur deine beschissene Sturheit ist...“

„Das ist nicht der Grund“, versuchte Severus seine Wut unter Kontrolle zu behalten, doch Harrys Vorwürfe machten es ihm nicht gerade leichter.

„Dann sag mir doch einfach, was der Grund war, statt immer nur so zu tun, als sei nichts zwischen uns gelaufen!“

Severus konnte seine Wut nicht mehr zurückhalten.

Mit immer lauter werdender Stimme donnerte er: „Ich habe mir geschworen, nie wieder jemanden so weit gehen zu lassen, weil mein verdammter Vater mich vergewaltigt hatte!“

Stille machte sich im Raum breit. Harry waren seine Worte im Halse stecken geblieben und so sah er den anderen mit offenem Mund entsetzt an, während Severus der Schrecken durch die Glieder fuhr. Das hatte er jetzt nicht wirklich ausgesprochen? Das hatte er verdammt nochmal nicht gesagt!!

Harry war zur völligen Salzsäule erstarrt und sämtliches Denken war bei ihm ausgefallen. Ein seltsames, irgendwie kaltes Kribbeln breitete sich in seinem Körper aus und nahm ihm sämtliche Kraft, sämtliche Wut und hinterließ nur Entsetzen.

Mit ebenso großem Schock sah Severus zurück und war mit einem Mal kalkweiß geworden. Harry hatte schon Angst er würde umkippen, als der Slytherin nach seinem Wasserglas griff und die Flüssigkeit genau betrachtete. Wieder weiteten sich seine Augen und füllten sich plötzlich schlagartig mit Wut, ehe er zum ahnungslosen Harry herüberblickte.

Mit Eiseskälte zischte Severus: „Du hast mir Veritaserum untergejubelt?!“

Wegen des Schocks fiel Harry immer noch das Denken schwer und so zögerte er mit seiner Antwort.

„W-Was? Nein. Natürlich ni-...“

„Deswegen hast du mich mit deinen Fragen gelöchert!“, hauchte Severus bedrohlich und ging lauernd um den Tisch herum.

Harry konnte nicht anders, als verschreckt zurückzuweichen.

„Nein, ich habe dir kein Veritaserum...“

„Hältst du mich wirklich für SO BESCHEUERT?!!“, schrie der Slytherin und schmiss das Glas mit aller Kraft auf den Boden, sodass die Scherben nur so flogen.

Der Gryffindor machte einen Hechtsprung zurück und trotzdem war Severus im nächsten Augenblick schon bei ihm angekommen. Grob packte er ihn am Kragen und funkelte ihn mit sprühenden Augen an.

„WEHE es kommt auch nur EIN MUCKS zu irgendwem über deine Lippen!!“

„N-Nein, i-ich würde nie...“

„Wenn du es doch tun solltest, WIRD DER DUNKLE LORD DEIN KLEINSTES PROBLEM SEIN!! UND JETZT RAUS!!!“

Severus hatte Harry so stark von sich geschubst, dass er stürzte und sich den Ellenbogen aufschrammte. Doch das ignorierte der Gryffindor und beeilte sich, wieder auf die Beine zu kommen. Wenn Severus ihm doch nur die Chance gab, sich zu erklären.

„Severus, ich hab nicht...“

„ICH SAGTE RAUS!!!!“

Das Tintenfass kam auf Harry zugeflogen und nur weil er sich so schnell geduckt hatte, verfehlte es ihn knapp und zerschmetterte stattdessen einige Einmachgläser im Regal hinter ihm. Wie ein Irrer warf Severus nun auch mit Büchern nach dem anderen.

„VERSCHWINDE ENDLICH!!“

Es hatte keinen Sinn, der Slytherin war rasend vor Wut. Eilig ging Harry zur Tür und wollte flüchten. Der Slytherin machte erneut einen Satz nach vorne, riss die Tür auf und schubste Harry grob nach draußen, der in den Flur stolperte.

