Kapitel 01: Unterm Sternenhimmel
„NEIN!!“, schrie Nami und schreckte aus ihrem Bett hoch. Wild schaute sie sich um, während sich ihre Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnten, die überall um sie herum war. Sie fing an ein Zimmer zu erkennen, aber konnte es nicht zuordnen. Ihre Panik war viel zu groß, um klar denken zu können.
Erst nach einigen Sekunden realisierte sie, dass eine Stimme mit ihr redete. Aber auch hier war es der Orangehaarigen unmöglich logisch nachzudenken, um die Quelle der Stimme zuordnen zu können. Ihr Bewusstsein für ihren eigenen Körper kehrte nun ebenfalls zurück und sie spürte an ihrem ganzen Körper kalten Schweiß.
„Nami! Kannst du mich hören?“, fragte die Stimme und die Navigatorin drehte ihren Kopf zu der Seite, von der ein Arm kam, der ihre Schulter berührte, anscheinend um sie zu beruhigen. „Nami! Hattest du einen Albtraum?“
Erst jetzt fokussierte die Orangehaarige die Person neben sich. Eine Frau mit langen schwarzen Haaren und mit wunderschönen braunen Augen, deren Schönheit durch die Besorgnis, die sich in ihnen widerspiegelte, ein wenig getrübt wurde. Nach und nach konnte Nami die Merkmale ihres Gesichts zuordnen, bis ihr Gedächtnis endlich den passenden Namen liefern konnte.
„R-Robin?“, fragte die Navigatorin angeschlagen. Nicht nur, dass sie noch müde war, ihr Albtraum nahm ihr jegliche Kraft, die sie noch hätte aufbringen können.
„Ja, ich bin hier. Hattest du einen Albtraum? Keine Angst, er ist vorbei.“, versuchte die Archäologin ihre Freundin zu beruhigen. Aber das schien vergeblich zu sein.
Die arme Frau vor ihr konnte ihre Atmung nicht unter Kontrolle bringen und ihr Brustkorb hob sich in kurzen Abständen. Ihre Augen drohten vor Angst wieder ihren Fokus zu verlieren und auch das Zittern von der Orangehaarigen war so stark, dass es selbst bei den schlechten Lichtverhältnissen deutlich zu erkennen war.
Robin dachte nach. Sie musste schnell etwas sagen, was Nami diesen Traum vergessen lässt. Sie brauchte nur für wenige Sekunden ihre volle Aufmerksamkeit, damit die Navigatorin erkannte, dass sie nicht mehr in einem Albtraum gefangen war. Würde ihr panischer Zustand weiterhin so anhalten, wobei der Schwarzhaarigen die unregelmäßige und viel zu schnelle Atmung am meisten Sorgen machte, könnte sie ihr Bewusstsein verlieren. Die Archäologin benutzte den einzigen Anhaltspunkt, den sie von Namis Traum hatte.
„Du hast im Schlaf nach Ruffy gerufen. Soll ich ihn holen?“
Das Zittern wurde schwächer. Die unregelmäßige Atmung wurde wieder regelmäßiger, wenn auch weiterhin zu schnell und der jungen Frau fiel es nun leichter ihre Augen auf ihr Gegenüber zu fokussieren. Robin war sich sogar sicher, dass die Seelenspiegel der Navigatorin kurz einen Ausdruck von Hoffnung hatten, bevor dieser zu einem erschrockenen wurde.
„Ruffy?! Ruffy ist hier?!“, wollte die Orangehaarige wissen, während weiterhin Panik in ihrer Stimme mitschwang.
„Natürlich. Er ist an Bord, im Zimmer genau unter uns. Genauso wie Zorro, Lysop, Sanji, Chopper, Franky und Brook.“
„Er hat mich nicht verlassen…“, murmelte Nami leise und lies sich erschöpft zurück auf ihre Matratze fallen.
„Nami!“, rief die Archäologin in der Angst, dass ihre Freundin ohnmächtig geworden ist. Allerdings konnte sie die Navigatorin noch reden hören.
„Ein Glück…! Er hat mich nicht verlassen… Er hat mich gerettet. Dank ihm bin ich jetzt hier. In Freiheit…“
Die Orangehaarige warf nun die Decke, die nach ihrem Panikanfall von ihrem Oberkörper gefallen war und mittlerweile nur noch ihre Beine bedeckte, zur Seite und stand aus dem Bett auf. Die Schwarzhaarige, die neben ihr im Bett lag, schaute ihr nur mit einem fragenden und besorgten Blick hinterher.
„Ich brauche nur kurz etwas frische Luft…“, begründete sie ihr Verhalten und verließ den Raum.
Auf dem Deck angekommen, ging die junge Frau auf die Reling zu und stützte sich mit den Händen vom Holz ab. Zuerst blickte sie auf das weite Meer, welches in der Nacht nicht mehr blau, sondern schwarz erschien. Es wurde lediglich vom Mond beleuchtet, sodass sie ungefähr die Wellen erkennen konnte. Das Geräusch des Meeres, welches immer wieder seine Wellen gegen die Seite der Thousand Sunny warf und diese dadurch leicht umher schaukelte, gab ihr ein Gefühl der Beruhigung.
