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Not with Haste

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hach, was war das FF-Hochladen früher einfach. Toll, dass es verschlechtert wurde. -.-
Hier (mit unnötigen Mühen) der Prolog. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Wie der Titel der FF verrät, baue ich alles erst einmal gaaanz langsam auf. ;-) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Weil das nicht so deutlich heraus zu lesen ist, sage ich an dieser Stelle lieber mal, dass in meiner Version Kakashi das Sharingan noch hat, aber es mehr oder weniger funktionslos geworden ist. Daher läuft der Gute auch noch in altbekannter Stirnband-über-Auge-Manier herum. ;-)

Hier ein bisschen Screentime für die arme Anko. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und nun: Etwas Screentime für ... Ukki-kun?
Oh, und Gai. ;-)

Der Titel des Kapitels fiel mir dank dem Anfang eines Take That Liedes ein. Dem wohl schönsten überhaupt: "Wooden Boat" vom "Beautiful World"-Album. <3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ein bisschen Team 7 Fluff plus Minato. Minato hatte damals in meiner Vorgängergeschichte (laaange vor dem wunderbaren Anime) Klein-Yamato gerettet. Deswegen und weil Minato einfach der Übervater der ganzen Serie ist, musste ich ihn noch einmal unterbringen.
Außerdem wollte ich die Frage beantworten, woher man eigentlich Sais und Yamatos Geburtstage kennen kann. Jahaa, sowas beschäftigt mich. ;-) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich bedanke mich bei allen, die das vorige Kapitel kommentiert haben. Es ist schön zu wissen, dass ich euch überraschen konnte. Und wie ihr mitfiebert! Das freut mich wirklich sehr. ^_^
Wollen wir doch mal sehen, wie es weitergeht. ;-) Komplett anzeigen

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Neue Zeiten

And I will love with urgency.

But not with haste.

 

 

 

34 Minuten. Sie waren schon 34 Minuten zu spät. Hastig rupfte Yamato an dem Hokage-Gewand, welches Kakashi nur äußerst widerstrebend über seine gewohnte Jonin-Uniform gezogen hatte. Der designierte Rokudaime seufzte wiederholt missmutig. Es war mit Sicherheit das vierzehnte Mal, das er diesen jammervollen Ton von sich gab, seit sie das Gebiet um den Gedenkstein verlassen hatten und zum Hokage-Turm in Kakashis zukünftiges Arbeitszimmer geeilt waren, wo er das Gewand zuvor hingelegt hatte. Vielmehr hatte tatsächlich Yamato den Anderen zur Eile gedrängt, denn Kakashi hatte mal wieder alle Zeit der Welt.

„Jetzt halte endlich mal still“, forderte Yamato den Älteren ungeduldig auf, während er versuchte, die ehrwürdige Robe an ihm ordentlich aussehen zu lassen.

„Ich will das nicht tragen.“ Manchmal konnte Kakashi wie ein kleines, beleidigtes Kind klingen und so war es nun Yamato, der seufzte.

„Ob du es glaubst oder nicht, aber das habe ich schon verstanden, als du es das erste Mal gesagt hast.“

„Und warum habe ich es jetzt trotzdem an?“

„Weil du wenigstens für die Ernennungszeremonie etwas festlich Aussehendes tragen solltest.“

„Sagt wer?“

„Sagen wir, es ist Tradition.“

„Minato hatte das nicht an.“

„Arrrgh.“ Yamato befand sich am Rand der Verzweiflung, während Kakashi ihn mit seinem üblichen Lächeln anblickte.

Plötzlich wurde mit einem Ruck die Tür aufgerissen und eine wütende Tsunade stand - die beiden anschreiend – im Türrahmen: „Da seid ihr ja!! Was macht ihr so lange??! Ich bin kurz davor, Naruto heute zum Hokage zu ernennen, aus dem einzigen Grund, dass er pünktlich da war!!“

„Verzeihung“, antwortete Yamato reflexartig und wunderte sich sogleich, weswegen er sich eigentlich entschuldigte.

Tsunade atmete kurz durch und musterte im nächsten Moment Kakashi. Der Anblick brachte ein sanftes Lächeln auf ihr Gesicht. „Na, das nenne ich ja mal herausgeputzt. Ich hatte befürchtet, Kakashi würde in seiner abgetragenen Uniform vor die Leute treten. Gute Arbeit, Yamato.“

Der Angesprochene wandte sich daraufhin mit einem breiten, selbstgefälligen Grinsen im Gesicht wieder seinem Sempai zu.

„Was heißt denn hier ´abgetragen´?“, erwiderte der zukünftige Hokage dezent verbittert.

„Seid ihr fertig? Wir müssen endlich mal anfangen“, drängte Tsunade, worauf Yamato nach dem auf dem Schreibtisch liegenden Hokage-Hut griff, ihn Kakashi aufsetzte, kurz zurechtrückte und mit in einem Lächeln ein knappes „Ja“ zur Antwort gab, nachdem er „sein“ Kunstwerk bestaunt hatte.

 

Auf dem Weg zum Dach jammerte Kakashi noch, dass man sich in der Robe nicht schnell fortbewegen konnte, was Yamato nicht daran hinderte, ihn am Arm zu packen und eilig hinter sich herzuziehen. Tsunade stapfte ungeduldig und „Hörst du wohl auf, dich so anzustellen??“ schimpfend vor ihnen her. Sie war schon die Stufen zum Dach empor gestiegen, als Kakashi sich aus dem Griff des Jüngeren befreite und stehen blieb. Verwundert sah dieser ihn an.

„Einen Moment noch“, erklärte Kakashi, atmete kurz durch und sammelte sich währenddesen. „In Ordnung.“ Er nickte mit ernstem Ausdruck im sichtbaren Auge Yamato zu und ging an ihm vorbei die Treppe zum Dach hinauf.

Als Yamato auf dem Dach ankam, war Kakashi bereits an den dort (schon länger) wartenden Clan-Oberhäuptern und Shinobi-Vertretern vorbei geschritten und auf die weiter vorne stehende Tsunade zugegangen. Yamato gesellte sich zum Rest von Team Sieben hinzu, die ein Stück hinter den Oberhäuptern Stellung bezogen hatten. Naruto grinste und kündigte sogleich an, dass er am Tage seiner Ernennung sicher nicht zu spät sein würde. Sakura blickte mit stolzem Ausdruck in den Augen zu ihrem Sensei und selbst Sai ließ ein angedeutetes Lächeln erkennen. Einzig Sasuke war nicht dabei, denn manche Shinobi hatten in einer Besprechung mit Tsunade und Kakashi angedeutet, dass einige Sasukes (straffreie) Anwesenheit in Konoha als Affront betrachteten. Sasuke selbst hatte daher vorgeschlagen, sich am heutigen Tag lieber bedeckt zu halten und nicht in der bei der Zeremonie für Familienmitglieder vorgesehenen Ecke zu stehen. Es wäre Yamato von sich aus niemals in den Sinn gekommen, sich in diese Ecke zu stellen, jedoch hatte Kakashi es für selbstverständlich angesehen, dass er mit dabei sein sollte. „Nur wenn du willst natürlich“, hatte Kakashi in dem Wissen zu ihm gesagt, dass Yamato immer noch nicht ganz wohl dabei war, in der Öffentlichkeit zu stehen. Nun, wo Yamato hier am äußersten Rand der Anwesenden stand und mit einer Mischung aus Stolz und Bewunderung zu Kakashi blickte, der gerade seine Antrittsrede hielt (Tsunades hatte definitiv mehr Elan gehabt, aber inhaltlich stand Kakashi ihr in nichts nach), hatte er das Gefühl, dass er genau hierhin gehörte.

Alte Wunden

„Du bist sicher, dass du zurecht kommen wirst?“

Yamato musste zugeben, dass es er ein wenig an der Sorge, die Kakashi ihm entgegenbrachte, Gefallen gefunden hatte. Die Sorge um jemanden ist ein Zeichen dafür, dass dieser Mensch einem am Herzen liegt, hatte Sai einmal aus einem seiner Bücher zitiert. Und auch wenn diese „Weisheit“ Yamato schon vorher bekannt war, es war doch noch einmal etwas Anderes, dies regelmäßig zu erleben. Es löste in ihm eines dieser wohligen Gefühle aus, die dunkle Tage heller erschienen ließen und ihm ein Lächeln auf das Gesicht brachten, wenn es sonst absolut nichts zu geben schien, das ein Lächeln hervorbringen konnte. Gleichzeitig fühlte Yamato sich manchmal schlecht, weil er doch eigentlich nicht wollte, dass Kakashi sich um irgendetwas Sorgen machte. In letzter Zeit waren genügend Dinge hinzugekommen, um die Kakashi sich kümmern musste. Obwohl ein Jahr seit Kriegsende vergangen war, waren die Folgen des Krieges im Dorf immer noch spürbar. Konoha hatte viele Verluste erlitten und nicht alle, die es nach Hause geschafft hatten, waren noch dazu in der Lage, ihr Ninja-Dasein weiterzuführen. Die Polizei war massiv unterbesetzt, an der Akademie fiel Unterricht aus und im Krankenhaus fehlte es an Medizin-Ninja. Nicht zu vergessen, dass Konoha nicht gerade in Geld schwamm. Das Dorf hatte nach Pains Angriff komplett neu aufgebaut werden müssen. Nur wenige Jahre nachdem Orochimaru kaum einen Stein auf dem anderen hatte liegen lassen. Konohas Außenbezirke waren teilweise immer noch nicht wieder hergestellt. Als wäre dies noch nicht genug gewesen, kamen schließlich noch die außenpolitischen Beziehungen hinzu. Zwar waren die fünf Großmächte nun bereit, miteinander zu reden, jedoch hieß das nicht, dass sie auch sofort einer Meinung waren. Umso wichtiger erschien es, dass sie sich ein Jahr nach Kriegsende zu einer weiteren Konferenz treffen sollten. Sie hatten sich darauf geeinigt, die Konferenz jährlich in einer der versteckten Dörfer stattfinden zu lassen. Zum Auftakt sollte Suna Tagungsort werden und Kakashi mit einer Delegation bestehend aus Naruto, Sakura und Sai heute dorthin aufbrechen. Schon seit Tagen fragte Kakashi Yamato immer wieder einmal, ob er für den Zeitraum, in dem sie weg waren (immerhin waren zwei Wochen für Konferenz und Reise angesetzt) alleine zurecht käme. Yamato begann sich zu wundern, ob er so unsicher und zerbrechlich auf den Anderen wirkte. Dieses Bild wollte er definitiv nicht vermitteln, auch wenn sie alle wussten, dass er nicht mitkommen konnte, weil seine körperliche Verfassung noch weit hinter seiner früheren Form zurückblieb. Hinzu kam Kakashis Wissen über seinen geistigen Zustand. Die Albträume wollten und wollten einfach nicht aufhören. Yamato wäre dies noch viel unangenehmer gewesen, wenn Kakashi nicht hin und wieder auch einen offensichtlichen Albtraum gehabt hätte. Immerhin, so hatte Yamato zu seiner eigenen Beruhigung feststellen können, half es gegen seine gelegentlich auch am Tage auftretenden, deprimierenden Gedanken, das Gefühl zu haben, gebraucht zu werden. Shizune hatte nicht viel Zeit benötigt, um ihn in die bürokratischen Wirren Konohas und des Feuerreichs einzuarbeiten. Er war schon immer gut darin gewesen, sich schnell einer Aufgabe anzupassen.

 

„Ja“, antwortete Yamato auf die zum wiederholten Male gestellte Frage Kakashis. „Ich werde zurecht kommen.“

Der amtierende Hokage schien nicht überzeugt zu sein und betrachtete ihn mit nachdenklichem Blick. „Wenn irgendetwas sein sollte, dann gehst du damit zu Gai oder Tsunade, verstanden?“

Ein trauriges Lächeln bildete sich kurz auf Yamatos Gesicht. Genau das hatte er gemeint. Kakashis Sorge war irgendwie schön und … gleichzeitig auch wieder nicht. Er wollte nicht der Grund für das Unbehagen seines Sempais sein. Er blickte den Anderen ein klein wenig säuerlich an. „Ich bin doch kein kleines Kind, das man nicht alleine zu Hause lassen kann.“ (Die bittere Ironie, dass er tatsächlich als Kind mehr oder weniger alleine gelassen worden war, drängte er in diesem Moment zur Seite.)

„Das meinte ich auch nicht“, erwiderte Kakashi ernst. „Wir beide wissen, wie heftig deine Albträume ausfallen können. Daher habe ich kein gutes Gefühl dabei, dich hier alleine zu lassen. Vielleicht solltest du doch so lange bei Gai-“

„Nein!“, warf Yamato hastig ein. Er hatte nichts gegen Gai, im Gegenteil. Aber er wollte nicht, dass sonst irgendjemand von diesen Albträumen erfuhr und zudem … wollte er wirklich nicht bei Gai übernachten. Die Vorstellung, dass dieser nichts dagegen hatte, fiel ihm recht leicht. Allerdings war manchmal schon das Zusammenarbeiten mit Gai tagsüber anstrengend genug. Der über-enthusiastische Ninja hatte verletzungsbedingt sein Shinobi-Dasein aufgeben müssen, was jemanden wie Gai jedoch nicht davon abhielt … Gai zu sein. Irgendwie bewunderte Yamato ihn dafür.

„Nein, ich komme alleine zurecht, wirklich“, fuhr er fort und bemühte sich, locker und selbstbewusst zu klingen. „Du hast mir schließlich genügend Papierkram da gelassen, um den ich mich kümmern muss. Ich werde so beschäftigt sein, dass die Zeit im Nu vergeht. Bitte mach dir keine Sorgen und vertrau mir, Sempai.“

Kakashi haderte einige Zeit sichtlich mit sich selbst, ehe er zustimmend nickte. „Na schön. Aber du hältst dich an alles, was wir abgesprochen haben: Du meldest dich jeden Tag bei Tsunade im Büro, du denkst daran, ordentlich zu essen und du hältst dich im Dorf auf … was gibt es da zu grinsen?“

„Nichts“, versuchte Yamato ganz ernst zu antworten. „Ich finde es nur amüsant, dass du dich sonst stets über Irukas Über-Besorgnis aufregst.“

„Das ist etwas Anderes. Iruka übertreibt es auch immer.“

Ah ja, da war sie wieder. Die berühmt-berüchtigte Kakashi-Logik.

„Konzentriere dich lieber auf die Konferenz“, sagte Yamato und blickte auf die Uhr, die über seinem provisorischen Schlafplatz in Kakashis Wohnung hing. „Du musst los.“

Nachdem er ebenso einen kurzen Blick auf die Uhr geworfen hatte, drehte Kakashi sich langsam um, hob seinen Rucksack vom Boden auf und zog ihn an. Er machte einen zögerlichen Schritt auf die Tür zu, ehe er sich wieder seinem Kohai zuwandte.

„Hast du etwas vergessen?“, fragte Yamato mit einem leichten Lächeln im Gesicht, von dem er hoffte, dass es sein Unwohlsein über Kakashis Abreise verdeckte. In Wahrheit war er sich alles andere als sicher, dass er während der Abwesenheit seiner einzigen richtigen Bezugspersonen zurecht kommen würde. Sakura, Naruto und Sai sah er zwar sonst auch schon mal tagelang nicht, aber Kakashi war jeden Tag da. Und jede Nacht. Tatsächlich hoffte Yamato mehr, dass er zurecht kommen würde, als dass er es wusste (und insgeheim befürchtete er, es nicht zu tun). Das war natürlich nichts, was Kakashi wissen sollte. Dieser war schon dermaßen um ihn besorgt, obwohl Yamato doch versuchte, nach außen hin stark zu wirken.

Kakashi musterte ihn kurz, wie er es so oft schon getan hatte, und jedes Mal, wenn er dies tat, fragte Yamato sich, ob der Andere seine Gedanken lesen konnte. „Nur zur Sicherheit“, antwortete Kakashi, biss sich in den Finger, formte schnell einige Fingerzeichen und ließ Bisuke und Bull in der Wohnung erscheinen. Die beiden Hunde freuten sich sichtlich darüber, gerufen worden zu sein, während Kakashi ihnen erklärte: „Passt ihr bitte auf Tenzou auf, während ich weg bin?“

Yamato entfuhr ein entrüstetes Stöhnen.

„Jaja, Yamato“, korrigierte Kakashi und rollte mit dem Auge.

„Ausnahmsweise richtet sich mein Unmut diesmal auf eine andere Sache. Was ist denn mit unserem Gespräch von eben? Ich brauche keine Aufpasser“, empörte sich der Jüngere und ärgerte sich innerlich umso mehr. Wie schwach wirkte er eigentlich auf Kakashi?

„Keine Diskussion mehr. Ich bin schon spät dran“, erwiderte dieser mit eindringlichem Ausdruck in Auge und Stimme. „Bitte, das ist zu meiner eigenen Beruhigung. In Ordnung?“

Seufzend zuckte Yamato mit den Schultern. „In Ordnung.“

„Gut.“ Kakashi lächelte und hob eine Hand zum Abschied. „Dann sehen wir uns in etwa zwei Wochen. Pass auf dich auf.“

„Du auch auf dich“, antwortete Yamato und sah ihm hinterher, als er durch die Tür die Wohnung verließ.

 

„Geh. Nach. Hause!“ Tsunade machte sehr schnell deutlich, dass sie keine Lust auf eine lange Diskussion hatte, als sie den Besprechungsraum neben dem Büro des Hokage betreten hatte. Yamato hatte sich hier niedergelassen, um die von Kakashi da gelassene Schreibarbeit zu bearbeiten (und was für ein nostalgisches Gefühl es war, dies zu tun. Es war haargenau wie früher: Kakashi traf die Entscheidungen und Yamato durfte im Nachhinein alles ausformulieren und aufschreiben, obwohl dies vermutlich auch eher Kakashis Aufgabe gewesen wäre).

Draußen war es bereits dunkel geworden. Es war der fünfte Tag nach Kakashis Abreise.

„Ich muss nur noch-“, begann Yamato, wurde aber so gleich von Tsunade unterbrochen.

„Ich wiederhole mich nicht noch einmal.“

„Dann werde ich das zu Hause weiter-“

„Nein.“ Sie war vielleicht nicht mehr die amtierende Hokage, aber sie war immer noch niemand, dem Yamato widersprechen wollte. „Mach morgen weiter. Es ist schon viel zu spät.“

„Ja.“ Demütig und doch unwillig legte Yamato die Unterlagen auf dem vor ihm stehenden Tisch ab und erhob sich. Er hatte es nicht eilig, nach Hause zu gehen. Dort war schließlich niemand. Und Stille war immer etwas Gefährliches, da durch sie Zweifel und schwermütige Gedanken lauter wurden. Früher hatte er damit irgendwie umgehen können. Er musste, denn als Anbu-Teamführer verließen sich viele darauf, dass er bei der Sache war. Auch als er sich um Naruto kümmern musste, war es leichter gewesen. In Narutos Nähe war es selten still gewesen. Früher hatte er auch „nur“ mit seiner Orochimaru-lastigen Vergangenheit klar kommen müssen. Kabuto und Obito hatten nicht nur alte Wunden aufgerissen, sie hatten neue hinzugefügt.

Noch nie hatte Yamato sonderlich gerne anderen von seinen Problemen erzählen wollen. Nicht einmal den beiden Hunden, die ihn in Kakashis Wohnung begrüßten, wollte er damit zur Last fallen.

„Du bist noch später als gestern“, sagte Bisuke vorwurfsvoll.

„Entschuldigung.“

„Wieder viel zu tun, häh?“ Bisuke machte deutlich, dass er diese Ausrede schon beim ersten Mal nicht geglaubt hatte.

„Ja“, antwortete Yamato, den Tonfall des Hundes ignorierend. „Du kennst doch Kakashi. Wenn er sich um Schreibarbeit drücken kann, tut er es auch.“

„Aha.“ Wie konnte ein Hund nur so sarkastisch klingen?

„Wenn du nichts dagegen hast, würde ich nun gerne schlafen gehen.“

„Dies ist ein freies Land“, gab Bisuke zur Antwort, während Bull die ganze Zeit aufmerksam den heimgekehrten Menschen beobachtet hatte.

 

Ich wusste, früher oder später würdest du mir nützlich sein. Und nicht nur mir.“ Orochimarus fieses, unheimliches Lachen ging durch Mark und Bein. „Und nicht nur mir. Du hast Konoha vermutlich noch mehr Schaden zugefügt als ich damals.“

Wo war er? Orochimarus Labor? Panisch sah er sich um, doch es war viel zu dunkel, um etwas erkennen zu können. Nur ein schwacher Lichtschein machte Orochimarus bösartige Fratze sichtbar.

Ohne deine … Hilfe hätte Kabuto im Krieg schlecht dagestanden. Oder sollte ich sagen, ohne unsere Hilfe? Du solltest mir dankbar sein, dass ich das ermöglicht habe. Dass ich dich ermöglicht habe.“

Yamato konnte die ihm nach so langer Zeit immer noch im Gedächtnis verankerte Injektionsspritze in Orochimarus Händen sehen. Und er kam damit auf ihn zu. Er konnte sich nicht bewegen, nicht davonlaufen. Wie in Zeitlupe konnte er nur zusehen, wie sein Peiniger ihm – unterlegt mit diesem ohrenbetäubenden Geräusch, dass Orochimaru ein Lachen nannte – die Spritze in die Schulter rammte.

 

Mit einem schmerz- und angsterfülltem Schrei schreckte Yamato von seinem Futon hoch und hielt sich mit einer Hand die Schulter. Sein Atem und Puls rasten und kalter Schweiß lief ihm die Stirn hinab. Bisuke und Bull brauchten keine Sekunde, um an seiner Seite zu sein.

„Hey“, rief Bisuke und stupste ihn in die Seite. „Alles ist gut. Du hast nur geträumt. Alles ist gut.“

Langsam sich seiner Umgebung wieder bewusst werdend, ließ Yamato die Hand von seiner Schulter ab und zwang sich, langsamer zu atmen, während er zu Bisuke und Bull blickte, die ihn besorgt ansahen.

„Siehst du? Nur ein Traum“, sagte Bisuke ermutigend und Yamato beschlich das Gefühl, dass dieser Hund eine solche Situation nicht zum ersten Mal erlebte.

„Tut mir leid, ich ...“, begann Yamato, unsicher, was er überhaupt sagen sollte.

„Aaaach, schon gut.“ Bisuke winkte mit einer Pfote ab. „Wir wissen, warum Kakashi uns hier gelassen hat. Und er weiß, dass wir wissen, was zu tun ist.“

„Danke“, flüsterte Yamato mit einem traurigen Lächeln im Gesicht, ehe Bull ihm in einer aufmunternden Geste durch selbiges schleckte.

 

Als Kakashi nach 15 Tagen anstrengender Reise (immer diese Sandstürme!) und noch anstrengenderer Verhandlungen (immer diese Sturheit mancher Menschen!) mitten in der Nacht durch seine Wohnungstür kam und schon wusste, dass er nicht viel Schlaf bekommen würde, da die nächste Besprechung schon direkt für den Morgen nach seiner Rückkehr angesetzt war, verweilte er trotzdem einige Zeit bei dem Bild, welches sich ihm dort bot. Mit einem seligen Lächeln setzte er sich so leise wie möglich auf das Fußende seines Bettes, um von da auf den davor liegenden Futon hinunterzublicken. Oder viel mehr auf den schlafenden Kohai darin, der Bisuke sanft umschlossen im Arm hielt, während an seiner Seite ein dicht an ihn gekuschelter Bull lag.

„Sem … pai?“, drang es schläfrig an sein Ohr, als Yamato ihn mit halbgeöffneten Augen ansah.

„Schlaf weiter“, befahl Kakashi sanft und lächelte noch ein wenig seliger.

Vergangenheit und Gegenwart

Genma fiel vor Lachen beinahe das Senbon aus dem Mund. Auch Raidous Versuch, ein Lachen zu unterdrücken, scheiterte kläglich. Anko lachte so hysterisch, dass sie sich schon den Bauch hielt und selbst Yugao kämpfte mit einem Zucken um ihren Mund.

„Eigentlich ist das ein ziemlich respektloses Verhalten, das ihr da dem Hokage gegenüber an den Tag legt.“ Yamato versuchte, vorwurfsvoll zu klingen, gleichzeitig konnte er nicht leugnen, dass es schon ein wenig … ungewöhnlich aussah. Heute war der Tag, an dem Kakashis Felsenporträt fertig gestellt worden war. Wobei Porträt vielleicht wirklich das falsche Wort für ein Gesicht war, von dem man eigentlich kaum etwas sehen konnte.

„War ja klar, dass du nichts gegen Kakashi sagst“, brachte Anko mit provozierendem Unterton in der Stimme zwischen ihren Lachsalven heraus.

„Was soll das denn-“, wollte Yamato sich empören, doch er wurde von Kurenai unterbrochen.

„Oh doch, doch. Yamato kann auch etwas gegen ihn sagen, aber nur wenn er sturzbetrunken ist.“

Mit einer Mischung aus Scham und Entsetzen wirbelte er seinen Kopf zu Kurenai herum, welche sich zu der Gruppe von Jonin und Chunin (und Anbu, obwohl Yugao die einzige war) gesellt hatte. Sie alle hatten gehört, dass das Porträt heute fertig geworden war und hatten sich spontan auf einem Dach über den Straßen Konohas versammelt, um das Kunstwerk zu betrachten.

„Das war ein Mal! Ein einziges Mal!“, verteidigte Yamato sich erfolglos. „Wieso fängt immer wieder irgendjemand davon an?!“ Und wieso hatte Asuma wirklich jedem davon erzählen müssen??

„Reg dich nicht gleich auf“, sagte Anko, als sie sich eine Träne aus dem Auge wischte. „Kann doch niemand etwas dafür, dass du weniger Alkohol verträgst als ein … kleines Kätzchen.“ Irgendwo im Hintergrund hörte Yamato einige Leute darüber kichern. War das Einbildung oder ließ Anko in letzter Zeit wirklich keine Gelegenheit aus, um ihn lächerlich zu machen? „Wobei ich dich ja schon eher zu Kakashis Ninken zählen würde, so gut wie er dich abgerichtet hat“, legte Anko abschätzig nach und brachte Yamato damit innerlich zur Weißglut. Er würde sie nicht vor allen anderen anschreien, das war nicht seine Art. Allerdings war er es leid, seinen Ärger über ihre neuste Sticheleien einfach hinunterzuschlucken. Sie hatte schon immer gerne ausgeteilt, das wusste er von anderen, aber sie war damit noch nie so auf ihn fixiert gewesen.

„Hey, hey“, ging Iruka beschwichtigend dazwischen. „Jetzt höre aber bitte mal auf, Anko.“

„Ja, betrachten wir lieber wieder ...“ Genma blickte wieder zum Hokage-Felsen und brach erneut in Gelächter aus. „Oh man, ich kann das nicht ansehen, ohne zu lachen.“

„Hat einer von euch ihn schon einmal ´Hokage-sama´ genannt? Ich kriege das nicht über meine Lippen, ohne zu grinsen“, sagte Raidou.

„Das ist schon ein wenig respektlos“, erwiderte Iruka und legte seine Stirn nachdenklich in Falten, als er seinen Blick von links nach rechts über die Felsenporträts schweifen ließ. „Aber ich finde es auch noch etwas … ungewohnt, ihn als unseren Hokage zu haben.“

„Vorher hatten wir eine spielsüchtige Säuferin, jetzt haben wir einen Pornos lesenden, ständig schläfrig wirkenden, notorischen Zuspätkommer“, warf Kotetsu mit hochgezogener Augenbraue ein und Izumo ergänzte: „Fragt ihr euch auch manchmal, wie das eigentlich auf Außenstehende wirkt?“

„Ich glaube, Kakashi wird trotzdem ein guter Hokage sein“, wandte Yamato mit viel Überzeugung und ein wenig Empörung in der Stimme ein.

„Daran hat hier auch niemand Zweifel“, antwortete Genma stellvertretend für die versammelte Menge, die ein zustimmendes Nicken anfügte.

 

Als die Gruppe sich wenig später auflöste, nutzte Yamato die Gelegenheit, um Anko abzufangen. Bei den wenigen Malen, bei denen er früher mit Anko zu tun gehabt hatte, hatten sie sich eigentlich gut verstanden.

„Wenn du irgendein Problem mit mir hast, dann würde ich dich bitten, mir das zu sagen, anstatt immer wieder auf mir herum zu hacken.“ Er fiel mit der Tür ins Haus, sobald die anderen weg waren. Dieses Gespräch wollte er so schnell wie möglich hinter sich bringen.

Anko gab ein genervtes Stöhnen von sich. „Sei nicht so empfindlich.“

„Das hat nichts mit Empfindlichkeit zu tun.“

„Na schön. Willst du, dass ich mich dafür entschuldige, dich als Kakashis Ninken bezeichnet zu haben?“ Stur verschränkte sie ihre Arme vor der Brust.

„Nein. Ja. Das heißt, …. Das ist nicht der Punkt, um den es mir geht.“

„Dann die Kätzchen-Sache? So wie ich die Geschichte gehört habe, verträgst du wirklich keinen Alkohol und ich weiß nicht, was du gegen den Kätzchen-Vergleich hast.“

Ein tiefer Seufzer ihres Gegenüber verriet Anko, dass es auch nicht das war, worum es hier ging. „Hast du ein Problem mit mir?“ Yamato konnte sich kaum vorstellen, dass ausgerechnet Anko wegen allem, was passiert war, einen Groll gegen ihn hegte. Der Gedanke ließ ihn jedoch nicht los.

