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Girls Girls Boys

von

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 Wir spielen bestimmt eine Stunde lang, ehe Naruto zum ersten Mal den Controller weglegt und mich mit einem schiefen Grinsen mustert. Ich bin gestorben. Wahrscheinlich schon hundert mal, doch die Konzentration fehlt. Schließlich sitze ich direkt neben ihm, Schulter an Schulter – ich spüre jede Vibration, die sein Controller von sich gibt, wenn er eine bestimmte Bewegung ausführt. Er ist mir so nahe, dass ich ihn riechen kann.

 

„Du bist wirklich schlecht, echt jetzt“, sagt er und nimmt mir das schwarze Stück Plastik aus der Hand. „Du hast keine Konsole, oder? Bist du mehr der PC-Gamer?“ Ich bin gar kein Gamer. Ich mache mir nichts aus diesen Dingen.

 

„Gelegentlich.“

 

„Also überhaupt kein Spieler?“, hakt er mit gerunzelter Stirn nach. „Mensch, Sasuke, das ist doch langweilig! Was machst du in deiner Freizeit?“ Ich lerne. Immer und immer wieder. Und wenn ich nicht gezielt lerne, dann suche ich nach Dingen, die es zu lernen gibt. Zum Beispiel fertige ich Thesen darüber an, wer du wirklich bist.

 

„Nicht wirklich“, antworte ich auf seine erste Frage. „Ich lerne“, gebe ich ehrlich zu und blicke dann zur Seite, weil mich sein intensiver Blick irritiert.

 

„Hast du eigentliche eine Freundin?“ Diese Äußerung lässt mich gegen meinen Willen die Stirn runzeln und zwingt mich dazu, ihn wieder anzusehen.

 

„Nein.“

 

„Wieso nicht?“, hakt er nach, als würde er über das Wetter sprechen. Über gutes Wetter. Auch wenn diese Frage alles andere als gutes Wetter bedeutet. Sie ist wie ein Sturm, der kalten Schauer über meinen Rücken jagt. Wie soll ich ihm antworten?

 

„Kein Interesse an Beziehungen“, rede ich mich also heraus und stehe dann auf, unabhängig davon, dass sich meine Beine weich anfühlen.

 

„Häh?“ Jetzt ist er es, der die Stirn runzelt. „Wie jetzt? Bist du mehr der One-Night-Stand Typ?“

 

Ich bin gar kein Typ. Mich kann man nicht kategorisieren. Zumindest nicht, wenn es von einem normal sterblichen Verstand verlangt wird. Man würde mich höchstens als verrückt bezeichnen.

 

„Ja …“, lüge ich gezwungen und frage dann, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen, ob ich sein Bad benutzen kann. Es ist der erste Moment, in dem ich mir wünsche, kurzzeitig von ihm getrennt zu sein. Eine so gewöhnliche Frage, die mich völlig unvorbereitet trifft, muss in Ruhe verarbeitet werden.

 

Mit feuchten Handflächen betrete ich sein Badezimmer. Das Badezimmer, das er sich mit seinem Bruder teilt. Er duscht hier. Zieht sich aus. Blickt in den Spiegel, so wie ich es gerade tue. Ein irres Kribbeln durchfährt mich, als ich meine Reflexion betrachte. Ich stehe an der Stelle, an der er täglich steht. Zumindest stelle ich es mir vor. Jeden Morgen, wenn er sich für die Schule fertig macht, steht er hier. Er wäscht sich das Gesicht, das Wasser fließt aus dem Wasserhahn … er benutzt Haargel, putzt sich die Zähne.

 

Ich atme tief ein, als meine zitternden Finger nach der blauen Zahnbürste greifen, die auf der Ablage in einem Becher steht. Ist es seine? Die abgenutzten Borsten lassen mich denken, dass es so ist. Naruto ist bestimmt der Typ Mensch, bei dem kleine Dinge schnell kaputtgehen, weil er sie nicht sorgfältig genug behandelt.

 

„Sasuke, alles okay bei dir?“ Erschrocken von dem plötzlichen Klopfen lasse ich die Zahnbürste los. Sie fällt geradewegs in das Waschbecken und schlägt gegen das Porzellan, kommt mit einem Ton auf, der mich halb panisch werden lässt. Hat er mich gehört? Hat er gehört, dass ich gerade seine Zahnbürste hab fallen lassen?

 

„Sasuke?“

 

„Alles okay“, zwinge ich mich ruhig zu sagen. „Ich bin gleich fertig.“

 

„Okay, ich geh mal fix runter und hol uns was zu essen. Ist Pizza okay für dich?“

 

„Ja.“

 

„Kaaay“, antwortet er mir und dann höre ich, dass sich seine Schritte entfernen.

 

 

 

 

Als ich Stunden später in meinem Bett liege und den Abend Revue passieren lasse, frage ich mich, ob sich in Zukunft etwas zwischen uns ändern wird. Er hat seine Nummer in mein Handy eingetippt. Ein Handy, das ich bisher nur wegen meiner Familie benutzt habe. Vielleicht ist ihm aufgefallen, wie leer die Kontaktliste war, als er seinen Namen eingetragen hat. Aber eigentlich ist es egal. Denn ich habe seine Nummer. Eine Möglichkeit, ihn immer zu erreichen, wenn das Bedürfnis entsteht. Ein natürlich konstant bestehendes Verlangen, das unterdrückt werden muss.

 

Wenn er nur wüsste …

 

 

 

Es ist mein Bruder, der mich am nächsten Morgen aus dem Schlaf holt. Aus zusammengekniffenen Augen blicke ich ihm entgegen, da er einfach das Licht angemacht hat, obwohl es draußen noch dunkel ist.

 

„Wie spät?“, brumme ich und richte mich auf. Itachi schmunzelt.

 

„Halb sechs.“

 

„Itachi, es ist Sonntag, warum hast du mich geweckt?“ Er blickt kurz über seine Schulter hinweg zur Tür, die, wie ich feststelle, geschlossen ist und setzt sich dann zu mir aufs Bett.

 

„Itachi?“, frage ich erneut und höre ihn seufzen.

 

„Ich brauch deine Hilfe.“

 

„Wobei?“

 

„Ich muss für ein paar Tage aus der Stadt verschwinden.“ Ich runzle die Stirn.

 

„Warum?“

 

„Das kann ich dir nicht sagen. Ich brauche Geld.“ Mein Herz schlägt bei dieser Aussage schneller als gewohnt.

 

„Weshalb? Was ist passiert? Warum brauchst du Geld?“ Ausgerechnet von mir? Ich bekomme nur Taschengeld, verdiene nichts außerhalb, so wie er.

 

„Bleib ruhig. Es ist alles okay, ich muss nur ein paar Sachen erledigen. Und dazu brauche ich mehr Geld.“

 

„Was ist mit Mum und Dad?“ Er schüttelt den Kopf. Okay, ich glaube, ich sollte mir wirklich Sorgen machen, wenn der Liebling der Familie mich aufsucht, weil er nicht mit unseren Eltern reden kann.

 

„Sie werden mir nicht helfen also brauche ich dich.“

 

„Itachi, hast du Ärger? Bist du … bist du in Schwierigkeiten?“ Ein schiefes Lächeln ziert seine Lippen, als sein Zeige- und Mittelfinger gegen meine Stirn tippen. Nicht so fest wie gewohnt, doch es reicht aus, um mir zu zeigen, dass er mir nicht mehr darüber erzählen wird.

Das war schon immer so. Diese Geste und ihre Bedeutung.

 

'Tut mir leid, Sasuke, vielleicht nächstes Mal'

 

Doch es gibt kein nächstes Mal. Das gab es noch nie.

 

„Im Schrank … ich hab ein bisschen was gespart.“

 

 

 

Als ich einige Stunden später frisch geduscht in die Küche gehe, um mit meinen Eltern zu frühstücken, fühle ich mich angespannt.

 

„Ah, Sasuke. Kannst du deinem Bruder Bescheid sagen, dass das Frühstück fertig ist?“ Ich schlucke, als meine Mutter mich lächelnd ansieht.

 

„Itachi ist nicht da.“ Mein Vater legt seine Zeitung beiseite und blickt mich fragend an.

 

„Und wo ist er?“

 

„Er ist heute Morgen zu einem Kollegen gefahren … er hat mich geweckt, er meinte, er muss etwas erledigen …“

 

„Junge“, unterbricht mich mein Vater, „hör auf zu stammeln und setz dich.“ Ich presse die Lippen aufeinander, tue aber das, was er von mir verlangt und setze mich an den Esstisch. Meine Mutter setzt sich ebenfalls, gewohnt an ihren Platz mir gegenüber und sieht mich abwartend an.

 

„Also, wo ist dein Bruder?“

 

„Ich weiß es nicht …“

 

„Was hat er gesagt? Weißt du, wann er wieder zurück sein wird?“

 

„Nein, er hat nur gesagt, dass er etwas erledigen muss.“

 

„Wann war das?“ Ich schlucke das trockene Gefühl in meinem Hals herunter. Ich fühle mich unwohl unter ihren strengen Blicken, obwohl nichts davon meine Schuld ist. Dennoch, wenn ich jetzt sage, dass Itachi sich Geld von mir geliehen hat, dann …

 

„Sasuke?“

 

„Ich weiß es nicht. Vor zwei Stunden schätze ich“, lüge ich und blicke dann nach unten auf den leeren Teller, der vor mir steht. Das teure Porzellan, das ein Hochzeitsgeschenk meiner Großmutter war. Ich finde es hässlich. Zu Pompös, um normalen Alltag zu simulieren.