„Lass dich hier NIE WIEDER BLICKEN!!“

Damit knallte Severus die Tür zu. Mit einem letzten Wutschrei schlug der Slytherin gegen die verschlossene Tür, ehe er kraftlos an dieser hinuntersank. Wie konnte Harry ihm sowas nur antun? Nie im Leben hätte er den Gryffindor für so hinterhältig gehalten, dass er ihm Veritaserum verpasste, um ihn dann so zu verhören. Jetzt war alles aus. Harry hatte sein dunkelstes Geheimnis aus ihm herausgequetscht und wer weiß, was er mit diesem Wissen nun anstellen würde.

Kraftlos senkte Severus den Kopf und legte seine Stirn an seine noch immer zu Fäusten geballten Hände. Er wusste nicht was mehr schmerzte: Dass Harry sein Geheimnis kannte oder dass er ihn so hintergangen hatte.

Völlig fassungslos hingegen stand Harry noch immer vor der Tür und starrte sie an. Die neuen Informationen drangen nur sehr zäh zu ihm durch und verlangsamten sein Denken enorm. Was sollte er denn jetzt nur machen? Er konnte Severus doch so jetzt nicht alleine lassen. Aber es hätte auch keinen Sinn, sich nochmal zu erklären, dafür müsste Severus erst einmal wieder herunterkommen.

„Verfluchte Scheiße“, seufzte Harry ratlos und strich sich durchs Haar.

Er konnte dieses Thema unmöglich im Raum stehen lassen. Ihm blieb wohl nichts anderes übrig, als zu warten, bis Severus sich beruhigt hatte und dann zu versuchen mit ihm zu reden. Also wandte Harry sich um und machte sich auf den Weg zum Gryffindorturm. Am wichtigsten war wohl, Severus zu sagen, dass sein Geheimnis bei ihm sicher war. Wie konnte er auch so blöd sein und nicht merken, dass Severus zu seinen Antworten gezwungen worden war?! Ihm hätte auffallen müssen, dass der Slytherin viel zu ehrlich war. Wie zum Teufel kam überhaupt dieses Veritaserum in sein Glas?

Mit einem mulmigen Gefühl blieb Harry stehen. Wer hatte das Veritaserum ins Glas gekippt und warum? Was hatte das für einen Zweck? Die einzige Person, der das zuzutrauen wäre, war Syndia, aber die hatte so etwas gar nicht nötig. Also wer dann? Bei Harrys nächstem Gedanken sah er nervös den Flur zurück. Es trieb sich hier doch nicht etwa jemand herum, der den Phönixorden ausspionieren wollte, oder? Was war mit Malfoy? Vielleicht hatte er vor, Severus für Voldemort auszufragen. Aber jetzt, wo Severus das Veritaserum bemerkt hatte, würde er so einer Befragung doch ausweichen können, oder? Er ließ sich nicht einfach so ausquetschen... und doch hatte er es selbst gerade geschafft, ohne es überhaupt zu wissen.

Kurz entschlossen warf Harry sich seinen Tarnumhang über und ging zurück. Vor der Bürotür lehnte er sich an die gegenüberliegende Wand und hielt Wache. Severus würde ihn köpfen, wenn er hereinkäme, aber es reichte ja aus, wenn er einfach die Tür im Auge behielt.

Eine ganze Weile verging. Schüler kamen vorbei, ob alleine oder in Gruppen, aber niemand beachtete auch nur das Büro des Tränkemeisters. Während seiner Wache hatte Harry eine Menge Zeit, um über das Geschehene nachzudenken. Viele Dinge, die Harry ein Rätsel gewesen waren, ergaben auf einmal einen Sinn. Warum Severus' Irrwicht seinen Vater darstellte und warum er zu gelähmt war, um gegen ihn zu kämpfen. Warum er selbst in diesem Nebel Harry nicht weiter hatte gehen lassen, als bis zum Gürtel und warum er unbedingt hatte wissen wollen, wie weit Vernon bei seinen Misshandlungen gegangen war. Harry musste wieder dran denken, wie fertig Severus beim Angriff des Pogrebin gewesen war. „Einen Scheiß weißt du“ hatte er gesagt.

