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Die Grotten von Necrandolas

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Moin Moin,
ein recht schwieriges Kapitel für mich, da ich mir unsicher war, was zu viel und was zu wenig wäre... Hab den Mittelweg hoffentlich einigermaßen getroffen ^^
Vllt noch als Warning "Verdrängung"
Viel Spaß! :) Komplett anzeigen

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Über den Schatten springen

Grübelnd betrachtete Harry den kleinen Punkt auf der Karte des Rumtreibers. Severus lief unruhig in seiner Wohnung umher. Von Raum zu Raum, wobei Harry inzwischen vermuten konnte, welcher Raum welches Zimmer darstellen sollte. Das einzige Zimmer, dass der Tränkemeister immer ausließ, war das zweitgrößte und vermutlich das Schlafzimmer. Jeden Abend verbrachte Severus die Zeit damit, in seiner Wohnung oder in den oberen Stockwerken des Schlosses umherzuwandern. Doch heute war es besonders schlimm. Er schien sich nicht einmal für längere Zeit im Büro an den Schreibtisch oder in der Wohnstube aufs Sofa zu setzen.

„Harry, meinst du wirklich, dass das so eine gute Idee ist?“, riss Hermines Stimme den Gryffindor aus seinen Gedanken.

Überrascht sah er von der Karte auf. Er hatte sich, wie so häufig in letzter Zeit, auf dem Sofa vor dem Kamin lang gemacht, während Hermine neben ihm im Sessel und Ron vor ihm auf dem Teppich saß. Während Ron mit seinen Hausaufgaben beschäftigt war, hatte Hermine jedoch aufgeblickt und Harry beim Studieren der Karte beobachtet.

„Was meinst du?“, versuchte der Schwarzhaarige unschuldig zu tun, doch Hermine wusste Bescheid.

„Es ist schon etwas auffällig, wenn du dir geschlagene 15 Minuten lang ein und den selben Kartenabschnitt ansiehst.“

„Mach ich doch gar nicht.“

„Welchen Kartenabschnitt denn?“, drehte Ron sich interessiert um und bekam unsichere Blicke zurück.

„Ähm“, räusperte Harry sich und begann damit, die Karte sorgfältig zusammenzufalten. „Die... die Kerker.“

„Wozu?“, runzelte Ron die Stirn. „Versuchst du wieder herauszufinden, was Malfoy plant?“

„Ähm“, überlegte Harry wieder.

Sollte er diese perfekte Vorlage nicht als Ausrede benutzen?

„Jaa... das heißt... nein.“

Verständnislos sah Ron zwischen seinen beiden Freunden hin und her, doch auch Hermine wollte ihn offenbar nicht aufklären.

„Was ist hier los?“, fragte er also skeptisch.

Sich geschlagen gebend, seufzte Harry auf und sah kurz nach, ob andere Mitschüler in Hörweite waren.

Dann flüsterte er: „Ich habe Snape beobachtet.“

„Und... warum?“

„Weil...“, begann Harry, doch ihm wollte nichts einfallen, was er in einen Satz hätte packen können, „ich weiß es nicht genau.“

„...Aha“, kam es ungläubig vom Rothaarigen und Harry atmete erneut durch.

Er wollte Ron ja die Wahrheit sagen, aber erstens wusste er selber nicht genau, was los war und zweitens wusste er nicht, wie er das ganze anfangen sollte.

„Weißt du“, versuchte er es erneut, „ich war es seit Necrandolas gewöhnt... ihn immer um mich zu haben und es ist seltsam, dass er es jetzt... eben nicht mehr ist.“

„Also... vermisst du ihn?“, konnte Ron seine Ungläubigkeit immer noch nicht ablegen.

„Nein... ja... ich weiß nicht“, antwortete Harry frustriert und drehte sich auf die Seite, um besser zu seinen Freunden sehen zu können.

„Du bist in Zaubertränke heute eingeschlafen“, warf Hermine plötzlich ein und erhielt die volle Aufmerksamkeit. „Das war dann doch jetzt der ultimative Beweis, oder?“

„Der Beweis wofür?“, warf Ron wieder ein.