 

„Sasuke“, beginnt mein Vater mahnend und lässt mich somit wieder aufsehen. „Wenn du weißt, wo Itachi steckt, wäre es ratsam, es jetzt zu sagen.“

 

„Ich weiß es nicht. Er hat mir nichts gesagt, okay?“ Meine Mutter zieht scharf die Luft ein, während die Nasenflügel meines Vaters sich aufblähen.

 

„Geh auf dein Zimmer.“

 

 

 

Itachi kommt in dieser Nacht nicht nach Hause und auch als ich am nächsten Tag mit dem Bus zur Schule fahre, fehlt jegliche Spur von ihm. Sein Handy ist aus – meine Eltern sind wütend, vielleicht sogar besorgt und geben mir die Schuld dafür, dass er gegangen ist. Doch was hätte ich tun sollen? Ich vertraue meinem Bruder. Er ist erwachsen und weiß was er tut. Das hat er bisher immer.

 

 

Lassen Sie uns heute über den Leistungserstellungsprozess reden.“

 

Die Sorge um Itachis Verschwinden macht es mir schwer, dem Unterricht zu folgen. Meine Notizen sind schlampig – und sogar Naruto bekommt nicht die gewohnte Aufmerksamkeit, obwohl er mich heute sogar mit einem Lächeln gegrüßt hat, nachdem er zu spät in den Unterricht geplatzt war.

 

Herr Inuzuka, was können Sie mir zum Thema Leistungserstellungsprozess sagen?“

 

Die Klasse lacht hinter vorgehaltener Hand, während Kiba die Augen verdreht und sein Buch aufschlägt.

 

Ohne Buch, Herr Inuzuka.“

 

Warum ständig ich? Warum nicht mal wer anderes?“, lehnt sich Narutos bester Freund auf, und ehrlich gesagt, ich kann ihn verstehen. Er ist immer derjenige, der von den Lehrern hochgenommen wird, sobald es um die Überprüfung von Wissen geht. Dabei gibt es so viele in dieser Klasse, die mindestens genauso wenig wissen wie er.

 

Weil Sie an der Reihe sind. Also?“

 

Ich schließe kurzzeitig die Augen, während ich dem unnützen Gestammel lausche, ohne es bewusst wahrzunehmen. Zumindest solange, bis ich spüre, dass das Handy in meiner Hosentasche vibriert. Unauffällig ziehe ich es hervor und frage mich im selben Augenblick, wer mir geschrieben haben könnte. Itachi vielleicht?

 

'Nicht schlafen, Sasuke-cakes!'

 

Meine Stirn runzelt sich, doch als ich sehe, dass Narutos Name hinter dem Absender steht, weiten sich meine Augen. Sasuke-cakes?

 

Blinzelnd blicke ich zu ihm herüber, er sieht nicht zurück, denn dazu müsste er sich drehen, doch sein Profil ist sichtbar und zeigt, dass er grinst.

 

Sasuke-cakes …

 

'Ich schlafe nicht. Und was ist Sasuke-cakes?'

 

Ich ringe geschlagene zwei Minuten mit mir selbst, ob ich die Nachricht wieder lösche und nicht absende, tue es dann allerdings doch. Das Kribbeln, das dabei in meinem Bauch entsteht, fühlt sich einfach zu gut an. Naruto schreibt mir … von sich aus. Er gibt mir einen Spitznamen – zugegeben, einen dummen Spitznamen, doch er gibt mir einen.

 

'Sasuke-cakes bist du! Und deine Augen waren zu. Über was denkst du gerade nach?'

 

Schmunzelnd lese ich seine Nachricht.

 

'Cakes ist ein seltsamer Spitzname … und ich denke über meinen Bruder nach.'

 

Seine Antwort lässt nicht lange auf sich warten.

 

'Cakes ist der beste Name überhaupt! Und warum denkst du über deinen Bruder nach? Hat er dich wieder genervt?' Diesmal presse ich die Lippen aufeinander.

 

'Er ist verschwunden … hat mich nach Geld gefragt und ist abgehauen, meine Eltern drehen ab.'

 

„Herr Uchiha, wären Sie so freundlich Ihrem Kameraden auszuhelfen?“ Ich zucke zusammen, als der Lehrer mich anspricht. Verdammt, ich habe überhaupt nicht zugehört. Und er weiß es offensichtlich, denn er grinst mich hämisch an.

 

„Tut mir leid, ich habe nicht aufgepasst“, erwidere ich ruhig, auch wenn ich innerlich einen halben Panikanfall erleide. Die ganze Klasse beobachtet mich. Mich, den Schatten. Mich, den nie jemand sieht.

 

„Packen Sie ihr Telefon weg. Wir reden noch immer über den Leistungserstellungsprozess. Was wissen Sie darüber?“

 

 

Es ist das erste Mal, dass ich aufgerufen wurde und vor der gesamten Klasse sprechen musste. Ein absoluter Albtraum. Jeder hat mich beobachtet. Angesehen. Alle Augen waren auf mich gerichtet. Alle haben mir zugehört. Meine Finger zittern, selbst nachdem die Stunde vorbei ist und der Großteil der Schüler aus dem Raum verschwunden ist, um in die Pause zu gehen.

 

Naruto ist noch hier, er kommt auf mich zu und grinst entschuldigend. Zumindest sieht es so aus.

 

„Sorry Sasuke, hätte ich gewusst, dass er dich im Visier hat, hätte ich nichts geschrieben.“ Ich lächle gequält, während ich ihn anblicke.

 

„Schon okay …“ Zwar habe ich mich nicht blamiert, da ich alle Fragen beantworten konnte, doch unangenehm war es trotzdem.

 

„Wirklich?“

 

„Ja.“

 

„Kay. Du hast geschrieben, dass dein Bruder abgehauen ist? Wie alt ist er überhaupt?“ Ich schultere meinen Rucksack und stehe dann auf.

 

„24.“

 

„Ahh“, grinst Naruto. „Er ist also auch so ne faule Ratte, die lieber zu Hause wohnt, anstatt sich was Eigenes zu suchen? Kyuubi ist auch so. Ich sag es dir, sobald ich 18 bin, zieh ich von zu Hause aus!“

 

Ich laufe gemeinsam mit ihm aus dem Klassenraum, während er über seinen Bruder, der nun endlich einen Namen hat, ablästert.

 

„Ich kann mir gar nicht vorstellen, so lang zu Hause abzugammeln. Meine Ma kann echt die Pest sein, und er tut es sich freiwillig an.“ Wie recht er hat. An Itachis Stelle wäre ich auch schon längst ausgezogen. Auch wenn sich meine Eltern ihm gegenüber anders verhalten als mir. Itachi war schon immer derjenige, der mit allem in Ruhe gelassen wurde. Keine blöden Fragen, keine Bedingungen für die Zukunft. Er ist ihr Musterkind. Er war schon immer so. Zumindest bis gestern.

 

„Ich weiß, was du meinst“, antworte ich, um etwas Sinnvolles zu seinem Monolog beizutragen und bemerke dann erst, dass ich die ganze Zeit neben ihm in Richtung Cafeteria herlaufe.

 

„Aber das Beste ist, dass immer ich dafür angeschissen werde, wenn Kyu Mist baut!“, erzählt er weiter und stößt die Tür auf, die uns zu seinen Freunden führt. Er läuft zielstrebig, während ich anfange zu stocken. Erwartet er, dass ich mich zu ihnen setze?

 

„Kommst du?“ Naruto ist stehengeblieben und blickt über seine Schulter hinweg zu mir nach hinten.

 

„Zu euch?“ Ich hasse es, dass meine Stimme unsicher klingt. Auch wenn ich unsicher bin, er soll es nicht wissen. Und verdammt, er soll nicht so grinsen.

 

„Klar“, sagt er gelassen und kommt auf mich zu, um mir seinen Arm um die Schulter zu werfen. „Du bist mein Freund, also sitzt du natürlich mit an meinem Tisch.“ Ich verdrehe die Augen, weil er wahrscheinlich noch nicht einmal merkt, wie arrogant er klingt. Außerdem muss ich davon ablenken, dass mein Magen schon wieder anfängt, unruhig zu werden.

 

Diese Nähe ist so schön … so unschuldig. Für ihn. Für mich ist sie was völlig anderes.

 

„Hey Leute! Das ist Sasuke. Er geht in unsere Klasse.“ Er stellt mich der Reihe nach den Gesichtern vor, wobei ich die Namen der Leute schon längst kenne, weil ich wesentlich aufmerksamer bin als er. Naruto zwingt mich indirekt, mich neben Sakura zu setzen, die mich, seitdem ihr Freund mich zum Tisch geführt hat, nicht einmal aus den Augen gelassen hat. Was ist ihr Problem?

Ich versuche mich auf die Jungs der Runde zu konzentrieren, auf ihre Fragen, die genauso lächerlich klingen wie das erste Mal, als Naruto mich angesprochen hat.