Anko stützte ihre Hände in die Hüften und schüttelte den Kopf. „Zugegeben, vielleicht neige ich dazu, Dinge gleich zu übertreiben. Ich vergesse manchmal, dass andere Menschen sensibel sein können. Ich habe kein Problem mit dir. Ich bin nicht gerade begeistert, wenn ich dich sehe und es hilft mir das zu überspielen, indem ich mich über dich lustig mache.“

Erstaunt blinzelte Yamato sie einen Moment lang stillschweigend an. „Du bist nicht begeistert, wenn du mich siehst?“

Erneut gab Anko einen missmutigen Ton von sich. „Muss ich es wirklich noch aussprechen? Du erinnerst mich an das, was passiert ist. Und ich will nicht daran erinnert werden.“

Plötzlich lief Yamato ein kalter Schauer den Rücken hinunter. „Es geht also … um Orochimaru?“

Bei der Erwähnung dieses Namens verfinsterte Ankos Blick sich merklich. „Weißt du das selbst nicht am besten? Es geht immer um Orochimaru. Und es wird immer um Orochimaru gehen. Egal, ob im Original oder in der Kabuto-Fassung.“

Yamato hatte in der Zwischenzeit erfahren gehabt, dass Anko ebenfalls von Kabuto entführt worden war. Sie war kurz nach ihm selbst im Akatsuki-Versteck gefunden worden. Anko war allerdings recht glimpflich davongekommen und eine Woche später schon wieder auf den Beinen gewesen. „Das tut mir leid … aber ...“ Sie erinnerte ihn auch an Dinge, an die er nicht erinnert werden wollte. Jedoch ließ er das nicht an ihr aus. Er wäre der Letzte gewesen, der so etwas getan hätte.

„Jaja, schon klar, du kannst nichts dafür. Habe ich ja auch nicht behauptet.“ Anko atmete hörbar aus. „Das wird auch irgendwann wieder vorbei gehen. Ich will ja auch nicht an Orochimaru oder Kabuto denken, wenn ich dich sehe. Das kannst du mir glauben. Geht dir doch bestimmt nicht anders, oder?“

„Naja, irgendwie schon“, gab Yamato betroffen zu.

„Ich kann es dir nicht verdenken. Ich mag diesen Zustand so gar nicht. Soll ich dir was verraten? Ich habe mich selbst dabei erwischt, wie ich diesem Uchiha-Bengel aus dem Weg gehe.“ Anko machte eine weiteres äußerst entnervtes Geräusch. „Und vor ein paar Wochen hatte ich einen Idioten im Team, der meine Loyalität gegenüber Konoha in Frage gestellt hat. Man, was habe ich den zusammen gefaltet.“

Yamato konnte es sich lebhaft vorstellen.

„Solche Blicke, wie der Typ mir zugeworfen hat, hatte ich mir jahrelang ansehen müssen, nachdem sich mein Lehrer als geistesgestörter Verräter herausgestellt hatte. Das brauche ich echt nicht nochmal“, wetterte Anko weiter. Für einen längeren Moment trat Stille zwischen ihnen ein. Yamato konnte Ankos Wut gut nachvollziehen. Außerdem … wenn jemand schon Anko einen Strick aus den Geschehnissen im Krieg drehte … dann gab es sicherlich doch welche, die dies auch mit ihm machten.

„Der Ninken-Witz war vielleicht zu viel“, fuhr Anko wieder ruhiger fort. „Man braucht gute Freunde, um mit all dem klar zu kommen, stimmt´s? Ich bin froh, dass ich Kurenai habe. Und ihr kleines Monster.“ Bei der Erwähnung von Kurenais Tochter schlich sich ein Grinsen auf Ankos Gesicht. „Wobei ich wette, dass die Kleine mehr Alkohol verträgt als du.“

„Naja“, antwortete Yamato ein wenig schelmisch. „Bei der Mutter wundert mich das nicht.“

„Hey.“ Anko schlug ihm anerkennend auf die Schulter. „Der war gut.“

 

Als bereits der Abend dämmerte, stand Yamato wieder auf dem Dach und betrachtete den Hokagefelsen. Dieses Mal zusammen mit der lebendigen Vorlage des neusten Porträts.

„Ganz ehrlich“, fragte Kakashi. „Wie findest du es?“

„Nun ja“, begann Yamato unsicher. „Es … sieht dir ähnlich.“

Daraufhin ließ Kakashi den Kopf hängen. „Es sieht bescheuert aus, oder?“

„Nein!“ Der Jüngere wedelte hastig abwehrend mit den Händen. „Es sieht gut aus. Also, das, was man sieht.“

„Dir gefällt mein rechtes Auge?“, schmunzelte der Rokudaime.

„Und deine Haare. Ich finde, da hat der Künstler hervorragende Arbeit geleistet.“

„Ehrlich, Tenzou, du kannst sagen, wenn du es bescheuert findest.“

„Nein.“ Yamato schüttelte den Kopf. „Ich mag es. Wirklich.“

Kakashi warf ihm ein dankbares Lächeln zu. „Ich habe gehört, du hast heute schon meine Ehre verteidigt.“

„Wer hat es dir verraten?“, erwiderte Yamato und räusperte sich etwas verlegen.

„Genma. Er hat mir auch gesagt, dass Anko dich im Moment ziemlich oft im Visier hat.“

„Ja, aber das habe ich schon mit ihr geklärt.“

„Wirklich?“ Erstaunt sah der frühere Kopierninja zu seinem Kohai.

„Was erstaunt dich daran?“

„Ich hatte angenommen, du würdest Anko lieber aus dem Weg gehen.“

„Ich darf Anko nicht mit Orochimaru oder Kabuto assoziieren. Das wäre nicht fair ihr gegenüber.“

Erneut lächelte Kakashi und sagte nach einer kurzen Pause: „Um auch mal etwas Ehrliches zu sagen: Ich bin gerade recht stolz auf dich.“

Yamatos Gesichtsfarbe glich sich der untergehenden Sonne an.

Geduld ist eine Tugend

„Und ich hatte euch noch gesagt, ihr sollt aufpassen!“, schimpfte Sakura, während sie sich auf den Boden kniete und unsanft den rechten Ärmel des neben ihr sitzenden Yamatos hochriss und sich den verletzten Arm darunter ansah.

Tsunade und Sakura hatten ihm grünes Licht gegeben, um mit einem („LEICHTEN!“, wie Sakura ihn und die anderen gerade anschrie) Kampftraining zu beginnen. Naruto und Sasuke trafen sich regelmäßig auf ihrem angestammten Trainingsplatz, sodass Sakura vorgeschlagen hatte, mit Yamato und Sai zu ihnen zu stoßen. Kakashi saß derweil in einer stundenlangen Besprechung mit Tsunade und Gai.

„Tut mir leid, echt jetzt“, sagte Naruto ein wenig zerknirscht. Er war mehr als motiviert, Yamato zu helfen und er hatte ihn wirklich nicht beim Training verletzen wollen.

„Ist schon in Ordnung, Naruto“, wandte Yamato ein. „Ich hätte nicht sagen sollen, dass du dich nicht so sehr zurückhalten sollst. Ich hätte nicht gedacht, dass du so stark geworden bis-aaaah!“ Er schrie auf und biss daraufhin die Zähne zusammen, denn Sakura machte bei der Untersuchung seiner Verletzung deutlich, dass sie erstens durch und durch Tsunades Schülerin war und zweitens absolut nichts davon hielt, wenn ihre Patienten zur Selbstüberschätzung neigten.

„Geht das vielleicht auch ein bisschen ... aaah!“

Sakura zog eine missmutige Grimasse. „Das muss so sein. Sonst lernst du die Lektion nicht. Ehrlich, ich hatte dir mehr Verstand zugetraut.“

„Tut mir leid. Ich habe gedacht, ich könnte so viel aushalten“, erwiderte Yamato geknickt. Dahin war das gute Gefühl, dass er bei seinem bisherigen Einzeltraining gehabt hatte. Dahin war die Hoffnung, möglichst bald seine alte Form wieder zu erreichen. Er wollte sich nicht länger so schwach vorkommen. Und so schwach auf andere wirken.

„Ah, ja, Yamato-taichou hatte ja gar nicht gesehen, welche Kräfte Naruto im Kampf gegen Obito und Madara entwickelt hat.“

Danke für die Erinnerung, Sai, dachte Yamato verbittert.

„Macht es überhaupt Sinn für ihn, wieder zu trainieren?“, wandte Sasuke sich an Sakura und ignorierte dabei vollends Yamatos Anwesenheit.

„Natürlich. Wieso denn nicht?“, gab die Kunoichi zur Antwort.

„Er wirkt zu schwach.“ Sasukes eiskalte Feststellung ließ Yamato verdutzt zu ihm blicken.

„Er wirkt überhaupt nicht schwach.“ Hatte nun auch Sakura vergessen, dass er hier direkt neben ihr saß?!

„Doch, tut er“, legte Sasuke unerbittlich nach. „Das einzige, was ihn damals bei unserem Aufeinandertreffen gerettet hat, war seine Mokuton-Attacke, mit der ich nicht gerechnet hatte. Es sieht nicht so aus, als sei er dazu noch in der Lage. Selbst Gai hat akzeptiert, dass seine Shinobi-Laufbahn beendet ist. Vielleicht sollte er das auch tun.“

„Mit Sicherheit nicht“, antwortete Yamato entschlossen und gab sich Mühe, es zu ignorieren, dass Sasuke ihn dermaßen von oben herab behandelte. Solange Tsunade nicht sagte, dass es vollkommen hoffnungslos war, wollte er auch nicht aufgeben. Und das Mokuton gab er bestimmt nicht so einfach auf. Es war das, was ihn zu etwas Besonderem machte. Er hatte es geschafft, etwas, das aus Schlechtem heraus entstanden war, in etwas Gutes zu verwandeln. Yamato hatte nicht Jahre seines Lebens damit verbracht, sich mit seinen Fähigkeiten abzufinden, nur um diese jetzt einfach aufzugeben.

„Yamato-taichou war einmal ein Anbu“, kam Sai ihm unerwartet zur Hilfe. „Ich weiß nicht, ob ein Genin wie du zu einer Einschätzung seiner Fähigkeiten fähig ist.“

Sasuke stutzte kurz und gab ein verärgertes Geräusch von sich, ehe er seine unnahbare Attitüde wieder an den Tag zu legen versuchte: „Ränge bedeuten gar nichts.“

Daraufhin fing Naruto hastig von irgendeinem anderen Thema an, um die Situation zu entschärfen. Yamato bekam es nur am Rande mit, denn er dachte über eine Sache nach, mit der Sasuke vielleicht gar nicht so Unrecht hatte. Die ganze Zeit hatte ihn der Gedanke betrübt, einmal ein Anbu gewesen zu sein und nun meilenweit von dieser alten Form entfernt zu sein. Vielleicht sollte er wirklich damit aufhören, immer wieder darüber zu grübeln, was einst gewesen war und akzeptieren, dass dem nicht mehr so war. Er musste damit aufhören, sich über seine Anbu-Zugehörigkeit zu definieren, denn er war eindeutig keiner mehr.

Da es bereits langsam Abend wurde, ging die Gruppe (in überraschender Eintracht) zurück ins Dorf. Glücklicherweise hatte Yamato sich nicht schlimm verletzt, sodass Sakura ihm lediglich riet, den Arm ein paar Tage nicht zu belasten. Jeder ging daraufhin seines Weges und Yamatos führte ihn zum Hokage-Turm, denn er wollte nachhören, wie Kakashis Besprechung gelaufen war.

Kakashi antwortete ihm auf diese Frage, indem er erschöpft den Kopf auf seinen Schreibtisch fallen ließ.

„So schlimm?“

„Immer wenn ich glaube, ein Problem im Dorf gelöst zu haben, sprechen Tsunade und Gai das nächste an. Es nimmt kein Ende. Keine Ende!“, sagte Kakashi erschöpft und wehleidiger als vermutlich nötig.

„Es werden auch einfachere Zeiten kommen“, ermutigte Yamato ihn.

„Ja, wir werden Konoha in ein goldenes Zeitalter strahlender Jugendlichkeit führen.“ Das, was der Hokage sagte, passte nicht mit seinem jammervollen Tonfall zusammen.

„Bitte was?“ Yamato hob amüsiert eine Augenbraue. Er ahnte bereits, wo das herkam.

„Ich habe über vier Stunden am Stück mit Gai in einem Raum verbracht. Über. Vier. Stunden!“

Yamato unterdrückte ein schadenfrohes Kichern. „Du hast Gai zu deinem Berater ernannt.“

„Ich weiß, ich weiß.“ Kakashi atmete hörbar aus. „Und wie lief das Training?“

„Oh ...“ Der Jüngere zuckte kurz wie ertappt zusammen und räusperte sich verlegen, während er überlegte, was er sagen sollte. „Ganz gut“, antwortete er schließlich.

„Ja?“, hakte Kakashi nach.

Verdammt, glaubte er ihm das schon nicht??

„Ja. Wir haben heute noch nicht so viel gemacht. Ich muss halt langsam anfangen.“ Woran ich mich in Zukunft auch wirklich, wirklich halten will, ergänzte Yamato in Gedanken, begleitet von einem innerlichen Seufzer.

Kakashi sah ihn noch einen Moment lang abwägend an, bevor er lächelnd (und irgendwie erleichtert klingend) erwiderte: „Sehr gut. Du kannst auch schon nach Hause gehen, wenn du willst. Ich habe noch ein paar kurze Besprechungen, dann gehe ich auch.“

„In Ordnung.“ Yamato versuchte ebenfalls zu lächeln, allerdings war es ein recht Nervöses und so sah er zu, schnell aus der Sichtweite seines Sempais zu verschwinden, ehe dieser doch noch etwas merkte.

 

Auf dem Weg nach Hause atmete er erleichtert aus. Natürlich war er nicht stolz darauf, Kakashi nicht die Wahrheit gesagt zu haben (es freute ihn jedoch schon ein wenig, dass der Andere ihn eben nicht durchschaut hatte), aber da sein Sempai seit einiger Zeit zu vermehrter Besorgnis neigte, wollte er ihm keinen weiteren Grund dafür liefern.

Ein Treffer von Naruto und sein Arm fühlte sich an als hätte jemand diesen stundenlang malträtiert.

Nein, Kakashi musste dies nicht wissen. Er dachte vermutlich eh bereits, dass Yamato auseinanderfiel, wenn der Wind zu stark wehte. So wollte er nicht auf ihn wirken. Es war nicht mehr so, dass er das Gefühl hatte, sich stark geben zu müssen, um Kakashis Aufmerksamkeit zu erhalten. Das hatte sein 15-jähriges Ich gedacht. Inzwischen wollte er, dass der Ältere ihn für mindestens ebenbürtig betrachtete. Ja, vielleicht hatte er ihn in der Vergangenheit sogar hin und wieder einmal beeindrucken wollen. Kakashi hatte ihm sogar Narutos Sicherheit anvertraut. Und nun … war er zu nichts mehr in der Lage. Scheinbar nicht einmal mehr zu seinem einzigartigen Mokuton.

Yamato seufzte laut und tief, als er auf dem Nachhauseweg darüber nachdachte.

„Was bedrückt dein jugendliches Gemüt?!“

Es dauerte keine Sekunde, bis Yamato ausgemacht hatte, wer ihn auf diese Art plötzlich aus seinen Gedanken geschrien hatte. Gai saß auf einer Bank, die vor einem kleinen Dango-Laden stand und schaute mit einem enthusiastischen Ausdruck in den Augen zu ihm hoch. Neben ihm, auf dem Boden, lagen die Krücken, die er nun für den Rest seines Lebens benötigen würde.

„Hallo Gai“, grüßte Yamato freundlich. „Ich habe gehört, die Besprechung war anstrengend?“

„Aber nein! Nichts ist anstrengend, wenn es um das Wohl Konohas und die Unterstützung des heißblütigen Hokage geht!“ Wahrscheinlich war Gai nach wie vor der einzige Mensch, der das Wort „heißblütig“ im Zusammenhang mit Kakashi benutzte. „Nun, ich habe dein Seufzen gehört. Bedrückt dich etwas?“ Einladend lächelnd klopfte Gai mit der linken Hand auf die freie Fläche neben sich, um seinem Gegenüber zu bedeuten, sich zu ihm zu setzen.

„Ah, nein, nein. Ich will deinen verdienten Feierabend nicht stören“, erwiderte Yamato höflich.

Gai wiederholte das Klopfen.

„Wirklich. Es ist nichts.“

Erneutes Klopfen. Immer noch begleitet von einem Lächeln, das in Stein gemeißelt zu sein schien.

„Ich sollte auch langsam nach Hause ...“

Noch während er sprach, traf Gais Handfläche erneut auf das Holz der Bank.

Yamato seufzte erneut. „Ich will aber wirklich nicht stören.“

Nun wurde das Lächeln zu dem typischen Gai-Zahnpasta-Werbungs-Lächeln, welches bis über die Landesgrenzen hin bekannt war. „Ich warte auf meine wunderbaren Schüler Lee und Tenten. Bis sie kommen, sitze ich nur hier und warte. Was für eine Verschwendung von Zeit ist das! Du bist gerade in der wundervollen Position, dieser Zeit Sinn zu verleihen!“

Amüsiert den Kopf schüttelnd setzte Yamato sich zu ihm. „Wie machst du das?“

„Wie mache ich was, mein jugendlicher Freund?“

„Immer alles positiv zu sehen ...“ Yamato stockte kurz, als er seinen Blick über das verletzte Bein des Anderen schweifen ließ. „Auch jetzt noch.“

Gai blinzelte ihn kurz fragend an, dann wechselte sein Ausdruck wieder zu seiner optimistischen Miene. „Wieso sollte ich dies nicht tun? Ich habe zwei exzellente Schüler, auf die ich stolzer nicht sein könnte und unterstütze meinen ewigen Rivalen dabei, sich um unsere Heimat zu kümmern. Das einzige, was ich beklagen kann, ist der Verlust meines dritten Schülers. Doch weiß ich, dass es nicht in seinem Sinne ist, deswegen den Kopf hängen zu lassen.“

Nachdenklich sah Yamato ihn an. „Es macht dir nichts aus, dass dein bisheriges Leben sich einfach in Luft aufgelöst hat und du es nicht wieder haben kannst?“

„Aber nein!“, widersprach Gai energisch. „Was geschehen ist, ist geschehen und löst sich nicht einfach in Luft auf. Mein bisheriges Leben hat mich durch schweres Training und harte Lektionen an diesen Punkt gebracht und mich nun dazu herausgefordert, etwas aus all dem, was ich gelernt habe, zu machen. Es gibt keine Herausforderung, die ich nicht annehme!“

„Und dass du nie wieder ein Shinobi sein wirst?“, hakte Yamato ein wenig eingeschüchtert und zugleich beeindruckt nach.

„Ich muss zugeben, das hat mir zuerst einen gemeinen Schlag versetzt und mich für einen kurzen Moment beinahe verzweifeln lassen. Jedoch gewöhne ich mich inzwischen an die neue Situation. Ich habe zwei großartige Schüler, die immer noch meinen Rat haben wollen und …“ Gai lächelte zufrieden. „Und sogar Kakashi legt Wert auf meinen Rat. Wenn ich noch so sehr gebraucht werde, wie soll ich da Zeit haben, um das Ende meines Shinobi-Daseins zu bedauern?“ Gai sah den nachdenklich dreinblickenden Jüngeren an und fügte hinzu: „Du weißt, dass du ebenso noch gebraucht wirst. Nicht wahr?“

„Ja“, antwortete Yamato gedankenversunken. „Danke, Gai.“

Der Angesprochene winkte ab und schenkte ihm eine Daumen-hoch-Geste. „Nicht aufgeben! Ich sehe noch sehr viel jugendliches Feuer in dir!“

 

Zwar wusste Yamato nicht, was er über das jugendliche Feuer, das angeblich in ihm zu sehen war, denken sollte, jedoch war es erbaulich gewesen, mit Gai zu sprechen. Genau deswegen hatte Kakashi Gai zu einem seiner Berater ernannt.

In Kakashis Wohnung angekommen, hatte er gerade einmal Zeit, um nach Ukki-kun zu sehen (der, wenn er noch etwas wuchs, langsam umzukippen drohte), bevor Kakashi ebenfalls durch die Tür kam.

„Ist etwas?“, fragte Yamato verwundert, da der Andere einfach bei der Tür stehen blieb und mit unzufriedenem Blick in seine Richtung starrte. Offensichtlich war Kakashi wegen irgendetwas wütend. „Ist noch etwas passiert?“

„Ich weiß nicht“, antwortete Kakashi mit düsterem Unterton in der Stimme, ehe er auf seinen Kohai zuging. „Du kannst das vielleicht besser beurteilen als ich.“

„Wie? Was meinst-“ Bevor er den Satz zu Ende bringen konnte, stand Kakashi vor ihm, griff blitzschnell nach seinem rechten Arm und drückte genau auf die verletzte Stelle. Yamato zog scharf die Luft ein und biss sich auf die Zähne. Wieso wusste Kakashi davon?!

„Ich wollte gerade gehen“, erklärte Kakashi, ohne gefragt werden zu müssen, „da kam Sakura vorbei, um sich noch einmal nach deinem Arm zu erkundigen.“

Schuldbewusst blickte Yamato den Älteren an und hatte keine Ahnung, was er sagen sollte.

„Den du dir ja heute beim Training verletzt hattest“, fuhr Kakashi zornig fort. „Weil du es gleich übertreiben musstest.“

Dies fühlte sich an wie eine Standpauke zu Anbu-Zeiten. Wenn etwas Kakashis Laune verhageln konnte, dann waren es verletzte Team-Mitglieder.

„Ich …“, begann Yamato, unsicher, was er überhaupt sagen sollte.

„DU hast es noch nicht einmal für nötig befunden, mir davon etwas zu sagen!“, unterbrach Kakashi ihn.

„Soweit ich weiß, bin ich dir keine Rechenschaft schuld-“, versuchte Yamato zu entgegnen, ehe sein Gegenüber ihm erneut ins Wort fiel.

„Was soll das? Das passt nicht zu dir. Du bist sonst nie ungeduldig und unvorsichtig.“ Durch Kakashis Zorn hindurch wurde allmählich seine Besorgnis deutlich.

„Ich weiß auch nicht“, antwortete der Jüngere elendig. „Ich möchte nicht schwach und nutzlos wirken.“

Einen Moment lang trat Stille zwischen beiden ein, ehe Kakashi den Kopf schüttelte. „Du wirkst nicht schwach. Tenzou, du bist fast gestorben, niemand erwartet von dir großartige Leistungen.“

„Du bist sogar schon einmal gestorben und das hat dich von nichts abgehalten“, konterte er, verletzt klingend.

„Das war doch etwas vollkommen anderes.“

„Ja! Das war etwas anderes, denn du bist bei der Verteidigung des Dorfes gestorben und ich ...“ Yamato senkte seinen Blick, als er den Rest des Satzes unausgesprochen ließ.

Kakashi fuhr sich angespannt durch die Haare. „Natürlich. Es geht darum. Tenzou, sieh mich an.“ Der Angesprochene zögerte, tat aber dann wie ihm gesagt worden war. „Du würdest gerne schnell deine alte Form wiederfinden, damit du so tun kannst, als sei nichts passiert. Das wird nicht funktionieren, glaube mir das. Du kannst nicht an einem früheren Punkt anknüpfen, um das, was dazwischen passiert ist, auszulöschen. Ich halte dich eigentlich für schlau genug, um das zu verstehen.“

Er erhielt ein zaghaftes Nicken zur Antwort.

„Und warum denkst du, du seist nutzlos?“

„Wenn … wenn ich schon nicht an Früher anknüpfen kann, dann möchte ich wenigstens Wiedergutmachung leisten. Aber nicht einmal das geht momentan.“ Yamatos Stimme zitterte ein wenig.

„Es gibt nichts, was du wiedergutzumachen hättest“, erwiderte der Hokage mit umso festerer Stimme. „Du bist ganz sicher nicht nutzlos. Ich weiß das am allerbesten, denn ...“ Kakashi lächelte. „Ohne dich wäre ich aufgeschmissen.“

„Du übertreibst.“ Yamato war überzeugt, keine große Leistung vollbracht zu haben, denn Kakashi kam sicher ohne ihn zurecht. Trotzdem freute es ihn, dies zu hören.

„Wer hat mir denn die Unterlagen für die Besprechung heute zusammengestellt?“

„Das war eine Kleinigkeit.“

„Und mich rechtzeitig dahin geschleift?“

„Eigentlich ist es recht beschämend für dich, dass ich das hatte tun müssen.“

Kakashis Lächeln wurde größer, als er merkte, dass die Stimmung seines Kohais sich wieder aufhellte. „Niemand hält dich für schwach oder nutzlos, Tenzou. Niemand. Wenn man dem Dorf nur dienen könnte, indem man auf Missionen geht und Aufträge erledigt, wäre ich im Moment auch ziemlich nutzlos, oder?“

Zaghaft erwiderte Yamato, nach einem kurzen nachdenklichen Moment, das Lächeln des Älteren.

 

Am späten Abend stand Naruto plötzlich vor der Tür und hielt Yamato eine kleine Topfpflanze entgegen.

„Das ist Sachi-kun“, erklärte er ohne Begrüßung. „Er braucht viel Licht, viel Wasser und du darfst ihn nicht mit deinem unheimlichen Gesicht ansehen. Echt jetzt.“

„Du musst mir nichts schenken, Naruto. Es war meine Schuld.“

Naruto sah ihn nur entschlossen an und hielt ihm weiter die Pflanze entgegen.

„Wirklich, du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben.“

„Hast du alles verstanden? Viel Licht, viel Wasser, kein unheimliches Gesicht“, erwiderte der blonde Ninja lediglich.

Yamato hatte das Gefühl, heute schon mal so etwas Ähnliches erlebt zu haben.

„Es ist in Ordnung, Naruto“, wiederholte er.

„Nimm die Pflanze!“, ertönte Kakashis Stimme aus dem Inneren der kleinen Wohnung. „Er wird nicht locker lassen, bevor du sie nicht genommen hast.“

„Dann, danke“, sagte Yamato etwas unschlüssig und nahm das Pflänzchen entgegen.

Naruto grinste nun über das ganze Gesicht und machte sich wieder auf den Heimweg, während Yamato Sachi-kun hereinbrachte und mit einem sanften Lächeln im Gesicht neben Ukki-kun platzierte.

Schon einige Wochen später hatte Sachi-kun sich zu einer prächtigen Pflanze entwickelt und musste auch nicht befürchten, dass das neben ihm stehende Gewächs auf ihn zu kippen drohte. Ukki-kun wurde nämlich seit Neustem von kleinen, aber stabilen Stützen aus Mokuton gehalten.

Feiertage

Das Papier des Notizblocks raschelte, als Sakura ihn aufschlug. „Also“, begann sie, während sie etwas aufschrieb. „Narutos wissen wir ja alle.“

„Der zehnte Oktober“, sagte Naruto überflüssigerweise, aber mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

Das gesamte Team Sieben hatte es sich im Besprechungszimmer des Hokage auf den dort befindlichen Sofas gemütlich gemacht. Naruto und auch Sakura bestanden darauf, dass das Team sich regelmäßig traf. Kakashi begrüßte diese Maßnahme, Yamato war gleichermaßen dafür und Sai meinte, dass er im Buch „Bindungen vertiefen lernen“ darüber gelesen hatte, wie regelmäßige Treffen und der damit verbundene Gedankens-und Gefühlsaustausch das Zusammengehörigkeitsgefühl einer Gruppe verbesserten. Sasuke hatte daraufhin gemurmelt, was dieser Bücherquatsch immer sollte und so getan, als wäre es ihm egal. Wenn es denn aber unbedingt sein musste, käme er auch (Yamato stellte jedes Mal mit Amüsement fest, dass niemand den Uchiha je wirklich aufgefordert hatte, zu kommen. Er gesellte sich jedes Mal freiwillig hinzu). Vor einiger Zeit war Naruto aufgefallen, dass er – mit Ausnahme von Sakuras – nicht die Geburtstage seines restlichen Teams kannte. Und da Naruto nun ein großer Fan seines Geburtstages war (weil man nun an diesem Tag nicht mehr in erster Linie an den Angriff des Fuchsgeistes dachte, sondern an das durch Naruto herbeigeführte Kriegsende), bestand er jetzt darauf, jeden Geburtstag eines Mitgliedes von Team Sieben zu feiern. Zunächst hatte er nur Sakura ebenso dafür begeistern können. Sai zog mit, da er in einem Buch davon gelesen hatte (wenn er auch nicht mehr genau wusste, in welchem) und Sasuke hatte lediglich „Wenn es sein muss“ gegrummelt. Kakashi hatte nicht gerade den Anschein gemacht, begeistert zu sein und auch Yamato hatte abgewinkt, auch wenn er den Gedanken, dass jemand seinen Geburtstag feiern wollte recht nett fand. Aber nein, hatte er den Jüngeren erklärt, zu viel Rummel um seine Person wäre ihm eher unangenehm.

Naruto hatte jedoch nicht damit aufhören wollen, die beiden Älteren von seiner neusten Idee zu überzeugen. Und da war es passiert, dass Yamato der (ihm selbst bis dato gar nicht so dramatische vorgekommene) Satz herausrutschte, dass er bis jetzt noch nie seinen Geburtstag gefeiert hatte und er dies somit ungewohnt fände. Kakashi hatte an dieser Stelle mit einem unterdrückten Stöhnen „Kein guter Schachzug“ geflüstert.