Resigniert antwortete Harry: „Hermine hatte die Vermutung, dass ich nicht schlafen kann, weil Severus nicht bei mir ist und keine Wache halten kann.“

„Und der einzige Ort, an dem er in deiner Nähe ist, ist in Zaubertränke“, ergänzte Hermine. „Deshalb bist du dort auch eingeschlafen. Vielleicht ist das zur Zeit sogar der Ort, wo du am besten schlafen könntest.“

„Aber das ist doch bescheuert! Ich kann doch wohl schlecht den Zaubertränkeunterricht zum Schlafen nutzen. Abgesehen davon würde Severus durchdrehen... und die Slytherins auch“, murrte Harry und strich sich müde über die Augen.

Nachdenklich biss Ron an seiner Unterlippe herum, während sein Blick weiterhin skeptisch blieb. Er schien in letzter Zeit nichts mitbekommen zu haben und was er jetzt erfuhr, gefiel ihm ganz und gar nicht.

„Seid ihr jetzt eigentlich so etwas wie Freunde? Du und Snape?“, überlegte Ron.

„Nein“, musste Harry seinen Frust verstecken. „Also, wir... in Necrandolas sind wir wahrscheinlich irgendsowas in die Richtung geworden, aber Severus hat mir im Krankenflügel gesagt, dass wir so tun müssen, als hätte sich nichts verändert.“

„Und das beschäftigt dich so sehr?“, runzelte Ron die Stirn. „Wenn er deine Freundschaft nicht will, dann kann er dir doch auch egal sein.“

„Aber es ist mir nicht egal, auch wenn ich es gerne so hätte“, murrte Harry verzweifelt.

„Okaay“, sah Ron ihn unverständlich an. „Ist dir der Kerl so wichtig?“

Harry strich sich durch die Haare und seufzte: „Liegt wahrscheinlich daran, dass wir so viel zusammen durchgemacht haben.“

„Hm.“

Harry begegnete Rons Blick und bekam wieder ein schlechtes Gewissen. Ron konnte es nicht nachvollziehen, natürlich konnte er das nicht, denn er wusste nicht, was in Necrandolas passiert war. Seine Freunde hatten ihn in den letzten Tagen unterstützt, wo sie nur konnten und immer zu ihm gehalten. Hermine hatte sogar den Unterricht geschwänzt und obwohl sie selbst gerne mehr über Necrandolas wissen wollten, hatten sie Scrimgeour ausgebremst. Harry war ihnen etwas schuldig und es wäre nur fair, wenn er ihnen endlich mehr erzählen würde.

„Hört mal“, begann er zögerlich und seine Freunde sahen ihn wieder an.

Er wusste allerdings nicht, wo er anfangen sollte.

„Was wollt ihr über Necrandolas wissen?“, stellte er also erst einmal offen.

Ron und Hermine schienen einen Augenblick zu brauchen, bis sie verstanden. Sie warfen sich kurz einen Blick zu, ehe sie wieder zu Harry sahen.

„Harry“, begann Hermine fürsorglich, „es geht doch gar nicht darum, dass wir etwas über Necrandolas wissen wollen. Wir... fragen uns manchmal einfach nur, was in dir vorgeht. Wir versuchen zu verstehen, wie du dich fühlst, was du denkst... aber das ist nicht so einfach, wenn wir nicht wissen, was passiert ist. Du bist jetzt seit zwei Wochen aus dem Krankenflügel raus und schläfst kaum bis gar nicht und das macht uns eben Sorgen. Es geht uns nur darum, dass es dir gut geht und wenn du über Necrandolas reden willst, dann hören wir dir zu, aber denke nicht, dass du dazu verpflichtet bist, uns etwas zu erzählen.“

Eifrig nickend stimmte Ron seiner Freundin zu. Grübelnd sah Harry ins Feuer. Sie wollten also nachvollziehen, wie es ihm ging. Dann müsste er ihnen also von den Dingen erzählen, die die meisten Spuren hinterlassen hatten.