 

„Echt? Alter, wieso haben wir dich noch nie gesehen?“ Weil ihr blind seid. Ihr alle …

 

„Keine Ahnung, zu große Klasse?“

 

„Haha, du bist echt lustig! Was für Sport magst du? Willst du auch ins Team?“ Gott bewahre. Als ob ich mich dazu herablassen würde, mit Primaten im Dreck zu wühlen und Bällen hinterherzujagen. Es ist schon von Vorteil, das vier Klassen gemeinsam Sport haben, denn so kann ich mich vor fast allem drücken.

 

„Kein Bedarf … ich hasse Sport.“

 

„So siehst du auch aus“, antwortet Kiba mit einem Grinsen auf den Lippen.

 

„Bullshit, hör nicht auf ihn“, meint Naruto. „Er ist nur neidisch, dass ich dank deiner Nachhilfe jetzt besser bin als er.“ Kiba verdreht die Augen.

 

„Als ob, ich steck euch beide in die Tasche.“ Ich blicke kurz zur Seite, da ich Sakuras Augen noch immer auf mir spüren kann. Warum sieht sie mich so an? Und warum wird sie rot? Leise schnaubend widme ich mich wieder den beiden Idioten und ihrem Gespräch, das sich allem Anschein nach noch immer um 'ich bin der Bessere' dreht.

 

„Wetten, dass Sasuke dich wegraucht? Er hat ein Megabrain, dagegen kommen deine drei Hirnzellen niemals an.“ Wann haben diese Idioten beschlossen, mich in ihr Spiel mit einzubeziehen?

 

„Weißt du was, lass uns darauf wetten.“

 

„Okay. Sasuke wettet mit dir!“, meint Naruto aufgebracht.

 

„Ich?“, werfe ich mit hochgezogener Augenbraue ein. „Warum sollte ich wetten?“

 

„Siehst du, dein Megabrain hat Schiss. Vergiss es also lieber wieder.“ Es wurmt mich, dass ich bei diesen Worten die Evolutionsleiter nach unten steige, da es mich wirklich trifft. Als ob ich gegen dieses Subjekt verlieren würde.

 

„Ich hab bestimmt keine Angst vor deiner Leistungsfähigkeit. Man hat erst heute gesehen, dass du nicht gerade viel auf dem Kasten hast.“ Die Jungs am Tisch geben seltsame Geräusche von sich – es ist eine Mischung aus Johlen und Lachen. Kiba hingegen blickt mich aus zusammengekniffenen Augen an.

 

„Denkst du wirklich, dass du besser bist als ich?“

 

„Ich denke es nicht nur, ich weiß es.“ Woher mein Mut kommt, keine Ahnung. Aber er ist da.

 

„Sieh an, das Megabrain hat scheinbar seine Hoden gefunden.“ Er beugt sich halb über den Tisch – hoffentlich nicht, um mir eine zu verpassen, denn in diesem Fall wäre ich klar im Nachteil – und kommt mir ziemlich nahe. „Ich sag dir was, Braini. Wir wetten darum. Wenn ich es schaffe, in der nächsten Klausur mehr Punkte zu bekommen als du, dann wirst du einen Tag und Abend lang genau das tun, was ich von dir verlange, okay? Und wenn ich verliere, dann darfst du dir was aussuchen.“ Es ist totenstill am Tisch. Und wieder spüre ich viele Blicke auf mir ruhen. Auch Kiba hat sich nicht bewegt, sondern sieht mich nach wie vor an. Seine Augen sind braun. Braun … und noch irgendwas. Grau? Ich schlucke. Wenn ich jetzt nein sage … wenn-

 

„Sag schon zu, Sasuke!“ Narutos Stimme reißt mich aus diesem Trance-Zustand.

 

„Okay“, höre ich mich selbst hauchen und sehe Kibas triumphales Grinsen, während er sich zurückzieht und mich weiterhin anblickt.

Er kann nicht gewinnen. Sein Wissenstand reicht niemals an meinen heran. Niemals. Also warum sieht er so siegessicher aus?

 

„Dann ist es beschlossene Sache!“

 

 

 

Als ich nach diesem nervenaufreibenden Schultag die Tür zu meinem Elternhaus aufschließe, wünsche ich mir im nächsten Augenblick ich hätte es nicht getan.

 

„Du hast überhaupt keine Ahnung davon was Liebe bedeutet!“ Ich glaube, so aufgebracht habe ich meinen Vater zuletzt gehört, als der Nachbar sich erlaubt hat, die falsche Hecke – nämlich unsere – zu trimmen.

 

„Es ist nicht eure Entscheidung.“ Das ist die Stimme meines Bruders. Er ist also wieder da.

 

„Itachi, bitte. Das ist nicht richtig. Du bist 24. Du hast dein ganzes Leben noch vor dir.“ Meine Mutter hört sich an, als würde sie weinen.

 

„Ich habe mich bereits entschieden.“

 

„Den Teufel wirst du tun! Hast du mich verstanden?! Du wirst es nicht tun!“

 

Ich überlege, ob ich nicht doch wieder verschwinden sollte, doch die Neugierde überwiegt. So leise wie möglich bewege ich mich zur Tür, die zum Wohnzimmer führt und blicke durch den geöffneten Spalt. Itachi sitzt auf der Couch, mein Vater steht vor ihm und meiner Mutter ist auf dem Sessel, hält sich die Hände vors Gesicht.

 

Was zur Hölle ist passiert?

 

„Ich hab es bereits getan.“

 

„Solange du unter meinem Dach lebst, wirst du dich an meine Regeln halten, hast du verstanden? Du wirst diesem Mädchen sagen, dass sie sich wegscheren wird. Kein Kontakt mehr, kein …-“

 

„Nein.“ Die Art und Weise, wie Itachi dieses Wort ausspricht verpasst mir eine Gänsehaut. „Ich liebe sie. Und es ist mein Kind.“ Meine Mutter schluchzt auf und meine Augen weiten sich.

 

Itachi hat eine Freundin? Er wird Vater? Hat er deswegen das Geld gebraucht? Ist er deswegen verschwunden?

 

„Ist das dein letztes Wort?“ Mein Vater klingt ruhig. Zu ruhig. Seine Miene signalisiert, dass ein Ultimatum bevorsteht.

 

„Ja.“

 

„Dann geh. Geh und komm nicht mehr zurück. Du wirst deine Sachen packen und verschwinden.“ Ich stolpere zurück – tief getroffen von dem, was ich gehört habe und kollidiere mit der Haustür, die mir nur wenig Halt spendet.

 

Er wirft ihn raus. Meinen Bruder. Sein eigenes Fleisch und Blut. Weil er Vater wird? Weil er liebt?

So schnell ich kann flüchte ich aus dem Vorraum und laufe durch den Flur, der in die Küche führt. Das alles fühlt sich weit weg an. So unglaublich unecht. Itachi … niemals hätte ich gedacht, dass so etwas passieren könnte. Dass mein Vater so mit ihm reden würde. Dass sie beide so miteinander umgehen würden. Doch ich habe mich geirrt.

 

 

 

Die Stimmung beim Abendessen gleicht einem Begräbnis. Meine Eltern schweigen, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, ein Gespräch mit mir anzufangen. Sie reden nicht mit mir über Itachi oder über die Zukunft. Die Tatsache, dass mein Bruder seine Koffer gepackt hat und gegangen ist, wird einfach ausgeblendet. Die Tränen auf den Wangen meiner Mutter sind nicht getrocknet, doch sie bleibt stumm.

 

„Sasuke.“ Ich sehe zu meinem Vater auf, der seine Gabel zwischen Zeigefinger und Daumen hält und mich anblickt.

 

„Ja?“

 

„Dein Bruder ist in diesem Haus nicht länger willkommen. Du wirst weder mit ihm sprechen noch den Kontakt zu ihm suchen, verstanden?“ Ich ziehe die Augenbrauen zusammen.

 

„Weshalb? Weil er Vater wird?“ Die Wut, die ich verspüre, kommt plötzlich. Es macht mich wütend, dass er so spricht. Und ihn macht es scheinbar wütend, dass ich so antworte.

 

„Nein. Weil er unverantwortlich ist und die Wünsche unserer Familie nicht respektiert.“

 

„Du meinst, weil er deine Wünsche nicht respektiert?“

 

„Sasuke!“, wirft meine Mutter ein, und ehe ich mich versehe, trifft mich die Rückhand meines Vaters hart im Gesicht. Ein pochender Schmerz zieht durch meine Wange, hoch zu meiner Schläfe und meine Augen sind weit aufgerissen.

 

„Fugaku …“

 

„Es reicht“, donnert mein Vater und packt mich am Kragen meines Shirts. Ich bin erstarrt – hätte niemals mit diesem Ausbruch gerechnet. „Du wirst nicht so enden, hast du mich verstanden? Du wirst die Wünsche dieser Familie respektieren und dir einen anderen Ton angewöhnen, sonst kannst du ebenfalls deine Sachen packen und verschwinden!“

 

„Fugaku, bitte“, fleht meine Mutter im selben Moment, als mein Vater mich nach oben zieht und zurückstößt. Mein Rücken trifft gegen die Wand, nur nebenbei bemerke ich den Schmerz des Aufpralls, doch was ich definitiv spüren kann ist der Druck in meiner Brust. Er hat mich noch nie geschlagen. Nie.