Seufzend lehnte Harry seinen Kopf zurück an die Wand und starrte an die Decke.

Als nächstes fiel ihm die Situation im Krankenflügel ein, Severus' Entzug. Seine Halluzinationen hatten auf Harry damals so wirr und unverständlich gewirkt, aber jetzt... Vor allem seine Reaktion darauf, als Harry ihn festgehalten hatte und Severus panisch wurde.

FASS MICH NICHT AN!!“

Harry verzog das Gesicht und schloss die Augen. Die Angst in Severus' Augen würde er wohl nie vergessen. Und was, wenn seine weiteren Halluzinationen sich ebenfalls auf seinen Vater bezogen hatten?

Ich muss hier raus, bevor es zu spät ist.“ - „Bevor es für was zu spät ist?“ - „Bevor er aufwacht.“

Seufzend strich Harry sich durch seine Haare. Wie hatte er nur so blind sein können? Erst jetzt fiel ihm auf, was für Fehler er gemacht und was er alles falsch interpretiert hatte. Wie hatte er nur so dumm sein können? Er hatte nicht verstanden, warum Severus ausgerastet war, als er eine Diskussion darüber starten wollte, wer von ihnen denn vielleicht im Nebel oben gelegen hätte. Und verdammt nochmal, er hatte bei ihrem großen Streit letztens Severus an den Kopf geworfen, dass er als Teenager wahrscheinlich auf ältere Männer gestanden hatte.

„Oh Fuck“, murmelte Harry und strich sich mit den Händen übers Gesicht, während ihn Scham durchflutete.

Warum hatte er nicht sein verdammtes Mundwerk halten können?! Dass Severus ihm das verziehen hatte, grenzte ja an einem Wunder. Da kam Harry noch ein viel schrecklicherer Gedanke: Die Erinnerungen, die er aus Versehen im Okklumentikunterricht ganz am Anfang des Schuljahres gesehen, oder viel mehr gehört hatte, hatte er vielleicht auch nicht weit genug interpretieren können. Das kraftlose Schluchzen und die Verzweiflung dabei in der Stimme.

Bitte hör auf! Bitte!“

Harry unterdrückte ein Keuchen, als ihm bei dem Gedanken speiübel wurde. Fassungslos glitt er an der Wand hinunter und setzte sich auf den Boden. Kein Wunder, dass er Syndia von dieser Erinnerung nicht hatte erzählen dürfen. Nervös spielte er mit seinen Händen, während er zur Tür herübersah. In Anwesenheit von Severus würde er sich in Zukunft sehr zusammennehmen müssen. Harry wusste genau, dass wenn Severus in seinem Blick auch nur einen Funken Mitleid sehen, ihn sofort in die Hölle hexen würde. Und irgendwie könnte er das sogar verstehen. Er musste versuchen, sich Severus gegenüber so wie immer zu verhalten. Wahrscheinlich leichter gesagt als getan.

 

Der Nachmittag verging, ohne dass jemand das Büro des Tränkemeisters betrat und langsam fragte Harry sich, ob das Veritaserum überhaupt noch wirken würde. Das ergab doch alles keinen Sinn. Wenn jemand Severus ausfragen wollte, hätte er sich doch schon längst zeigen müssen. Also warum passierte nichts?

Als es Zeit fürs Abendessen wurde, gab Harry auf und machte sich auf den Weg zur Großen Halle. Dort saßen bereits Ron und Hermine am Gryffindortisch und sahen fragend zum Schwarzhaarigen.

„Wo warst du denn die ganze Zeit?“, fragte Ron als erstes, als Harry sich zu ihnen setzte.

„Ich habe Wache geschoben“, antwortete Harry ehrlich, da er gerade ohnehin schlecht im Lügen wäre.

Die Gesichter seiner Freunde sahen nur noch verwirrter drein und so ließ Harry sich zu einer Erklärung breitschlagen.