„Es... ich möchte euch ja davon erzählen, aber es ist nicht so einfach. Und ich weiß auch nicht, wo ich anfangen soll.“

Entschieden drehte Ron sich endgültig um, um seine Aufmerksamkeit von den Hausaufgaben zu Harry wandern zu lassen.

„Vielleicht fängst du einfach mit etwas banalem an. Etwas, das dir leicht fällt.“

Nachdenklich betrachtete Harry die einzelnen Fasern des Teppichs. Etwas banales.

„Wir haben Wasser an den Felswänden gefunden“, begann er und seine Freunde schienen den Atem vor Anspannung anzuhalten. „Es lief in Rinnsalen daran herunter. Aber nicht überall, manchmal haben wir tagelang keines gefunden und waren fast verdurstet.“

Ron und Hermine hingen gebannt an seinen Lippen und das war auch gut so, denn Harry wollte nicht unterbrochen werden.

„Severus hatte zwei der Portschlüssel in Wasserflaschen verwandelt. In den Tunneln gab es kein Licht, wir hatten nur das unserer Zauberstäbe. Wir hatten kein Zeitgefühl, wussten nur, dass wir jederzeit sterben konnten. Ich hatte eine Art Hütte gefunden, die an einer Mauer angrenzte. Wir waren auf der Flucht vor einem Nundu, so ein riesiger, lautloser Gepard. Als wir in eine Sackgasse liefen, hat Severus den Boden unter uns einstürzen lassen, damit wir entkommen konnten. Ich habe keine Ahnung woher er wusste, dass das Labyrinth zwei Geschosse hatte. Jedenfalls war Severus bewusstlos und seine Rippen gebrochen und da habe ich diese Tür gefunden. In der Hütte gab es fließend Wasser, Heilsalben und etwas zu Essen. Nach ein paar Tagen mussten wir aber weiter, um den Ausgang zu suchen. An einer Schlucht verlor Severus seinen Zauberstab. Wir wären beinahe selbst dort hineingefallen, da die Felsbrocken nachgaben. Je weiter wir ins Zentrum kamen, desto mehr Fallen gab es dort... und die Orks lebten dort.“

Nun musste Harry doch schlucken, allerdings wollte er nicht stoppen. Vielleicht half es, wenn er den Redefluss gar nicht erst abbrach.

„Bei einer der Fallen habe ich mir die Wirbelsäule gebrochen.“

Hermines Hände huschten vor ihren Mund, doch sie blieb stumm.

„Die Orks hätten uns da fast gekriegt, wenn Severus uns nicht versteckt hätte. Er hatte meine Wirbelsäule zwar geheilt bekommen, aber sie entzündete sich, wie ihr wisst. Und die Orks konnten... zaubern.“

Er atmete tief durch und versuchte die Enge in der Brust zu vertreiben.

„Sie hatten mein Blut aufgesammelt und verfluchten mich. Sie... sie schafften es, meinen Körper zu kontrollieren... sie waren in meinem Kopf... sie...“

Er schluckte und schloss kurz die Augen. Hermine unterdessen griff nach seinem Arm, um ihn zu beruhigen.

„Sie wollten mich dazu zwingen Severus zu töten.“

Hermine keuchte auf und auch Ron bekam große Augen.

„Ich habe ihn mehrmals angegriffen. Das zog sich mehrere Tage lang so hin und in der Zeit hat Severus nicht geschlafen. Irgendwann war ich... schneller als er.“

Nun hielten seine Freunde wirklich die Luft an.

„Ich hätte ihn fast getötet, ich hätte nur noch...“

Geistesabwesend sah Harry auf seine Hände. Hermine ahnte, dass ihr Freund gerade dabei war, sich in seine Erinnerungen zu vertiefen und griff hastig nach seinen Händen, um ihn in die Gegenwart zurückzuholen. Harry schreckte auf und sah zu Hermine.