 

„Geh auf dein Zimmer.“ Meine Mutter hängt an dem Arm meines Vaters, der so aussieht, als würde er mit sich ringen, nicht erneut auf mich loszugehen, weshalb ich verschwinde so schnell ich kann. Ich sprinte die Treppe nach oben, werfe meine Zimmertür hinter mir ins Schloss und verriegle sie. Mit pochendem Herzen – erschüttert von diesem Zwischenfall. Was ist gerade eben passiert?

 

 

 

Die vergangene Nacht war wenig erholsam für mich. Ich habe Schwierigkeiten, dem Unterricht zu folgen – ausgerechnet in einem der Fächer, in denen ich es mir nicht leisten kann, abwesend zu sein. Fremdsprachen waren nie meine Stärke. Sie kosten mich Extra-Konzentration, die ich im Moment nicht aufbringen kann.

 

Bitte fertigen Sie eine Übersetzung des Dialoges auf Seite 289 an und reichen Sie sie bis Ende der Woche ein. Die Übersetzung fließt mit in ihre Halbjahresbewertung.“

 

Ich bemerke, dass Naruto ab und an nach hinten zu mir blickt – mein Handy hat bereits mehrmals vibriert, doch ich kann mich nicht dazu durchringen, ihm zu antworten.

 

Der gestrige Tag steckt schwer in meinen Knochen, benebelt meinen Verstand mit Gedanken, die ich gar nicht haben will.

 

Genau aus diesem Grund bin ich der erste, der das Klassenzimmer verlässt, nachdem es zur Pause läutet. In der Cafeteria suche ich mir einen Platz, der weiter weg liegt von Narutos Stammtisch, weil ich heute nicht die Lust verspüre, mich banalen Gesprächen zu widmen. Es wäre zu aufwendig. Und unnötig.

 

Auch wenn ich Narutos Blick sehe, als er wenig später mit seinen Freunden den Saal betritt und sich setzt, bringe ich es nicht über mich, ihn länger als einige Sekunden zu erwidern. Stattdessen blicke ich nach unten auf das ungenießbare Essen und ignoriere dabei das flatterhafte Gefühl in meiner Brust, als mein Handy erneut vibriert.

 

Ich öffne die vier Nachrichten, die er mir geschickt hat nacheinander, wobei ich nur die letzte davon wirklich lese.

 

'Warum bist du geflüchtet? Ist alles okay bei dir?' Nichts ist okay. Alles ist so beschissen, dass ich nicht mal den Drang verspüre, dich wie gewohnt zu beobachten …

 

'Alles okay, ich hab nur Kopfschmerzen und will meine Ruhe'

 

Er schreibt mir nicht zurück. Doch was sollte er dazu auch großartig sagen?

 

„Hey.“ Stattdessen kommt er zu mir herüber, setzt sich neben mich und mustert mich mit besorgter Miene. „Was ist los? Ist es wegen deinem Bruder?“

 

„Ich ...“

 

„Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst … aber ich dachte mir, du siehst ziemlich fertig aus … und ...-“

 

„Schon okay. Mein Bruder ist gestern ausgezogen.“ Seine Augenbrauen sind nach oben gezogen – er sieht überrascht aus.

 

„Was? Wieso?“

 

„Mein Dad … er hat ihn rausgeworfen …“

 

„Krass, was ist passiert?“

 

Ich erzähle ihm die Geschichte, all das, was ich gestern mitbekommen habe und auch das, was zwischen meinem Vater und mir vorgefallen ist.“

 

„Sorry, wenn ich das sage, aber dein Vater klingt nach einem richtigen Arschloch.“ Mit einem schiefen Schmunzeln blicke ich ihm entgegen.

 

„Ja … er hat sich gestern ziemlich daneben benommen.“

 

„Welche Eltern kicken ihr Kind aus dem Haus, weil es Verantwortung übernehmen will? Okay, vielleicht ist es erstmal ein Schock, aber dein Bruder ist erwachsen. Und von dem was du erzählt hast klingt er ziemlich vernünftig.“

 

„Ist er … Itachi war immer vernünftig und erwachsen … schon seit ich denken kann. Vielleicht ist das der Grund, weshalb meine Eltern so ausgerastet sind.“

 

„Das rechtfertigt aber noch lange keinen Rauswurf oder die Tatsache, dass er dich geschlagen hat.“ Ich bilde mir ein, dass Naruto mein Gesicht nach Spuren absucht.

 

„Er hat mich noch nie geschlagen …“

 

„Und er hätte es auch nie tun sollen. Du hast nur Fragen gestellt. Sorry, ich sag es nochmal: dein Dad ist ein Arsch.“ Ich gluckse. Irgendwie fühle ich mich leichter. Es tut gut, sich den Frust von der Seele reden zu können. Und es bei Naruto zu tun fühlt sich gleich zehnmal besser an.

 

„Wie wäre es, du kommst heute nach der Schule mit zu mir und wir zocken ne Runde?“, schlägt er vor und zwingt meinen Verstand damit, von unliebsamen Dingen Abstand zu nehmen. Es hört sich gut an. Zu gut.

 

„Ich weiß nicht … ich müsste er nachfragen.“

 

„Dann frag. Ruf deine Mum an und sag ihr, dass du heute wegen Nachhilfe zu mir kommst.“ Soll ich es wirklich tun? Wieder diesen bittersüßen Schmerz hervorholen, der mich überfällt, wenn ich wieder alleine bin? Ein Stück von dem Glück kosten, das mir durch die Finger gleiten wird, sobald ich zurück in meine Welt kehren muss?

 

„Okay.“ Es ist okay. Deine Anwesenheit lässt alles gut werden. Wenn auch nicht für immer – für diesen Augenblick auf jeden Fall.

 

 

 

Die Tage verfliegen. Zwischen Schulstress, dem regelmäßigen Lernen mit Naruto und der angespannten Situation, die nach wie vor bei mir zu Hause herrscht. Itachi ist auch immer noch verschwunden. Sein Handy abgemeldet. Ohne Nachricht darüber, wie es ihm geht.

 

Vielleicht macht es mich zu einem schlechten Menschen, doch ich fühle mich trotz diesem ganzen Stress gut. Man könnte sogar fast meinen, ich sei sozialer geworden. Was natürlich nicht zuletzt daran liegt, dass Naruto mich innerhalb der Schule überall mithin schleift. Sei es zum Training außerhalb der regulären Schulzeit oder dem gemeinsamen Essen in der Kantine. Die Zeit, die wir miteinander verbringen, hat sich verdoppelt. Und ich genieße jede Sekunde davon. Auch wenn Kiba mich nervt und Sakura mich jedes Mal anstarrt – ich genieße es, an Narutos Seite zu sein. Ihn lachen zu hören, das ist es, was mich wirklich glücklich macht. Gut, es gibt Augenblicke, die ich am liebsten aus meinem Bewusstsein radieren möchte, wie zum Beispiel die Tatsache, dass er nach wie vor mit Sakura zusammen ist. Sie berührt, sich von ihr küssen lässt. Ich hasse es.

 

 

 

„Freust du dich schon drauf deine Niederlage zu fressen, Uchiha?“ Kibas Stimme zwingt mich dazu, meine Augen von Naruto abzuwenden, der leise mit Sakura redet. Es ist unsere Mittagspause. Vor weniger als einer Stunde haben wir die besagte Prüfung abgelegt, in der Kiba mich schlagen wollte.

 

„Ich glaube kaum, dass du alle Fragen beantwortet hast.“ Die Klausur war nicht unbedingt leicht, und die Tatsache, dass ich in letzter Zeit so abgelenkt war, hat sich nicht positiv auf mein Antwortverhalten ausgewirkt. Doch Kiba, der mich schlägt? Niemals. Dazu müsste er mindestens 90 % erreicht haben.

 

„Wirst schon sehen.“, meint er grinsend und wirft dann einen kurzen Blick zu Naruto und Sakura. „Schließlich hattest du nicht die Hilfe, die ich hatte.“ Ich weiß, dass er mit Narutos Freundin gelernt hat, weil Naruto sich deshalb ständig bei mir beschwert hat.

 

'Sakura-chan wird die ganze Zeit von Kiba in Beschlag benommen! Kannst du dir vorstellen, dass sie mir nicht mal nen Abschiedskuss gegeben hat? Und am Wochenende muss sie auch mit ihm lernen.'

 

Nicht, dass es mich gestört hat, dass seine Freundin keine Zeit für ihn hatte. Schließlich hat dieser Abstand dazu geführt, dass er mehr mit mir unternommen hat.

 

„Und ich bin mir sicher, dir wird gefallen, was ich mir für dich ausgesucht hab.“ Das glaube ich weniger, du Idiot.

 

Ich werfe ihm einen abwertenden Blick zu, ehe ich mich wieder auf das ungenießbare Essen der Kantine konzentriere. Nie im Leben wird er mich schlagen.

 

 

 

 

 

 

Unmöglich, Alter! Du hast betrogen.“ Meine Augen sind weit aufgerissen, während ich Kibas zwei Tage später korrigierte Klausur in den Händen halte und mit meiner vergleiche. Wie ist das möglich?