Ab da waren Naruto und Sakura nicht mehr zu halten gewesen. Naruto hatte bis vor einigen Jahren ebenso noch nie seinen Geburtstag gefeiert gehabt und er hatte Yamato mit einem Redeschwall überrannt, warum dies geändert werden musste. Als Sai dann auch noch eingewandt hatte, nicht zu verstehen, warum das Feiern des eigenen Geburtstags so wichtig war, hatte Sakura energisch bestimmt, dass sie Narutos Idee in die Realität umsetzten. Egal, ob alle dafür waren oder nicht. Es war nicht schwer zu erkennen, dass sie sich schlecht fühlte, weil sie als einzige in einer intakten Familie aufgewachsen war, die jedes Jahr ihre Geburt feierte.

Deswegen saßen sie nun im Besprechungsraum zusammen und notierten für den Anfang die Geburtstage aller.

„Was du nichts sagst“, kommentierte Sasuke ironisch Narutos überflüssige Datumsangabe.

„Sasukes ist der 23. Juli“, sagte Sakura und notierte das Datum sogleich, während sie dezent rot anlaufend versuchte, die vielsagenden Blicke zu ignorieren, welche die Anderen ihr zuwarfen. „Was denn? Manche Dinge vergisst man eben nicht.“

Sasuke gab ein unbehagliches Räuspern von sich.

„Ich selbst habe am 28. März“, fuhr Sakura fleißig schreibend fort. „Tja, und Kakashi-senseis ist laut seiner Krankenakte irgendwann im September.“

„Überrascht mich auch nicht, dass du Kakashi-senseis Geburtstag am ehesten von seiner Krankenakte kennst. Echt jetzt“, kommentierte Naruto.

„Soll das eine Anspielung auf meine gelegentlich vorgekommenen Krankenhausaufenthalte sein?“, fragte Kakashi.

„Gelegentlich?!“, erwiderten fünf Stimmen unisono.

„Wie dem auch sei“, Kakashi räusperte sich, „es ist der 15. September.“

„Whoa!“ Naruto machte ein beeindruckten Laut.

„Was ist ´whoa´?“, hakte der Hokage nach.

„Ich hätte nicht gedacht, dass es schon Kalender gegeben hat, als du geboren wurdest“, erklärte der Chaosninja mit breitem Grinsen im Gesicht. Sakura kicherte und selbst Sasukes Mundwinkel zuckten.

„Ah“, sagte Sai, „das ist eine Anspielung auf Kakashi-taichous Alter, richtig?“

„Nicht ganz“, korrigierte Yamato, ein Lachen unterdrückend. „Es ist eher eine Anspielung auf Kakashis hohes Alter.“

Der Rokudaime ließ geknickt den Kopf hängen. „So alt bin ich noch gar nicht.“

„Das sagen ältere Leute immer.“ Sakura lachte. „So, Sai, was ist mit dir? Wann ist dein Geburtstag?“

„Er wurde festgelegt auf den 25. November“, antwortete Sai, sich der seltsam anmutenden Wortwahl gänzlich unbewusst.

„Er … wurde festgelegt?“ Die Kunoichi blinzelte ihn mit großen Augen an.

„Was … was soll das denn heißen?“, fragte Naruto, nicht minder erstaunt.

„Ich kann mich nicht an das Datum erinnern und es gibt keine Unterlagen dazu“, erklärte Sai völlig ungerührt. „Shin hatte irgendwann einmal gesagt, jeder Mensch brauche einen Geburtstag. Also hat er meinen auf den 25. November gelegt.“ Am Ende des Satzes lächelte Sai. Teils, weil die Erinnerung an seinen Bruder dies auslöste, teils, weil einige sich offensichtlich aufgrund dieser Geschichte unwohl fühlten. Während Naruto, Sakura und Sasuke sich Einzelheiten dieser Geschichte von Sai anhörten, wanderte Kakashis Blick zu Yamato, der auffällig still geworden war und gedanklich eindeutig gerade wo anders war.

 

Ich habe gehört, es geht dir schon viel besser.“ Minato begrüßte ihn mit einem warmen Lächeln im Gesicht, als er gemeinsam mit Tsunade das Krankenzimmer des vor Kurzem aus Orochimarus Labor geretteten Jungen betrat.

Ja.“ Der kleine, immer noch ein wenig blasse Junge antwortete zaghaft, während er gleichzeitig nickte.

Ich habe dir ein neues Buch mitgebracht“, verkündete Minato und hielt ihm ein flaches, buntes Bilderbuch hin.

Vielen Dank“, erwiderte er und nahm es unsicher entgegen.

Herrje, auch noch ein pädagogisch Wertvolles“, kommentierte Tsunade spöttisch, als sie einen kurzen Blick darauf warf und den Hinweis „Geeignet zum Lesen lernen“ auf dem Titelbild entdeckte. „Pass auf, sonst ziehst du das nächste Genie heran.“

Verunsichert durch Tsunades Kommentar blickte der Junge mit großen Augen von seinem Buch wieder auf und sah abwartend zu Minato.

Du kannst dir das Buch ruhig ansehen. Tsunade-sama wollte nur einen Witz machen.“ Minato lachte, hörte damit aber wieder auf, als er einen Blick auf die Krankenakte in Tsunades Händen warf. „Ich habe es doch das letzte Mal schon gesagt. Du kannst bei ´Namen´ ´Tenzou´ eintragen. Richtig, Tenzou?“ Der blonde Jonin zwinkerte dem Jungen zu.

Tenzou verstand das merkwürdige Augenzucken Minatos nicht (er hatte das schon mehrmals bei ihm gesehen, aber dessen Bedeutung blieb ihm unklar) und brauchte einen Moment, um auf den Namen ´Tenzou´ zu reagieren. Ah, ja. Minato hatte ihn gefragt gehabt, ob er so heißen wollte. Anscheinend brauchte er hier draußen einen anderen Namen als den, den er bislang gehabt hatte. „Ja. Tenzou.“ Er blickte zu dem blonden Jonin, um sich eine Bestätigung zu holen, alles richtig gemacht zu haben. Dieser lächelte und das freute Tenzou. Denn Minatos Lächeln bedeutete immer etwas Gutes. So viel hatte er bisher gelernt.

Na schön“, sagte Tsunade, den Namen eintragend. „Sieht auch gleich viel weniger trostlos aus, wenn da wenigstens ein Name steht.“ Sie seufzte kurz beim Blick auf die Akte. So weit war es nicht möglich gewesen, irgendwelche persönlichen Angaben über den kleinen Patienten einzutragen. Kein Name, keine Angehörigen, kein Geburtstag. Sein Alter war von Tsunade nur geschätzt worden.

Es gibt absolut keine Möglichkeit mehr, noch etwas über ihn herauszufinden?“, hakte Minato deprimiert klingend nach.

Ich kann nichts tun“, antwortete Tsunade selbst ein wenig betrübt, ehe ihr Blick sich verfinsterte. „Und dann funken mir ständig die zwei beratenden Nichtsnutze und dieser dämli-“

Ähem“, räusperte Minato mit Blick auf Tenzou dazwischen (der Junge hatte seine Aufmerksamkeit inzwischen dem Buch gewidmet und sah nur durch das Räuspern wieder auf).

Dieser … Danzou“, fuhr Tsunade säuerlich fort. „Letztens wollte er eine Einschätzung haben, ob wir nun einen potenziell…“ Sie pausierte kurz, als ihre Augen zornig zu funkeln begannen. „Einen potenziell funktionierenden Mokuton-Anwender hätten oder ob das letzte Objekt auch noch ein Fehlschlag sei.“

Minato ballte kurz wütend die Fäuste und atmete durch. „Gefällt dir das Buch?“, wandte er sich lächelnd an Tenzou, dessen Blick verriet, dass er dem Gespräch der Älteren folgte.

Unsicher blinzelte Tenzou wieder das Buch an. „Ja. Vielen Dank.“

Du hast dich schon einmal bedankt. Das ist genug.“

Oh. Entschuldigung.“

„Haha, das ist in Ordnung. Du musst dich deswegen nicht entschuldigen.“

Minato konnte dem Jungen ansehen, dass er nun – wenn auch sichtlich verwirrt über alles – versuchte, zu verstehen und zu lernen, was er gerade gesagt hatte. „Dann“, sagte Minato zu der Sannin, „braucht er wenigstens ein Geburtsdatum, oder? Wir müssen doch festlegen, wann er älter wird und seinen Geburtstag feiern kann. Auch wenn es traurig ist, dass wir seinen Echten nicht kennen.“

Tenzou blickte inzwischen wieder zu seiner Ärztin und dem blonden Jonin und fragte sich, über was die beiden sprachen. Was genau war ein Geburtstag? Konnte man ohne den nicht älter werden? Hatten die anderen Kinder im Labor auch keinen gehabt? Und wenn man keinen hatte, woher konnte man dann einen bekommen?

Prinzipiell können wir ein beliebiges Datum nehmen“, antwortete Tsunade.

Irgendeins?“, hakte Minato nach und warf einen erneuten Blick auf die Krankenakte, deren Erstellungsdatum der zehnte August war – der Tag, an dem er den Jungen aus dem Labor geholt hatte.

 

„Tenzou!“

Abrupt von Kakashi aus seinen Gedanken gerissen, zuckte Yamato zusammen. „Ja?“

„Alles in Ordnung?“ Kakashi sah ihn sichtlich besorgt an.

Yamato ließ seinen Blick über die Gesichter der Anderen schweifen. Sakura und Naruto blickten ebenso besorgt drein, selbst Sai und Sasuke wirkten aufgrund seiner geistigen Abwesenheit ein wenig verstört.

„Wenn du eher auf Tenzou als auf Yamato hörst, warst du aber gerade wirklich weit weg mit deinen Gedanken“, äußerte Kakashi zugleich sorgenvoll und scherzhaft.

Verlegen lachte Yamato kurz. „Entschuldigung. Ich … habe nur über etwas nachgedacht.“

„Yamato-taichou ist halt auch schon etwas älter“, warf Naruto sehr von seinem Wissen überzeugt ein. „Alte Menschen haben eine kurze Aufmerksamkeitsspanne. Echt jetzt.“ Das schadenfrohe Kichern des Chaosninja unterbrach Yamato recht schnell mit einem seiner unheimlichen Blicke, die bei Naruto immer wirkten.

„Jetzt seid noch fünf Sekunden ernst“, ermahnte Sakura. „Uns fehlt nur noch der Geburtstag von Yamato-taichou.“

Kakashi wunderte sich über das Lächeln, das nun die Mundwinkel seines Kohais umspielte. Gleichzeitig nahm ihm dies aber auch ein wenig die Sorge um dessen vorangegangenen Aussetzer.

„Der zehnte August“, antwortete Yamato und war ein wenig stolz auf das Datum, das vom späteren Yondaime ausgesucht worden war.

Liebe: Ein Grundkurs (Erster Teil)

Ein wenig fröstelte es ihn schon. Es war nicht so, dass niedrige Temperaturen ihm etwas ausmachten, aber Yamato war doch schon immer eher ein Freund von Wärme, Sonne und frischer Luft gewesen. Vermutlich war es auch nicht so kalt im Hokage-Turms befindlichen Archivs, wenn draußen ein weniger eisiges Wetter herrschte. Mit grüblerischer Miene berührte Yamato eine Wand des Archivs und schüttelte sich kurz. Er musste Kakashi sagen, dass wer auch immer den Hokage-Turm wieder aufgebaut hatte, im Untergeschoss Mist gebaut hatte. Die Wände waren viel zu schlecht isoliert und so herrschten hier ungünstige Bedingungen für die Verwahrung wichtiger Dokumente. Naja, oder eben mittel-wichtiger Dokumente. Die wichtigsten wurden stets neben dem Arbeitszimmer des Hokage aufbewahrt.

Mit einem Seufzer suchte Yamato weiter die Regalreihen nach dem ab, weswegen er hier herunter geschickt worden war. Kakashi hatte sich am frühen Morgen schon mit den beiden eigentlich in Rente geschickten Beratern Homura und Koharu herumschlagen müssen, die – obwohl sie genau genommen nichts mehr zu sagen hatten – dem Rokudaime eine lange Liste von Dingen vorgetragen hatten, die er angeblich bereits falsch gemacht hatte. Homura und Koharu beharrten auf einem angeblich existierenden Beschluss des zweiten Hokage, nach dem ehemalige Berater immer noch ein Mitspracherecht besaßen. Mit einem Hauch von Verzweiflung im Auge hatte Kakashi seinen Kohai gebeten, nach besagtem Beschluss zu suchen.

Yamato hoffte inständig, dass es diesen Beschluss entweder nicht gab oder er zu den nach dem Angriff von Pain für immer verlorenen Dokumenten gehörte (er hoffte nicht, dass der Beschluss sich in einem der gigantischen Stapel loser Blätter befand, die seit Konohas Zerstörung im Archiv lagen und nur langsam ihren ursprünglichen Akten wieder zugeordnet werden konnten). Mit einem erleichterten Lächeln im Gesicht sah Yamato in den Ordner, welchen er gerade aufgeschlagen hatte. Das Lächeln schwand, als er den besagten Beschluss tatsächlich fand. Es war ihm ein Gräuel auch nur daran zu denken, dass die beiden Alten wieder etwas zu sagen haben könnten. Kakashis Amtsantritt sollte eine neue Ära in Konoha einläuten (eine, die vermutlich schon mit dem Yondaime begonnen hätte, wenn dieser nicht so früh gestorben wäre) und nicht den abgetrampelten Pfad fortführen, den Danzou mitgestaltet hatte. Danzou sollte doch ein geschlossenes Kapitel sein. Entmutigt blätterte Yamato eine weitere Seite um und lächelte erneut. Auch der Nidaime schien eigentlich abgesetzte Berater nicht lange ertragen zu haben. Er hatte seinen Beschluss knapp zwei Jahre nach Einführung annulliert.

Yamato konnte den kleinen Triumph nicht ausgiebig genießen, denn ein Geräusch lenkte mit einem Mal seine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Blitzschnell drehte sich sein Kopf in die Richtung, aus der es gekommen war. Dann atmete er erleichtert aus.

„Sai, du solltest wissen, dass man sich nicht an andere Shinobi heranschleicht.“

„Ich habe mich nicht angeschlichen“, erwiderte Sai mit emotionsloser Miene, als er vor Yamato im Gang auftauchte. „Ich habe sogar versucht, mich ganz offenkundig zu nähern. Aber es scheint noch nicht so gut zu funktionieren.“

„Was machst du hier unten überhaupt?“

„Ich habe Sie gesucht.“

„Mich?“, hakte Yamato überrascht nach.

„Kakashi-taichou sagte, dass Sie hier seien.“

„Und wie kann ich dir helfen?“ Er klemmte den Ordner unter den Arm und machte sich langsam auf den Weg Richtung Ausgang.

„Ich habe eine Frage, die bestimmte zwischenmenschliche Interaktionen betrifft“, antwortete Sai und schritt neben dem Älteren her.

Verwundert blickte Yamato ihn an. „Und warum kommst du damit zu mir?“

„Naruto und Sakura begreifen meine Schwierigkeiten beim Verständnis menschlicher Emotionen und Interaktionen nicht so wirklich. Und ich glaube, Kakashi-taichou ist vermutlich ebenfalls nicht der richtige Ansprechpartner für dieses Problem.“ Sai wirkte äußerst nachdenklich. Was mochte ihn so beschäftigen? „Ich denke“, fuhr er fort, „dass Sie mir am ehesten helfen können.“

„Wirklich?“ Yamato fühlte, wie ein bisschen Stolz sich in seiner Brust breit machte. „Du solltest aber wissen, dass ich … nun ja, auch kein Experte für zwischenmenschliche Interaktionen bin.“

„Deswegen wende ich mich ja an Sie“, sagte der ehemalige Ne. „Wahrscheinlich verstehen Sie mich am besten. Wir sind schließlich beide unter Anbu aufgewachsen und vielleicht geht es Ihnen damit auch so.“

„Womit?“, fragte Yamato mit steigender Verwunderung nach. Was auch immer den Anderen so sehr beschäftigte, es musste eine große Sache sein.

„Ich weiß nicht genau, wie ich es beschreiben soll ...“, begann Sai nachdenklich.

„Sag es einfach“, ermutigte Yamato ihn freundlich. So hatte auch Kakashi ihn stets dazu gebracht, über seine Sorgen zu reden. Nur hatte der ehemalige Kopierninja dabei oft … etwas weniger freundlich gewirkt.

„Seit einiger Zeit schon“, fuhr Sai fort, „besucht Ino Yamanaka mich hin und wieder. Sie fragt, ob wir zusammen spazieren oder etwas essen gehen wollen. Und manchmal, wenn ich draußen sitze, um zu malen, fragt sie, ob sie sich dazu setzen und mir zusehen darf.“

Staunend sah Yamato in das grübelnde Gesichts des Jüngeren. Nicht einmal Sai konnte so schwer von Begriff sein, oder? „Und seid ihr schon zusammen spazieren oder essen gegangen?“

„Ja“, antwortete Sai. „Schon oft.“

„Sai, kannst du dir denken, was das heißt?“

„Ich war mir zunächst nicht sicher. Also habe ich noch einmal in mehreren Büchern darüber etwas nachgelesen.“ Sai machte eine kurze Pause. „Das heißt … Ino mag mich auf eine besondere Art und Weise, oder?“

Yamato schmunzelte über die Art, wie Sai dies ausgedrückt hatte und nickte. „Wenn du das schon verstanden hast, wo liegt dann dein Problem?“

„Seit Kurzem fühle ich mich seltsam. Manchmal denke ich an Ino, obwohl es keinen Grund dafür gibt. Und wenn sie längere Zeit nicht vorbeigekommen ist, mache ich mir Gedanken, ob ich etwas Falsches gesagt haben könnte und sie mich nicht mehr sehen will. Wenn ich bei ihr bin, mache ich mir ebenso Gedanken, nichts Falsches zu sagen, damit ich sie nicht wütend mache. Ich meine, Sakura will ich auch nicht wütend machen, aber bei ihr habe ich nicht so ein komisches Gefühl. Außerdem wird es in meinem Brustkorb ganz warm, wenn Ino meine Bilder lobt. Das ist sonst auch bei niemandem so.“

Als Sai seine Rede beendet hatte, blieb Yamato abrupt stehen und blickte ihn verblüfft an. Meine Güte, dachte er. Sai hat sich tatsächlich verliebt.

„Ich bin mir nicht ganz sicher, was diese Symptome bedeuten“, fuhr Sai grüblerisch fort. „Aber da sie immer in Bezug auf Inos Person auftauchen, haben sie vermutlich etwas mit ihr zu tun.“

Yamato räusperte sich, unsicher, was er dem Anderen sagen sollte. Kein existierendes Buch beschrieb wahrscheinlich, wie es sich für einen selbst anfühlte, verliebt zu sein. Die meisten gingen immer davon aus, dass man dies wusste und beschrieben lediglich, woran man merken sollte, dass jemand Anderes einen selbst eventuell gern hatte. Mit diesem Gedankengang begann Yamato zu verstehen, warum weder Naruto, noch Sakura, noch Kakashi als Ansprechpartner geeignet waren. Naruto war zwar einsam aufgewachsen, aber trotzdem unter anderen Kindern. Er selbst und Sai jedoch kannten Sozialisierung vorrangig aus Büchern.

„Also“, Yamato räusperte sich erneut. „Bist du gerne in Inos Nähe?“

„Ja.“ Sai nickte. „Generell schon.“

„Vermisst du sie, wenn sie nicht bei dir ist?“

Für einen kurzen Moment dachte Sai nach, dann nickte er erneut.

„Würdest du sagen, dass du versuchst ihre Aufmerksamkeit und Anerkennung zu gewinnen?“

Nun grübelte er schon etwas intensiver. „Ja, ich denke schon.“

„Wärst du traurig, wenn Ino dich abweisen würde?“

Sai blinzelte ihn fragend an. „Da bin ich mir nicht sicher.“

„Entschuldige, ich formuliere es anders: Würdest du es als negativ empfinden, wenn Ino dich abweisen würde?“

Die Mimik des Anderen hellte sich wieder ein wenig auf. „Vermutlich ja.“

„Hast du manchmal das Gefühl, dass es keinen wichtigeren Menschen für dich gibt als Ino? Und dass du sie glücklich machen möchtest und für immer bei ihr bleiben willst?“

Auf Sais Gesicht bildete sich tatsächlich so etwas wie ein Lächeln. „Auf diese Formulierung wäre ich nie gekommen, aber sie scheint meine Lage treffend zu beschreiben.“

„Sai“, sagte Yamato mit einem amüsierten Kopfschütteln. „Du bist in Ino verliebt.“

„Ah“, antwortete Sai sichtlich baff. „Ist es das wirklich? Ich hatte so eine Vermutung, allerdings fand ich es ein wenig abwegig. Ich hätte nicht gedacht, dass mir so etwas passieren könnte. Sind Sie sich sicher?“

„Naja, sicher kannst eigentlich nur du selbst dir darin sein“, erwiderte Yamato mit einem Lächeln.

„Wie haben Sie erkannt, dass Sie sich verliebt haben?“

„Was?“, stutzte Yamato irritiert. „Was meinst du?“

Sai legte den Kopf leicht schief und murmelte: „Habe ich das doch falsch interpretiert?“

„Wovon sprichst du?“

„Ich hatte angenommen, Ihnen sei es mit Kakashi-taichou ähnlich ergangen.“

Die geradlinige Antwort des jungen Künstlers schlug Yamato für einen Moment die Luft aus den Lungen. Eine gefühlte Ewigkeit sah er den Anderen mit großen Augen entgeistert an, ohne etwas sagen zu können. „Wie … wie kommst du darauf?“

„Es hat den Eindruck erweckt“, antwortete Sai ohne Umschweife. „Besonders Ihr Umgang miteinander, den ich seit Ende des Krieges beobachtet habe, führte zu meiner Vermutung. Liege ich falsch? Ich hatte so viel darüber gelesen, um meine Beobachtungen zu untermauern.“ Er klang fast ein wenig enttäuscht.

Nach wie vor unfähig, einen zusammenhängenden Gedanken darüber zu fassen oder sogar zu äußern, brachte Yamato – zunehmend sichtbar ins Schwitzen gebracht – nur hervor: „H-hast du mit jemand anderem darüber gesprochen?“

„Nein.“ Zur Erleichterung des Älteren schüttelte Sai den Kopf. „In einem der Bücher hieß es, dass man Vermutungen nicht vorschnell äußern sollte. Zudem sei vielen Paaren ein Bekanntwerden ihrer Beziehung unangenehm.“

„Hier gibt es jedenfalls keine Beziehung“, sagte Yamato etwas nervöser, als er hatte klingen wollen.

„Nicht? Dann habe ich das doch falsch interpretiert?“

„Ist nicht schlimm. Du lernst schließlich noch“, erwiderte er und schenkte dem Jüngeren ein Lächeln, das hoffentlich seine Verlegenheit überspielte. „Konzentriere dich nun erst einmal auf Ino. Am besten verbringst du einfach nach wie vor Zeit mit ihr und … und sagst ihr auch, dass dir das gefällt.“ Zufrieden, dass ihm ein Ratschlag eingefallen war, nickte Yamato zuversichtlich.

„Und dann?“, hakte der Andere nach.

„Abwarten, Sai. Du hast schon so viel gelernt. Ich bin mir sicher, du wirst noch ein Gefühl für Gefühle bekommen.“

Sai bedankte sich aufrichtig und äußerte, was für eine gute Idee es gewesen war, Yamato um Rat zu fragen. Der Gelobte bemerkte wieder einen Anflug von Stolz in seinem Inneren und vergaß dadurch für den Moment sogar die verwirrenden Sachen, die Sai in Bezug auf ihn und Kakashi gesagt hatte. Er übergab Kakashi die von ihm angeforderten Unterlagen (nicht ohne, dass der Hokage verwundert nachfragte, warum Yamato so verschwitzt aussah, aber dieser winkte verlegen lachend ab). Freudestrahlend trug Kakashi Tsunade auf, Koharu und Homura von dem nicht mehr existierenden Beschluss zu erzählen (etwas, dem Tsunade mit einem recht wahnsinnigen Grinsen im Gesicht nachkam), bevor sie sich alle wieder wichtigeren Aufgaben widmeten.

 

Und so dachte Yamato erst wieder an das Gespräch mit Sai, als er zu zweit mit Kakashi beim Abendessen saß. Sie aßen nicht oft auswärts, da Yamato dies meistens bezahlen musste und es Kakashi Unbehagen bereitete, in der Öffentlichkeit zu essen, da er dafür seine Maske herunterziehen musste. Zuhause in Kakashis Wohnung jedoch, hatte Yamato einen freien, ausgiebigen Blick auf das Gesicht seines Sempais. Zugegeben, zuerst war er enttäuscht gewesen, als er dieses Gesicht das erste Mal unverhüllt gesehen hatte, allerdings war er enttäuscht gewesen, weil er sonst etwas erwartet hatte. Irgendeine Entstellung, Narbe oder was auch immer, das die Maske rechtfertigte. Stattdessen konnte er nur feststellen, dass Kakashis Gesicht recht makellos aussah. Wenn nicht sogar hübsch.

Yamato stutzte bei seinem Gedankengang.

War es unangebracht, seinen Sempai als hübsch zu bezeichnen? Wieso hatte Sai davon anfangen müssen? Er seufzte innerlich. Ihm war bewusst, dass die Punkte, die er beschrieben hatte, um Sai auf dessen Verliebtheit hinzuweisen, auch auf ihn zutrafen. Aber er war nicht verliebt in Kakashi.

Das sagte er sich zumindest immer wieder.

Denn es war unvernünftig, so für Kakashi zu empfinden. Yamato wusste nicht mehr, wann ihm diese Gefühle das erste Mal bewusst geworden waren, aber es war ihm unangenehm gewesen. Er hatte Kakashi schon immer sehr gemocht und stets angenommen gehabt, dass er wunschlos glücklich sein würde, wenn er nur in der Nähe des Älteren bleiben konnte. Jedoch ertappte er sich immer wieder bei dem Gedanken, was wäre, wenn Kakashi ihn ebenso sehr mögen würde.

Unsinn.

Kakashi hatte sicherlich kein solches Interesse an ihm. Es machte also keinen Sinn, irgendeinen der Gedanken, die in diese Richtung gingen, weiter zu verfolgen. Vielleicht fände Kakashi dies auch so abstoßend, dass er nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen würde? Yamato hatte bereits dutzende Szenarien in seinem Kopf durchgespielt. Und diejenigen, die damit endeten, dass Kakashi sich von ihm abwandte, taten beinahe physisch weh. Deswegen war es vermutlich das Beste, nichts zu sagen oder zu tun und einfach alles beim Alten zu belassen. Vermutlich ließ Verliebtheit (die es ja eigentlich nicht wahr, wie Yamato innerlich wiederholte) auch irgendwann wieder nach und all sein Grübeln darüber war vollkommen überflüssig gewesen. Er musste nur abwarten. So etwas dauerte vermutlich einfach. Mit einem innerlichen Seufzer stellte er fest, dass er schon recht lange darauf wartete.

„Tenzou ...“, riss Kakashi ihn aus seinen Gedanken.

„Yamato“, erwiderte er automatisch, um sich nicht anmerken zu lassen, mal wieder in Gedanken versunken gewesen zu sein.

„Habe ich irgendetwas im Gesicht?“, fragte der Hokage skeptisch.

„N-nein, wieso?“ Hoffentlich war Kakashi nicht aufgefallen, dass er gestarrt hatte. Hoffentlich war Kakashi nicht aufgefallen, dass er gesta-

„Du hast mich angestarrt.“

Verdammt.

„Habe ich nicht“, erwiderte Yamato so selbstsicher, wie es ihm nur möglich war.

„Hast du.“

„Dann steht dein Wort gegen meins.“

„Ich bin der Hokage, mein Wort gewinnt.“

„Was?“, empörte sich Yamato halbernst. „Das ist Amtsmissbrauch.“

„Wenn du nicht brav bist“, Kakashi lächelte sein typisches Lächeln, „schicke ich dich in das Keller-Archiv zurück und lasse dich nach einem passenden Beschluss suchen.“

„Bitte nicht“, der Jüngere verzog gequält das Gesicht.

„Sei froh, du musstest nur einmal darunter. Ein paar arme Chunin müssen da jeden Tag hin, um die noch immer herumfliegenden Blätter zu sortieren.“ Kakashi legte seine Essstäbchen hin und lehnte sich mit einem angestrengten Stöhnen zurück. Seine Maske hatte er noch nicht wieder hoch gezogen. „Hat Sai dich heute eigentlich gefunden?“

„Hm? Oh, jaja“, antwortete Yamato sehr darauf bedacht, dies beiläufig klingen zu lassen.

„Was hatte er denn gewollt?“

„Einen Ratschlag.“

„Einen Ratschlag für was?“

Warum konnte Kakashi manchmal nicht locker lassen? Yamato blickte in Kakashis nach wie vor entblößtes Gesicht (bei dem er nicht jedes Mal an das Wort „hübsch“ denken sollte) und fragte sich, warum der Andere seine Maske noch nicht hoch gezogen hatte. War es ein Test? Um zu sehen, ob er wieder starren würde? Als Kakashi fragend eine Augenbraue hob, da immer noch keine Reaktion des Anderen gekommen war, beeilte sich Yamato mit einer Antwort: „In … Liebesdingen.“

„Was?“ Mit einem Mal lehnte Kakashi sich wieder aufmerksam nach vorne.