„Ich merkte dann, dass ich es schaffen konnte mich zu kontrollieren. Ich wollte Severus nichts tun und... deshalb habe ich mich gegen den Fluch gewehrt. Wir sind dann... zum Orklager. Es waren so viele. Ein ganzes Volk, in einer großen Halle lebend. Wir mussten uns durch das Camp schleichen, um ihnen mein Blut wieder wegzunehmen. Ich bin dabei zusammengebrochen, aber Severus hatte es irgendwie geschafft, uns da wieder rauszubringen.“

Überlegend starrte Harry vor sich hin. Severus hatte ihn immer wieder gerettet und was hatte er getan? Er hatte mehrmals versucht Severus zu töten... und hatte es irgendwann sogar geschafft.

Mit zittriger Stimme presste er hervor: „Da war... ein Mantikor.“

Es bildete sich ein Kloß in seinem Hals und das Atmen fiel ihm schwer. Sanft strich Hermine ihm über den Handrücken und Harry versuchte sich zusammenzureißen. Vielleicht würde es ihm besser gehen, wenn er endlich jemandem erzählte, was für eine Last auf ihm lag. Was er zu verschulden hatte. Langsam richtete Harry sich auf und setzte sich hin, während Hermine sich sofort neben ihn setzte und vorsichtig einen Arm über seine Schultern legte.

„Er... er griff Severus an, aber Severus war zu flink. Also...“

Erneut schluckte er und seine Freunde merkten, dass er anscheinend mit der schlimmsten Erinnerung von allen kämpfte. Unruhig spielte Harry mit seinen Fingern.

„Er erkannte... dass ich mich kaum bewegen konnte. E-Es ging gar nicht mal um mich...“, wurde seine Stimme immer schwächer. „Er wollte nur... Severus d-damit erwischen... und es hat funktioniert.“

Harry hielt inne, schloss die Augen, legte den Kopf nach hinten und strich sich übers Gesicht, in der Hoffnung, dass er sich so wieder fangen würde. Ron saß stocksteif da und bekam immer größere Augen, während sich Hermine von Harry anstecken ließ und immer häufiger blinzelte. Harry senkte wieder den Kopf und sah zum Feuer.

Mit wieder etwas kräftigerer Stimme, sah er in die Flammen und sagte: „Er griff mich an und Severus warf sich vor mich.“

Harry starrte nur noch ins Leere und schien sich tief in sich selbst zurückzuziehen und klang bei seinen weiteren Worten abwesend und distanziert. Gefühllos.

„Der Mantikor durchbohrte ihn mit seinem Stachel. Mitten durch den Bauch.“

Wieder schlug Hermine ihre freie Hand vor ihren Mund, während Rons ungläubig aufging.

Nun schon fast mechanisch fuhr Harry fort: „Severus brach zusammen und ich fing ihn auf. E-Er war...“, Harry schnappte nach Luft, da sich seine Kehle zuschnürte. Krächzend brachte er hervor: „Er war tot.“

Ron keuchte auf und Hermine entglitt ein Schluchzer.

Kreidebleich stotterte der Rothaarige: „Aber... wie... er ist doch...“

Harry sah auf seine zitternden Hände hinab. All die Bilder kamen wieder hoch. Severus' Blick, sein Röcheln, das Lachen des Mantikors... seine eigenen Schreie, die tief aus seinem Herzen gekommen waren...

Harry vergrub seine Fingernägel in den Knien, sodass es schmerzte und schluchzte kurz trocken auf, bevor er sagte: „Ich konnte mich an das nächste zuerst nicht erinnern. Als ich wieder wach wurde, lag Severus unverletzt neben mir... und der Mantikor war vollkommen zerfleischt.“

Hermine stieß einen kleinen Schrei aus, während sie ihre Hände offenbar nie wieder senken wollte.

„Mit Legilimentik fanden wir heraus, dass ich das war.“

Harrys Hände zitterten stärker, während sie sich für ihn wieder mit Blut bedeckten. Seine Schutzmauer bröckelte immer weiter. Verdrängung... er hatte all das verdrängt, aus gutem Grund.