 

Wie hast du es gemacht? Hast du dein Handy benutzt?“ Ich blende Narutos ungläubige Stimme aus, suche akribisch nach Möglichkeiten, um Fehler zu finden.

 

Dort prangert das Ergebnis. Oben in der rechten Ecke des Deckblattes. Rote Schrift. 97 %.

 

Ich hab gelernt. Frag Sakura.“

 

Auf meiner eigenen Prüfung hingegen stehen nur 93 % und das, obwohl meine Antworten viel besser formuliert sind.

 

Sakura-chan, sag mir, dass er betrogen hat! Er ist niemals so schlau!“

 

Naruto, er hat nicht betrogen, ich habe mit ihm gelernt.“

 

 

 

 

„Tja, Sasuke. Ich würde sagen, du hast verloren.“ Ich verabscheue Gewalt. Wirklich. Egal ob physisch oder psychisch. Es ist nur ein Ausdruck von Verzweiflung, weil man sich anders nicht zu helfen weiß.

Es ist genau das Gefühl, das ich habe, während ich in Kibas grinsendes Gesicht blicke. Am liebsten würde ich von meinem Platz aufstehen, ausholen und ihm so hart in die Fresse schlagen, dass Zähne fliegen, doch ich tue es nicht. Ich bleibe sitzen, starre. Versuche, das Unverständliche zu begreifen.

 

Wie konnte er besser abschneiden? Sein Kopf ist mit Luft gefüllt. Er hat den IQ eines Vorschülers. Sein Wissen ist nicht mal ansatzweise mit meinem zu vergleichen … und doch … und doch hat er mich geschlagen.

 

„Ich werde dir am Wochenende verraten, was ich mit dir vorhabe, okay?“ Kiba weiß, dass er keine Antwort von mir erhalten wird. Dazu bin ich nicht in der Lage. Doch es interessiert ihn scheinbar auch gar nicht, denn er greift sich seine Arbeit aus meinen Händen und geht damit zurück zu seinem Platz, gemeinsam mit Sakura, die mir einen kurzen, entschuldigenden Blick zuwirft.

 

„Oh Mann, Scheiße Sasuke. Das ist echt übel.“ Nur noch Naruto steht hier, blickt mitleidig auf mich herab.

 

„Ist es nicht. Er hat betrogen, eindeutig.“ Er nickt heftig. Seine blauen Augen strahlen vor Zustimmung.

 

„Das denk ich allerdings auch! Ich werd Sakura später fragen, wie er es gemacht hat. Niemals im Leben hat er ehrlich gewonnen, echt jetzt!“

 

 

Doch leider kann ich auch bis zum Wochenende nicht beweisen, dass Kiba ein mieser Betrüger ist. Laut Narutos Aussage stecken Sakura und er gemeinsam unter einer Decke, denn selbst sie verkündet mit Überzeugung, dass es ihr Verdienst sei, dass Kiba einen der besten Schüler geschlagen hat. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, sind Kibas spitze Worte den Rest der Woche über dauerhaft präsent. Er verhöhnt mich. Lässt immer wieder durchsickern, dass das, was er mit mir vorhat, nichts Gutes sein wird.

 

Mann Kiba, jetzt mach mal halblang. Die Party ist nächste Woche, deine Ellis werden schon nicht absagen. Du hast selbst gesagt wie sehr sie sich auf den Trip freuen. Jetzt muss nur noch Hana bei ihrem Typen pennen.“

 

Und? Trotzdem mach ich mir Sorgen. Ich hab schon alles geplant, die Einladungen sind raus … und ausgerechnet jetzt muss meine Ma ne Erkältung anschleppen.“

 

Ich stochere lustlos in meinem Essen herum, während die Jungs am Tisch scheinbar über das Ereignis des Jahres reden. Eine Party bei einem idiotischen Betrüger …

 

Ich hab schon meinen Anzug! Das wird endgeil. Und den Hut.“ Leider ist Naruto auch ziemlich begeistert davon, dass bei seinem besten Freund gefeiert wird.

 

„Sasuke, du musst übrigens auch kommen“, richtet sich Kibas Stimme an mich und ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe, weil ich fast glaube, mich verhört zu haben. Ich soll auf eine Party gehen? Dahin, wo viele dumme Menschen sind? In meiner Freizeit?

 

„Was?“

 

„Naja, ich hab die Wette gewonnen, also wirst du auch kommen müssen. Das ist Teil eins des Einsatzes.“

 

„Wie bitte?“, erwidere ich und lege meine Gabel nieder. „Wie viele Teile hat der Einsatz denn?“

 

„Einen ganzen Tag und Abend bestimme ich, schon vergessen?“

 

„Ärger ihn nicht schon wieder, Kiba“, schaltet sich jetzt Sakura ein, und würde ich sie nicht so verabscheuen, wäre ich ihr vielleicht sogar dankbar.

 

„Genau, lass Sasuke endlich in Ruhe. Seit du die Wette gewonnen hast wandelst du durch die Welt als wärst du Mr. Perfect.“, sagt Naruto und blickt seinem besten Freund herausfordernd entgegen. „Und wir alle wissen, dass du gecheated hast.“

 

Nur mit Mühe unterdrücke ich das Lächeln, das sich auf meine Lippen schleichen will.

 

„Schon gut, schon gut. Redet euch ruhig ein, dass ich beschissen hab. Nächste Woche wird der Einsatz eingelöst und dagegen könnt ihr nichts machen.“ Ich mag ihn nicht. Er ist ein Arschloch. Und er hat einen Freund wie Naruto überhaupt nicht verdient.

 

 

 

Ich kann mich nicht dazu bringen, meine Augen zu schließen, als ich am Abend im Bett liege und über Kibas Worte nachdenke. Die Wut darüber, dass er meint, über mich entscheiden zu können, ist so stark, dass mein Magen anfängt zu schmerzen.

Was will ich auf dieser Party? Was hat er davon mich einzuladen? Er weiß genau, dass ich mich eher im Hintergrund halte und …

Als der Groschen fällt, kann ich ein Schnauben nicht mehr unterdrücken. Er will mich mit übermäßigem Menschenkontakt quälen. Dieser dreckige Sadist!

 

 

Es ist kein Wunder, dass im am nächsten Morgen genauso schlechte Laune habe wie meine Eltern, die am Küchentisch sitzen und das lieblos zubereitete Essen herunterwürgen. Es bleibt die nächsten Minuten still, und das bedrückte Gesicht meiner Mutter nervt mich zunehmend.

 

„Ich bin nächste Woche zu einer Feier eingeladen.“ Also breche ich die Stille in der Hoffnung, meinen Eltern eine andere Reaktion zu entlocken.

 

„Ja?“ Bei meiner Mutter klappt es, denn sie sieht interessiert zu mir auf.

 

„Ja. Bei einem Mitschüler.“

 

„Ist es ein weiblicher Mitschüler?“, stellt mein Vater nun die Frage, ohne den Blick auf mich zu richten und bringt mich somit dazu, eine Augenbraue anzuheben. Es wäre leicht, ihm jetzt zu sagen, dass ich niemals Interesse an einer heterosexuellen Beziehung haben werde, doch ich tue es nicht.

 

„Nein. Ein Junge aus dem Sportteam. Er und ein paar andere Jungs wollen die guten Klausurergebnisse feiern.“

 

„Das klingt großartig“, meint meine Mutter lächelnd und greift nach meiner freien Hand, die auf dem Tisch liegt. Es ist ein ungewöhnliches Gefühl, ihre Haut auf meiner zu spüren. Ihre Finger sind warm. Fast schon zu warm. Doch ich lasse meine Hand genau dort, wo sie ist und blicke ihr mit einem erzwungenem Lächeln entgegen. Diese einst gewohnte Geste liegt schon so lange Zeit zurück, dass ich mich kaum noch an sie erinnere.

 

„Und was für eine Feier ist es? Wollt ihr euch betrinken? Mädchen schwängern?“

 

„Fugaku“, wirft meine Mutter scharf ein, doch mein Vater zeigt sich davon nur wenig beeindruckt.

 

„Es ist eine berechtigte Frage.“

 

„Ich trinke nicht“, verteidige ich mich und versuche dabei, so ruhig wie möglich zu klingen. Nicht, dass es eine Lüge wäre – ich habe sicher nicht vor, etwas zu trinken … und Mädchen schwängern? Niemals. „Und ich schwängere auch niemanden. Ich …“ Ich stehe nicht auf das weibliche Geschlecht. Doch das sage ich nicht laut.

 

„Du musst dich nicht rechtfertigen, dein Vater ist nur etwas angespannt.“

 

„Ich bin nicht angespannt. Und rede nicht mit dem Jungen, als wäre ich nicht hier“, brummt er mürrisch, ehe er mich ansieht. „Und sollte ich erfahren, dass du denselben Fehler machst wie er, wirst du hier rausfliegen, verstanden?“

 

Vielleicht wäre es wirklich besser gewesen, keinen Versuch zu unternehmen, die Stimmung im Haus zu heben. Wirklich. Denn anstatt, dass er sich freut, dass ich etwas anderes tun möchte, als meine Freizeit im Haus zu verbringen, werde ich wieder verglichen. Im Vorfeld gewarnt für Dinge, die ich niemals tun werde.