„Ja“, Yamato lachte leicht. „Wie es aussieht, hat er sich in Ino verliebt.“

Ein großes Auge blinzelte ihn ungläubig an. „Sai? Unser Sai? Wer hätte das gedacht? Aber es freut mich für ihn.“ Nach einer kurzen Pause fügte er überrascht hinzu: „Warum kommt er damit zu dir?“

„Glaubst du, ich verstehe davon nichts?“, entgegnete Yamato und stand eilig auf, um das Geschirr vom Tisch zur Spüle zu räumen. Mit dem Rücken zu seinem Sempai konnte dieser wenigstens nicht den zarten Rotschimmer sehen, der sich durch die Erinnerung an das Gespräch mit Sai und den ständigen Anblick von Kakashis Gesicht auf seinen Wangen gebildet hatte.

„Das wollte ich damit nicht sagen“, erwiderte Kakashi besänftigend. „Ich hätte nur gedacht, Sakura sei da vielleicht die geeignetere Ansprechpartnerin.“

„Naja, Sai meinte, ich könnte sein Problem besser nachvollziehen“, antwortete der Jüngere mit immer noch abgewandten Gesicht.

„Weil …?“, hakte Kakashi interessiert nach.

„Weil wir beide unter Anbu aufgewachsen sind“, erklärte Yamato knapp.

„Ah, verstehe.“ Kakashi stand auf, zog seine Maske wieder hoch und ging zu seinem Kohai, der ihn überrascht anblickte. Ohne weitere Erklärung begann der Ältere, ihm beim Abwasch zu helfen.

Und während sie Seite an Seite da standen, fühlte Yamato erneut dieses Glücksgefühl in seinem Innern, das nur Kakashi auslösen konnte. Er wusste, es war dumm darüber nachzudenken. Aber manchmal spielte sein Kopf auch Szenarien mit gutem Ausgang durch und allein die Vorstellung darüber, was sein könnte, machte ihn dann unglaublich glücklich.

Erinnerungen

Es war dunkel. Nur ein kümmerlicher Lichtschein ermöglichte es ihm, etwas zu sehen. Yamato musste allerdings auch nicht viel sehen, denn er wusste immer genau, wo er war, wenn das Licht so schwach war. Orochimarus unterirdisches Versteck.

Es ist nicht gerecht“, hörte er eine Jungenstimme sagen.

Du durftest als einziger hier heraus“, sagte eine weitere Stimme - dieses Mal klang es nach einem Mädchen - vorwurfsvoll. „Warum durften wir nicht mitkommen?“

Tut mir leid“, antwortete Yamato betrübt. „Es tut mir so leid, dass ihr nicht mitkommen konntet.“ Er blickte erschrocken auf die 59 Kinder, die aus der Dunkelheit vor ihm erschienen. „Ich wünschte auch, es wäre anders gewesen.“

Du hältst dich bestimmt für etwas Besseres“, ertönte eine Stimme aus der Gruppe. „Nur weil du überlebt hast.“

„Nein! Nein! Das stimmt nicht!“, entgegnete Yamato lautstark. „Das müsst ihr mir glauben!“

„Du hast nur Unheil angerichtet! Wir hätten so etwas nicht getan!“

Unheil?“, fragte Yamato eingeschüchtert nach, doch seine Stimme ging im empörten Lärm der riesigen Gruppe unter.

Du weißt, was wir meinen!“

Nein, ich ...“ Yamato brach mitten im Satz entsetzt ab, denn die Kinder verwandelten sich in Zetsus. „Bitte nicht“, flüsterte er atemlos. Doch die Zetsus kamen bereits auf ihn zu.

Du bist nicht besser als wir! Du bist einer von uns!“

Nein! Bitte nicht! Bitte nicht!“, schrie er voller Verzweiflung, als die Zetsus sich auf ihn stürzten.

 

Plötzlich schlug Yamato die Augen auf. Sein Atem ging schwer und sein Herz schlug so stark, dass es ihm im Kopf dröhnte. Es dauerte einen langen Moment, ehe er sich bewusst wurde, dass dies ein Traum gewesen war. Es brauchte einen weiteren Moment, bis er bemerkte, dass er aufrecht saß, sein Kopf an jemandes Schulter lag und dieser Jemand ihn im Arm hielt.

„Bist du endlich wach?“, fragte Kakashi leise und hörbar beunruhigt.

„J-ja“, antwortete Yamato mit brüchiger Stimme. „Was …?“

Zu seinem Missfallen löste Kakashi die Umarmung, hielt ihn jedoch weiterhin sanft fest, als würde er umfallen, wenn er dies nicht täte. „Du hattest offensichtlich einen Albtraum. Du hast ziemlich heftig geschrien und gestrampelt und ich habe dich nicht wach bekommen.“ Selbst im eher faden Licht der nächtlichen Wohnung konnte Yamato die Besorgnis im Auge des Älteren erkennen. „Du hast mir einen gewaltigen Schrecken eingejagt.“

„Entschuldige“, sagte Yamato bedrückt.

„Zum hundertsten Mal, Tenzou. Du musst dich dafür nicht entschuldigen.“

Zum hundertsten Mal, es heißt Yamato, wollte er erwidern, aber im Moment fehlte ihm dafür die Kraft. Kakashi sah ihn noch einen Augenblick lang besorgt musternd an, dann machte er Anstalten, aufzustehen. „Du hast deine Sachen komplett durchgeschwitzt. Du solltest dich umziehen.“

„Ja“, erwiderte der Jüngere und stellte beim Versuch aufzustehen verstimmt fest, dass sowohl seine Arme, als auch seine Beine erheblich zitterten.

„Ich helfe dir“, bot Kakashi an und half ihm sogleich beim Aufstehen, ehe er, während Yamato sich an der Wand abstützte, für ihn ein neues Oberteil samt Hose aus der Kommode holte. Yamato bedankte sich leise, nahm die Sachen und ging auf wackeligen Beinen ins Bad.

Kakashi wartete neben der Tür.

So schlimm war es noch nie gewesen. Schon zu Anbu-Zeiten hatte er die Albträume seines Kohai mitbekommen, doch waren sie damals seltener gewesen. Und von geringerem Ausmaß. Seitdem Yamato aus seinem Koma erwacht war, traten sie häufiger und in unterschiedlicher Intensität auf. Er hatte zwar gesagt, dass sie weniger wurden, seit er bei Kakashi wohnte, doch trotzdem kam es oft vor. Zu oft. Kakashi hatte hin und wieder ebenso Albträume, die Yamato mitbekam und er hatte irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft er schon nach dem Erwachen aus diesen in die besorgten Augen den Jüngeren geblickt hatte. Seine eigenen kamen ihm jedoch weniger furchtbar vor. Er fühlte sich schuldig, denn er wusste, warum sich die Albträume seines Kohai so verschlimmert hatten. Kummervoll drehte er seinen Kopf in Richtung des Teamfotos, welches neben dem Bild seiner eigenen Schützlinge, auf einem Regalbrett oberhalb seines Bettes stand. Nicht Obito war schuld daran. Die Verantwortung für Tenzou hatte bei ihm selbst gelegen. Und er hatte auf ganzer Linie versagt. Er wollte nicht, dass Yamato leiden musste. Er wollte ihn beschützen und ihn glücklich sehen. Kakashi wusste, dass er sich in beiden Punkten mehr anstrengen musste.

In der Zwischenzeit hatte Yamato sich umgezogen und sich eine Ladung Wasser ins Gesicht geworfen. Der Anblick, wie die anderen Kinder sich in Zetsus verwandelt hatten, ließ ihn nicht los. Das war nicht real, wiederholte er immer und immer wieder. Nicht real. Unsicher verließ er das Bad und stutzte, als er Kakashi neben der Tür erblickte. „Hast du auf mich gewartet?“

„Geht es wieder?“, entgegnete der Ältere, ohne die an ihn gerichtete Frage zu beantworten.

„Naja, schon.“ Yamato hatte nicht einmal sich selbst mit dieser Antwort überzeugen können.

„Willst du darüber reden?“, fragte Kakashi.

„Ich will dich nicht vom Schlafen abhalten.“ Yamato versuchte zu lächeln. „Jedenfalls nicht noch mehr.“ Auch wenn es ihm ein Grauen war, auch nur an das erneute Einschlafen zu denken.

„Ich bin wach. Es ist also kein Problem.“ Kakashi legte sich auf sein Bett, lehnte sich mit dem Kopf gegen die Wand und bedeutete dem Anderen, neben ihm auf der anderen Seite Platz zu nehmen. Etwas unschlüssig sah Yamato noch einen Moment auf die freie Stelle neben Kakashi, ehe er langsam um das Bett herum ging und sich am Rand zaghaft niederließ.

„Das hält uns schon beide aus“, scherzte der Hokage.

„Wenn du meinst“, erwiderte Yamato und nahm zögerlich die gleiche Position wie Kakashi ein. Er hatte keine Zweifel daran, dass das Möbelstück sie aushalten würde. Es war nur … ungewohnt, so nah an seinem Sempai zu sein. Ungewohnt und … irgendwie beruhigend. Er spürte überdeutlich die einlullende Wärme, die von dem Älteren ausging.

„Also ...“, forderte Kakashi ihn zum Reden auf, während er sich ihm zuwandte.

„Also …“, Yamato richtete seinen Blick hinab auf seine Hände, die ihn seinem Schoß lagen und darauf bedacht waren, den Anderen nicht zu berühren (was fast unmöglich war auf dem engen Raum, auf dem sie nun zusammensaßen).

Kakashi gab einen leisen Seufzer von sich. „Sag es einfach.“

„Wenn ich dich nach deinen Albträumen frage, sagst du auch immer, dass du nicht darüber sprechen willst“, entgegnete Yamato und sah zu dem Älteren.

„Das ist nicht wahr“, konterte Kakashi. „Ich habe dir gesagt, es geht darin meistens um Menschen, die ich verloren habe.“

„Eine spezifische Angabe sieht anders aus.“

„Du weißt, wer diese Menschen sind. Obito, Rin, Minato, Kushina, mein Vater ...“ Kakashi wollte seine Aufzählung so beiläufig wie möglich klingen lassen, um das Gespräch schnell von ihm wegzubringen.

„Dein Vater?“, hakte Yamato überrascht nach. Von diesem war bisher noch nie die Rede gewesen.

Mist, durchfuhr es Kakashi. Soviel zum angestrebten Themenwechsel. „Er … starb, als ich noch ein Kind war.“ Die knappe Antwort sollte dem Jüngeren signalisieren, dass er nicht darüber reden wollte, jedoch merkte er bei einem Blick in Yamatos aufmerksam gewordene Augen, dass er das Gegenteil erreicht hatte.

„Du hast noch nie über deinen Vater gesprochen.“ Zugegeben, Kakashi hatte noch nie viel über irgendetwas Persönliches gesprochen.

„Er war ein Shinobi. Er hat das Wohl seiner Kameraden über den Missionserfolg gestellt und ...“ Es verwunderte ihn nicht, dass Yamato nichts über seinen Vater wusste und Kakashi war sich uneins darüber, ob er wollte, dass sein Kohai diese Geschichte kannte.

„Und?“ Yamatos Augen blinzelten ihn neugierig an. „Ah, dann hast du deine Einstellung von ihm überno-“

„Nein. Nein, leider nicht“, fiel Kakashi ihm ins Wort. „Dafür hatte es dann Obito gebraucht. Ich war lange Zeit nicht stolz auf das, was mein Vater getan hat.“ Einmal atmete er tief ein und aus, dann (er wusste selbst nicht, woher dieses Gefühl kam, es dem Anderen erzählen zu können) ergänzte er: „Mein Vater hat sich umgebracht. Weil das restliche Dorf ihn wegen seiner Entscheidung geächtet hat. Er wollte … für mich seine Ehre wiederherstellen.“

„Oh“, erwiderte Yamato bedrückt. „Das tut mir leid.“

„Schon gut. Es ist lange her und inzwischen bin ich mit ihm im Reinen.“ Kakashi warf ihm ein ehrliches Lächeln zu. Er wollte es nicht zugeben, aber es tat gut, ihm dies erzählt zu haben.

„Und deine Mutter?“, fragte Yamato zu Kakashis Erstaunen. Nach seiner Mutter war er schon lange nicht mehr gefragt worden. War er es überhaupt schon einmal? „Sie war da schon lange tot. Sie ist so früh gestorben, dass ich nur wenige Erinnerungen an sie habe.“

„Das … tut mir schon wieder leid.“

„Sonst hat mich noch nie jemand nach ihr gefragt.“

„Noch nie?“, hakte Yamato erstaunt nach. „An was kannst du dich erinnern?“

„Hmm“, Kakashi starrte kurz an die Decke, während er überlegte. „Sie war wunderschön. Und hatte ein ganz sanftes, aber unglaublich bezauberndes Lächeln.“ Der Gedanke daran ließ ihn erneut lächeln. Dann sah er wieder zu seinem Kohai, der ebenfalls einen erfreuten Ausdruck im Gesicht zeigte und gleichzeitig erkennen ließ, dass Kakashi seine volle Aufmerksamkeit besaß. „Wieso interessierst du dich für meine Eltern?“

„Naja“, antwortete Yamato. „Ich kann mich an meine Eltern überhaupt nicht erinnern. Manchmal frage ich mich, wie sie wohl so sind.“

Kakashi fühlte einen imaginären Schlag in seine Magengrube. Wie hatte er das nur vergessen können? Selbst Naruto hatte seine Eltern inzwischen getroffen, nur Yamato hatte immer noch keine Ahnung (nicht einmal einen Anhaltspunkt), was seine Herkunft betraf. Trotzdem wirkte er nicht allzu traurig darüber.

„Ich habe schon oft versucht, sie mir vorzustellen“, fuhr der Jüngere ein wenig verträumt klingend fort. „Vermutlich liege ich vollkommen daneben. Ich frage mich, ob sie wohl hin und wieder noch an mich denken. Ob sie überhaupt noch leben?“

„Tenzou“, sagte Kakashi trübsinnig. „Es tut mir leid, dass du deine Eltern nie kennen gelernt hast.“

Yamato – von Kakashis Empathie zugleich überrascht und gerührt - schüttelte den Kopf. „Es ist nicht zu ändern. Um Naruto zu zitieren: Dafür habe ich ja nun eine andere Familie, nicht wahr?“

„Verrätst du einem Teil dieser Familie dann auch, was du geträumt hast?“ Kakashi bereute es nicht, nachgefragt zu haben, auch wenn es die Zuversicht aus Yamatos Gesicht vertrieben hatte. Er wollte, dass der Andere sich besser fühlte und (auch wenn er diese Methode für sich vehement ablehnte) angeblich half es manchen, über ihre Probleme zu reden.

„Nichts … naja … es war nur …“, stammelte Yamato, die Augen abwendend und nicht wissend, wie er seinen Albtraum in Worte fassen sollte. Als er wieder zu dem Älteren sah und in Kakashis eindringlichen, aufmerksamen und irgendwie gefühlvollen Blick schaute, konnte er endlich antworten: „Da waren … die anderen Kinder aus Orochimarus Labor. Sie kamen schon öfter in meinen Träumen vor, allerdings hatten sie mir zuvor noch nie Vorwürfe gemacht. Und sich nicht in Zetsus verwandelt.“

Kakashi atmete hörbar aus, als Yamato zu Ende gesprochen hatte. „Du weißt, dass du dir nichts vorzuwerfen hast. Ich wünschte nur, es gebe einen Weg, das deinem Unterbewusstsein klar zu machen.“

„Das wünschte ich auch“, erwiderte Yamato leise. „Sempai?“, fügte er nach einem längeren Moment der Stille hinzu.

„Ja?“

„Danke.“

„Es gibt nichts, wofür du dich bedanken müsstest.“

„Doch. Eine ganze Menge.“

Nach einigen Minuten bemerkte Kakashi, wie der Kopf des Anderen auf seine Schulter rutschte. Yamato war friedlich eingeschlafen.

Liebe: Ein Grundkurs (Zweiter Teil)

Obwohl für den Tag wärmere Temperaturen erwartet wurden, war die Morgenluft in Konoha noch recht kalt. Doch Kakashi war dankbar für die kühle Brise, die wehte, während er in aller Frühe auf dem Friedhof des Dorfes vor dem Grabmal der Hokage stand.

„Ich wünschte, Sie könnten mir weiterhelfen, Sensei“, sagte er leise. „Wobei ich weiß, was Sie sagen würden.“

 

Wie jeden Abend, wenn Kushina zu Bett ging, beobachtete Kakashi aus dem Augenwinkel heraus, wie Minato seiner schwangeren Frau einen Kuss gab, ehe sie sich in Richtung des Schlafzimmers aufmachte. Kakashi beobachtete nicht nur den Kuss, sondern auch den seligen Ausdruck in beiden Gesichtern. Sein Lehrer und Kushina machten den Eindruck, mit sich und der Welt im Reinen zu sein. Oder nicht mehr zu dieser Welt zu gehören, weil sie in ihrer vertraut erscheinenden Zweisamkeit etwas Besseres gefunden hatten.

Was beschäftigt dich?“, fragte Minato plötzlich und mit diesem verständnisvollen Ton, den er sonst noch bei keinem anderen Menschen gehört hatte.

Nichts.“

Nichts, außer …?“

Wieso konnte Minato-sensei manchmal nicht locker lassen? „Kann ich Sie etwas fragen?“

Natürlich. Was denn?“ Minato schenkte ihm ein ermunterndes Lächeln.

Es ist … etwas sehr Persönliches.“

Sag es einfach.“

Kakashi zögerte noch einen Augenblick lang, ehe er seine Frage aussprach: „Woher wissen Sie, dass Sie Kushina lieben?“

 

Yamato stand von seinem Futon auf, um Kakashis Wecker auszuschalten. Kakashi war allem Anschein nach schon weg. Dies war nichts Ungewöhnliches. Hin und wieder stand der Ältere auf, bevor der Morgen dämmerte und ging zum Friedhof oder zum Gedenkstein. Yamato verstand, dass es wichtig für den Anderen war und dass er sich die Zeit dafür nehmen musste. Manchmal kam es noch vor, dass Kakashi sich dort in Gedanken verlor und nicht mehr auf die Zeit achtete. Dies war immer der Moment, wenn Yamato ihn am jeweiligen Punkt aufsuchen musste, um ihn wieder in die Gegenwart zu bringen.

Es waren einige Tage vergangen, seit Yamato den Albtraum über die Kinder und die Zetsus gehabt hatte. Seitdem waren seine Nächte relativ ruhig gewesen. An den Tagen allerdings grübelte er über eine Sache: Er war sich uneins darüber, ob Kakashis Geste, ihn in besagter Nacht in seinem Bett schlafen zu lassen, vielleicht etwas zu bedeuten hatte.

Unsinn, wiederholte er gedanklich zum tausendsten Mal und schüttelte den Kopf. Das war nur eine freundschaftliche Geste. Was war nur mit ihm los, dass er da mehr hinein interpretieren wollte? Er konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken. Mit einem tiefen Seufzer begann Yamato, sich für den Tag fertig zu machen.

 

Kakashi war von sich aus zur Arbeit erschienen. Jedoch wirkte auch er mitunter so, als wäre er nicht vollkommen bei der Sache.

„Hast du schlecht geschlafen, Sempai?“, fragte Yamato, als er dem Hokage einen neuen Stapel Dokumente zur Durchsicht hinschob und dieser darauf zunächst nicht reagierte.

„Hmm?“, erwiderte Kakashi, aus seinen Gedanken gerissen. „Nein.“

Nein. Das war eine recht knappe Antwort, und obwohl Yamato noch einen Moment wartete, um zu sehen, ob der Andere noch etwas hinzufügte, blieb es bei dieser kurzen Konversation.

„Willst du mir nicht verraten, was los ist?“, versuchte er es nach einer kleinen Pause erneut.

„Es ist nichts los“, entgegnete Kakashi, nun in die Dokumente vertieft.

„Ich habe das Gefühl, irgendetwas beschäftigt dich.“

„Ja?“, fragte Kakashi uninteressiert. „Und wieso hast du das?“

Weil du in den letzten paar Tagen ungefähr fünf Sätze mit mir gewechselt hast, dachte Yamato frustriert. „Weil du … so gereizt wirkst.“

Kakashi blickte auf und sah den Jüngeren nur einen kurzen Augenblick an, ehe er den Blick wieder abwendete. „Tut mir leid. Ich habe nur viel zu tun, das ist alles. Könntest du den Haushaltsplan noch einmal durchrechnen? Ich will sicher gehen, dass wir uns nicht verrechnet haben.“

„Ja, natürlich.“ Ohne noch weitere Worte zu verlieren, nahm Yamato nach außen hin ruhig wirkend die entsprechende Akte und ging ins Besprechungszimmer, wohin er sich gerne zum Arbeiten zurückzog. In seinem Innern jedoch beschäftigte ihn eine Sache: War es Einbildung oder verhielt Kakashi sich tatsächlich distanziert? Bereute er die … freundschaftliche Geste von letztens? Es war für Kakashis Verhältnisse erstaunlich viel Nähe gewesen. Ungewöhnlich viel. Zog er sich deswegen wieder von ihm zurück? Ertrug er so viel Nähe nicht? Hatte Yamato damit nicht den endgültigen Beweis, dass Kakashi sicher keine … derartigen Gefühle für ihn hatte? Sollte er zu dem Anderen auf Abstand gehen, um ihn nicht dieses offensichtliche Unbehagen fühlen zu lassen? War das nicht das Gegenteil, von dem, was er eigentlich wollte? Yamato schüttelte den Kopf, um die Bitterkeit und die trübsinnigen Gedanken loszuwerden. Er musste sich schließlich auf seine Arbeit konzentrieren.

 

Sobald Yamato das Zimmer verlassen hatte, atmete Kakashi resigniert aus. Er wusste, dass sein Ansatz falsch war. Und er wollte sicher nicht so harsch zu Yamato sein. Die Situation überforderte ihn völlig.

 

Woher ich weiß, dass ich … Kushina liebe?“, wiederholte Minato ein wenig perplex. Mit dieser Frage hatte er offensichtlich nicht gerechnet. „Warum willst du das wissen, Kakashi?“

Der Angesprochene suchte nach den richtigen Worten. Und dem Mut, sie auszusprechen. „Obito … er hat Rin geliebt. Rin hatte Gefühle für mich. Sie lieben offensichtlich Kushina. Ich verstehe das nicht.“

Mit ernster Miene hörte Minato seinem Schüler zu. „Was verstehst du nicht?“

Wieso hat Rin geglaubt, in mich verliebt zu sein? Was hat Obito denken lassen, Rin zu lieben? Wie kamen beide auf diese Gedanken? Shinobi sollen keine Gefühle haben. Und ich dachte, ich sei ein guter Shinobi, wenn ich dieser Regel folge. Aber ich will es verstehen. Ich will die beiden verstehen. Sie sind der Einzige, den ich noch fragen kann.“ Mit jedem Wort fiel es Kakashi schwerer, das Zittern in seiner Stimme zu verbergen.

Du willst wissen, warum man jemanden liebt“, fasste Minato zusammen.

Ja. Erklären Sie es mir bitte, Sensei.“

Nachdenklich blickte der Lehrer zu seinem letzten Schüler. „Das … ich denke, nicht, dass man das erklären kann, Kakashi.“

Versuchen Sie es. Bitte.“

 

Inzwischen war es dunkel geworden und Yamatos Gedankenkarussell lief wieder an, sobald er eine Arbeit beendet hatte. Er legte gerade einen aus dem Missionsraum abgeholten Stapel Missionsberichte auf Kakashis Schreibtisch, als Genma durch die offene Türe schlenderte.

„Hey, wo ist denn unser verehrter Hokage?“

„Im Anbu-Hauptquartier. Er hat noch eine Besprechung mit einigen Anbu. Hast du ein dringendes Anliegen?“

„Nein, alles okay. Wollt nur mal nach ihm sehen. Aufpassen, dass Kakashi sich nicht überarbeitet.“ Genma machte eine Pause und schüttelte ungläubig den Kopf. „Hätte nie gedacht, dass ich das mal über Kakashi sagen würde.“

Yamato lachte leicht. „Ja, das stimmt.“

„Und was ist mir dir?“

„Was meinst du?“, erwiderte Yamato erstaunt.

„Warum siehst du so nach´ner Woche Regenwetter aus?“

„Ich glaube, es heißt sieben Tage-“

„Tsk“, unterbrach Genma ihn. „Sieben Tage sind´ne Woche, oder? Lenk nicht vom Thema ab. Was ist los?“

Yamato versuchte zu lächeln. „Es ist nichts.“

„Ah ja. Glaub ich dir nicht.“ Genma kam näher und musterte den Jüngeren auffällig. „Ich hab dich schon eben im Missionsraum gesehen. Wenn du glaubst, keiner guckt hin, hast du ´Ich grübele über ein Problem´ auf der Stirn geschrieben. Du weißt, du kannst mit mir reden.“

„Ja, ich weiß“, antwortete Yamato zögerlich. „Danke. Aber … ich kann nicht darüber reden.“

„Sicher? Du wirkst ziemlich mitgenommen.“

Yamato hielt kurz inne, wiederholte dann jedoch lediglich: „Nein, es … es ist sehr … es geht nicht.“

Genma sah ihn noch einen Moment lang nachdenklich und mitleidig an, haderte kurz sichtlich mit sich selbst und stöhnte dann. „Okay, ich weiß was. Hast du jetzt Feierabend?“

„Eigentlich schon …“ Was hatte Genma vor? Yamato sah ihn fragend an.

„Dann komm mit.“

 

Als Kakashi von seiner Besprechung kam und Yamato weder in seinem Arbeitszimmer noch in einem der anliegenden Räume vorfand, blieb er unschlüssig in seinem Büro stehen und blickte eine Weile aus seinem großen Fenster hinaus auf das nächtliche Konoha. Auf dem Weg hierhin hatte er sich entschieden gehabt, sich bei dem Jüngeren zu entschuldigen. Er hatte sich ungerecht ihm gegenüber verhalten und er ärgerte sich zutiefst, dass er so reagiert hatte, wie er reagiert hatte. Manchmal dachte er, dass selbst Sai in sozialen Belangen eine bessere Figur abgab als er. Kakashi riss sich von dem Ausblick los und machte sich auf den Weg nach Hause. Vielleicht war Yamato einfach schon vorgegangen.

 

Na schön“, sagte Minato, als er den eindringlichen und erwartungsvollen Ausdruck im Auge Kakashis sah. Innerlich zerriss es ihm gerade das Herz, weil ihm klar wurde, was er noch alles falsch gemacht hatte. Mit großer Sicherheit hätte er sich schon viel früher Kakashis emotionaler und sozialer Entwicklung widmen müssen. Andererseits empfand der Yondaime es als große Erleichterung, dass Kakashi ihm diese Frage gestellt hatte und nun auf deren Beantwortung bestand. Kakashi war noch nicht verloren. „Ich kann dir nur schildern, was ich für Kushina empfinde und wie sie mich fühlen lässt.“ Kakashi signalisierte ihm mit einem Nicken, dass er seine ganze Aufmerksamkeit hatte und so fuhr Minato fort: „Wenn Kushina bei mir ist, habe ich das Gefühl, keine Last mehr alleine zu tragen und jedes Problem angehen zu können. Sie gibt mir Hoffnung, macht mir Mut und ist wie eine ständige Erinnerung daran, dass es das Gute in der Welt gibt und es sich lohnt dafür zu kämpfen. Wenn sie lächelt, kann ich gar nicht anders als dies auch zu tun. Und ich will dieses Lächeln so oft sehen wie es nur möglich ist. Ich will sie glücklich machen. Dafür sorgen, dass ihr nichts geschieht und wir zusammen sein können. Es ist, als gebe sie meiner Seele Ruhe. Verstehst du?“

Kakashi dachte kurz über das Gehörte nach, ehe er eine Augenbraue hob. „Das erklärt noch immer nicht, aus welchem Grund Sie sich überhaupt in Kushina verliebt haben. Sie konnten doch nicht von Anfang an wissen, dass sie Ihnen all dies einmal bedeuten würde.“

Sanft schüttelte Minato den Kopf. „Natürlich nicht.“

 

Yamato folgte Genma bis in dessen Wohnung.

„Hinsetzen“, kommandierte der Ältere mit flüchtigem Blick auf einen seiner beiden an einem kleinen Esstisch stehenden Stühle und Yamato befolgte die Anweisung, wenn auch mit skeptischem Blick.

„Was genau machen wir hier?“

„Abwarten, Kleiner“, erwiderte Genma und förderte aus seinem Schrank eine Flasche Shouchu zu Tage, von der er sogleich etwas in zwei Gläser füllte und diese zum Tisch brachte.

Yamato hob über das „Kleiner“ missbilligend eine Augenbraue und betrachtete dann das vor ihm abgestellte Glas, während Genma sich auf den anderen Stuhl setzte.

„Also, ich schlussfolgere mal ein bisschen“, sagte Genma. „Du grübelst über irgendein Problem. Mit Kakashi scheinst du nicht darüber geredet zu haben, oder?“

„Nein“, antwortete Yamato. „Genma, ich weiß deine Sorge zu schätzen, aber ich kann wirklich ni-“

„Jajaja“, unterbrach der Andere ihn und nahm sein Senbon aus dem Mund, um einen Schluck zu trinken. „Probier mal. Echt gutes Zeug.“ Genma wartete ab, bis Yamato ebenfalls einen Schluck getrunken hatte. „Ich rate mal ins Blaue: Hat dein Problem mit Kakashi zu tun?“

„Wie … wie kommst du darauf?“

„Als ich gestern zur Missionsbesprechung bei euch war, erschien mir die Stimmung zwischen euch ein bisschen … frostig. Und das ist ungewöhnlich für euch beide.“

„Oh.“ Yamato nahm einen weiteren, größeren Schluck und räusperte sich. „Naja … wir haben viel zu tun.“ Er trank erneut, was Genma aufmerksam beobachtete. Wenn Asuma damals keinen Mist erzählt hatte, dann würde Yamato gleich anfangen, seinem Ärger Luft zu machen. Er hatte Asumas Jammern immer noch im Ohr: Ich hab nur gefragt, was ihn bedrückt und ihm einen Drink ausgegeben. Einen! Und es folgte die längste Beschwerdeliste über Kakashi, die ich je gehört habe.