Mit zitternder und immer weiter versagender Stimme sagte er: „Ich habe... Voldemorts Kräfte genutzt, um den Mantikor zu foltern.... und danach Severus wieder ins Leben zurückgeholt. Sein Tod hat das ausgelöst, ich... das... ich w-wurde... z-zum Monster w-weil Severus in meinen A-Armen gestorben war... wegen mir, es w-war m-meine Schuld. Wegen mir war er t-tot.“

„Oh Harry“, murmelte Hermine unter Tränen und umarmte ihn.

Ron schienen diese Informationen zu überfordern, da er, vollkommen weiß im Gesicht, weder wusste was er sagen noch wo er hinsehen sollte. Harry hingegen versuchte sich mit aller Kraft an die Gegenwart zu klammern und die Bilder zu verscheuchen, aber es war zu spät. Er wollte Severus' Leiche nicht sehen, nicht das Blut, das an seinen Händen klebte. Er wollte nicht hören, wie Severus durchbohrt wurde, wollte seinen letzten Blick nicht sehen, aber diese Bilder spielten sich vor seinen Augen ab, als würde es noch einmal passieren.

Harry realisierte nicht, wie er begann am ganzen Körper zu zittern, wie er geräuschvoll nach Luft schnappte, als würde ihm etwas die Kehle zuschnüren. Genauso wenig bekam er am Anfang Hermines Umarmung mit. Schließlich verkrallte er sich in ihren Pullover, begann zu hyperventilieren und versuchte gegen seine panische Angst anzukommen.

 

Es dauerte mehrere Stunden, bis Harry sich wieder beruhigt hatte. Er hatte zitternd und hyperventilierend auf dem Sofa gesessen, hatte irgendwann angefangen zu schreien, während er sich panisch wand. Hermine redete unermüdlich auf ihn ein und zog ihn immer wieder zu sich, um ihn irgendwie zu beruhigen und irgendwann verhallten seine Schreie endlich. Ron hatte dafür gesorgt, dass auch die letzten Schüler den Raum verließen, damit Harry seine Ruhe hatte und so saßen sie alleine vor dem Kamin und nur Hermines flüsternde Worte waren zu vernehmen, während sie Harry hin und her wiegte.

Schließlich saß er stumm auf dem Sofa, die Beine angezogen, eine Decke über seine Schultern und eine Tasse Tee in der Hand und starrte abwesend ins Feuer. Ron atmete erleichtert durch, während Hermine weiterhin ein Auge auf Harry hatte. Sie waren schon kurz davor gewesen Snape zu holen, denn der Karte nach zu urteilen schlief dieser immernoch nicht, obwohl es bereits halb 2 war. Grübelnd betrachtete Hermine die Karte.

„Ich hätte eigentlich gedacht, dass Snape eine Möglichkeit finden würde, sich mithilfe von Tränken schlafenzulegen“, überlegte sie laut.

„Er schläft schon ein wenig“, antwortete Harry ganz unverhofft mit kratziger Stimme. „Manchmal schien er zu schlafen, wenn ich auf die Karte geguckt hab, teilweise auch tagsüber.“

Ron war anzusehen, dass er sich nie daran gewöhnen würde, so über Snape nachzudenken. Er lästerte viel lieber über ihn, statt sich Sorgen zu machen.

Ohne das zu bemerken, sagte Hermine: „Ich war schon am überlegen, ob du nochmal zu Madam Pomfrey gehen solltest, Harry. Sie kann dir sicherlich einen Schlaftrank geben.“

Abwesend starrte Harry auf die Karte und ließ sich nicht anmerken, was er von dem Vorschlag hielt. Hermine glaubte bereits, dass Harry sie nicht gehört hatte und sogar die Anwesenheit seiner beiden Freunde nicht mehr mitbekam, doch dann nickte er langsam.

„Ja... vielleicht.“

 

Harry nutzte am nächsten Tag eine Unterrichtsstunde, um sich zum Krankenflügel aufzumachen. Es war ihm zwar unangenehm nach Tränken fragen zu müssen, aber seine Nerven lagen inzwischen so blank, dass ihm das egal war. Er hatte gerade den ersten Stock erreicht, als er hörte, wie jemand von hinten angerannt kam.