 

„Ja.“

 

 

 

 

Heute ist ein ziemlich farbloser Tag. In meinem Zimmer gibt es nichts zu tun, Naruto ist nicht zu Hause – natürlich wieder ein Date mit Sakura, jetzt da Kiba sie wieder freigegeben hat – und meine Hausaufgaben sind auch schon erledigt. Also was tue ich? Ich liege auf meinem Bett – mit Kopfhörern im Ohr – und denke nach.

 

Naruto und ich sind uns in den letzten Wochen freundschaftlich näher gekommen. Etwas, von dem ich nie gedacht hätte, dass es passieren würde. Früher, als ich ihn aus der Ferne beobachtet habe, habe ich nie einen Gedanken daran verschwendet, wie es sein könnte, wenn wir Freunde wären. Wenn es so wäre, wie es jetzt ist. Ich habe nur geträumt. Von ihm und mir. Als Liebhaber. Wir beide als Paar. Von den Dingen, die niemals passieren werden.

Und auch wenn ich mich gut fühle mit dem Wissen, ihm näher gekommen zu sein, ist es doch schmerzhaft zu akzeptieren, dass alle anderen Möglichkeiten nicht in Frage kommen.

 

Und daran ändert auch der immer leiser werdende Song in meinen Ohren nichts. Egal wie aufmunternd die Worte meine Gedanken fluten – Naruto ist und bleibt unerreichbar.

 

„Sasu ...-“ Das Rufen meines Namens wird zur Hälfte von dem nächsten Lied verschluckt, das aus den Kopfhörern dringt, weshalb ich sie wegziehe und mich aufsetze.

 

„Ja?“ Zwar ist meine Tür nicht abgeschlossen, doch meine Mutter käme nie auf die Idee, unaufgefordert Räume zu betreten.

 

„Es ist Besuch für dich hier.“ Irritiert runzelt sich meine Stirn.

 

„Wer?“

 

„Er sagt, er heißt Kiba. Soll ich ihn nach oben schicken?“ Was zur Hölle will Kiba hier?

 

„Nein … ich komm runter.“

 

„Okay.“ Ihre Schritte entfernen sich und mein Herz schlägt schnell. Warum ist er hier? Und was will er von mir? Woher weiß er, wo ich wohne?

 

Mit diesen Fragen im Kopf verlasse ich mein Zimmer und steige die Treppen runter, um ins Wohnzimmer zu gehen, wo er auf dem Sessel sitzt. Mit einem dämlichen Grinsen im Gesicht.

 

„Was willst du hier?“ Ich spare mir die Begrüßung und beobachte, wie sein Grinsen aufgrund meines schroffen Ausdrucks abebbt. Es verschwindet zwar nicht ganz, doch jetzt gleicht es eher einem Schmunzeln. Vorsorglich schließe ich die Tür zum Raum hinter mir.

 

„Begrüßt du deine Gäste immer so?“ Welche Gäste? Ich empfange keine Gäste. Nie.

 

„Woher weißt du, wo ich wohne?“, stelle ich die Gegenfrage, während er von dem Sessel aufsteht und auf mich zukommt.

 

„Wer weiß“, meint er geheimnisvoll, als er schon fast vor mir steht. Er schmunzelt noch immer.

 

„Was willst du?“ Und macht noch einen weiteren Schritt auf mich zu. Fast schon zu nahe, weshalb ich ein Stück nach hinten trete. Was zur Hölle soll das hier? Was führt ihn hierher?

 

„Ich dachte mir, ich besuch dich mal, damit wir uns besser kennenlernen können.“ Schnaubend gehe ich noch einen Schritt zurück, da er mir schon wieder näher gekommen ist. Im Ernst, hat der Typ noch nichts von der persönlichen Wohlfühlzone gehört?

 

„Kein Interesse.“

 

„Aww, Sasuke, sei nicht so gemein zu mir. Ich will nur, dass wir uns verstehen. Du kommst ja auch zu meiner Party … und ich dachte, vielleicht werden wir bis dahin Freunde?“ Irritiert runzelt sich meine Stirn. Hört er sich überhaupt selbst sprechen?

 

„Ich denke, das wird nicht passieren.“ Er rollt mit den Augen.

 

„Ich merk schon, du bist von der zickigen Sorte. Gut, dann anders“, meint er gelassen und drängt mich unbewusst gegen die Wand, da er mir weiter auf die Pelle rückt. „Ich habe die Wette gewonnen … und dir bisher noch nicht gesagt, was der zweite Teil des Einsatzes sein wird.“ Daher weht der Wind. Ich hätte es mir eigentlich denken können. Jemand wie er kommt nicht freiwillig zu mir, um mich kennenzulernen.

 

„Der da wäre?“ Ich weiche ihm seitlich aus, bevor er die Chance hat, noch mehr an mich heranzutreten. Mit angezogener Augenbraue folgt er meiner Bewegung, doch er sagt nichts dazu.

 

„Ich brauche deine Größe. Kleidergröße, Schuhgröße …“ Stattdessen fängt er an, dummes Zeug von sich zu geben. Im Ernst?

 

„Wofür?“

 

„Du wirst ein Kostüm brauchen. Und ich werde es dir besorgen.“

 

„Vergiss es.“

 

„Sasuke“, meint er und kommt wieder auf mich zu. Was soll das? Warum muss er sich direkt vor mich stellen? „So wird das nicht funktionieren. Du hast die Wette verloren und ich feiere eine Kostümparty.“ Jetzt ergibt Narutos Gequatsche wenigstens Sinn. Anzug, Melonenhut …

 

„Und als was willst du mich verkleiden? Als Sheriff?“ Er kichert. Und es gefällt mir nicht im Geringsten.

 

„Nein. Du wirst etwas ganz Besonderes tragen. Etwas, für das du wie geschaffen bist.“

 

„Aha? Und was?“

 

„Willst du dich nicht überraschen lassen?“ Ich hasse Überraschungen. Dinge, die ich planen kann, sind weitaus besser zu verkraften. Überraschungen sind wie Mitteilungen darüber, dass man an Krebs erkrankt ist und sich bereits im Endstadion befindet.

 

„Nein.“

 

„Mhhh, okay. Wenn du es unbedingt wissen willst“, sagt er grinsend und legt dann eine kurze Kunstpause ein. „Du wirst die schönste Lady, die es auf der Party geben wird. Dafür sorge ich.“ Blinzelnd blicke ich ihm entgegen. Ich bin mir sicher, dass meine Ohren mir einen Streich spielen. Anders kann es gar nicht sein. Er hat nicht gerade gesagt, dass ich zur Lady werden soll?

 

„Ich bin ein Mann“, bringe ich bemüht ruhig hervor, auch wenn ich kurz davor bin aus dem Raum zu türmen. Und sein erneutes Glucksen macht die Situation nicht gerade besser.

 

„Ich weiß. Aber es ist eine Kostümparty. Und auf dieser Party wirst du kein Mann sein.“ Ich schüttle den Kopf. Und damit ist diese Wette für mich gestorben. Todeszeitpunkt 16:21 Uhr.

 

„Nein. Nein“, sage ich und schüttle noch immer den Kopf. „Vergiss es. Ich bin raus. Ich werde nicht auf deine dumme Party gehen und ich werde auch sicherlich kein Kleid tragen. Verzieh dich“, zische ich und will erneut zur Seite ausweichen, doch diesmal hält mich seine Hand auf, die knapp neben meinem Kopf gegen die Wand knallt.

 

„Oh doch, das wirst du.“

 

„Einen Scheiß werde ich. Vergiss es. Ich. Bin. Keine. Frau. Und ich werde mich von dir ganz sicher nicht zu einer machen lassen. Ich sag die Wette ab. Von mir aus erzählst du es allen ...-“

 

„Und dann erzähle ich Naruto am besten noch gleich, dass du in ihn verliebt bist“, unterbricht er mich und die Wut, die ich bis eben noch verspürt habe, verwandelt sich augenblicklich zu Eis.

 

„Was?“

 

„Ich erzähle Naruto, dass du in ihn verliebt bist.“ Er entfernt seine Finger von der Hand, blickt mir ernst entgegen – ich kann gar nicht anders, als zu starren.

 

„Du spinnst. Warum solltest du ihm sowas erzählen? Er wüsste, dass es nicht stimmt.“

 

„Was nichts an der Tatsache ändert, dass es so ist“, sagt er, jetzt wieder mit einem Schmunzeln auf den Lippen. „Ich meine, du beobachtest ihn wirklich die ganze Zeit. Du bist sogar noch auffälliger als Sai … und ich bin sein bester Freund. Ich verbringe viel Zeit mit ihm …“

 

„Du spinnst“, rede ich mich heraus, obwohl ich eine gewisse nagende Panik in mir aufkeimen spüre. Er hat mich beobachtet … es sei denn, er blufft. „Ich stehe ganz sicher nicht auf Naruto.“

 

„Die hungrigen Blicke während des Unterrichts. Und auch wenn du in der Kantine sitzt und ihn beobachtest, oder im Sportunterricht. Das eine Mal hast du ihn sogar verfolgt, als er mit Sakura rummachen wollte … ich hab dich gesehen, Sasuke.“

 

„Du lügst.“ Die Gewissheit, dass er mich erwischt hat, fühlt sich an wie ein Eimer kaltes Wasser, der direkt über mir ausgeschüttet wurde. Dieses Kribbeln, das sich über den ganzen Rücken zieht.