Sie richtete ihren Blick in den Himmel, wo sie Tausende Sterne sah, die anscheinend noch heller funkelten, um der jungen Frau Trost zu spenden. Vielleicht wollten sie ihr auch einfach nur sagen, dass sie nicht alleine ist, Nami wusste es nicht. Ihr Verständnis für das Meer war fast grenzenlos. Selbst die kleinste Welle oder der geringste Luftzug verrieten ihr, was passieren würde. Jede Strömung, jedes Riff und jeden Sturm konnte die Strohhut-Bande dank diesem Verständnis bisher überstehen.
Und auch wenn sie die Wolken deuten konnte, mit denen der Wind häufig spielte und sie sich mit den Sternbildern auskannte, um selbst ohne Kompass zu wissen, wo sie hinmüssen, konnte sie nicht verstehen, was dieser Sternenhimmel, der ihr wieder neue Hoffnung machte und sie beruhigte, ihr sagen wollte. Warum sie jeden einzelnen Stern am Firmament sehen konnte und kein einziger von einer Wolke verdeckt wurde. Und das in der Neuen Welt. Es hätte jetzt ein Sturm toben können, der nicht nur die Sterne verdeckt, sondern der Navigatorin auch keine Chance gegeben hätte sich zu entspannen und sich von dem Funkeln in der Nacht beruhigen zu lassen. Sie wusste nicht, warum ihr dieser Sternenhimmel so mysteriös vorkam. Vielleicht weil sie sich schon seit langer Zeit nicht mehr auf die führenden Lichter im Himmel verlassen konnte. Nicht nur, dass es auf der Grandline zu gefährlich war in der Nacht zu segeln, darüber hinaus war jegliches Verständnis über die Sternbilder nutzlos. Selbst wenn man wusste, wo welche Himmelsrichtung liegt, war man auf den Log Port angewiesen. Der Sternenhimmel war auf der Grandline für einen Navigator eigentlich völlig uninteressant, da er nicht bei der Navigation half. Aber bei Nami war das anders. Ihr half der Sternenhimmel. Unter dem Funkeln konnte sie sich beruhigen und all ihre Ängste für einen Moment vergessen. Sie konnte sich daran erinnern, was sie alles hatte und konnte spüren, dass die Dinge, die sie verloren hat immer noch bei ihr waren. Vor allem hatte sie in einer klaren Nacht wie dieser das Gefühl, dass ein Mensch, den sie über alles liebte, sie beobachten konnte. Die Orangehaarige lächelte.
„Bellemere-san… Du kannst mich gerade sehen, oder? Bist du stolz auf mich? Ich habe Freunde gefunden, die alles für mich tun würden. Auch wenn sie ein wenig komisch sind und mir manchmal echt auf die Nerven gehen, sind sie wie eine Familie für mich. Ist schon lustig, was das Leben für einen bereit hält. Ich habe Piraten mal über alles gehasst und jetzt bin ich selber Piratin geworden. Er… hat mir gezeigt, dass es auch andere Piraten gibt. Nicht alle Piraten töten Menschen, plündern Städte und reißen Familien auseinander. Es gibt auch andere, die den Menschen helfen und sie aus der Not befreien. Piraten, die alles für ihre Freunde tun würden, egal mit wem sie sich anlegen müssen. Sie kämpfen gegen andere Piraten, gegen die Marine oder sogar gegen die ganze Welt, nur um einem Freund zu helfen. Es ist genauso wie du gesagt hast. Wenn wir weiterleben, werden wir eines Tages glücklich sein.“
Die junge Frau war so auf die Sterne am Firmament fixiert, dass sie ihre Umgebung kaum noch wahrnahm. Nur das Rauschen der Wellen und das leise Knarzen des Holzes der Thousand Sunny drangen an ihr Ohr.
Die merkwürdigen Geräusche, die hinter ihr durch die Nacht hallten, wurden nicht von ihr gehört. Verständlicherweise, immerhin waren diese nicht so entspannend und leise, sondern eher nervig und laut. Selbst als die Quelle dieses Lärms ihr Treiben beendete und an Deck kam, war der Navigatorin immer noch nicht die zweite Präsenz aufgefallen, die sich ihr langsam näherte. Diese bewegte sich auf Zehenspitzen übers Deck, um nicht gehört zu werden, allerdings wären selbst laute Schritte der Orangehaarigen entgangen.
Nami schaute nun auf das Oberdeck zu ihren geliebten Orangenbäumen. Für einen kurzen Moment sah sie vor ihrem inneren Auge ihre Mutter, die gerade die Bäume pflegte. Ihre Angst und Panik waren mittlerweile völliger Gelassenheit gewichen. Die junge Frau fühlte sich sicher und beschützt.
Die zweite Präsenz auf dem Deck, die durch die Bewegung der Navigatorin aufgeschreckt wurde, als sich diese zum Oberdeck umdrehte, fixierte nun Nami und blieb stehen. Danach bewegte sie sich langsam auf die Orangehaarige zu, welche immer noch zu gedankenverloren an der Reling stand, um die andere Person zu bemerken.