„Hey Harry“, rief Luca freudestrahlend und holte zum Gryffindor auf.

„Hey“, begrüßte Harry ihn schmunzelnd und lief mit dem Jungen gemeinsam weiter. „Lange nicht gesehen.“

„Jaa, ich habe versucht mir die Gänge vom Schloss besser einzuprägen und bin in den letzten Tagen nur noch umhergelaufen.“

„Da hast du dir aber was vorgenommen“, erzählte Harry so munter wie möglich. „Es gibt sogar Viertklässler, die sich ab und zu noch verlaufen. Das ganze Schloss innerhalb eines Schuljahres auswendig zu lernen, ist nahezu unmöglich.“

„Für mich ist nichts unmöglich“, grinste Luca. „Wo gehen wir überhaupt hin?“

„Sag du es mir.“

„Hm...“, überlegte Luca. „Da kommen noch viel zu viele Gänge und Treppen, das kann ich noch nicht erraten.“

„Sag Bescheid, wenn du es weißt“, zuckte Harry mit den Schultern. „Hast du auch schon eine Begegnung mit der Maulenden Myrte gehabt?“

„Mit wem?“

„Mit der Maulenden Myrte. Sie ist ein Geist, der in einem Mädchenklo lebt.“

„Was soll ich auf einem Mädchenklo?“, verzog Luca das Gesicht.

„Wegen der Myrte geht da keiner mehr rein, keine Sorge“, grinste Harry. „Im zweiten Schuljahr haben wir uns oft dort versteckt.“

„Ich glaube, alle Geister habe ich ohnehin noch nicht getroffen“, zuckte Luca mit den Schultern. „Und ich bin auch ganz froh darüber, einige sind echt unheimlich. Gehst du zum Krankenflügel?“

„Jop.“

„Für einen Schlaftrank?“

Überrascht öffnete Harry den Mund, wusste aber nicht, was er erwidern sollte. Er würde sich wohl nie daran gewöhnen, so durchschaubar für Luca zu sein.

„Hey, dafür braucht man kein Talent“, warf Luca ein. „Deine Augenringe sieht man auf 10 Meter Entfernung.“

„Oh, ähm. Ja, kann ich mir denken“, gab Harry klein bei und fühlte sich mal wieder so erbärmlich.

Es stimmte also, jeder im Schloss wusste, dass er nicht schlafen konnte.

„Hey, vor mir brauchst du dich da nun wirklich nicht zu verstecken“, zuckte Luca so lässig wie möglich die Schultern, doch sein Unterton blieb ernst. „Ich weiß schließlich wie das ist.“

Etwas beklommen nickte Harry. „Ja, stimmt. Tut mir Leid.“

„Und Entschuldigungen will ich von dir auch nicht hören“, murrte der Junge und bewies mit diesem Tonfall wieder, dass er voll und ganz ein Snape war.

Harrys Mundwinkel zuckte bei dem Gedanken. Luca hatte ja Recht, nachdem, was er zu durchleiden hatte, konnte er ihn wohl noch am besten verstehen. Es war schon seltsam, so fröhlich wie Luca immer durch die Gegend hüpfte, konnte man glatt vergessen, dass er wochenlang von Todessern gefoltert worden war. Er wusste, was es bedeutete Albträume zu haben, nicht schlafen zu können und Angst im Dunkeln zu haben.

„Du brauchst dich dafür nicht zu schämen. Schon schlimm genug, dass Onkel Sev sich so fertig macht“, grummelte Luca leise vor sich hin und erhielt sofort Harrys Aufmerksamkeit zurück.

„Hast du ihn gesehen?“

„Ja klar, Mum versucht immer wieder mit ihm zu reden“, erzählte Luca etwas bedrückt. „Aber er will immer alleine sein. Mum macht sich große Sorgen... und ich auch.“

Harry überlegte kurz. Wäre es zu viel, wenn er Luca fragen würde, was er bei Severus sah? Andererseits wusste Luca wahrscheinlich ohnehin schon, dass er sich auch Gedanken machte.