„Irgendjemand hat Severus Veritaserum untergejubelt. Blöderweise dachte er, ich sei das gewesen und hat mich rausgeworfen. Ich habe die Tür im Auge behalten, weil ich dachte, der Täter müsse ja irgendwann auftauchen, um Severus' Situation auszunutzen.“

„Es kam aber keiner?“, runzelte Hermine die Stirn und Harry schüttelte den Kopf.

„Seltsam, nicht? Was nützt es jemandem, ihm Veritaserum zu geben, wenn man ihn nicht ausfragen will?“

„Gute Frage“, grübelte Hermine und warf einen kurzen Blick zum Lehrertisch, doch wie Harry erwartet hatte, war Severus nicht da.

„Ich werde nochmal mit ihm reden müssen“, überlegte Harry laut. „Ich muss ihm irgendwie klar machen, dass ich damit nichts zu tun hatte.“

„Und du meinst das glaubt er dir?“, runzelte Ron zweifelnd die Stirn.

„Meinetwegen soll er mir selber Veritaserum geben, wenn er mir nicht glauben will“, sagte Harry hilflos und sah zu der ebenso ratlosen Hermine herüber. „Wie lange meinst du hält das Veritaserum an? Ich darf erst mit ihm reden, wenn die Wirkung verflogen ist.“

„Das hängt ganz davon ab, wie viel ihm verabreicht wurde“, erklärte Hermine und Harry ließ enttäuscht die Schultern hängen.

„Na super“, murmelte er. „Gibt es nicht irgendeine maximale Wirkzeit?“

„Doch“, zögert Hermine und biss sich auf die Lippe. „Fünf Stunden.“

Seufzend wandte Harry sich dem Essen zu. „Dann werde ich mich wohl darauf einstellen müssen, erst nach Ausgangssperre wieder zurückzukommen.“

„Wenn du überhaupt lebend zurückkommst“, erwiderte Ron und schaufelte sich bereits die erste Gabel mit Erbsen in den Mund.

Die Gruppe verfiel während des Essens in deprimiertes Schweigen. Erst als sich ein kleiner Junge neben Harry niederließ, wandten sie ihren Blick von ihren Tellern ab.

„Luca?“

„Hey“, grüßte der Junge so beiläufig wie möglich, doch sein Blick ging besorgt zu Harry, der den Blickkontakt schnell brach.

Auf keinen Fall durfte Luca ihn jetzt lesen.

„Es hat also nicht geklappt?“, fragte Luca bedröppelt nach und verwundert sah Harry wieder zu ihm.

„Was?“

„Na, dein Gespräch mit Onkel Sev. Ihr habt euch nicht vertragen?“

Noch immer war Harry verwirrt. Hatte Luca ihn jetzt doch gelesen? Wenn ja, war das eine Katastrophe.

„Ich brauche deine Gedanken nicht zu lesen, um zu wissen, dass es mies ausgegangen ist“, erklärte Luca sich. „Deine Stimmung verrät mir das schon.“

„Wieso... weißt du überhaupt, dass ich bei Severus war?“, fragte Harry noch immer vollkommen verwirrt nach.

„Naja, ihr seid schon ziemlich berechenbar“, rollte Luca mit den Augen. „Es war nicht schwer euch genau abzupassen.“

Eine ganze Weile starrte Harry den Jungen fragend an... bis der Groschen fiel.

„Du?! Du hast das Veritaserum ins Glas geschüttet?“, fragte Harry fassungslos nach, weshalb Luca verwundert dreinsah.

„Ja natürlich, wer sonst?“, zog er eine Augenbraue hoch.

Den Gryffindors blieb der Mund offen stehen und sogar Ron hörte auf zu essen.

„Luca, soetwas ist verboten“, hauchte Hermine, doch Luca sah auch sie nur verwundert an.