„Klingt nach´nem klaren Fall von Ausflüchten“, konstatierte Genma. „Was ist wirklich los?“

„Seit wann bist du denn unter die Psy … Psycholo … du weißt schon gegangen?“, entgegnete Yamato mit einem beginnenden Lallen in der Stimme. „Ich hab dir doch gesagt, ich kann n-nicht darüber r-reden.“

Genma war erstaunt. Dass es so schnell gehen würde, hatte er nicht gedacht. Der Kleine vertrug wirklich nichts. „Ich verspreche dir, es bleibt unter uns.“

„Ich w-weiß nich.“ Yamato nahm einen großzügigen Schluck. „Das darf aber wirklich keiner wisssen.“

„Ich versprech´s dir. Also, was ist?“

Obwohl er schon deutlich sichtbare Anzeichen fortgeschrittener Trunkenheit an den Tag (oder besser an die Nacht) legte, zögerte Yamato selbst jetzt noch. Es musste demnach eine wirklich große Sache sein. „Dass Problem iss K-kkashi. Eigentlich is das Problem, dasss …. Ich mag K-kkakashi. Sehr. Alsso. Seeehr. Verstehsst du?“ Er leerte den restlichen Inhalt seines Glases in einem Zug.

Gut, dass Genma sein Senbon zuvor aus dem Mund genommen hatte, denn spätestens jetzt, als er den Anderen mit weit aufgerissenem Mund (von seinen Augen gar nicht zu sprechen) ansah, wäre es wohl hinausgefallen. „Du meinst …? Du ...“ Eine Weile suchte Genma nach den richtigen Worten, fand sie aber nicht und fragte daher: „Hast du ihm das gesagt?“

„N-n-natürlich nich“, entgegnete Yamato empört. „Er darf dass nich wisssen.“

„Oh man“, antwortete Genma, bevor er selbst einen großen Schluck aus seinem Glas nahm.

 

Zuhause war Yamato ebenso nicht, wie Kakashi enttäuscht feststellte. Genau wie vorhin in seinem Büro stand der Hokage nun unschlüssig in seiner Wohnung und blickte auf die Uhr. Wo konnte Yamato so spät sein? War er noch im Dorf unterwegs? Alleine? Das wäre untypisch für ihn. Traf er sich vielleicht mit einem der anderen? Nein, das hätte er erzählt und versucht, ihn mitzuschleppen. Kakashi atmete zum wiederholten Mal an diesem Tag resigniert aus. Yamato hätte es ihm erzählt, wenn er sich nicht die letzten Tage wie ein Idiot aufgeführt hatte. Wieso nur kam sein idiotisches Ich immer wieder an die Oberfläche?

 

Minato schenkte seinem Schüler ein sanftes Lächeln, als er mit seiner Erklärung fortfuhr: „Ich habe ja gesagt, es ist schwierig, das zu erklären, Kakashi. Liebe braucht keinen Grund.“

Der Junge legte seine Stirn missmutig in Falten. „Das ist eine nur bedingt befriedigende Antwort, Sensei.“

Der Yondaime lachte. „Ich weiß, aber du wirst dich damit begnügen müssen. Irgendwann wirst du dich mal verlieben und dann wirst du es verstehen.“

Der Ausdruck in Kakashis Auge veränderte sich in etwas, das Minato nicht bei ihm hatte sehen wollen. Entmutigt blickte Kakashi zu ihm. „Ich glaube nicht, dass ich zu solchen Empfindungen fähig bin, Sensei.“

Den dunklen Gedanken seines Schülers trotzend, lächelte Minato weiter. „Das bist du mit Sicherheit, Kakashi. Daran glaube ich fest. Du musst die Gefühle nur zulassen.“

 

Ein Klopfen an der Tür riss Kakashi aus seinen Gedanken. Mit schnellen Schritten (schneller als ihm lieb war, denn er wollte sich selbst nicht eingestehen, besorgt um Yamato zu sein. Der Andere war schließlich ein erwachsener Mann und konnte machen, was er wollte) war Kakashi am Wohnungseingang angelangt und öffnete die Tür. Eine gewisse Fassungslosigkeit überkam ihn, als er das Bild sah, das sich ihm dort bot: Auf Genma war ein offensichtlich sturzbetrunkener Yamato gestützt. „Ich glaube, der gehört dir“, flachste der Nüchternere von beiden.

„Ich glaube es nicht“, erwiderte Kakashi. „Du weißt doch, dass ihr ihm keinen Alkohol geben dürft.“

„Hab meine Lektion gelernt“, entschuldigte der Sonderjonin sich. „Der Kleine verträgt ja wirklich nichts.“

„IhrsssolltmichnichimmerKleinernennen“, gab Yamato schwer verständlich von sich.

Schulterzuckend nahm Kakashi von Genma seinen Kohai entgegen, ehe Genma sich geschwind verabschiedete. „Was hast du dir dabei nur gedacht?“, fragte Kakashi den nun an ihm hängenden Yamato.

„DasssissdeineSchuld“, erwiderte der Betrunkene empört.

„Wie kann das denn bitte … ach, vergiss es.“

„Neinnein. Dumussstja so wundervoll seindasssman sich in dichverliebt. Aberdann gehsstduwieder aufDisst-Dissta- dugehsstwiederweg.“

Einen langen Augenblick lang sah Kakashi den Anderen mit aufgerissenem Auge entsetzt an. Dann verfluchte er Genma und den Alkohol dafür, Yamato so offenherzig gemacht zu haben. Er wollte nicht noch hören, was er sich schon lange gedacht hatte. Es ausgesprochen zu hören, war noch einmal etwas ganz Anderes als es nur zu vermuten. Es machte alles real. „Du solltest jetzt deinen Rausch ausschlafen“, sagte Kakashi, den Satz seines Kohais nach außen hin vollkommen ignorierend.

„Kannich beidirim Bettschlafen?“, nuschelte Yamato, langsam davon dösend.

„Warum willst du denn das?“, fragte Kakashi wider besseren Wissens.

„Daschlaf ichbessser. WenigerAlb … Albtraumdings undesisssoschön.“

Nach einem knappen Augenblick, in dem Yamato immer schwerer wurde, weil er sich mit seinem ganzen Gewicht auf ihn stützte und der Hokage hin und her überlegte, nickte er schließlich. „In Ordnung.“ Er legte seinen betrunkenen und nun friedlich eingeschlafenen Kohai auf sein Bett. Ratlos blieb Kakashi vor diesem Anblick stehen und warf einen flüchtigen Blick auf den noch sorgfältig zusammengefalteten Futon, auf dem Yamato sonst schlief. Vielleicht sollte er diese Nacht dort schlafen? Er schaute wieder zu der Gestalt in seinem Bett, die sich selig lächelnd in seine Laken kuschelte. Kakashi erwischte sich dabei, dass dieses Bild ihn selbst zum Lächeln brachte. Verdammt, murmelte er verärgert und wusste, dass er weder Yamato, noch Minato (und dessen immer wieder in seinem Kopf widerhallendem Rat „Du musst die Gefühle nur zulassen“) die Schuld an all diesem geben konnte. Konnte überhaupt jemand Schuld daran haben, dass er derartige Gefühle für Yamato entwickelt hatte? Sehr lange hatte Kakashi sich erfolgreich eingeredet, tatsächlich für niemanden so empfinden zu können. Und er war absolut zufrieden damit gewesen.

Leise legte er sich ebenso auf sein Bett und betrachtete aus nächster Nähe das schlafende Gesicht seines Kohais. „Warum? Warum glaubst du nur, du seist in mich verliebt? Das ist keine gute Idee, Tenzou, wirklich nicht“, flüsterte er kaum hörbar, während er dem Anderen behutsam eine Haarsträhne aus dem Gesicht wischte. Es war nah, zu nah und Kakashi wollte eigentlich niemandem so nahe sein. Doch egal wie oft er es versuchte, er konnte sich nicht dem Gedanken entziehen, dass es sich so gut anfühlte. Es war, als gäbe Yamato seiner Seele Ruhe.

Mutiger Moment

„Uuuurgh.“

Yamato erwachte mit einem Stöhnen, Kopfschmerzen und dem Gefühl, auf Schmirgelpapier gekaut zu haben. Schlecht schmeckendem Schmirgelpapier. Er brauchte weit, weit mehr als eine Minute, um sich ins Gedächtnis zu rufen, was passiert war. Genma. Alkohol. Keine gute Kombination, wie es schien, denn das war so ziemlich die letzte klare Erinnerung, die er hatte. Yamato erhob sich soweit vom Bett, um festzustellen, dass er zu Hause (sprich, in Kakashis Wohnung) war. Dann ließ er sich zurück auf die Matratze fallen. Hatte Kakashi ihn in seinem Bett schlafen lassen? Müde griff er nach einem Blatt Papier, das neben ihm lag. Etwas stand in Kakashis Handschrift darauf geschrieben:

Da ich ein großartiger und immens rücksichtsvoller Vorgesetzter bin, darfst du dir den Vormittag frei nehmen. Wird dir allerdings vom Lohn abgezogen.

Kakashi

P.S.: Ich hätte auch noch einen Witz über eine Katze mit einem Kater, aber ich vermute, dir ist noch nicht nach lachen zumute.

Yamato lächelte gequält. Sein Sempai war ein wirklich rücksichtsvoller Mensch. Und ein Scherzkeks dazu. Während Yamato sich langsam, sehr langsam aufrichtete und sich an die Bettkante setzte, kam ihm eine noch recht verschwommene Erinnerung daran, dass Genma ihn hier abgeladen hatte und Kakashi ihn ins Bett gebracht hatte.

Ein bisschen unangenehm war ihm das schon. Es hatte sicher nicht den besten Eindruck auf Kakashi gemacht. Wieso nur hatte er sich bei Genma dermaßen die Kante gege-. Yamato erstarrte inmitten seines Gedankens. Nein! Hatte er Genma etwa davon erzählt? Er stöhnte erneut, als er sein Gesicht in seinen Händen verbarg. Ja. Hatte er. So flapsig der senbonkauende Shinobi auch daherkam, er würde dies sicher für sich behalten, sagte Yamato sich immer wieder, während er ins Bad schlürfte und eine lange, kalte Dusche nahm.

 

Da er sich danach nicht mehr ganz so elend fühlte, beschloss Yamato, sich schon auf den Weg zum Hokage-Turm zu machen. Der kurzen Botschaft nach war Kakashis Laune trotz seines gestrigen, nächtlichen Absackers nicht noch schlimmer geworden. Dem Kakashi-typischen, sehr subtilen Witz zufolge, schien sie sich sogar gebessert zu haben. Dies hob auch Yamatos Stimmung und daher machte er sich (fast) keine Gedanken über das, was geschehen war, als er das Arbeitszimmer des Rokudaime betrat. Umso mehr verwunderte es ihn dann jedoch, dass Kakashi ein wenig zusammenzuzucken schien, als er ihn erblickte.

„Mit dir habe ich noch nicht gerechnet“, begrüßte Kakashi ihn lapidar.

Verlegen kratzte Yamato sich am Hinterkopf. „Ich war wohl gestern ein wenig angetrunken, tut mir leid.“

Kakashi hob kritisch eine Augenbraue. „Ein wenig angetrunken, ja?“

„Vielleicht auch ein bisschen mehr“, erwiderte der Jüngere und errötete dezent.

„Und wie geht es dir jetzt?“, fragte der Hokage ungewohnt ernst und zu Yamatos Überraschung. Er hatte damit gerechnet, dass Kakashi ihn noch etwas länger über seinen gestrigen Absturz aufziehen würde.

„Wieder ganz gut soweit. Danke, dass du mich im Bett hast schlafen lassen. Ich weiß nicht, ob ich heute morgen vom Futon hochgekommen wäre.“ Yamato lachte, um seine Verlegenheit zu überdecken. Die Reaktion des Anderen war erneut seltsam, denn Kakashi sah ihn daraufhin nur an, als wollte er etwas fragen. Yamato bemerkte, wie unbehaglich die Atmosphäre war und fuhr fort: „Tut mir leid, wenn du deswegen auf dem Futon schlafen musstest.“

Jetzt wurde es erst recht merkwürdig, denn Kakashis Gesicht hellte sich auf und ein deutlich sichtbarer schelmischer Glanz kehrte in sein Auge zurück. „Du hast einen totalen Filmriss, oder?“

„Naja, also“, er räusperte sich, „ein wenig, ja. Wieso fragst du? Ist irgendetwas vorgefallen?“ Der Jüngere wurde plötzlich kreidebleich. „Habe ich irgendetwas Peinliches getan??“

Kakashi lächelte. „Nein, nein. Es ist alles in bester Ordnung.“ Der fröhliche Singsang in der Stimme des Älteren irritierte ihn noch mehr. „Wenn du schon mal hier bist, es wartet eine Menge Arbeit auf uns.“ Trotz noch vorhandener Kopfschmerzen begab Yamato sich freudig an die Arbeit. Er wusste nicht, was passiert war, aber ohne dass sie sich hatten aussprechen müssen, war die eisige Stimmung zwischen ihnen wieder dahin geschmolzen.

So konnten sie an diesem Tag eine Menge Arbeit erledigen, bis sie abends erschöpft in Kakashis Wohnung zurückkehrten. Zuvor waren sie noch auf ein kleines Abendessen in einem Restaurant, das auf dem Weg lag, eingekehrt, und das auf Kakashis Kosten. Ohne jegliche Diskussion. Der Jüngere wunderte sich sehr. Er hatte nicht die geringste Ahnung, dass Kakashis gute Laune damit zu tun hatte, dass Yamatos Gedächtnislücke fast so etwas wie eine Rücknahme des betrunkenen Liebesgeständnisses war und somit Kakashis Problem, sich mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen, sich wieder einmal auf unbestimmte Zeit verschoben hatte. Sicher, sein Kohai mochte immer noch so für ihn empfinden (und er auch für ihn), aber solange keiner von ihnen es ansprach, würde es auch nicht zum Problem werden. Yamato hatte sich die ganze Zeit nicht getraut etwas zu sagen und Kakashi war sich ziemlich sicher, dass er selbst dies nie ansprechen würde.

Genau zur gleichen Zeit, und zu Kakashis völliger Unwissenheit, beschäftigte Yamato das gleiche Problem. Wenn auch auf andere Weise. Inzwischen hatten sie sich beide auf ihrem jeweiligen Schlafplatz niedergelassen. Kakashi las noch in einem seiner betagten IchaIcha-Ausgaben, Yamato blätterte in einem Architektur-Magazin, welchem er tatsächlich allerdings wenig Beachtung schenkte. Wenn er es Kakashi sagte, was würde schlimmstenfalls passieren? Immer und immer wieder kreiste dieser Gedanke durch seinen Kopf. Bis ihm plötzlich eine sehr, sehr, sehr verschwommene Erinnerung in den Sinn kam.

Hatte er Kakashi gestern gesagt, dass er in ihn verliebt war? Yamato bemerkte, wie ihm auf einmal entsetzlich heiß wurde. Nein. Nein. Sicher nicht. Oder?? Wieso glaubte er sonst, dass er das getan haben könnte?

„Tenzou?“, fragte Kakashi plötzlich. „Alles in Ordnung?“

Wie ein aufgeschrecktes Kaninchen sah der Jüngere zu ihm hoch. „Hm? Ja, klar. Was soll sein?“

Kakashi hob zweifelnd eine Augenbraue, hakte aber nicht nach.

Yamato setzte inzwischen die Puzzleteile zusammen. Wieso war Kakashi so glücklich darüber gewesen, dass er sich nicht an gestern Abend erinnern konnte? Und … war es möglich, dass Kakashi nicht auf dem Futon geschlafen hatte? Aber …. Yamato stockte innerlich, als er sich an die vergangene Nacht erinnerte. „Uhm, Sempai? … Uhm, habe ich gestern sicher nichts Peinliches gesagt?“

„Nein. Gar nichts.“

War das Einbildung oder kam ihm Kakashis Antwort einstudiert vor? Als der Hokage merkte, dass der Andere über etwas nachdachte, von dem Kakashi hoffte, dass es ihm nicht einfallen würde, versuchte er schnell, dies zu unterbinden. „Es ist schon spät. Wir sollten schlafen gehen.“

Nein, das war keine Einbildung gewesen. Kakashis versuchte, etwas zu verheimlichen.

„Du meine Güte“, stammelte Yamato daraufhin fassungslos. „Ich habe das tatsächlich gesagt, oder?“

Seufzend blickte Kakashi zu ihm hinunter. „Das war der Alkohol, der da aus dir gesprochen hat. Von daher … tun wir so, als sei es nie passiert, okay?“

Aber es war passiert und Yamato konnte gar nicht anders als über seine Optionen nachzudenken. Er konnte einwilligen und sich für den Rest seines Lebens in seinen Vorstellungen verkriechen. Alles würde beim Alten bleiben. Und er würde sich weiterhin jeden Tag nach Kakashi verzehren. Oder … er konnte die Gelegenheit nutzen. Konnte er es ab hier wirklich noch schlimmer machen? Er wusste selbst nicht, woher dies kam, aber Yamato hatte das Gefühl, dass er diese Chance nicht verstreichen lassen sollte. Wenn es die geringste Möglichkeit gab, dass Kakashi auch nur ein wenig für ihm empfand, musste er ihn fragen. Kakashi ging dieser Angelegenheit so offensichtlich lieber aus dem Weg.

„Ich habe es so gemeint“, sagte Yamato ohne weiteres Zögern. „Es war nicht nur … es ist so.“

Mit einem erneuten Stöhnen ließ Kakashi kurz den Kopf in die Hände fallen und fuhr sich durch die Haare, ehe er wieder aufblickte. „Das denkst du vielleicht. Aber vielleicht ...“

„Nein. Kein Zweifel.“

„Vielleicht … geht das, was du da fühlst wieder vorbei. Hast du daran schon einmal gedacht?“

„Habe ich“, antwortete der Jüngere. „Es bleibt.“ Kakashi konnte so viel mauern, wie er wollte. Diese Diskussion wollte Yamato unbedingt gewinnen. Als Kakashi zu einem erneuten Widerspruch ansetzte, unterbrach Yamato ihn, stand auf und setzte sich zu ihm auf das Bett. „Mir ist aufgefallen“, begann er, schluckte und sah Kakashi an, „dass du nicht einfach sagst, dass du nicht so empfindest.“

Im Auge des Älteren blitzte Verunsicherung auf. Aber er sagte nichts.

„Also,“ fuhr Yamato fort, „denke ich, dass die Möglichkeit besteht ...“ Er hielt inne, unsicher, was er sagen sollte. Ihm fiel auf, dass nicht nur er angefangen hatte, leicht zu zittern. Sein Gegenüber tat es ihm gleich. So sehr er auch nachdachte, ihm kam keine Idee, was genau er dem Anderen sagen wollte. Sein Kopf kannte nur noch einen Gedanken: Du hast nichts zu verlieren.

Langsam führte Yamato seine Hand zu Kakashis Maske und zog sie herunter.

„Wir sollten nicht ...“, begann Kakashi brüchig und es war dieser erneute Widerstand, der Yamato den Mut gab, Kakashi plötzlich zu küssen.

Nach nur einigen wenigen Sekunden löste Yamato seine Lippen wieder von denen des Älteren. Kakashi hatte einfach nur da gesessen und nichts erwidert. Nun starrte er ihn an und der Jüngere bekam erste Zweifel an seiner Aktion. Hatte er doch zu viel riskiert?

„Wirklich“, begann der Hokage von Neuem, „ das ist wirklich keine gute ...“

Vielleicht war es ein Anflug von Panik gewesen, der Yamato nun dazu veranlasst hatte, ihn ein weiteres Mal zu küssen. Intensiver. Länger. Und er dachte, sein Herz explodiere gleich, als das Unvorstellbare geschah: Kakashi erwiderte den Kuss. Für ein paar Sekunden, die ewig erschienen, küssten sie sich beinahe leidenschaftlich. Dann, plötzlich, schob Kakashi den Jüngeren zu dessen Schrecken wieder von sich.

Mit traurigem Ausdruck im Gesicht erklärte Kakashi ihm: „Das geht nicht. Und das weißt du.“

„Ich weiß, ich weiß“, antwortete Yamato mit einem Seufzer. „Aber … wenn … wenn wir nur für einen Moment uns vorstellen könnten, dass wir nichts zu verlieren hätten. Dass wir nur für diesen einen Moment … nur für diesen einen Moment. Mehr verlange ich nicht.“

Einige Augenblicke vergingen, in denen sie sich nur wortlos ansahen. Offensichtlich dachte Kakashi über den Vorschlag nach. Yamato wusste, er musste handeln, damit er es sich nicht anders überlegte. Ein drittes Mal trafen seine Lippen auf die des Anderen (er war erstaunt, wie schnell er den Dreh heraus hatte) und zu seiner großen Erleichterung erwiderte Kakashi den Kuss erneut. Dieses Mal war er noch heftiger und noch länger. Es verging nicht viel Zeit, ehe Yamatos Hände den Weg unter Kakashis Hemd fanden. Und dessen den Weg unter Yamatos. Bald schon fanden sie sich auf dem Bett liegend wieder und trennten ihre Lippen nur kurz voneinander, wenn die Luft wirklich, wirklich knapp wurde. Bald schon reichte es ihren Händen auch nicht mehr, nur den Oberkörper des jeweils Anderen zu berühren und sie wanderten südwärts. Und wieder bald darauf riefen sie ekstatisch den Namen des Anderen.

Yamato würde im Nachhinein immer wieder daran denken, dass er währenddessen sein Glück nicht fassen konnte.

Kakashi würde sich im Nachhinein immer wieder fragen, was er sich dabei nur gedacht hatte. Und lediglich zu der äußert unbefriedigenden Antwort gelangen, dass er währenddessen rein gar nichts gedacht hatte.

Wie eine Naturgewalt

Am nächsten Morgen musste Yamato mit wachsender Verbitterung feststellen, dass ihm dieser eine Moment nicht gereicht hatte. Und dass der Moment nun vergangen war und vermutlich nicht zurückkehren würde. Still war Yamato im Bett liegen geblieben, als Kakashi wortlos aufstand, sich duschte, anzog und, ohne auch nur ein Geräusch von sich zu geben, oder ihn wenigstens flüchtig anzusehen, die Wohnung verlassen hatte.

Verdammt.

Voller Bitterkeit drückte Yamato sein Gesicht in das Kissen. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen. Aber wie konnte ein Fehler sich so wundervoll anfühlen?

Nach einigen Minuten beendete Yamato sein Bad in Selbstmitleid und Grübeleien, stand auf, duschte, zog sich an und … starrte noch einige Zeit lang die Tür an, ehe er tief Luft holend ebenfalls hinausging und sich auf den Weg zur Arbeit machte. Sollte er so tun, als wäre nichts gewesen? Er biss sich auf die Unterlippe, als er bemerkte, dass ihm das wahrscheinlich unmöglich war. Ein wohliger Schauer lief ihm den Rücken hinunter, wenn er an die vorangegangene Nacht dachte. Sein Kopf konnte gar nicht verarbeiten, dass das wirklich geschehen war. Vor allem nicht die Tatsache, dass Kakashi anscheinend tatsächlich etwas für ihn empfand. Sie mussten darüber reden. Ansonsten blieben zu viele Fragen offen, die Yamato sonst wahrscheinlich in den Wahnsinn trieben.

Mittlerweile im Hokage-Turm angekommen, stellte er etwas verunsichert fest, dass der Hokage nicht in seinem Arbeitszimmer war. Und auch nicht im Besprechungsraum. Yamato fand ihn jedoch schließlich im streng geheimen Archiv des Hokage. Welches nur von diesem betreten werden durfte. Es war wohl kein Zufall, dass Kakashi sich nun ausgerechnet hier aufhielt. Unschlüssig blieb Yamato bei der Tür stehen, ehe er eintrat und die Tür wieder hinter sich schloss.

„Eigentlich“, sagte Kakashi, mit dem Rücken zu ihm gewandt, während er scheinbar irgendwelche Dokumente im Regal suchte, „Darfst du nicht in dieses Zimmer.“ Er hatte versucht, es ganz beiläufig klingen zu lassen.

„Ich weiß. Tut mir leid.“ Kurz mit sich hadernd, ob er wieder gehen sollte, entschied Yamato, zu bleiben. „Wir sollten darüber reden.“

Mit einem tiefen Seufzer drehte Kakashi sich zu ihm um. „Ich denke nicht, dass es da etwas zu bereden gibt.“

„Das denke ich schon.“ Yamato schloss die wenigen Schritte, die ihn von ihm trennten, auf.

„Wir sollten es abhaken. Das ist, was wir tun sollten“, erwiderte Kakashi ernst und gereizt. Innerlich bereute er, wie grausam das geklungen hatte.

„Das … nein. Das sehe ich anders.“ Der Jüngere war sprachlos, angesichts Kakashis emotionaler Kälte. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dich gestern zu nichts davon gezwungen habe, also … also ist da etwas zwischen uns.“

Es tat Kakashi in der Seele weh, in Yamatos große traurige Augen zu sehen. „Hör zu“, begann er weitaus ruhiger und sanfter, „auch wenn da vielleicht etwas ist. Es geht nicht. Du weißt, dass schlimme Dinge den Menschen passieren, die mir nahe stehen ...“

„Führe das bitte nicht als Grund an. Das ist nicht wahr.“

„Ich habe aber trotzdem Angst davor“, brachte Kakashi hervor, nachdem er Luft geholt hatte. „Außerdem, bin ich jetzt der Hokage. Versteh mich nicht falsch, aber wenn jemand hiervon erfahren würde …. Es gibt da draußen Menschen, die … so etwas als eine Schwäche auslegen würden. Ich will mich nicht gegen irgendwelche Idioten verteidigen müssen. Und mir anhören müssen, dass … so jemand nicht geeignet ist, Konoha zu regieren. Bitte, das musst du verstehen. Es geht hier um viel mehr als nur uns beide.“

Es war für den Hokage keine Erleichterung, zu sehen, dass Yamato zögernd einsichtig nickte. Und es brach ihm das Herz, als der Andere mit brüchiger Stimme sagte, dass er es verstand.

Kakashi wollte sich am liebsten selber dafür schlagen, dass er gestern Nacht nachgegeben hatte. Er hatte es nicht vollbracht, ihm zu sagen, dass er nichts für ihn empfand. Sein Kopf hatte die verlogenen Worte vorbereitet, sein Mund hatte es jedoch nicht geschafft, sie auszusprechen. Bevor er sich versah, hatte Yamato ihn geküsst. Und es hatte sich so gut angefühlt. So sehr Kakashis Verstand sich auch dagegen wehrte, der Rest von ihm hatte jeglichen Widerstand aufgegeben und war in dem wohligen Gefühl aufgegangen, dass sich in ihm ausgebreitet hatte. Du musst die Gefühle nur zulassen, hatte Minato damals gesagt und in diesem Moment hatte Kakashi die weisen Worte befolgt.

Beim Anblick seines traurigen Kohais nun aber, fühlte Kakashi sich mehr als schlecht. Er wollte Yamato nicht von sich stoßen, im Gegenteil. Aber sie durften das nicht riskieren …

Einem Impuls nachgebend, der wieder einmal ganz sicher nicht von seinem Verstand ausging, nahm Kakashi den Jüngeren zu dessen Erstaunen in den Arm. Für das, was sich wie eine Ewigkeit anfühlte, hielten sie sich gegenseitig fest, umklammerten sich, als würde ihr Leben davon abhängen.

Yamato war es ein Rätsel, was genau in Kakashi vorging, aber es war ihm nicht mehr so wichtig, als die Umarmung erst in einen zaghaften und dann in einen leidenschaftlichen Kuss überging und bevor sie realisieren konnten, was geschah, beide mal gegen den im Raum stehenden Tisch, mal gegen das Regal stießen und sie sich schließlich eng umschlungen auf dem Boden wiederfanden.

 

„Wir müssen damit aufhören“, sagte Kakashi resigniert, nachdem sie fertig waren und er beim Aufstehen seine Uniform wieder zurechtrückte. Yamato stimmte ihm, noch völlig außer Atem, zu.

Doch sie hörten nicht auf. Beiden war klar, dass sie vollkommen die Kontrolle verloren hatten. Sobald sie alleine waren, fielen sie regelrecht übereinander her. Es war, als wären alle Dämme gebrochen. Yamato wusste vom Hörensagen, dass so etwas wohl recht häufig bei pubertierenden Jugendlichen vorkam, aber anscheinend verschob sich so eine Phase um Jahre, wenn man seine Jugend bei den Anbu verbracht hatte. Sie sprachen nie wirklich darüber, was da geschah. Sie ließen es einfach geschehen und genossen es. Natürlich wussten sie, dass sie aufpassen mussten, um nicht entdeckt zu werden (woran Kakashi einmal erinnerte, während er sich an seinem Schreibtisch sitzend die Hose wieder zuknöpfte. Yamato fand das mehr als ironisch). Im Laufe der nächsten Monate war dies alles schon Routine geworden. Allerdings war es nicht einfach nur rein körperlich, was sie da hatten. Sie schliefen in den Armen des Anderen ein, küssten sich, ohne dass es in etwas ausuferte und … machten alles in allem das, was Yamato sich unter einer Beziehung vorstellte. Hier und da hatte Yamato dem Älteren gesagt, dass er ihn liebte. Kakashi jedoch hatte dies bisher noch nie mit ähnlichen Worten erwidert. Wenn Yamato es ausgesprochen hatte, bekam er einen Kuss zur Antwort oder wurde in eine Umarmung gezogen. Dieses Verhalten ließ den Jüngeren zwar immer ein wenig ratlos zurück, aber er begnügte sich mit dem, was er erhielt. Dass ein derartig distanzierter Mensch wie Kakashi überhaupt eine Beziehung einging, grenzte ja schon an ein Wunder. Und wer war er, dass er Wunder infrage stellen wollte? Es war auch nicht so schlimm, fand Yamato, dass er niemandem davon erzählen konnte. Fast täglich erinnerte er sich selbst daran, dass dies alles wirklich passierte.