„Kannst du erkennen was mit ihm los ist?“, fragte er also ruhig und angespannt.

„Es ist schwierig“, hob Luca die Schultern. „Er hat extreme Stimmungsschwankungen, da blickt man kaum durch. Aber größtenteils ist er... wütend. Warum auch immer, das verstehe ich nicht so ganz. Aber Mum scheint das besser zu verstehen, denn diese Wut macht ihr am meisten Sorgen.“

Nachdenklich nickte Harry. In der letzten Zaubertrankstunde war Severus auf ihn wütend gewesen. War er also der Grund? Aber warum? Was hatte er ihm denn getan? Er hatte sich an das gehalten, was Severus gesagt hatte: So tun, als sei nie etwas gewesen. Den Zaubertrankunterricht über konzentrierte er sich auf seinen Trank, so gut wie es eben ging, und außerhalb des Unterrichts nahm er keinen Kontakt zu Severus auf. Was also hatte er falsch gemacht?

Er unterbrach seine Gedanken, als sie vor der Tür zum Krankenflügel ankamen. Mit Schwung stieß Harry die Tür auf und sah sich nach Madam Pomfrey um, die überrascht aufblickte. Als sie den Gryffindor erkannte, verschwand ihr Erstaunen jedoch.

„Soll ich dir ein paar Schlaftränke mitgeben?“, fragte sie sogleich.

„Ähm... das wäre gut.“

„Oder ist sonst noch etwas? Macht dein Rücken Probleme?“

„Nein nein, alles gut“, winkte Harry ab und die Medihexe wuselte zu ihrem Tränkeschrank.

In der Zeit öffnete sich erneut die Tür und Syndia sah hinein.

„Ach hier bist du“, trat sie ein, als sie ihren Sohn erblickte. „Ich habe dich schon überall gesucht. Hier hatte ich dich wirklich am wenigsten erwartet.“

„Ich habe Harry nur begleitet“, antwortete Luca fröhlich.

Harry hingegen wich dem Blick der Hexe aus, die daraufhin eine Augenbraue hochzog. In der Zwischenzeit kam Madam Pomfrey mit drei Fläschchen zurück.

„So, hier habe ich erst einmal zwei leichte und einen etwas stärkeren Schlaftrank. Sei bitte vorsichtig mit der Dosierung. Nimm heute Abend erst einmal nur eine viertel Phiole von dem leichten Trank, der sollte genügen. Falls das in der Nacht nicht ausreicht, bitte nicht gleich den nächsten hinterher, sondern erst wieder am nächsten Abend den nächsten nehmen. Auch wenn du dich nach dem Schlafen besser fühlst, darfst du nicht vergessen, dass es auf Dauer ungesund ist, nur mithilfe von Schlaftränken zu schlafen. Du fühlst dich zwar im ersten Moment ausgeruht, aber für deinen Körper reicht diese Art von Schlaf nicht aus. Versuche also bitte immer erst ohne Trank einzuschlafen.“

„In Ordnung“, nickte Harry und nahm die Phiolen entgegen.

Den stärkeren Trank erkannte man daran, dass das Blau kräftiger war, als in den anderen Phiolen.

„Ah, Syndia“, wandte sich Madam Pomfrey an die Hexe. „Du bringst nicht zufällig Tränke von Severus vorbei?“

„Nein, tut mir Leid“, schüttelte Syndia den Kopf. „Macht er denn zur Zeit gar keine?“

„Doch doch, aber es sind nicht besonders viele und ich glaube, er geht mir aus dem Weg“, seufzte Madam Pomfrey auf und auch Harrys Blick wanderte zu ihr. „Er schickt immer Hauselfen, um mir die Tränke zu bringen. Es wäre ja nicht sonderlich tragisch, wenn er nicht allzu viele Tränke braut, sondern sich etwas ausruht, aber einer der Elfen hat mir erzählt, dass er den Großteil der Tränke wegschüttet. Er braut genauso viele Tränke wie sonst, gibt aber nur einen kleinen Teil an mich weiter.“

Seufzend warf Syndia ihr Haar nach hinten, das sie ausnahmsweise mal offen trug.