„Da ist doch nichts großes bei“, zuckte er unschuldig mit den Schultern. „Ich wollte nur, dass Harry und Onkel Sev sich endlich vertragen und das ging nur, wenn sie endlich ehrlich miteinander umgingen. Das hast du doch selbst gesagt, Harry.“

„Ja schon, aber...“, Harry sah sich kurz um und wandte sich dann vollkommen von seinem Teller ab. „Luca, du kannst jemanden nicht einfach mit Veritaserum dazu zwingen die Wahrheit zu sagen. Das ist nicht richtig.“

„Freiwillig tut er es ja nicht, also was hätte ich sonst tun sollen?“

„Severus glaubt jetzt, dass ich ihm das Zeug untergejubelt hab und hat mich rausgeschmissen“, flüsterte Harry energisch und endlich schien Luca zu verstehen.

„Oh.“

„Jaa, Oh!“, seufzte Harry auf und betrachtete den jüngeren nachdenklich. „Ich hätte dich eigentlich für schlauer gehalten.“

„Ich wollte dir doch nur helfen“, verteidigte Luca sich, doch Harry hatte gerade nicht die Nerven, um feinfühlig mit einem Zehnjährigen zu reden.

„Du siehst ja, wie sehr mir das geholfen hat.“

Mucksch spannte Luca den Kiefer an, doch bevor er etwas erwidern konnte, versuchte Hermine die Situation zu entschärfen.

„Luca, es kann einfach nichts Gutes dabei herauskommen, wenn man jemanden dazu zwingt ehrlich zu sein. Jeder würde bei sowas sauer werden.“

„Wieso? Weil man ihm hilft, über seinen Schatten zu springen?“, fragte er verständnislos.

„Nein, man nimmt jemandem damit die Entscheidungsfreiheit, was er von sich preisgeben will und was nicht. Jeder Mensch hat etwas, das er für sich behalten möchte und das sollte man respektieren.“

Überlegend biss Luca sich in die Wange und schien endlich zu verstehen.

„Wie lange hält das Veritaserum an?“, warf Harry schließlich ein.

„Hat er das Glas ausgetrunken?“

„Nein. Maximal bis zur Hälfte.“

„Dann müsste es nach zwei bis drei Stunden aufhören zu wirken.“

„Gut“, nickte Harry. „Dann hoffen wir mal, dass er mir zuhören wird.“

Harry warf Luca einen mürrischen Seitenblick zu, unter dem er ein wenig in sich zusammenzusinken schien.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Soo... jetzt ist es raus. Ich schätze mal, damit habt ihr am wenigsten gerechnet. Ich hoffe die ganzen vergangenen Situationen, die ich hier aufgezählt hab, sind euch noch irgendwie im Gedächtnis geblieben, schließlich ist vieles davon schon lange her :D
Bis Donnerstag! :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Im_Whats_Left
2016-11-07T17:01:22+00:00 07.11.2016 18:01
Genau sowas hab ich mir gedacht :3 es passt aber trotz allem zur Geschichte, also keine Sorge ;) Es erklärt ja vieles, von daher find ichs gut, das du es mit reingenommen hast.
Und: Luca, du Trottel. Du hast es schlimmer gemacht und nich besser @@ Kinder, Kinder...
Von: abgemeldet
2016-11-01T15:41:06+00:00 01.11.2016 16:41
Ich habe schon länger vermutet, dass in Severus' Kindheit so etwas unvorstellbar Schreckliches passiert sein muss, es gab ja zwischendurch einige Hinweise.

Genial von dir, ausgerechnet jetzt SO eine Bombe platzen zu lassen. Ich habe die ganze Zeit über geglaubt, dass Snape Harry nur deshalb immer zurüchweist, weil es ihm zu nahe geht, dass Harry ein Horkrux ist und deswegen sterben muss . Da war ich ja ganz schön auf dem Holzweg!

Ich kann mir allerdengs jetzt nur sehr schwer vorstellen, dass die Beziehung der beiden noch eine Chance hat, denn dieses dunkle Geheimnis wird immer zwischen ihnen stehen: Severus, der dieses Trauma nie aufgearbeitet hat und Harry, der jetzt davon weiß.