Semantik < Liebe

„Okay, ich glaube, das waren alle Punkte, die heute auf der Tagesordnung standen.“ Erleichtert hakte Yamato den untersten Punkt der Liste ab. Er, Kakashi, Tsunade und Gai hatten über zwei Stunden nur über allgemeine Dorfbelange gesprochen. Angesetzt gewesen war eine Stunde, maximal. Inzwischen war es schon Abend geworden und Gai verabschiedete sich schnell, denn – wie er lauthals ausrief - er wollte sich noch mit Lee treffen, um diesem dabei zu helfen, eine Freundin zu finden. Die anderen drei tauschten verwundert Blicke aus. Gai war nicht unbedingt als Womanizer bekannt, aber – wie dieser selbst sagte – war das unerheblich, wenn es darum ging, Lee zu unterstützen. Kakashi wünschte seinem Rivalen noch gutes Gelingen, als dieser zur Tür hinausging und warf Yamato daraufhin einen amüsierten Blick zu. Der Jüngere erwiderte, indem er lächelnd den Kopf schüttelte. „Ich werde auch langsam nach Hause gehen“, sagte Yamato, während er aufstand. „Vergiss nicht, wir gehen morgen zu Irukas Hochzeit.“

„Wie könnte ich das vergessen“, erwiderte Kakashi.

„Du hattest es schon wieder vergessen, oder?“ Amüsiert hob Yamato eine Augenbraue und wiederholte sein Kopfschütteln, als der Andere sich verlegen am Kopf kratzte.

„Hey, ich habe so viele Termine. Versuch du mal, Hokage zu sein.“

„Nein, danke“, antwortete der Jüngere schnell, während auch er zur Tür ging und den Drang unterdrückte, Kakashi zu küssen oder seine Hand zu nehmen. „Ich habe gehört, der Job soll stressig sein.“

„Ha ha.“

„Warum bitte glaubst du“, meldete Tsunade sich zu Wort, „habe ich dir den Job wohl angedreht, hm? Und diese Beratertätigkeit ist auch noch recht anstrengend.“ Sie lächelte schelmisch, als der Hokage sie genervt anblickte.

„Ich geh schon mal vor, in Ordnung?“, sagte Yamato derweil und war kurz nach Kakashis Nicken schon durch die Tür verschwunden.

„Er wohnt immer noch bei dir?“, hakte Tsunade argwöhnisch nach.

„Hmm? Jaja“, gab Kakashi beiläufig zur Antwort.

„In deiner mickrigen Einzimmerwohnung?“

„Eine Adressänderung hätte ich dir mitgeteilt.“

„Hach“, sie gab ein wehmütiges Seufzen von sich. „Du hast also noch nicht darüber nachgedacht, mal in ein Haus zu ziehen, … eine Familie zu gründen …?“

„Bitte was?“, fragte Kakashi ungläubig und ließ fast die Papiere fallen, die er gerade zusammen gepackt hatte.

„Nun, komm schon.“ Tsunade schüttelte missmutig den Kopf. „Du bist fast 33. Bitte sag mir, dass du wenigstens schon mal über so etwas nachgedacht hast.“

Kakashi sah sie perplex an, während er versuchte, unauffällig über ihre Frage nachzudenken. Nein wäre eine Lüge, denn – obwohl er es selbst kaum glauben konnte – er hatte eine Beziehung. Nur der Teil mit der Familiengründung fiel mit Yamato etwas schwer. Ja konnte er aber genau so wenig sagen, denn er wollte zum einen nicht erwähnen, an wen er dabei dachte und zum anderen … kam ihm Tsunades plötzliches Interesse an seinem Privatleben seltsam vor. „Wieso willst du das wissen?“

„Ich dachte nur, naja, jetzt, wo Iruka bald mit dem Mädchen von Ichiraku verheiratet sein wird und sogar Naruto mit Hinata angebandelt hat … von Sasuke und Sakura fang ich erst gar nicht an … ich dachte, ich frage mal nach, wie es bei dir so aussieht.“

Tsunade interessierte sich wirklich für sein Liebesleben. War das etwa ein plötzlicher Anfall von Fürsorge? Bereits mehrmals hatte er in der Vergangenheit bemerkt, dass die Godaime hin und wieder so etwas hatte. Wenn auch auf ihre sehr eigene Art und Weise.

„Bin vollkommen zufrieden. Danke der Nachfrage.“ Kakashi schickte noch ein Lächeln hinterher, um seine Aussage zu untermauern.

„Kakashi Hatake!“, rief sie zu seinem Schrecken erbost aus. „Ich mache mir hier ernsthaft Sorgen um dich, also wage es bloß nicht, mich abzuwimmeln!“

„Das würde ich nie tun.“ Er hob beschwichtigend die Hände. „Aber du musst dir wirklich keine Sorgen um mich machen.“

„Tsk, wenn ich für diesen Satz jedes Mal einen Ryo bekommen hätte, wäre ich schon lange schuldenfrei.“ Sie kreuzte – immer noch wütend – die Arme vor der Brust und tippte zornig mit einem Finger auf ihren Arm. „Wenn du Probleme hast, Frauen kennen zu lernen, könnte ich dir ein paar vorstellen. Wenn du dir Gedanken machst, wohin Yamato dann soll, können wir uns etwas einfallen lassen. Du wirst keine Ausrede finden können.“

Kakashi räusperte sich unbehaglich. Tsunade hatte ja keine Ahnung, wie sehr die von ihr angesprochenen Dinge im Zusammenhang standen.

„Also, was sagst du?“

„Ich lehne immer noch dankend ab.“

„Kakashi! Ich mache mir wirklich Sorgen um dich! Du sollst doch nicht einsam-“

„Bin ich nicht.“

„Hm?“

„Ich bin nicht einsam“, erklärte der Hokage lächelnd.

Doch seine Vorgängerin schüttelte vehement den Kopf. „Team Sieben zählt nicht. Du solltest es mal mit einer Partnerschaft versuchen, das ist-“

„Tsunade. Das tue ich schon.“

Sie stutzte und sah ihn verwirrt an. „Wie? Was?“

Kakashi rieb nervös seinen Hinterkopf. „Du musst mir niemanden suchen. Ich habe schon jemanden.“

„WEN??“

„Das ist doch nicht wichtig.“

„Ich glaube dir kein Wort. Du versuchst mich abzuwimmeln.“

„Ich sage die Wahrheit“, erwiderte Kakashi so ernst wie es ihm nur möglich war.

Tsunade musterte ihn sorgfältig. Sagte er da gerade wirklich die Wahrheit? „Und ist diese mysteriöse Person jemand, den ich kenne?“

Erneut räusperte der Hokage sich, ehe er zögerlich antwortete: „Ja.“

Seine Gesprächspartnerin kam ins Grübeln und schüttelte zum wiederholten Mal resigniert den Kopf. „Das kann nicht sein. Das hätte jemand von uns bemerkt. Es müsste schließlich jemand sein, mit dem du schon öfter gesehen wurdest. Und du hängst immer nur mit Yamato herum.“

Bevor Kakashi antwortete, atmete er einmal tief ein und aus und fasste sich wieder nervös an den Hinterkopf, ehe er sich räusperte. „Naja, also … um ehrlich zu sein … das siehst du ganz richtig.“

Verwirrt blickte Tsunade ihn an und versuchte zu entschlüsseln, was er denn damit schon wieder meinte. Was sah sie richtig? Dass er immer nur mit Yamato gesehen wurde? Als es in ihrem Kopf klick machte, vergaß sie beinahe, zu atmen. „Du … du willst mir doch nicht sagen ...“, stammelte sie mit immer größer werdenden Augen. „Du … und Yamato?!“

„Psst, Tsunade, bitte, das ist nichts, was unbedingt herausgeschrien werden muss, verstehst du?“, bat Kakashi sie eindringlich.

„Moment mal“, sie fasste sich an den Kopf. „Du … du bist …??“

„Nein, bin ich nicht“, entgegnete der Hokage.

„Du weißt aber, wie das heißt, wenn man als Mann mit einem Mann zusammen ist?“

„Willst du mit mir über Semantik diskutieren?“

„Natürlich nicht“, zischte die Ältere, sich langsam wieder beruhigend.

„Ich weiß, dass ich ihm gegenüber diese Gefühle habe, alles andere ist egal. Oder eben nur Semantik“, erklärte Kakashi und wunderte sich so gleich, warum Tsunade ihn schon wieder mit großen Augen ansah.

„Du hast … Gefühle für ihn? Du bist also wirklich verliebt??“, fragte Tsunade, ihre eigenen Worten nicht glaubend.

„Schätze schon“, antwortete der Jüngere knapp und in der Hoffnung, das Thema nicht ausbreiten zu müssen.

„Das glaube ich nicht. Das glaube ich nicht!“, rief die Godaime aus. „Das ich diesen Tag noch erleben darf!“

„Nun werde mal nicht theatralisch“, erwiderte Kakashi missbilligend.

„Wie lange läuft das schon?“

„Ein paar Monate.“

„Geht es noch ungenauer?“

„Etwa ein halbes Jahr.“

„Ein halbes Jahr?!“ Kakashi fing langsam an, sich zu fragen, ob Tsunade sich je wieder abregen würde. „Ich meine, ich kann ja gut verstehen, wieso ihr das nicht in alle Öffentlichkeit herausschreit. Wenn ich da an die Kagekonferenzen denke, die ich mitmachen musste mit diesen alten, uneinsichtigen, unaufgeschlossenen … wie auch immer. Aber dass du das mir nicht gesagt hast!“

„Wir haben es niemandem gesagt.“

„Nicht einmal euren Zöglingen?“, hakte sie ungläubig nach.

„Wir warten auf den richtigen Zeitpunkt.“

„Aha.“ Sie hob misstrauisch eine Augenbraue. „So wie ich dich kenne, wird der in ferner, ferner Zukunft liegen, was?“

„Kannst du es für dich behalten?“

„Natürlich“, erwiderte Tsunade nach einer kurzen Pause, in der sie versuchte, alles zu verarbeiten, was sie erfahren hatte und fügte mit einem leichten Lächeln im Gesicht hinzu: „Ich kann es immer noch nicht richtig glauben, aber … es freut mich sehr, Kakashi.“

„Danke“, antwortete er ebenfalls mit einem Lächeln.

„Ich denke, das ist einer der Momente, in denen andere Leute sich umarmen würden.“

„Fühl dich zu nichts gezwungen“, entgegnete Kakashi, sich angesichts von Tsunades Fürsorge-Anfällen immer noch etwas unbeholfen fühlend. Doch sie drückte ihn kurz und gab ihm eine Warnung mit auf den Weg.

„Vermassle das bloß nicht.“

 

Als Kakashi fiel später als er für diesen langen Tag geplant hatte, endlich zu Yamato ins Bett kroch und sich, wie er es inzwischen schon so oft getan hatte, wortlos an ihn schmiegte, fragte dieser besorgt nach, ob noch etwas gewesen wäre. Da Kakashi nur verneinte, wunderte Yamato sich am nächsten Tag umso mehr, als Tsunade ihn sprechen wollte. Allerdings sagte sie gar nichts, sah Yamato nur mit einem Blick an, den er nicht wirklich deuten konnte und wurde zu seiner großen Verwirrung von Tsunade umarmt.

„Gut gemacht“, sagte sie.

Familienangelegenheiten

„Über was denkst du nach?“ Yamato drehte sich zu seiner besseren Hälfte um, nachdem er einen flüchtigen Blick auf die Uhr geworfen hatte. Es war kurz nach zwei, mitten in der Nacht und Kakashi saß immer noch im Bett, Ichaicha in der Hand, und machte keine Anstalten, sich endlich mal hinzulegen.

„Wann habe ich die Fähigkeit verloren, vor dir irgendetwas geheim zu halten?“, erwiderte Kakashi lediglich.

„Du meinst wohl, wann habe ich die Fähigkeit erlangt, dich vollkommen zu durchschauen?“, entgegnete Yamato schmunzelnd.

„Vollkommen?“, sagte der Ältere amüsiert. „Neigt da nicht vielleicht jemand zur Selbstüberschätzung?“

„Ich lasse dich auch gerne in dem Glauben, du seist super-mysteriös, wenn dir das besser gefällt“, antwortete Yamato und erhob sich schnell, um dem Anderen einen Kuss zu geben. Auf diese Weise rutschte Kakashi wenigstens schon einmal aus seiner sitzenden Position hinunter und legte das Buch beiseite. „Also?“, fuhr er fort, als sich ihre Lippen wieder voneinander getrennt hatten. „Sagst du mir jetzt, was los ist oder muss ich dich zwingen?“

„Oh, ja, bitte, zwing mich“, sagte Kakashi, ohne auch nur annähernd ernst bleiben zu können.

Yamato schüttelte gespielt theatralisch den Kopf und griff nach der Ichaicha-Ausgabe. „Ich hatte da eher an Erpressung gedacht.“

„Nein, bitte, es hat doch nichts damit zu tun.“ Man konnte wirklich nicht sagen, ob Kakashi ernsthaft besorgt um das Wohl seines Buchs war … oder lediglich so tat. Als Yamato ihn mit der Lektüre in der Hand nur abwartend ansah, gab Kakashi seufzend klein bei. „Na gut. Ich kann nicht aufhören daran zu denken, ob das richtig war, die vier alleine auf eine Mission zu schicken.“

Yamato legte das Buch neben seine Seite des Bettes. „Du machst dir Sorgen, um Naruto und die anderen?“

„Ich habe sie noch nie ohne … naja ...ohne …“

„Aufpasser losgeschickt?“, vollendete der Jüngere den Satz und seufzte. „Sie sind erwachsen. Sie kriegen das hin, auch wenn sie … hin und wieder noch etwas chaotisch erscheinen.“

„Ich weiß ja, dass sie zurechtkommen. Aber ...“ Kakashi stockte.

„Aber?“

„Du wirst mich auslachen.“

„Ich verspreche, das werde ich nicht.“

„Ich will sie beschützen. Wissen, dass es allen vier gut geht. Rund um die Uhr“, brachte Kakashi sichtlich peinlich berührt hervor.

„Warst du nicht derjenige, der Iruka genau dafür mal zur Schnecke gemacht hatte?“ Yamato unterdrückte ein Schmunzeln.

„Ja, etwas“, entgegnete Kakashi. „Allerdings war das bevor …“ Erneut brach er ab.

„Bevor sie dir ans Herz gewachsen sind?“, vervollständigte der Andere ein weiteres Mal.

„Geht es dir auch so?“, hakte Kakashi überrascht nach und Yamato nickte leicht.

„Selbst mit Sasuke. Warum auch immer.“

Kakashi lächelte. „Das ist schön.“

Nach einer kurzen Pause fuhr Yamato fort. „Hör mal, ich weiß nicht, ob es etwas hilft, aber die vier passen aufeinander auf. Und sie werden in einem Stück wieder zurück nach Hause kommen. Sie sind erwachsen. Wir müssen ihnen auch etwas zutrauen.“

Aufmerksam hatte Kakashi den mit viel Überzeugung vorgetragenen Worten des Jüngeren gelauscht. Es lag nicht nur an der Sinnhaftigkeit der Worte, dass er sich selbst wieder beruhigte. Nein, es war viel mehr, dass Yamato dies gesagt hatte. Yamato wusste ganz genau, was er hören musste, um zur Ruhe zu kommen. Kakashi mochte es sich nicht vollkommen eingestehen, aber manchmal dachte er, dass er alles glauben würde, was Yamato sagte, nur weil Yamato es eben sagte. Und da hatte er immer gedacht, sein Verstand wäre jeglicher Verliebtheit überlegen. Jeden Tag wunderte er sich still und heimlich darüber, dass jemand Wundervolles wie Yamato mit ihm zusammen sein wollte. Er liebte ihn. Ohne jeden Zweifel. Doch warum auch immer, er schaffte es nicht, ihm das zu sagen. Wenn er es versuchte, fühlte er wie sein Innerstes sich zusammenzog und er in Schweiß ausbrach. Vielleicht fiel ihm das so schwer, weil ein Teil von ihm immer noch glaubte, dass diese Nähe zu ihm eine Gefahr für Yamato darstellen könnte. Womöglich brauchte er einfach noch mehr Zeit. Noch mehr Zeit mit dem Mann, der ihm die Welt bedeutete. So viel hatten sie schon erreicht, denn bereits seit einiger Zeit ging es Yamato bedeutend besser. Und das wiederum trug dazu bei, dass auch Kakashi sich um einiges wohler fühlte.

Es war eine Schande, dass es dort draußen Leute gab, die das, was sie hatten, als unnormal bezeichneten. Kakashi fand nicht, dass sie sich versteckten, denn er wusste, er würde eine Beziehung auch für sich behalten, wenn er sie mit einer Frau gehabt hätte. Er war einfach nicht der Mensch dafür, Persönliches in die Welt hinaus zu posaunen. Kakashi fand den Gedanken unerträglich, dass es wahrscheinlich Leute gab, die sie als verachtenswert betrachteten, nur weil sie sich nicht an eine willkürliche Norm hielten. Wie konnte man jemand Wundervolles wie Yamato für verachtenswert halten?

Die einzigen, die außer Tsunade von ihrer Liebe wussten, waren Kakashis Ninken. Und denen hatte er es auch nicht wirklich gesagt. Eines Tages, als er an einem ruhigen Tag sich ein paar Stunden hatte frei nehmen können, und sich um seine beinahe ein wenig vernachlässigten Hunde hatte kümmern wollen, hatte er sie in seiner Wohnung herbeigerufen. Die acht Hunde hatten ihn nur kurz begrüßt, ehe etwas Anderes ihr Interesse geweckt hatte. Sie hatten auffällig am Bett und dann an Kakashi selbst geschnüffelt, ehe sie sich wie Verschwörer in einem Kreis versammelt hatten und aufgeregt tuschelten. So etwas hatte Kakashi in all den Jahren noch nie erlebt gehabt. Mit einem Ruck hatten sie sich wieder zu ihm gewandt und Pakkun hatte das Wort ergriffen: „Unseren Segen habt ihr.“

Das freute Kakashi nach wie vor und er lächelte innerlich bei der Erinnerung daran, wie enthusiastisch die Ninken Yamato in Empfang genommen hatten, als dieser durch die Türe gekommen war.

„Wahrscheinlich hast du Recht“, knüpfte Kakashi endlich an die kurze Ansprache des Jüngeren an.

„Ich liebe es, wenn du das sagst“, erwiderte Yamato mit einem seligen Lächeln und zog Kakashi in eine Umarmung. „Und wenn du jetzt endlich schläfst, gebe ich dir morgen dein Buch wieder.“

Kakashi fiel es nicht schwer, der Aufforderung nachzukommen, während er aus nächster Nähe den beruhigenden Herzschlag seines Geliebten fühlte.

Der größte Schmerz

Das trübe Wetter dieses trüben Herbsttages sollte nichts Gutes verheißen. Kakashi war sowieso schon seit einiger Zeit nervös gewesen, da er sein Team zurückerwartete. Er ertappte sich selbst bei seiner gedanklichen Wortwahl. Es war nicht mehr wirklich sein Team. Es waren vier junge Erwachsene, die sich mit der Rolle des Teamführers abwechselten. Und er musste endlich damit anfangen, in drei von ihnen keine zwölfjährigen Kinder mehr zu sehen. Yamato betonte zwar immer wieder gerne, dass ihm das im Gegensatz zu Kakashi leichter fiel, aber nichtsdestotrotz hatte er ihn gefragt, ob er ihm sofort Bescheid sagen würde, sobald die vier wieder da waren. Yamato hatte sich für heute bereits auf den Heimweg gemacht und so wartete Kakashi alleine auf die etwaige Ankunft ihrer Schützlinge.

Er hatte keine Ahnung, dass ab diesem Punkt alles den Bach hinunter gehen sollte.

Der Albtraum begann damit, dass Yugao hereinstürzte und berichtete, dass sie Anko verletzt auf ihrem Patrouillengang an der Dorfgrenze gefunden hatte. Anscheinend hatte Anko sich trotz ihrer Wunden noch so weit geschleppt. Bevor sie bewusstlos geworden war, berichtete Yugao, hatte sie nur „Miese Verräter“ gemurmelt und mitgeteilt, dass ein weiterer Kamerad tot war.

„Was ist mit dem Rest ihres Teams?“, fragte Kakashi ernst, aber unaufgeregt.

„Ich weiß es nicht. Dort und in der näheren Umgebung war kein Hinweis auf deren Verbleib.“

„Ich weiß nicht, ob es zu schnell ist, zu schlussfolgern, dass die beiden anderen mit Verräter gemeint waren. Aber wir sollten es in Betracht ziehen.“ Er hatte Anko mit einem nun toten Chunin und zwei unauffälligen Jonin eingeteilt. Hatte er einen so groben Fehler gemacht? Kakashi stand auf und wollte gerade Yugao das weitere Vorgehen unterbreiten, als die Tür erneut hektisch aufgeschlagen wurde und der Anblick, der sich ihm bot, ihm fast das Herz stillstehen ließ.

Sakura stand in der Tür, mit einigen sichtbaren Blessuren, außer Atem und einem angsterfüllten Ausdruck in den Augen.

„Sakura!“, rief der Hokage erschrocken aus. „Was ist passiert?!“

„Kakashi-sensei!“, antwortete sie panisch. „Wir wurden auf dem Rückweg angegriffen! Erst haben sie Sasuke von uns getrennt und Naruto ist hinterher und dann kamen noch mehr und sie griffen Sai und mich an! Es waren zu viele! Sie haben Sai mitgenommen! Ich konnte nichts tun!“

„Sakura, beruhige dich“, sagte Kakashi mit so viel Ruhe, wie es ihm gerade noch möglich war. „Hast du eine Ahnung, wer das getan hat? Oder wo sie hin sind?“

Die junge Kunoichi schüttelte den Kopf. „Sie trugen Masken über dem Gesicht. Auf den ersten Blick hatte ich sie deswegen fast für Anbu gehalten.“

„Anbu?“, wiederholte Kakashi, während seine Gedanken sich fast überschlugen. Diese Geschehnisse fielen sicherlich nicht zufällig zusammen. Anbu? Nein, sicher nicht. Anko, Sasuke, Sai …. Was hatten Anko, Sasuke und Sai miteinander gemeinsam? Konnte es sein, dass … Ne? Waren das Ne gewesen? Niemand hatte je herausfinden können, was aus denen nach Danzous Tod geworden war. Es hatte immer im Bereich des Möglichen gelegen, dass sie sich unauffällig eingegliedert hatten. Für eine Organisation wie die Ne war es bestimmt kein Problem, Unterlagen zu fälschen und ihren Mitgliedern neue Identitäten zu beschaffen. Wenn nun einige von denen Danzous Lebenswerk, Konoha vor eventuellen Gefahren beschützen zu wollen, fortsetzen wollten ...

Kakashi fühlte einen plötzlichen, heftigen Schmerz in der Brust.

Tenzou.

 

Yamato war überrascht von sich selbst gewesen, wie ruhig er blieb, obwohl ein offensichtlich nicht freundlich gesinnter Shinobi mit Anbu-Maske ihm gegenüberstand. Der Shinobi sagte nicht viel, sondern hielt ihm stattdessen einen Pinsel entgegen. Ein Pinsel, der eindeutig Sai gehörte. Und an dem Blut klebte. „Wenn du nicht willst, dass ihm etwas geschieht, solltest du einfach mitkommen.“

„Woher weiß ich, dass er nicht schon tot ist?“, erwiderte Yamato.

„Willst du das riskieren? Habt ihr Anhänger des Sandaime etwa eure Prioritäten geändert?“, sagte der Unbekannte verächtlich.

Anhänger des …? Yamato setzte die Teile schnell zusammen.

„Du gehörst zu den Ne?“

Der Andere zerbrach den Pinsel. „Willst du weiter diskutieren oder das Leben dieses Taugenichts retten?“

 

Mit gepeinigtem Gesichtsausdruck hielt Kakashi so unauffällig wie möglich eine Hand an die schmerzende Stelle in seinem Brustkorb. Er hatte das Gefühl, ihm würde die Luft aus den Lungen gedrückt. Gegen jeden Widerstand versuchte er, ruhig zu atmen. Und vor allem, klar zu denken.

„Hokage-sama“, unterbrach Yugao ernst die kurzzeitig eingetretene Stille. „Was sollen wir tun?“

Kakashi nahm die Hand von seiner Brust und befahl der Anbu, alle verfügbaren Einheiten in Alarmbereitschaft zu versetzen. Sehr wahrscheinlich hatten sie es hier mit einigen wahnsinnigen, rachsüchtigen Ne zu tun. Der Hokage rief seine Ninken herbei und teilte ihnen verschiedene Aufgaben zu: einige sollten nach Sasuke und Naruto suchen, einige nach Sai und einige sollten auch Ankos Spur zurückverfolgen. Dann schickte er Pakkun los, um nach Yamato zu sehen.

Sakura blickte ihn bei seinem letzten Befehl noch einen Grad verzweifelter an. „Meinst du, sie haben es auch auf Yamato-taichou abgesehen?“

„Ich will es nicht hoffen“, erwiderte Kakashi, selbst erschrocken darüber, wie brüchig seine Stimme klang.

 

Es war ein verlassenes Gebiet am Rande Konohas, in das der Ne Yamato gebracht hatte. Noch unter Tsunades Führung war die Region gesperrt worden, weil nach Pains Angriff zu viele irreparable Schäden in der Umgebung entstanden waren. Hier hatten sich also die verbleibenden Ne für ihre Verschwörung zusammengerottet. Yamato sah sich mit wachem Blick jede Einzelheit des zerfallenen Gebäudes an, in dessen noch intakten Keller er nun geführt wurde. Das schummrige Licht der Fackeln erinnerte ihn nur zu lebhaft an Orochimaru. Acht Ne standen in dem Raum, von keinem war das Gesicht zu erkennen. Yamato überlegte, ob er einen Kampf wagen sollte, ob es einen Fluchtweg gab, aber seine Überlegungen wurden jäh unterbrochen als einer der Verschwörer einen gefesselten Sai in sein Sichtfeld zerrte.

„Sai!“, entfuhr es Yamato automatisch, als er den verletzten Kameraden sah.

„Yamato-taichou ...“, ächzte Sai gequält.

„Lasst ihn jetzt gehen“, forderte der neu angekommene Gefangene die Ne auf.

„Das geht nicht“, antwortete einer von ihnen. „Er hat zu viel gesehen.“

„Mir wurde gesagt, dass ihm nichts geschehen wird, wenn ich mit euch komme“, sagte Yamato, seine Wut unterdrückend.

„Wir halten unser Wort und werden ihn nicht töten. Aber wir werden ihn bei uns behalten. Als Verräter muss er noch seine gerechte Strafe erhalten.“

„Sai ist kein Verräter!“, entgegnete Yamato zornig. „Er ist ein Shinobi Konohas! Genau wie ihr!“ Ein schwaches, flüchtiges Lächeln huschte trotz ihrer aussichtslosen Lage über Sais Gesicht.

„Ironisch, dass jemand, wie du so etwas sagt“, giftete ein weiterer Ne. „Wo du doch mit Schuld daran trägst, Konoha-Shinobi getötet zu haben.“

Die Anschuldigung versetzte Yamato einen Stich ins Herz. Deswegen war er hier. Er hatte es bereits befürchtet. Die Ne hatten nie etwas anderes gemacht, als Gefahren für Konoha auslöschen zu wollen. Und sie sahen eine in ihm.

„Das war nicht seine-aah!“ Sais Widerspruch wurden durch einen Tritt in seinen Rücken unterbrochen.

„Lasst ihn! Bitte.“ Er wusste, wenn er Sai helfen wollte, durfte er die Ne nicht noch aggressiver machen. „Was wollt ihr von mir?“

„Als einziger Anwender des Mokutons bist du geradezu ein Anziehungspunkt für potenzielle Feinde. Sie könnten versuchen, sich des Mokutons habhaft zu werden. Zum Beispiel so wie es im Krieg passiert ist“, erklärte ein Ne so emotionslos wie Yamato es von Kabuto oder auch Madara-Obito gekannt hatte. „Daher wird es das Beste sein, wenn wir dich töten.“

 

Kakashi hatte mehrere Anbu seinen Hunden hinterher geschickt. Sie sollten so schnell wie möglich reagieren können, wenn eine Fährte gefunden worden war. Sakura hatte versucht, sich an verschiedene Dinge zu erinnern. Wie viele waren es gewesen? Wohin waren sie verschwunden? Aber sie konnte keine genaueren Angaben mehr machen. So gerne hätte Kakashi etwas Tröstendes, Aufmunterndes zu ihr gesagt. Doch seine Gedanken kehrten immer wieder zu der bangen Frage zurück, was mit Tenzou war und so konnte er ihr nur so wenig harsch wie möglich sagen, dass sie sich beruhigen und verarzten lassen sollte. Sakura jedoch wollte keinen Zentimeter von der Stelle weichen, so lange der Rest ihres Teams verschollen war. Als Yugao schließlich hereinkam und berichtete, dass ihr Pakkun begegnet war und dieser Yamato nicht vorgefunden hatte, vergaß Kakashi einen Moment lang, zu atmen. Das war es, was er dafür bekam, Gefühle zuzulassen. Von einem Augenblick auf den anderen hatte er womöglich fast sein ganzes Team verloren.