 

„Nope. Ich hab sogar ein paar Bilder davon. Du bist nämlich leider so dumm, dass du dein Umfeld dabei komplett ausblendest.“

 

„Warum?“, hauche ich und sehe an seinem triumphalen Blick, dass er weiß, dass er mich hat.

 

„Warum was?“

 

„Warum tust du das?“ Er seufzt und tut dann etwas, das mich völlig erstarren lässt. Seine Finger streicheln über meine Wange, hauchzart, nur ganz kurz – doch er berührt mich.

 

„Ich will dir helfen, an Naruto heranzukommen.“

 

„Was?“ Meine Stimme klingt fast schon heiser und meine Augen blicken ihm ungläubig entgegen. „Du bist verrückt. Du verarscht mich, richtig?“

 

„Sasuke, warum sollte ich mit dir darüber reden, wenn ich dich verarschen möchte? Wäre es nicht logischer, damit gleich zu Naruto zu rennen?“ Seine Worte ergeben Sinn. Sie ergeben Sinn und gleichzeitig wirken sie wie ein verschlüsselter Code.

 

„Was willst du von mir?“

 

„Wie gesagt, ich will, dass du dir Naruto schnappst.“ Diesmal bin ich es, der gluckst. Dieses Gespräch grenzt wirklich an Wahnsinn.

 

„Und wie bitteschön sollte ich das anstellen?“, hake ich mit einem schiefen Grinsen nach und füge dann hinzu, um einen letzten Versuch zu starten von dem Offensichtlichen abzulenken: „Gemäß dem Fall, dass ich wirklich auf ihn stehe?“

 

„Du stehst auf ihn. Machen wir uns nichts vor. Bilder sagen mehr als Worte.“

 

„Okay, okay. Warte. Du willst, dass ich mich als Frau verkleide, um den größten Homophob an unserer Schule dazu zu bringen, seine Freundin – die er offensichtlich über alles liebt – für mich – einen Kerl – zu verlassen? Hörst du dir eigentlich selbst zu? Du bist vollkommen bescheuert, wenn du denkst, dass das funktionieren wird. Naruto steht nicht auf mich, also vergiss es. Und vergiss deinen Plan, mich zu etwas zu machen, das ich niemals sein werde. Halte dich einfach raus“, werfe ich ihm wütend entgegen, und diesmal bin ich am Ende meiner Geduld. Warum tut er so etwas? Nächstenliebe ist es ganz sicher nicht. Ich weiß, dass er mich nicht leiden kann. Und was hätte er für einen Nutzen davon, seinen besten Freund, der ganz sicher nicht schwul ist und auf mich steht, dazu zu bringen, mich zu wollen? Ein Frauenkleid?

 

Mir ist wieder nach Lachen zu Mute. Doch ich bin nicht derjenige, der lacht. Kiba ist es. Erst leise, dann immer lauter. So laut, dass ich die Befürchtung habe, dass meine Mutter es hören könnte.

 

„Hör auf so dämlich zu lachen und verpiss dich!“, zische ich, doch er schüttelt nur den Kopf.

 

„Nein“, erwidert er grinsend und greift dann in seine Jackentasche, um sein Handy hervorzuholen. „Ich werde mich nicht verpissen, und du wirst genau das tun, was ich von dir verlange, sonst erfährt Naruto alles.“ Meine Miene, die bis eben noch wütend verzogen war, wandelt sich.

 

'„Was willst du hier?“

Begrüßt du deine Gäste immer so?“

Woher weißt du, wo ich wohne?“

Wer weiß“

Was willst du?“

Ich dachte mir, ich besuch dich mal, damit wir uns besser kennenlernen können.“

Kein Interesse.“

Aww, Sasuke, sei nicht so gemein zu mir. Ich will nur, dass wir uns verstehen. Du kommst ja auch zu meiner Party … und ich dachte, vielleicht werden wir bis dahin Freunde?“'

 

Meine Gesichtszüge entgleiten mir. Ich starre. Versuche die Konsequenzen zu verarbeiten, während ich höre, was die letzten Minuten gesprochen wurde. Er hat alles aufgenommen. Alles. Auch mein indirektes Geständnis.

 

„Also“, sagt er und schaltet die Aufnahme ab, „wenn du nicht willst, dass Naruto davon Wind bekommt, wirst du mir deine Maße aufschreiben.“ Die Wut kehrt zurück. Größer, viel stärker als zuvor.

 

„Raus“, presse ich hervor. „Raus. Verpiss dich.“ Glucksend tritt er einen Schritt zurück. Mustert mich einen Augenblick lang, ehe er antwortet:

 

„Okay. Du hast bis Montag Zeit, mir deine Antwort zu geben, ansonsten wird die ganze Schule unser Gespräch per Lautsprecher hören.“

 

 

 

 

 

Es lässt sich nicht in Worte fassen, was ich dabei empfinde, wenn ich über Kibas Besuch nachdenke. Wut erscheint mir so nichtig. Ich bin enttäuscht. Enttäuscht von der Menschheit, die mir ein weiteres Mal bewiesen hat, dass man ohne sie besser dran ist. Vor einigen Wochen war ich noch unscheinbar – niemand hat sich für mich interessiert. Doch jetzt? Jetzt stellt man mein Leben auf den Kopf, zwingt mich zu Dingen, die ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind wünschen würde. Zu sagen, dass ich Kiba dafür hasse, wäre eine Untertreibung. Er hat es sogar geschafft, Sakura von ihrem Thron zu stoßen – mit weitem Abstand.

 

Wie kommt er auf die Idee, so einen Plan zu schmieden? Weshalb? Warum sollte er wollen, dass sein bester Freund etwas mit mir anfängt? Naruto ist nicht so und Kiba weiß das. Also warum? Macht es ihm Spaß, mich leiden zu sehen? Hat er überhaupt die geringste Ahnung davon, was er mir damit antut?

 

Natürlich.

 

Es gefällt ihm, mich so in der Hand zu haben. Denn das tut er – er hat mich in der Hand. Er weiß, dass ich niemals den Mumm dazu hätte, offen zu meinen Gefühlen zu stehen. Und schon gar nicht vor Naruto oder geschweige denn der kompletten Schule. Dieses Outing wäre sozialer Selbstmord. Eine Verschlechterung meiner ohnehin nicht vorhandenen sozialen Stellung.

Naruto würde mich hassen …

Er hasst alle, die so sind wie ich. Und dieses Wissen schmerzt. Durch Kibas Auftauchen wird mir erst bewusst, wie sehr es eigentlich wehtut.

 

 

Ich ignoriere alle Nachrichten, die Naruto mir über den nächsten Tag verteilt über zukommen lässt. Ich fühle mich nicht dazu in der Lage, auf ihn einzugehen oder mich mit meinen Gefühlen zu befassen, weshalb ich mich damit beschäftige, Arbeiten für die Schule fertigzustellen. Ich schreibe viel über Themen, die in der nächsten Zeit auf dem Unterrichtsplan stehen und setze den Stift erst ab, als es an meiner Zimmertür klopft.

 

„Ja?“, gebe ich leise von mir, darauf wartend, dass meine Mutter gleich die Tür öffnen wird. Doch sie ist es nicht. Nein.

 

„Naruto?“ Sein blonder Haarschopf kommt zum Vorschein, dann sein grinsendes Gesicht. Er tritt in mein Zimmer ein, als hätte er es schon tausendmal getan. Der Knoten in meinem Bauch ist fest, doch das Kribbeln drumherum ist nach wie vor existent. Er würde nicht grinsen, wenn er es wüsste, oder?

 

„Hey, ich dachte mir mal, ich statte meinem Nachbarn einen Besuch ab“, begrüßt er mich und schließt die Tür hinter sich. Seine Augen wandern nur kurz durch den Raum, ehe er mich ansieht. „Alles okay bei dir? Du hast nicht auf meine Nachrichten reagiert … und deine Ma meinte, dass du schon den ganzen Tag in deinem Zimmer schmollst.“ Schmollen? Ich habe sie heute nur zum Frühstück gesehen. Wie kommt sie auf die Idee, ich würde schmollen? Ich verziehe die Lippen, was Naruto zum Lachen bringt.

 

„Heh, genauso hat sie dich beschrieben. Also, was liegt an? Ist was passiert oder hast du nur einfache Verdauungsprobleme?“

 

„Verdauungsprobleme?“ Ich drehe meinen Stuhl, damit sich mein Fokus komplett auf ihn legen kann. Unglaublich, dass er wirklich hier ist. Zum ersten Mal. Nach all diesen Tagen, die ich schon bei ihm verbracht habe.

 

„Jap. Du weißt schon, wenn einer quer sitzt und du ihn nicht rauslassen kannst.“

 

„Das ist widerlich. Und nein, ich habe keine Verdauungsprobleme, ich lerne.“

 

„Echt jetzt? Ohne mich?!“ Ich neige den Kopf leicht zur Seite, da mich sein entsetzter Ausdruck fasziniert. Er bringt mein Herz dazu, noch schneller in meiner Brust zu schlagen.