Bin schon gespannt, welche Konsequenzen auf Luca zukommen, sowas kann ja nicht einfach ungestraft bleiben!!!

Kann's kaum abwarten bis Donnerstag!
Antwort von:  -wolfsmoon-
03.11.2016 15:03
Ha! Wenigstens einen konnt ich täuschen XD Also was Severus' Verhalten angeht :D Dass so viele Leser die Hinweise erkannt haben, kann ich nur loben ^^
Irgendwie scheint niemand so positiv in die Zukunft zu gucken wie ich. Bin ich ausnahmsweise mal optimistisch? :D Ich hoffe das liegt nicht daran, dass ich die Charaktere zu sehr verfälsche :/ Ich finde es jedenfalls wichtig für ihre Beziehung, dass Harry es jetzt weiß (eigtl logisch), allein schon, weil er Severus so nun viel besser verstehen kann.
Von:  Salatgurke
2016-10-31T20:47:29+00:00 31.10.2016 21:47
Also ich muss dich ja enttäuschen,
aber ich habe schon mit sowas gerechnet.
Auch habe ich direkt Luca verdächtigt...
Das Snape, Harry verdächtigt... Dazu muss ich jawohl nichts sagen. Das ist mal wieder sowas von typisch! -.-
Aber die beiden... Also ich zweifel ja an einem Happy End.
Da muss Snape ja weit über sich hinaus wachsen. XD''
Oh mann, aber es ist mit Sicherheit gut das es mal raus ist.
Also ich bin ja dafür das Syndia, Snape sagt das es nicht Harry sondern Luca war. Und das er sich nichts böses dabei gedacht hat. XD
Harry wird er eh nicht glauben. Ich hoffe nur er verzeiht Luca.
Über sowas mache ich mir Gedanken XDDD
Unglaublich!! XD

Wir sind schon bei Kapitel 70. Nur noch 10 Kapitel ^.^
Bin ja mal gespannt wie es endet.
Das ist meine längste Geschichte bis her... ^_^
Echt cool :)

Freue mich auf Do.

Antwort von:  -wolfsmoon-
03.11.2016 14:56
Also waren meine Andeutungen wieder eindeutig? :D Also stören tut es mich nicht, dass es schon so viele geahnt haben. Ist jetzt nicht so, dass ich das unbedingt so lange geheim halten wollte ^^ Dass du Luca verdächtigt hast, find ich allerdings blöd XD
Na das nächste Kapitel wird dich dann ja ganz schön überraschen :D Zugegeben, es ist sehr Snape-untypisch, aber ich musste das für mich so alles in die Richtung lenken ^^ Ka, ob ich hier spoilern dürfte oder nicht, aber ich lass es einfach :D
Von:  Mitsuki-chan
2016-10-31T15:59:55+00:00 31.10.2016 16:59
Hallo Wolfsmoon,
wieder ein super Kapitel. Wenn man nach dem Kapitel ´nochmal´ deine Intro-sätze ließt ergibt alles Sinn^^
Das Severus das mit dem Serum gemerkt hat fand ich super (ich wäre nicht drauf gekommen). Ich dachte er hat das mit dem vergewaltigen gesagt weil er von Harry so in die Enge getrieben wurde und zusätzlich genervt war xD... aber das war er wahrscheinlich auch, gell?!...
Aber was Luca sich dabei gedacht hat mit dem Serum *scharf die Luft einzieh* das war wirklich nicht in Ordnung bin gespannt wie er sich das wieder draus befreit und wie Severus reagiert. Freue mich aufs nächste Kapitel :D

Antwort von:  -wolfsmoon-
03.11.2016 14:53
Naja, es wäre mir komisch vorgekommen, wenn ein Tränkemeister nicht irgendwann merkt, dass er unter Veritaserum steht :D Aber ja, natürlich hatte Harry ihn zusätzlich in die Enge getrieben und das hat noch zusätzlich zu seiner Antwort beigesteuert.


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