„Pakkun hat aber seine Fährte aufgenommen“, fuhr Yugao mit ihrem Bericht fort. „Er sagte, er habe auch eine Spur von Sai. Eine geringe, aber vorhandene.“

„Kakashi!“, brüllte Bisuke, als er mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit um die Ecke gesaust kam. „Wir haben die Spur von Naruto und Sasuke gefunden!“

 

„Haltet ihr das für den besten Weg?“, erwiderte Yamato, nach außen hin ruhig, doch innerlich eine wachsende Angst spürend.

„Ha!“, rief einer der Ne aus. „Natürlich, nur so kannst du keine Gefahr mehr darstellen.“

„Das schon“, äußerte der Bedrohte. „Aber wie ihr schon festgestellt habt: Ich bin der einzige Mokuton-Anwender, den es noch gibt. Und meine Fähigkeiten waren für Konoha auch schon oft nützlich.“

Die Ne stutzen. Ebenso wie Sai. Hatte sein Taichou einen Plan?

Yamato wusste, dass er keinen Kampf riskieren konnte. Die Gegner waren in der Überzahl und Sais Leben stand auf dem Spiel. Alles, was er tun konnte, war es, Zeit zu gewinnen. Und wenn er seine Gegenüber richtig eingeschätzt hatte …

„Mag sein“, sagte einer der Ne, sein Kurzschwert bereits in der Hand. „Allerdings überwiegt bei dir die Gefahr, die von dir ausgeht.“

„Warte mal“, meldete sich ein weiterer zu Wort. „Wenn wir ihn umbringen, haben wir das Mokuton ausgerottet. Und vielleicht brauchen wir das wirklich noch mal.“

„Unsinn! Wir müssen verhindern, dass es in die Hände der Feinde fällt“, mischte sich noch ein anderer ein.

„Dafür müssen wir ihn aber nicht töten. Und wenn wir ihn wegsperren?“

„Das ist zu gefährlich!“

„Wir können uns aber kein neues Mokuton erschaffen. Was ist, wenn der Uzumaki-Bengel doch wieder die Kontrolle über den Fuchsgeist verliert?“

Die acht Geiselnehmer waren nun in eine heftige Diskussion verstrickt, der Yamato mit Unbehagen folgte. Es war mehr eine Hoffnung als ein Plan gewesen, doch es hatte funktioniert. Eine gehörige Truppe wie die Ne waren ohne ihren Anführer unkoordiniert und uneins. Wieso sonst hatten sie so lange gebraucht, um in Aktion zu treten?

„Dann nehmen wir also beide mit?“

Sie schienen sich zu Yamatos Missfallen auf etwas geeinigt zu haben. Er bekämpfte die in ihm aufkommende Panik, die daraus resultierte, wieder einmal gefangen genommen zu werden.

„Schlagt beide bewusstlos und macht sie kampfunfähig, dann verschwinden wir mit ihnen von hier“, befahl einer der Ne.

Sais und Yamatos Blicke trafen sich. Noch ist nichts verloren, versuchte Yamato ihm auf diese Weise mitzuteilen, ehe ihn ein harter Schlag ins Genick traf und er zu Boden ging. Es hatte noch nicht gereicht, um ihn außer Gefecht zu setzen und so bekam er mit, wie Sai bewusstlos auf dem Boden aufschlug. Vielleicht war doch alles verloren. Vielleicht würde er Kakashi nie wiedersehen. Das war ihm gerade ein schlimmerer Schmerz als der, den sein Bein durchstach, weil einer der Ne versuchte, es ihm zu brechen.

Gerade als Yamato dachte, alles zu verlieren, das er sich dank und mit Kakashi hatte aufbauen können, schien er zu halluzinieren. Oder erblickte er in diesem Moment wirklich Naruto samt Rasengan aus seinem Augenwinkel?

Stille

Nein, es war keine Halluzination gewesen. Wie Yamato kurz darauf erfahren hatte, hatte ein Rettungstrupp zuerst Sasuke und Naruto gefunden. Mit Hilfe ihrer Verstärkung hatten sie alle angreifenden Ne außer Gefecht setzen können und in Windeseile zu der zweiten Rettungsgruppe um Kakashi, Sakura und Yugaos Einheit aufschließen können. Die Ninken hatten sehr schnell gemerkt, dass die Fährten von Sai und Yamato in eine Richtung verliefen.

Alles in allem, fand Yamato, waren sie glimpflich davon gekommen. Die Verletzungen von Sai und auch Anko würden wieder heilen, die Verschwörer unter den ehemaligen Ne waren gefangenen genommen worden und Kakashi und Yugao hatten schon auf dem Rückweg zum Dorf über zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen gesprochen. Trotzdem ließ ein ungutes Gefühl Yamato nicht los.

Kakashi war ihm gegenüber ungewöhnlich still gewesen.

Unsinn, schob Yamato den Gedanken von sich, als er in einem Bett des Krankenhauses liegend einen flüchtigen Blick auf den neben ihm stehenden Älteren warf.

„Die gute Nachricht ist“, sagte Tsunade, am unteren Ende des Bettes stehend, während Shizune neben ihr fleißig das Krankenblatt ausfüllte, „der Knochen ist nicht gebrochen. Die schlechte ist … es tut trotzdem ziemlich weh.“

„Ah, danke, das hätte ich ohne diesen Hinweis nicht bemerkt“, scherzte Yamato trotz der Schmerzen und wunderte sich, dass sein (wie er fand) recht gelungener Witz nur bei Tsunade ein Schmunzeln hervorrief. Nicht aber bei Kakashi.

„Ich behalte dich erst noch ein, zwei Tage hier, danach kannst du dich zu Hause erholen.“ Nachdem sie ihren Satz beendet hatte, fiel Tsunades Blick auf die rechte Hand Kakashis, welche die ganze Zeit über nah neben Yamatos verweilt hatte, ohne diese zu berühren. Die Blicke der früheren und des jetzigen Hokage trafen sich kurz und Tsunade wandte sich an Shizune. „Komm, wir gehen! Wir haben noch andere Patienten.“

„Aber Tsunade, ich bin noch nicht fertig-“, begann Shizune, immer noch Stift und Krankenblatt in der Hand, als sie von ihrer Meisterin am Arm gepackt und zur Tür hinaus gezerrt wurde.

„Das kannst du jawohl auch noch später erledigen“, hörten sie noch den Befehlston der Älteren, während die Tür sich wieder schloss.

Eine gigantische Welle der Erleichterung durchflutete Yamato, als keinen Wimpernschlag später Kakashis Hand seine umschloss und er Yamato, so gut es gerade ging, in den Arm nahm. Wortlos.

Sie verharrten eine halbe Ewigkeit in dieser Position und sie fing an, Yamato Unbehagen zu bereiten. Warum sagte Kakashi nichts? Die Stille war beinahe erdrückend.

„Kakashi? Ist alles in Ordnung?“, fragte er, nachdem er von dem Anderen immer noch nichts außer dessen Atem gehört hatte.

„Wie kannst du das fragen?“, erwiderte der Ältere endlich und sein trauriger Tonfall machte Yamato Sorgen. „Du bist doch derjenige, der angegriffen wurde.“

„Aber mir ist nichts weiter passiert“, versuchte Yamato ihn zu beruhigen. „Sai hat es viel schlimmer erwischt.“

Erneut trat Stille ein.

„Sai würde es aber vielleicht seltsam finden, wenn ich ihn so umarme“, antwortete Kakashi schließlich zur Erleichterung des Jüngeren. Und als der Hokage die Umarmung löste, konnte er ein leichtes Lächeln auf dessen Gesicht sehen.

Alles in Ordnung, dachte Yamato. Kakashi hatte vermutlich nur einen Moment gebraucht, um sich zu sammeln.

„Das war ein Albtraum heute“, sagte Yamato. „Ich bin so froh, dass er vorbei ist.“

„Und dir geht es wirklich gut?“, hakte Kakashi nach.

„Ja. Es ist erstaunlich. Ich glaube, ich habe das dank dir so gut durchgestanden.“

Etwas trübte Kakashis Blick und Yamato fragte sich, ob er etwas Falsches gesagt hatte.

„Du solltest dich ausruhen“, antwortete der Hokage, die vorangegangene Aussage des Anderen komplett ignorierend.

Und Yamato beschlich erneut dieses ungute Gefühl.

 

Das Gefühl verstärkte sich im Laufe der nächsten Tage. Yamato wurde aus dem Krankenhaus entlassen und humpelte mehr als dass er richtig auftreten konnte, aber das beschäftigte ihn nicht so sehr. Kakashi sprach immer noch nicht viel. Hin und wieder machte er einen Scherz, nahm ihn ein bisschen auf den Arm, aber ansonsten zog Kakashi sich mehr und mehr zurück. Wiederholt versuchte der Jüngere, den Kontakt zu ihm zu suchen. Jedoch blieb alles ergebnislos. Eines Abends, als Yamato versucht hatte, Kakashi in einen längeren Kuss zu verwickeln und dieser ihn daraufhin mit einem „Nicht jetzt“ von sich geschoben hatte, reichte es ihm.

„Wann dann, Kakashi? Wann überhaupt? Was ist los mit dir?“

„Nichts.“

„Wenn ich das noch einmal höre, drehe ich durch.“ Yamato schüttelte seufzend den Kopf. „Was ist los? Bitte sprich mit mir.“

Es folgte, wie so oft in letzter Zeit, eine erneute, bedrückende Stille, in der Kakashi nach den richtigen Worten zu suchen schien. Er sah nicht aus, als hätte er sie gefunden, als er endlich die unheimliche Ruhe durchschnitt.

„Ich denke, wir sollten damit aufhören.“

Verwirrt sah Yamato ihn an. „Womit?“

Der Ältere wich dem Blick aus. „Hiermit. Mit dem, was wir da angefangen haben.“

Unfähig, etwas darauf zu antworten, starrte Yamato ihn nur weiter an. Er hatte verstanden, was der Andere meinte. Aber er konnte es nicht verstehen.

Nervös fuhr Kakashi mit einer Hand durch seine chaotischen Haare. „Wir sollten zu dem Punkt zurückkehren, an dem wir … an dem wir lediglich Freunde waren.“

„Nein, Kakashi“, brachte Yamato endlich hervor, seine Fassungslosigkeit in seiner Stimme und seiner Miene deutlich erkennbar. „Tu das nicht.“

„Ich tue gar nichts“, entgegnete dieser. „Ich denke nur, dass es so besser ist.“

„Das denkst du nicht. Du denkst, dass das, was vor ein paar Tagen passiert ist, irgendwie deine Schuld sei, aber das ist es nicht! Hörst du? Das ist es nicht!“ Das ungute Gefühl in Yamatos Innern wich langsam einer Wut. Er konnte nicht benennen, gegen was oder wen sie sich richtete, aber sie war da.

„Tatsache ist, es ist passiert“, antwortete Kakashi so betont ruhig, dass es Yamatos Wut anstachelte. „Vielleicht hätten wir das nie tun dürfen. Es nie so weit kommen lassen dürfen.“

Da war er gewesen, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

„Du willst also sagen, dass du es bereust? Dass es ein Fehler war?! Für mich war es kein Fehler! Fehler fühlen sich nicht so richtig an, Kakashi!“ Ihm war bewusst, dass er den Anderen anschrie. „Und jetzt willst du das alles rückgängig machen?! So tun, als sei nie etwas gewesen?? Fällt dir das etwa so leicht??“

„Ich habe nie gesagt, dass mir das leicht fällt!“ Auch Kakashi wurde nun lauter. „Allerdings habe ich jetzt gemerkt, wie schwer es mir fällt, einen klaren Gedanken zu fassen, wenn ich Angst um dich habe! Ich bin der Hokage, verdammt! Ich darf mich nicht von so etwas ablenken lassen!“ Noch während er sprach, hatte Kakashi gemerkt, wie kalt er geklungen hatte. Und nun war sie wieder da, diese Stille. Dieses Mal konnte Kakashi hören, wie Yamatos Herz brach. Wie er es gebrochen hatte.

„Ich kann das nicht mehr“, sagte Yamato nach einer Weile. „Ich ertrage es nicht mehr, dich immer wieder davon laufen zu sehen.“ Er biss sich auf die Unterlippe. „Das war es jetzt“, ergänzte er mit zitternder Stimme, ehe er anfing, einige seiner Sachen zu packen und ohne ein weiteres Wort die Wohnung verlassen wollte.

„Wo willst du hin?“, fragte Kakashi hastig, nachdem er die ganze Zeit über nur den Boden angestarrt hatte und bevor Yamato nun tatsächlich ging.

Yamato verharrte kurz an der Tür, haderte mit sich selbst, ob er sich noch einmal umdrehen sollte. „Ich liebe dich so sehr, dass es weh tut. Und es ist unerträglich zu wissen, dass wir zusammen sein könnten, es aber nicht sein werden. Wenn dich dieser Gedanke nicht ablenkt, dann fühlst du wohl nicht so.“ Er trat durch die Tür, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Als die Tür ins Schloss fiel, fand Kakashi sich bereits weinend auf dem Boden wieder.

Mit Dringlichkeit

Zu sagen, dass Kakashi sich in den nächsten Tagen schrecklich fühlte, war heillos untertrieben. Er konnte nichts essen und an Schlaf war gar nicht erst zu denken. So unglaublich klischeehaft ihm das selbst auch vorkam, es ließ sich nicht leugnen, dass sein Bett nach Yamato roch. Dass sowieso seine ganze verdammte Wohnung nach dem Anderen roch und es Kakashi vorkam, als würde sie ihn damit, jedes Mal, wenn er durch die Eingangstür trat, daran erinnern wollen, was für einen gigantischen Fehler er gemacht hatte.

Aber es war kein Fehler. Er hatte das sorgfältig durchdacht. Die Angst, Tenzou zu verlieren, war so übermächtig geworden, dass sie Kakashi unfähig gemacht hatte, ihm zu helfen. Wenn sie wieder Abstand zueinander hielten, könnte er ihn besser beschützen. Das war mehr als vernünftig. Es war kein Fehler, er hatte nichts falsch gemacht. Wieso nur fühlte es sich dann so an?

Kakashi versuchte, sich unauffällig auf seinem Sitzplatz hinter seinem Hokage-Schreibtisch aufzurichten, ohne dass die vier anderen Anwesenden etwas von seinem Unwohlsein mitbekamen. Naruto, Sakura, Sasuke und Sai standen hinter der anderen Seite des Tisches und ersterer beschwerte sich lautstark darüber, dass sie wieder einmal nicht genug gemeinsam unternahmen.

„ … aus einer lebensgefährlichen Situation und nicht einmal das feiern wir. Echt jetzt, wieso ...“

Kakashi hörte nur halbherzig der Kritik Narutos zu, die er gefühlt schon minutenlang ohne Pause vortrug. Er wollte den Blondschopf nicht beleidigen, aber momentan beschäftigten ihn andere Dinge. Und dass obwohl er doch genau dies hatte vermeiden wollen.

„Und wo ist überhaupt Yamato-taichou?“, hörte der Hokage ihn weiter schimpfen, während Kakashi innerlich seufzte.

Yamato war bei Genma untergekommen. Diese Information hatte er nicht von ihm persönlich erhalten, sie hatten nicht mehr miteinander gesprochen seit …. Erneut einen Stich im Brustkorb bemerkend, brach Kakashi den Gedankengang ab. Es hatte ihn gewundert, warum Yamato zu Genma gegangen war, aber eigentlich hätte ihn alles in dieser Hinsicht gewundert. Yamato hatte immer nur zu Kakashi einen tieferen Kontakt gepflegt. Zu Sai oder Naruto hatte er mit diesem Problem wohl nicht gehen wollen. Genma wusste nun alles, was vorgefallen war. Am Morgen nachdem Yamato ihre Wohnung verlassen hatte, war er alles andere als gut gelaunt bei Kakashi aufgetaucht. Er hatte ihm gesagt, dass Yamato nun erst einmal, bis er etwas anderes gefunden hatte, bei ihm bleiben würde und gefragt, ob es in Ordnung wäre, wenn er ein paar freie Tage bekäme. Selbstverständlich würde er keine Arbeit liegen lassen. Kakashi hatte dem natürlich zugestimmt und innerlich nicht fassen können, wie pflichtbewusst Tenzou trotz allem war. Genma hatte Kakashi noch ein paar Schimpfwörter an den Kopf geworfen, die ihm immer noch in den Ohren widerhallten. Sehr wahrscheinlich trafen sie alle zu.

„Du hörst mir ja überhaupt nicht zu!!“

Narutos Aufschrei ließ ihn zusammen zucken.

„Doch, natürlich höre ich dir zu“, entgegnete Kakashi.

„Über was habe ich dann gerade gesprochen?“

Der Hokage räusperte sich und musste enttäuscht feststellen, dass er zu erledigt war, um sich irgendwie herauszureden.

Bevor Naruto sich weiter aufregen konnte, meldete Sakura sich besorgt zu Wort: „Kakashi, geht es dir nicht gut? Du siehst schrecklich aus.“

„Danke, Sakura“, erwiderte der Angesprochene. „Aber mir fehlt nichts.“

„Er lügt.“ Sasuke brachte sich wie so oft mit kurzen, aber prägnanten Sätzen in das Gespräch ein.

„Nein, Sasuke, das tue ich nicht.“

„Irgendetwas stimmt aber nicht, Kakashi-sensei“, sagte Naruto. „Du warst vorgestern auch schon so lethar- … lethar- … dings.“

„Ja, ich habe gestern auch deine Lethargie bemerkt“, äußerte Sakura. „Und du siehst wirklich schrecklich aus.“

Kakashi überlegte kurz, ob er ihnen davon erzählen sollte, verwarf den Gedanken jedoch schnell wieder und schüttelte müde den Kopf. „Nur viel zu tun.“

„Er lügt schon wieder.“ Wann bitte war Sasuke zum großen Menschenkenner geworden?

„Kakashi-sensei“, Naruto kreuzte erbost die Arme vor der Brust. „Wir haben doch eine Abmachung. Wir wollen keine Geheimnisse mehr voreinander haben. Und ich werde gerade das Gefühl nicht los, dass du etwas vor uns verheimlichst.“

Kakashi biss sich unterhalb seiner Maske auf die Lippe. Wen schaffte er es denn diese Woche noch alles zu enttäuschen?

„Vielleicht“, begann Sai, nachdem Kakashi nicht antwortete, „vielleicht hat er Liebeskummer.“

„Kakashi?? Unsinn“, ertönte es von Naruto und Sakura und auch Sasuke schien diese Theorie für unwahrscheinlich zu halten. Bis sie bemerkten, dass ihr Lehrer Sais These nicht vehement abstritt, sondern dem Kameraden nur einen aufgeschreckten Blick zuwarf.

„Ach du meine Güte“, sagte Sakura, während Naruto ein „WAAAAS??“ entfuhr.

„Wer?? Wer ist es?“, hakte der Chaosninja aufgeregt nach.

Doch Kakashi schüttelte den Kopf. „Das kann ich euch nicht sagen.“

„Herrje, es ist bestimmt etwas Verwerfliches“, schlussfolgerte Sakura. „Etwa eine verheiratete Frau?“

„Eine Minderjährige?“, mutmaßte Naruto ängstlich.

„Eine Prostituierte.“ Sasuke machte sich nicht einmal die Mühe, seine Vermutung als Frage zu formulieren.

Der Hokage sah die Anderen fassungslos an. Was dachten die eigentlich von ihm?? Gut, vielleicht war es damals doch unklug von ihm gewesen, ein anstößiges Buch in Anwesenheit von Zwölfjährigen zu lesen. Das hatte wohl nicht den besten Eindruck hinterlassen.

„Nein, es ist nichts von alledem. Und danke für eure unverblümte Einschätzung meiner Person.“

„Dann sag uns endlich, um wen oder was es hier geht“, empörte Naruto sich. „Du machst immer aus allem ein Geheimnis, dabei wollen wir dir nur helfen!“

Während Kakashi noch überlegte, was er darauf antworten sollte, meldete Sai sich erneut in seinem nüchtern-analytischem Tonfall zu Wort.

„Wenn ich die Situation richtig gedeutet habe, ist es nichts Verwerfliches, auch wenn ich bei meinen Nachforschungen gelesen habe, dass einige es dafür halten. Aber ich konnte nirgends logische Erklärungen für eine negative Bewertung dieses Sachverhalts finden. Die meisten Beweisführungen in dieser Hinsicht waren alles andere als stichhaltig. Allerdings verstehe ich durch die Existenz dieser Meinungen Kakashi-taichous eventuelles Unbehagen, frei zu äußern-“

„Was in aller Welt redest du da schon wieder?“, unterbrach Sasuke ihn genervt.

„Ich kann dir auch nicht ganz folgen“, bemerkte Sakura und Naruto blickte ihn nur verwirrt an.

„Es geht um einen Mann“, sagte Sai ohne weitere Umschweife. „Ist es nicht so?“

Den drei anderen neben ihm klappten die Kinnladen nach unten.

„Nein, Sai,“ erwiderte Sakura abwinkend. „Das ist es bestimmt nicht.“

„Warte mal, Sakura. Ich bemerke gar keinen Einspruch.“ Sasuke wandte sich mit gehobener Augenbraue Kakashi zu.

Kakashi blickte nacheinander in die Gesichter seiner Schützlinge. Vielleicht war dies wirklich der Moment, in dem er jeglichen Widerstand aufgeben sollte. Ihm fehlte die Energie, um nach Ausflüchten zu suchen und er wollte die vier nicht anlügen. Wenn er sie nun einfach wegschicken würde, würden sie sich ihren Teil denken und Naruto würde sich weiterhin darüber aufregen, dass er sämtliche Bemühungen, die Verbundenheit des Teams zu stärken, in den Wind schlug. „Sai hat Recht.“

Während sich auf Sais Gesicht nun ein Lächeln bildete, starrten Sakura und Naruto ihn mit großen Augen an. Sasuke zeigte sich kurz überrascht, ansonsten war seine Miene relativ unverändert, die Augenbraue blieb an ihrer erhöhten Position.

„Wer? Wer ist es??“, fragte nun die Kunoichi und ihre Stimme klang aufgeregt, aber, wie Kakashi zu seiner erheblichen Beruhigung feststellte, nach einer positiven Aufregung. „Jemand, den wir kennen?“

„Naja“, begann der Hokage, unsicher, ob er wirklich antworten sollte.

„Hey“, unterbrach Sasuke ihn und wandte sich an Sai. „Du weißt, um wen es hier geht, oder?“

„Ich bin mir relativ sicher“, erwiderte dieser.

Der junge Uchiha dachte kurz nach. „Ist es etwa …?“ Er deutete mit dem Kopf in Richtung des Hokage-Schreibtisches.

„Ja, genau der ist es.“ Sai strahlte fast.

In diesem Augenblick wusste Kakashi nicht, was ihn mehr beunruhigte: dass er hier sein Liebesleben vor seinen Schützlingen ausbreitete oder dass Sasuke und Sai neuerdings beinahe telepathische Konversationen führten.

„Moment mal“, warf Sakura ein. „Wenn es jemand ist, auf den Sasuke so schnell kommt, dann muss es ja jemand sehr Offensichtliches sein ...“ Während sie überlegte, sah sie sich um. Sie blickte zu jedem ihrer Teamkameraden und schließlich zu Kakashi. Dann bemerkte sie, wer hier fehlte. „Du meine Güte!“, entfuhr es ihr. „Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet.“

„Was?? Wovon redet ihr??“, rief Naruto erbost. „Ich verstehe gar nichts mehr! Sagt mir endlich, um wen es hier geht!“

„Naruto“, sagte Kakashi endlich, nachdem er tief ein- und ausgeatmet hatte. „Es geht um … Yamato.“

Sakura quietschte vergnügt und Sai entfuhr ein freudiges „Ich wusste er hatte mich damals angelogen.“ Sasuke reagierte überhaupt nicht.

Nur auf Narutos Gesicht machte sich zu Kakashis erheblicher Beunruhigung ein Ausdruck vollkommener Fassungslosigkeit breit.

„Yamato“, wiederholte der blonde Ninja leise, ehe er wieder lauter wurde. „Was genau soll das heißen, Kakashi-sensei? Was ist zwischen euch vorgefallen?“

Mit so wenigen Details wie irgendwie möglich umriss Kakashi, was im letzten halben Jahr passiert war: Dass sie wohl etwas füreinander empfanden und sie wohl so etwas wie eine Beziehung gehabt hatten, bis der Zwischenfall neulich geschah und Kakashi es für besser hielt, wenn sie auf Abstand gingen, was Yamato allerdings anders sah.

Als er fertig war, legten Sai und Sakura nachdenklich ihre Stirn in Falten. Offensichtlich suchten sie nach einer Lösung des Problems.

Nur Naruto, wie der Hokage äußerst beunruhigt feststellte, sah ihn beinahe schon wütend an.

„Ein halbes Jahr lang?! Wirklich?! Ein halbes Jahr ging das so?!“ Ohne jeden Zweifel. Naruto war wütend. „Ich glaube das nicht! Ich glaube das nicht!“ Wutentbrannt rauschte er zur Tür hinaus.

„Naruto!“, rief Sakura ihm hinterher. „Er meint das bestimmt nicht so“, sagte sie besänftigend in Richtung ihres Lehrers.

„Schon gut, Sakura“, erwiderte Kakashi und versuchte, sich die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.

Die Kunoichi und ihre dunkelhaarigen Kameraden liefen schließlich Naruto hinterher und Kakashi fuhr sich angespannt mit beiden Händen durch das Gesicht. Er hatte noch einen ganzen Tag voller Besprechungen vor sich und nun fühlte er sich noch viel schlechter als zuvor.

 

Am Ende dieses viel zu langen Tages schleppte Kakashi sich vollkommen ausgebrannt nach Hause. Er dachte immer noch über Narutos Reaktion nach und wie sehr es ihn schmerzen würde, wenn nun auch Naruto nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Mutlos betrat er seine Wohnung, die ihn daran erinnerte, dass er derjenige gewesen war, der Yamato weggeschickt hatte. Kakashi wollte sich gerade auf sein Bett fallen lassen, um dort einfach auf den Anfang eines neuen Tages zu warten, den er irgendwie durchstehen musste, als es plötzlich an seiner Tür klopfte.

„Kakashi-sensei! Bist du da?“

Naruto.

Kakashi schreckte auf und stutzte, beeilte sich dann aber, die Tür zu öffnen. Ein offensichtlich beschwichtigter Naruto stand vor ihm und wirkte ein wenig verlegen. „Darf ich reinkommen?“

„Ja, natürlich“, sagte Kakashi und wusste innerlich, dass es so natürlich gar nicht war. Eigentlich hatte er noch nie einen seiner Schüler in seine Wohnung gelassen. Zumindest nicht freiwillig. Naruto trottete an ihm vorbei in das Innere des Einzimmerappartements und zwang sich offenkundig dazu, sich nicht allzu neugierig umzusehen.

„Ah, meine Pflanzen“, sagte er, als er die beiden Gewächse auf dem Fensterbrett erblickte. „Sie sehen gut aus.“

„Naruto“, begann Kakashi, wurde aber sogleich von eben diesem unterbrochen.

„Tut mir leid, dass ich heute etwas erzürnt reagiert habe. Sakura hat mir im Nachhinein erklärt, dass du das falsch auffassen könntest.“ Er grinste verlegen.

„Willst du damit sagen, dass du kein Problem mit dem hast, was ich euch heute erzählt habe?“ Kakashi konnte den Stein, der ihm vom Herzen fiel, geradezu hören.

Sein Gegenüber verschränkte die Arme vor der Brust. „Also, teils, teils. Es ist mir relativ egal, was du und Yamato so machen, wenn wir nicht dabei sind. Ich meine“, er verzog ein wenig das Gesicht, „es ist gewöhnungsbedürftig und ich will da gar nicht weiter darüber nachdenken. Aber das will ich auch nicht, wenn es um, sagen wir, Sasuke und Sakura geht, verstehst du?“

Kakashi nickte. Das konnte er mehr als nachvollziehen.

„Jeder soll tun, was ihn glücklich macht und jeder soll mit dem zusammen sein, der ihn glücklich macht. Ist ja auch super, dass ihr in eurem Alter noch zueinander gefunden habt. Irgendwann musst du mir allerdings mal erklären, was du an Yamato-taichou findest“, fuhr Naruto fort. „Ich schätze ihn sehr, das weißt du, aber dieses unheimliche Gesicht! Echt jetzt!“ Der junge Shinobi schüttelte sich, worauf Kakashi leicht lachen musste. „Der Grund, warum ich wütend geworden bin“, sagte Naruto weiter, „ist, dass ihr das alles vor uns verheimlicht habt. Du versuchst nach wie vor, uns aus deinem Leben raus zu halten, Kakashi-sensei, und das finde ich nicht fair.“

„Du hast Recht“, antwortete der Hokage einsichtig. „Entschuldige bitte.“

„Und im Übrigen hast du das bei Yamato-taichou so ähnlich gemacht. Wer schickt denn bitte jemanden weg, weil er ihm viel bedeutet? Auf so etwas kommen nur du oder Sasuke.“

Kakashi wurde ziemlich kleinlaut, als er den Belehrungen seines Schülers zuhörte. „Das ist kompliziert-“

„Nein, ist es nicht.“ Naruto schüttelte energisch den Kopf. „Liebst du ihn?“

„Naja ...“ Er räusperte sich.