„Das muss an seiner Konzentration liegen. Er ist doch so ein Perfektionist was Tränke angeht. Wahrscheinlich ist er noch nicht wieder so fit, wie er es gerne wäre.“

„Ja natürlich ist er noch nicht wieder fit, so etwas dauert. Aber wenn er die Tränke noch nicht hinbekommt, sollte er lieber einen Gang zurückschalten, bevor er noch einen Fehler macht und sich verletzt.“

Harry sah abwechselnd in die besorgten Gesichter von Syndia und Madam Pomfrey, die offenbar ratlos waren. Severus schien es schlechter zu gehen, als er dachte.

„Ich versuche immer wieder mit ihm zu reden, aber bisher hatte ich keinen Erfolg“, seufzte Syndia auf. „Ich werde mir aber das mit den Tränken nochmal genauer ansehen.“

Überlegend biss Harry sich auf die Lippe. Wenn Syndia nicht mit ihm reden konnte, sollte er es vielleicht mal versuchen. Aber andererseits war er wahrscheinlich der letzte, den Severus momentan sehen wollte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und, hab ichs übertrieben? Oder untertrieben und voll daneben gehauen? Ich muss sagen, mit Traumata hab ich keine Erfahrung und weiß nicht, ob die Reaktion realistisch war. Und wie es Severus geht, wird ja nu auch langsam mal angeschnitten ;)
Bis Donnerstag! ^^ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Im_Whats_Left
2016-08-25T17:13:22+00:00 25.08.2016 19:13
Sehr schwierige Situation für Harry. Wie viel kann er erzählen; wie viel verträgt seine Psyche - und wie viel die seiner Freunde? Von Seiten Hermine und Ron doch sehr einfühlsames Kapitel.
Das mit dem Trauma kommt so denke ich schon ganz gut hin - jeder geht mit solchen Dingen anders um und empfindet die "schwere" des Traumas auch anders. Sehr gelungenes Kapitel :3

PS: Sorry für die Verspätung xD habs irgendwie verpeilt nen Kommentar zu schreiben
Antwort von:  -wolfsmoon-
29.08.2016 17:23
Danke ^^ Hermines Reaktion fiel mir recht leicht, bei Ron war ich mir nicht so sicher :D Ich hab mich gefragt, inwieweit ein außenstehender denn überhaupt in der Lage wäre, den Schrecken hinter Harrys Worten zu verstehen. Schließlich war man ja trotzdem nicht dabei. Worte können nicht alles erfassen. Und meine Worte schon gar nicht XD
Von:  Salatgurke
2016-08-22T18:46:28+00:00 22.08.2016 20:46
Mmh... finde das Kapitel gut. :)
Wie immer :D
Gut das Harry endlich mal anfängt darüber zu reden.
Narben müssen geöffnet werden um zu heilen.
Was vielleicht ein bisschen komisch war ist, das Harry rumschreit aber keiner jemanden holt.
Obwohl sowas mal ohne Snape z.B. durch zu machen sicher auch gut ist.
Endlich erfährt man mal wieder was über Snape das wurde ja Zeit ;)
Freue mich auf Mo!
Antwort von:  -wolfsmoon-
29.08.2016 17:16
Ron hat ja extra dafür gesorgt, dass die anderen Schüler verschwinden ;) Also hat Ron praktishc auch dafür gesorgt, dass nicht "unnötig" Alarm gemacht wird.
Von:  Ironwing
2016-08-22T18:26:22+00:00 22.08.2016 20:26
perfektes Kap wie immer^^

ich hoffe ich bekomme noch so einiges von dir vor die Augen :-)

bis Donnerstag
Antwort von:  -wolfsmoon-
29.08.2016 17:08
Ich werde sicherlich noch andere Geschichten schreiben, allerdings schreibe ich grundsätzlich nur eine zur Zeit. Deshalb wird es etwas dauern ^^


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