„Liebst du ihn?“

Kakashi nickte zaghaft. „Ja, ich schätze schon.“

„Na bitte, dann geh zu ihm und sag ihm das. Ist doch nicht so schwer, echt jetzt.“

Ein tiefer Seufzer entfuhr Kakashi. „Ich denke nicht, dass das jetzt noch wichtig ist. Ich habe es vermasselt. Er wird mir keine Chance mehr geben wollen.“

Erneut schüttelte Naruto den Kopf. „Wenn er für dich das gleiche empfindet, wird sich das so leicht noch nicht geändert haben. Und bevor du widersprechen willst: Sakuras Gefühle für Sasuke haben sich auch nie geändert, obwohl der eine ganze Menge vermasselt hat.“

„Ja, da magst du Recht haben. Aber es ist auch so, dass ich als Hokage nicht abgelenkt sein sollte. Wenn ich mich um Yamato sorge, kann ich nicht ruhig denken. Vielleicht wäre es daher besser allein-“

„Uuuuh“, gab Naruto mit einem Seufzer von sich. „Kakashi-sensei, ich habe nur eine Frage: Kannst du mich sehen?“

Huh? Kakashi stutzte. „Ja, natürlich sehe ich dich. Was meinst du damit?“

„Denk doch mal nach. Das kann doch nicht sein, dass ich gerade schlauer bin als du.“

„Ich verstehe nicht.“ Er sah den Jüngeren mit großem Auge fragend an.

In einer theatralischen Geste schlug Naruto sich mit einer Hand an die Stirn. „Also gut, dann ganz langsam. Wer ist mein Vater?“

„Der vierte Hokage“, antwortete Kakashi sichtlich verwirrt. Was sollte das nun?

„Wenn ich hier vor dir stehe und somit also existiere, dann hatte ich auch Eltern, richtig? Und obwohl mein Vater Hokage war, hat ihn das nicht davon abgehalten, bei meiner Mutter zu bleiben.“

Als bei Kakashi der Groschen fiel, wusste er nicht, was er sagen sollte. Naruto, der Überraschungsninja Nummer Eins, hatte ihn tatsächlich gerade in Grund und Boden argumentiert. Wenn Naruto so erwachsen daher kam, begann er selbst damit, sich wirklich alt zu fühlen. Und ein bisschen stolz.

„Du willst sagen, Minato konnte Konoha regieren und trotzdem mit Kushina zusammen sein“, antwortete der amtierende Hokage endlich.

Sein Gegenüber rollte mit den Augen und nickte. „Herrje, du bist langsamer als Sai und Sasuke zusammen, wenn es um Zwischenmenschliches geht. Kakashi, es gibt keinen Grund, warum ihr nicht zusammen sein solltet. Echt jetzt! Geh zu Yamato und richte ihm aus, dass du Unsinn geredet hast und ich in Zukunft darauf aufpassen werde, dass du keinen Unsinn mehr redest.“

Kakashi wollte sagen, dass er darüber nachdenken wollte, doch da hatte Naruto ihn schon am Ärmel gepackt und schleifte ihn zur Tür. Da jeglicher Widerstand sinnlos erschien, willigte er ein, sofort mit Yamato zu reden. Naruto begleitete ihn bis zu Genmas Wohnungstür und klopfte sogar für ihn an.

„Reden darf ich aber selber, ja?“, spottete Kakashi noch, als Genma mit missmutigem Blick die Tür öffnete.

„Private oder geschäftliche Angelegenheit?“

„Genma, bitte, ich muss mit Yamato reden.“

„Ich weiß nicht, ob er mit dir reden will.“

„Komm schon“, rief Naruto dazwischen. „Das ist wichtig!“

„Naruto?“ Yamato erschien neben Genma und blickte irritiert in die Runde. „Was ist hier los?“

„Ich muss mit dir sprechen, dringend“, sagte Kakashi und klang dabei so geknickt, dass er selbst Genma leid tat.

„In Ordnung“, willigte Yamato zögerlich ein. Genma warf einen kurzen musternden Blick auf das entzweite Paar, ehe er Kakashi herein winkte und selbst nach draußen ging.

„Ich mache dann wohl mal´nen ausgedehnten Spaziergang.“ Er zog Naruto mit sich mit. „Komm, Kleiner, wir sehen uns Konoha bei Nacht an und lassen die beiden ihre Probleme in den Griff kriegen.“

 

Kakashi trat in die Wohnung, schloss die Tür und sah erst einmal stillschweigend seinen Gegenüber an.

Dieser seufzte. „Dafür, dass du dringend etwas sagen wolltest, bist du jetzt erstaunlich still.“

„Ich weiß. Tut mir leid.“

„Naruto … weiß Bescheid?“

„Ja.“ Kakashi stieß einen Seufzer aus. „Das ganze Team weiß es.“

„Oh, okay.“ Yamato räusperte sich unbehaglich. Als nach einer gefühlten Ewigkeit immer noch Stille herrschte, riss ihm der Geduldsfaden. „Kakashi, was willst du hier? Du hast deutlich gemacht, wie du zu allem stehst und auch wenn du dich entschuldigen willst-“

„Ich bin nicht gekommen, um mich zu entschuldigen. Das heißt, doch, auch, natürlich. Aber in erster Linie muss ich dir etwas anderes sagen.“

„So? Und was?“ Der Jüngere verschränkte abwartend die Arme vor der Brust.

Kakashi schluckte schwer und hielt sich eine Hand gegen seine Magengegend. Er musste es nun sagen, auch wenn es wahrscheinlich ungut daher kam, sich dabei zu übergeben. Wenn er seine Ängste nicht überwand, würde er Yamato verlieren. Ihm entging nicht, dass der Andere ihn besorgt ansah und er konnte kaum glauben, dass Yamato sich um ihn sorgte, nach all dem, was er ihm zuvor angetan hatte. Aber genau so war Yamato und es war einer der vielen, vielen Gründe, warum …

„Ich liebe dich.“

Sein Gegenüber löste vor Schreck seine distanzierte Pose auf und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. „Du … was??“

„Ich liebe dich“, wiederholte Kakashi und flehte innerlich seinen Magen an, ihm das hier nicht zu ruinieren.

„Du siehst so aus als würdest du dich gleich übergeben“, stellte Yamato irritiert fest.

„Nimm es bitte nicht persönlich, wenn ich das tue. Ich bin sehr zuversichtlich, dass eine Zeit kommen wird, in der ich dir das sagen kann, ohne dass mein Körper dagegen rebelliert. Wenn du mir noch eine Chance gibst, natürlich.“

Überfordert schüttelte Yamato den Kopf und Kakashi hatte bereits Angst, dies wäre seine Antwort.

„Warte mal. Ich brauche einen Moment.“ Yamato massierte nachdenklich seine Schläfen. „Woher weiß ich, dass du es dir nicht wieder anders überlegst?“

„Naruto will mich darin schulen, nicht wegzulaufen.“ Kakashi machte eine kurze Pause, ehe er hinzufügte: „Ich weiß, dass ich ein Idiot bin, der viel zu lange dafür gebraucht hat, um zu verstehen, dass ich dich brauche, Tenzou. Es ist unerträglich, dich nicht bei mir zu haben. Ich liebe dich. Ich liebe dich.“ Beruhigt stellte Kakashi fest, dass die Übelkeit etwas nachließ.

Yamato seufzte ein weiteres Mal, als er auf den Anderen zuging. „Du treibst mich in den Wahnsinn.“ Ohne Vorwarnung zog er zur Überraschung des Älteren dessen Maske hinunter und küsste ihn.

„Aber ich liebe dich“, fügte er hinzu, nachdem sich ihre Lippen wieder voneinander trennten.

Kakashi lachte erleichtert und küsste Yamato sofort aufs Neue. Küsste ihn wieder und wieder, drückte ihn an sich und wollte ihn am liebsten nie wieder loslassen.

„Wir sollten uns an dieser Stelle vielleicht etwas bremsen“, warnte Yamato, als er Kakashis Lippen an seinem Nacken bemerkte. „Wir sind schließlich in Genmas Wohnung ...“

„Ach, Naruto wird den schon eine Weile beschäftigen“, entgegnete Kakashi lächelnd und machte unverhohlen weiter.

„Genma wird mich nie wieder hier aufnehmen, wenn er erfährt, was wir hier machen“, sagte Yamato amüsiert.

„Das muss er auch nicht mehr“, erwiderte Kakashi und konzentrierte sich voll und ganz auf den Mann, den er liebte.

 

Aber nicht mit Eile

Im Laufe der Jahre überkam Kakashi immer mal wieder die Angst, er könnte Yamato verlieren. Er versuchte gerne, so etwas zu überspielen, aber alleine schaffte er es nicht. Was er allerdings auch überhaupt nicht musste. In regelmäßigen Abständen redete Naruto ihm ins Gewissen und irgendwann hatte Yamato ein Gefühl dafür entwickelt, es zu bemerken, wenn Kakashi wieder einmal mit seinen Dämonen kämpfte. Dann wusste er, dass er den Anderen daran erinnern musste, dass alles in Ordnung war und auch bleiben würde. So unfassbar es Kakashi auch selbst vorkam, ihr Arrangement funktionierte. Jahre, nachdem Naruto ihm zum ersten Mal ins Gewissen geredet hatte, registrierte Kakashi, wie seine Angstzustände nachließen. Ähnlich wie Yamatos Albträume würden sie vermutlich nie völlig ausbleiben, aber sie blieben auf einem erträglichen Mindestmaß.

Als sämtliche Schützlinge schon verheiratet waren und damit begonnen hatten, Kinder in die Welt zu setzen, fragte er Yamato, ob sie in ein größeres Haus umziehen wollten. Er konnte nicht einmal den Satz zu Ende bringen, dass seine alte Einzimmerwohnung ihm nun wohl doch langsam etwas zu klein geworden war, als Yamato ihm bereits Pläne für ein Haus präsentierte. Genug genesen, um ihnen ein riesiges Haus hinzustellen, musste Kakashi den Jüngeren bremsen, da er doch bescheiden bleiben wollte. Während Yamato beim Anblick des „bescheiden, aber eines Hokage würdig“- Baus fast vor Stolz platzte, erfreute Kakashi sich mehr an dem Anblick seines glücklichen Kohais.

Es war so einfach, ihn glücklich zu machen. Und Kakashi liebte es, dies zu tun.

Natürlich blieb ihre Beziehung nicht auf ewig verborgen. Und natürlich gab es Menschen, die etwas dagegen hatten. Kakashi wunderte sich, wie er es auch schon als Kind getan hatte, ob diese Leute wirklich glaubten, er würde nicht mitkriegen, dass sie über ihn tuschelten. Vielleicht wollten sie auch, dass er sie hörte. Solange sie sonst nichts machten, war es ihm mit ziemlicher Sicherheit egal, wenn es ihn auch manchmal verärgerte. Besorgt war er mehr um Yamato, aber dieser winkte, darauf angesprochen, nur ab.

„Bitte, ich musste mir schon so oft anhören, als Kopie des ersten Hokage eine Schande für Konoha zu sein, da macht mir das jetzt auch nichts mehr aus.“

Auch Kakashis Sorge als Hokage an Macht zu verlieren, war unbegründet gewesen. Ehe die meisten begriffen hatten, was los war, hatte er das Dorf schon jahrelang regiert. Ziemlich erfolgreich sogar. Zudem hatten sie Naruto auf ihrer Seite – und kaum jemand wandte sich öffentlich gerne gegen den Helden aus Konoha.

 

Bei genau diesem saßen sie nun auf dem heimischen Sofa und warteten auf das Eintreffen der anderen.

„Ich kann nicht fassen, dass ich zu früh bin“, mäkelte der Hokage. „Das ist dein schlechter Einfluss.“

„Du meinst wohl guter Einfluss“, erwiderte Yamato.

„Die anderen kommen auch gleich“, erklärte Naruto. Hinata musste noch ein paar letzte Besorgungen mach-“

„Paaaaapaaaaa! Boruto malt schon wieder mit Filzstiften auf die Wände!“, ertönte eine Mädchenstimme aus einem anderen Raum.

„Stimmt gar nicht! Das sind Wachsmalstifte!!“, korrigierte Narutos Sohnemann trotzig.

„WAAAS?“ Naruto geriet ins Schwitzen und war sichtlich peinlich berührt von dem Chaos, welches bei ihm herrschte. „Äh, ihr wartet hier kurz. Ich habe die Situation vollkommen unter Kontrolle.“ Als Naruto schimpfend hinaus rannte, kicherte Kakashi.

„Ich liebe dieses Schauspiel. Jahr für Jahr.“

Es war Narutos Geburtstag, Kriegsende, wie man es auch nennen wollte. Und sie trafen sich jedes Jahr, um dies zu feiern.

„Meinst du nicht, wir sollten ihm helfen?“, wandte Yamato pflichtbewusst ein, aber der Andere winkte ab.

„Nein, das ist Karma. Lass mich bitte das Karma genießen.“

Gerade als Yamato amüsiert den Kopf schüttelte, kam die kleine Himawari, eingewickelt in etwas, das wohl bis eben noch eine Gardine gewesen war, durch die Tür spaziert. In einer Hand hielt sie noch eine Schere.

„Onkel Kakashi, Onkel Yamato! Seht mal, ich bin eine Prinzessin!“

„Und was für eine hübsche Prinzessin du bist“, antwortete Kakashi lachend, während Yamato ihr die Schere aus der Hand nahm und sie in sicherer Distanz ablegte.

„Himawari! Nein! Nicht schooon wieder!“ Naruto kam samt Sohn unterm Arm wieder hinein und seufzte tief.

„Ja, doch, ich genieße das Karma auch“, stimmte Yamato ihm schadenfroh zu.

 

Es dauerte nicht lange, bis die anderen eintrafen und es dauerte noch viel kürzer, bis Ino und Sakura sich über Fragen der Kindererziehung in die Haare bekamen. Naruto und Sasuke schafften es grundsätzlich über irgendetwas anderer Meinung zu sein, und so stieg der Lautstärkepegel (obwohl Sai und Hinata Schlichtungsversuche unternahmen) auf ein erhebliches Maß an. Kakashi wusste, dass es deswegen keinen Grund zur Sorge gab, denn jeder Streit dieser Art verflüchtigte sich binnen kürzester Zeit von alleine. Trotzdem zog er sich währenddessen gerne aus der Schusslinie zurück. Keine drei Sekunden, nachdem er sich vor dem Krach aus dem Wohnzimmer in die Hyuga-Uzumaki-sche Küche gerettet hatte, folgte Yamato ihm auf dem Fuße.

„Alles in Ordnung?“

„Ja.“ Kakashi drückte mit zwei Fingern auf seine Schläfen. „Ich brauche nur eine kurze Pause von dem Geschrei.“ Er lehnte sich gegen eine Arbeitsplatte.

Yamato lachte leicht und gesellte sich neben ihn. „Kann ich verstehen. Ich dachte immer, Kinder würden mehr Geschrei als ihre Eltern veranstalten. Muss eine Fehlinformation gewesen sein.“

Als hätten sie ihr Stichwort gehört, marschierten eine determiniert dreinblickende Sarada mit Boruto und Inojin im Schlepptau in die Küche.

„Onkel Yamato, Onkel Kakashi, darf ich euch etwas fragen?“ Ihr bestimmender Tonfall verriet, dass die Höflichkeit nur pro forma war. Fragen würde sie so oder so. Boruto sah die zwei Erwachsenen neugierig an und Inojins ausdrucksloses Gesicht stand dem seines Vaters in nichts nach.

„Schieß los“, antwortete Kakashi, gespannt, was nun kommen mochte.

„Seid ihr ein Liebespaar?“, fragte Sarada sogleich.

Kakashi wechselte einen kurzen Blick mit Yamato und beantwortete ihre Frage mit einer Gegenfrage: „Was denkst du denn?“

„Ich denke, ihr seid eins.“

„Dann hast du damit Recht“, antwortete er lächelnd.

„Ha!“ Triumphierend wandte das Mädchen sich Boruto zu. „Ich hab´s doch gesagt!“

„Echt jetzt? So was geht?“ Boruto blinzelte überrascht.

„Ja, so was geht“, erwiderte Yamato amüsiert.

„Das hab ich nicht gewusst!“ Narutos Sprössling war sichtlich unglücklich darüber, gegen Sarada verloren zu haben.

„Ich hab´s doch gesaaagt, ich hab´s doch gesaaagt“, trällerte sie siegreich, während sie und Boruto zurück ins Wohnzimmer gingen.

„Ich hab es auch gesagt“, wandte Inojin sich schulterzuckend an die Älteren. „Aber auf mich hört nie jemand.“ Dann folgte er seinen Freunden.

Belustigt den Kopf schüttelnd, sah Kakashi ihnen nach. „Warum durfte ich nicht die drei als Genin haben? Vielleicht bilde ich mir das ein, aber sie wirken so viel pflegeleichter.“

Für einen kurzen Moment trat Ruhe ein, dann erst ergriff Yamato, etwas unbehaglich, das Wort. „Hast du eigentlich je Kinder gewollt?“

Kakashi sah ihn überrascht an. „Es tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber: So wunderschön unsere Kinder auch wären, die Wissenschaft ist leider noch nicht so weit.“

Der Jüngere stutzte und wedelte dann abwehrend mit den Händen. „So habe ich das doch nicht gemeint!“ Kakashi lachte und Yamato wusste, dass der Andere sich mal wieder einen Spaß erlaubt hatte. „Scherzkeks. Ich meinte natürlich, ganz allgemein.“

„Ganz allgemein höre ich durch diese Wand die Kinder, die mir völlig ausreichen. Und deren Kinder.“

Einen flüchtigen Blick zur Tür werfend, nickte Yamato. „Ja, so sehe ich das auch.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Ich weiß, man sollte keinen Liebling haben, aber ...“

„Bei dir ist es Sai, oder?“, vervollständigte Kakashi den Satz und der Andere lächelte verlegen.

„Ist es so offensichtlich? Hast du auch einen?“

„Sakura, definitiv Sakura“, antwortete Kakashi.

„Wirklich? Ich dachte-“

„Bei Sasuke hab ich so ziemlich alles vermasselt, was möglich war und der Überraschungsninja Nummer Eins hat mich Jahre meines Lebens gekostet. Sakura habe ich schrecklich vernachlässigt und sie stellte sich dann als die Vernünftigste der ganzen Gruppe heraus.“ Er seufzte ein wenig wehmütig, was Yamato mit einem kleinen Themenwechsel auffangen wollte.

„Was denkst du? Ist Naruto bald soweit, um Hokage zu werden?“

„Das sicherlich. Aber ich möchte ihm noch ein bisschen Zeit mit seiner Familie geben. Er wird für sie nicht mehr so viel Zeit haben, wenn er Hokage wird.“

Diese Bemerkung ließ Yamato unweigerlich lächeln. „Du opferst dich also noch ein bisschen auf, um ihm Zeit zu geben?“

Kakashi seufzte sanft. „Man gewöhnt sich an alles. Es ist ja nicht alles schlecht daran, Hokage sein zu müssen.“

„So?“, hakte Yamato nach, wohlwissend, dass Kakashi sein Amt nicht gerade mit Freude ausübte.

„Na ja, ich darf zum Beispiel mit meinem Assistenten schlafen.“ Dieser Scherzkeks!

„Tsk“, entgegnete der Jüngere, sichtlich rot werdend. „Und hast du schon Pläne für deinen Ruhestand?“, fragte er nun in der Absicht, die Konversation wieder in eine andere Richtung zu lenken.

Nach einer kurzen Überlegung, antwortete Kakashi ernst: „Ich denke auch nicht, dass die Wissenschaft dann schon soweit sein wird.“

„Argh! Du weißt, dass ich das nicht gemeint habe.“ Yamato verschränkte zu Kakashis Belustigung beleidigt die Arme vor der Brust.

„Na schön, ganz ernsthaft dann“, fuhr der Hokage fort. „Ich habe von einem traumhaft klingenden Ort mit heißen Quellen gehört. Nur vier Tage von Konoha entfernt.“

„Das klingt wirklich traumhaft“, stimmte Yamato zu. „Und … dahin möchtest du dann?“, fügte er zaghaft hinzu.

Kakashi musterte ihn. Dachte Yamato tatsächlich das, was er glaubte? Er seufzte innerlich. Manche Dinge änderten sich nie. „Da soll man ganz wunderbar nichts tun können“, erklärte Kakashi weiter. „Den ganzen Tag lang. Oh, und der Ort ist berühmt für Kokeshi-Puppen. Ich kann dir ja eine mitbringen.“

„Ha, ja, mach das.“ Das Gesicht des Jüngeren verriet kurz seine Enttäuschung, die er schnell versuchte, zu verbergen.

„Oh, Yamato.“ Kakashi warf ihm einen dieser Blicke zu, die er am besten noch aus ihrer Anbu-Zeit kannte. Gewöhnlich hieß dieser Ausdruck „Du hast mal wieder etwas nicht verstanden.“

„Dir ist schon klar, dass ich davon ausgehe, dass du mitkommen wirst“, sagte Kakashi. „Natürlich nur, wenn du willst.“

Yamatos Augen weiteten sich für einen flüchtigen Moment, dann versuchte er, so zu tun, als sei ihm das von Anfang an klar gewesen. „Selbstverständlich ist mir das klar. Und selbstverständlich will ich auch mitkommen.“

„Gut, damit haben wir dann definitive Pläne für den ersehnten Ruhestand.“

„Was auch immer du unter definitiven Plänen verstehst.“

Sie lächelten sich gegenseitig an und machten sich auf den Weg zurück zu den anderen, die wieder einträchtig beieinander saßen. Ein kurzer Blick in das Gesicht des jeweils Anderen verriet sowohl Kakashi als auch Yamato, dass sie sich beide bereits den gemeinsamen Ruhestand ausmalten. Aber sie wussten, dass sie keine Eile damit haben mussten, denn schon hier und jetzt hatten sie einander.

 

And I will love with urgency.

But not with haste.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Laut meines Wörterbuchs findet sich unter dem Eintrag "ukki" im Japanischen nur ein Wort für Depressionen und Melancholie. Keine Ahnung, was Kishi sonst mit "ukki" gemeint haben könnte, aber ich habe das mal aufgegriffen und deswegen heißt Yamatos Pflanze nun "sachi", was übersetzt etwa "Glück" bedeutet. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Falls es wen wundert: Ich stelle mir vor, dass Kakashi es gerne hätte, wenn man ihn wie immer anspricht. Also nicht mit dem Hokage-Titel. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Wenn die Kinder ooc sind, liegt das daran, dass ich den Boruto/Sarada-Manga nie gelesen habe.

Ich bedanke mich noch einmal bei allen, die Kommentare geschrieben haben und auch bei denen, die meine FF als Favorit eingetragen haben. Ich hoffe, jeder hatte Spaß beim Lesen. ^^
Es sollte so viel mehr Kakashi x Yamato Fanworks geben. Die beiden sind so toll. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (40)
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Von:  Jaelaki
2017-04-04T12:03:29+00:00 04.04.2017 14:03
Awww, schöner Epilog. Und ich finde die Kinder sehr passend. : )
Die Dialoge sind herrlich und ich konnte mir das Chaos in Narutos Heim wunderbar vorstellen. Ja, ja. Karma. ;-D
Es war echt eine nette Geschichte! Ich habe sie gerne gelesen (und dabei mein NaNo Camp gerade etwas vernachlässigt, Schande über mich ...)!
Die ganze Story hat mich irgendwie zurückversetzt ... die beiden werden für mich wohl immer besondere Charaktere bleiben ... : )
Danke dir für die schönen Kapitel!
Ich wünsche dir gute Besserung!
~LG Jaelaki
Von:  Jaelaki
2017-04-04T11:51:28+00:00 04.04.2017 13:51
Natürlich, Naruto muss es richten. ; ))
Hach, was hatte ich in einem meiner vorherigen Kommentare geschrieben? Eben genau das. Naruto ist das beste Beispiel. Auf der anderen Seite sind beide seiner Eltern tot ... also vielleicht doch nicht das beste Beispiel. x'D
Nach meinem Geschmack spricht Kakashi hier diese berühmt-berüchtigten Worte zu oft aus. Ich halte ihn eher für jemanden, der seine Liebe nicht durch Worte, sondern durch Taten zeigt ...
aber ansonsten ist es ein schönes, rundes Kapitel. : )
~LG Jaelaki
Von:  Jaelaki
2017-04-04T11:25:01+00:00 04.04.2017 13:25
Natürlich musste dieser Konflikt kommen.
Allerdings kann ich Kakashis Sicht nicht ganz nachvollziehen. Immerhin hat ihre Beziehung nichts mit dem Angriff der Ne zu tun, die hatten es ja nicht auf den Hokage abgesehen, sondern tatsächlich auf »Verräter«.
Sicherlich könnte man aufführen, dass Kakashis Gefühle in von seiner Arbeit ablenken ... aber das tun sie auch in Bezug auf sein Team ... wenn auch die »Liebe« eine andere ist.
Yamatos Reaktion kann ich gut verstehen.
Kakashi weinend auf dem Boden ... naja ... das sehe ich irgendwie nicht so vor mir. Ich denke, er würde es eher verdrängen und ignorieren.
~LG Jaelaki
Von:  Jaelaki
2017-04-04T11:17:55+00:00 04.04.2017 13:17
Tolles Kapitel. Es gib Action und Spannung.
Ne ist ja sowieso so eine Sache ... irgendwie interessant, aber auch creepy. Wahrscheinlich gerade deswegen.
Hätte auch im Canon gerne mehr über die erfahren ...
Armer Sai, armer Yamato ... aber Rettung ist in Sicht. ; )
~LG Jaelaki
Von:  Jaelaki
2017-04-04T11:10:09+00:00 04.04.2017 13:10
Oooh, Kakashi in der Vaterrolle sozusagen. Es ist auf jeden Fall verständlich, dass er sich Gedanken um sein Team macht. Er hat sie ja mehr oder minder aufwachsen sehen ...
Allerdings balancierst du hier diese schmale Linie zwischen Fluff und Kitsch. Ersteres ist ab und zu okay, letzteres mag ich nicht – vor allem nicht in Bezug auf Kakashi.
Mal schauen, ob du die Kurve bekommst, ich hoffe es. : )
~LG Jaelaki
Von:  Jaelaki
2017-04-03T22:48:57+00:00 04.04.2017 00:48
;-D
Sehr genial. Vor allem der letzte Absatz.
Ja, das passt zu Kakashi. Was ist schon Semantik? ; )
Tsunade hätte etwas »cholerischer« sein können meiner Meinung nach, aber Kakashi empfand ich auf den Punk.
Das Gespräch liest sich super. Und der arme, ahnungslose Yamato. Herrlich. : ))
~lg Jaelaki

Von:  Jaelaki
2017-04-03T22:41:23+00:00 04.04.2017 00:41
Haha. Ja, sie sollten damit aufhören. Aber mal ehrlich ... sie brechen nicht einmal eine Regel. Sonst hätte es Naruto nicht gegeben ... (Minato und Kushina) ... und auch später keinen Boruto ... ;-D
Ich mag es, wie du die Dynamik zwischen den beiden darstellst. Das ist echt super. Auch die körperlichen Andeutungen.
Die Formulierung, dass es sich nicht nur um etwas Körperliches handelte, hätte ich an deiner Stelle weggelassen und stattdessen einfach nur die Beispiele angeführt, die eben zeigen, dass es mehr als das ist. Leser sind nicht doof. Die können durchaus zwischen den Zeilen lesen ... : )
~LG Jaelaki
Von:  Jaelaki
2017-04-03T22:34:45+00:00 04.04.2017 00:34
Schönes Kapitel!
Nach der Grundlage mit dem Alkohol ... was mich nicht sehr glücklich gemacht hatte ... war ich etwas zwiespaltig, aber dieses Kapitel reißt es wieder völlig um.
Natürlich muss sich Kakashi zu viele Gedanken machen, aber Yamato ist mutig. Yay! : )
Toll!
Was ich etwas ... naja, klischeehaft finde, ist das mit der Luft und dem Küssen. Ich meine, sie halten sich währenddessen nicht die Nasen zu, oder? Warum sollte die Luft knapp werden. Verstehe ich nie in solchen Geschichten ... x)
Der letzte Satz dagegen ist Gold wert. ;-D
~Jaelaki
Von:  Jaelaki
2017-04-03T22:24:50+00:00 04.04.2017 00:24
Okay, also Alkohol als die Lösung ihrer Probleme? Nunjaaah, ich bin gespannt, wie Yamato reagieren wird, wenn er wieder aufwacht.
Ansonsten waren die Charaktere wie gewohnt toll dargestellt.
Nur das mit dem Alkohol ... mh. Mal schauen.
~LG Jaelaki
Von:  Jaelaki
2017-04-03T19:51:59+00:00 03.04.2017 21:51
Uff, ja, eine Menge.
Und Konoha hat eine Menge verbockt. (Ich finde ja, das wird im Canon gerne überspielt ...)
Es ist schön zu lesen, wie die beiden sich einander vertrauen. Gegenseitig. Denn dass Kakashi etwas Persönliches erzählt, kommt ja auch mal alle Schaltjahr (seltener) vor ...
Schön geschrieben. Hatte die Szenen richtig vor Augen. : )
~LG Jaelaki


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