 

„Ich bereite mich auf die neuen Themen vor.“

 

„Ihhh, das ist abartig. Sasuke, es ist Sonntag! Du musst mal raus … und frische Luft schnappen!“

 

„Ich kann nicht … ich hab noch zu tun.“

 

„Mhh, ist das der Grund, weshalb du meine Nachrichten ignoriert hast?“ Ich wende den Blick ab, da mich seine blauen Augen Schuldgefühle in mir auslösen.

 

Ich kann nur versuchen, dich zu ignorieren – am Ende gewinnst du ohnehin. Ich bin ein Idiot, stimmt´s? Mich von dir zu entfernen, weil du nicht das fühlen kannst, was ich fühle … lässt mich zu einem Idioten werden.

 

„Tut mir leid, ich hab sie nicht gelesen … ich war vertieft“, lüge ich und höre ihn zeitgleich schnauben.

 

„Okay. Wenn du nicht rausgehen willst, dann bleib ich hier und leiste dir Gesellschaft.“ Seine Stimme kommt näher – ich blicke wieder auf – und werde Zeuge davon, wie er sich auf mein Bett wirft. Er liegt auf dem Rücken, blickt nach oben und seufzt. „Dein Bett ist hart … mhmh.“

 

Ich verschlucke mich beinahe, da er diesen Satz so zweideutig ausspricht, dass mein Nacken warm wird.

 

„Hart?“, räuspere ich mich.

 

„Ja“, erwidert er. „Dein Bett ist härter als meins … aber es fühlt sich gut an.“ Mittlerweile sind auch meine Ohren warm.

 

„Interessant.“ Er sagt darauf nichts mehr. Ich kann sehen, dass er die Augen schließt. Ich beobachte ihn dabei. Was tut er hier? Ist er hier, weil ihm langweilig ist?

 

„Was denkst du über Sakura?“, fragt er dann auf einmal überraschend, völlig aus dem Nichts heraus, so dass ich einige Sekunden brauche, um diese Frage zu verarbeiten. In der Zwischenzeit hat er seine Augen auch wieder geöffnet und verschränkt seine Arme hinter seinem Nacken. Er hat den Kopf leicht zu mir geneigt – ich sitze nach wie vor auf dem Stuhl – und sieht mich abwartend an.

 

„Warum fragst du?“, hake ich interessiert nach, obwohl Sakura mich nicht im Geringsten tangiert. Ihre Person ist mir nicht wichtig. Sie ist nur die Nebenrolle, die eigentlich keine Aufmerksamkeit verdient hat.

 

„Weil ich wissen will, was du von ihr hältst.“ Warum er mit dieser Frage ausgerechnet zu mir kommt, ist mir schleierhaft. Wir kennen uns noch nicht so gut, um darüber zu sprechen, oder? Andererseits habe ich von der sozialen Etikette absolut keine Ahnung … also …

 

„Ich mag sie nicht“, erwidere ich ehrlich, da ich kein Bedürfnis verspüre, ihn deswegen anzulügen. Mich verblüfft allerdings, dass es ihn nicht zu verwundern scheint, denn er blickt mir nur neutral entgegen. Vielleicht sogar ein wenig abschätzend, so als ob er das, was ich sage, erst analysieren müsste. Darauf prüfen müsste, wie hoch der Wahrheitsgehalt ist.

 

„Weißt du, dass sie dich mag?“ Ich ziehe die Augenbrauen zusammen.

 

„Wieso sollte sie mich mögen? Sie kennt mich gar nicht …“ Er ändert seine Position, schlägt sich einen Arm über die Stirn, so dass ich seine Augen nicht mehr sehen kann. Lediglich sein Grinsen ist sichtbar. Sichtbar und irritierend, da ich es nicht deuten kann.

 

„Aber seit sie dich kennt, erzählt sie dauernd von dir. Als wärst du schon immer dagewesen.“

 

„Was?“

 

„Sakura, sie redet über dich. Ständig.“ Seine Worte ergeben keinen Sinn. Und wenn sie der Wahrheit entsprechen, dann ergibt Sakuras Verhalten noch weniger Sinn.

 

„Ich habe noch nie mit ihr geredet …“

 

„Ich weiß“, seufzt er. „Ich weiß es. Und trotzdem erzählt sie mir ständig davon, was für ein toller Typ du doch bist.“ Ich weiß nicht, was ich darauf erwidern könnte. Es verwirrt mich.

 

„Sasuke hier, Sasuke da … lass uns doch mal was mit Sasuke machen“, äfft er ihre Stimme nach. Er klingt hell, viel zu spitz. „Und wenn ich sie frage, warum wir zusammen mit dir auf ein Date gehen sollten, wird sie ruhig. Ich verstehe es nicht.“ Und ich verstehe es noch weniger. Was ist ihr Interesse an mir? Will sie mich kennenlernen, weil Naruto in letzter Zeit mit mir zu tun hat? Merkt sie, dass ich sie nicht leiden kann und will diesen Zustand richten?

 

„Man könnte fast meinen, dass sie in dich verknallt ist“, sagt er leise.

 

„Das glaub ich nicht. Sie kennt mich doch gar nicht.“

 

„Na und? Manche Leute glauben an die Liebe auf den ersten Blick?“ Er nimmt den Arm von seiner Stirn und sieht mich an.

 

„Schwachsinn … es gibt keine Liebe auf den ersten ...-“ Ich breche ab, da das, was ich sagen würde, eine Lüge wäre. Und das wird mir in dem Moment bewusst, als ich in seine Augen blicke.

 

Auch ich kannte ihn nicht. Hatte bis vor kurzen nur wenig Ahnung davon, wie er wirklich ist. Nur durch bloßes Beobachten habe ich festgelegt, dass ich etwas für ihn empfinde.

 

Eine erschreckende Tatsache, die vielleicht auch auf Sakura zutrifft.

 

„Klar … die gibt es, glaub mir.“ Ich drehe den Kopf zur Seite da mich die Vorstellung daran, wen er meint, immens unglücklich macht. „Meine Eltern haben sich damals auf diese Art ineinander verliebt …“, flüstert er. „Und ich dachte, ich hätte das auch.“ Er dachte? „Mittlerweile bin ich mir nicht mehr sicher“, fügt er noch hinzu und richtet sich dann auf. Er fährt sich mit den Handflächen über das Gesicht, während ich ihn wieder anblicke und mir seinen letzten Satz durch den Kopf gehen lasse.

 

„Wieso?“, frage ich ruhig, doch er schüttelt nur den Kopf.

 

„Egal, ist nicht wichtig.“ Oh doch, das ist es. Es ist sehr wichtig. Wenn er hier vor mir sitzt, mir offenbart, dass er sich nicht mehr sicher ist, sie zu lieben, dann ist es verdammt wichtig. Doch ich lasse die Frage, die aus mir ausbrechen will, nicht heraus.

 

„Hast du Kiba schon davon erzählt?“, wechsle ich das Thema und höre ihn kurz darauf schnauben.

 

„Nä. Kiba hasst Sakura. Wenn ich ihm davon erzählen würde, würde er nur sagen: 'Ha, ich wusste es!' Und das will ich mir ersparen.“ Kiba hasst Sakura? Ich runzle die Stirn.

 

„Wenn er sie hasst, weshalb lernt er dann mit ihr?“ Er zuckt mit den Schultern.

 

„Das wüsste ich auch gerne. Ich hab gedacht, dass er sie mittlerweile mag … weil er schon länger nicht mehr über sie gelästert hat, aber vorgestern hat er mir wieder erzählt, dass er sie ätzend findet.“

 

„Dann ergibt es keinen Sinn, mit ihr zu lernen.“

 

„Sag ich doch. Zur Zeit ist alles so seltsam … irgendwie.“ Gedanklich stimme ich ihm zu. Kibas Person gibt viele Rätsel auf. „Und ich weiß nicht, was ich tun soll. Soll ich sie direkt fragen? Soll ich dich schlagen, weil meine Freundin auf dich steht? Und was ist mit Kiba los? Warum ist er in letzter Zeit so komisch?“

 

„Ich hoffe doch sehr, dass du mich nicht schlägst … ich interessiere mich nämlich null für deine Freundin“, erwidere ich trocken, ganz egal, ob mein Magen sich schmerzhaft verzieht, weil er es tatsächlich in Betracht zieht, dass ich Interesse an ihr habe.

 

„Nein“, haucht er. „Dich zu schlagen würde nichts bringen … ich bin nur so frustriert, verstehst du?“ Ich nicke, weil ich mir vorstellen kann, wie er sich fühlt. Ich kenne es selbst. Dieses Gefühl, das einen überkommt, wenn man für die Liebe seines Lebens irrelevant ist.

 

„Und der Sex wird auch immer schlechter.“ Meine Augen weiten sich. „Wenn es hochkommt, schlafen wir nur noch zweimal im Monat miteinander! Und dann ist alles so gezwungen, als wäre es eine Pflicht …“, echauffiert er sich weiter. „Wir sind noch nicht mal ein Jahr zusammen … Gott, meine Eltern haben heute noch regelmäßig Sex“, sagt er mit verzogenen Lippen. Ich erwidere diese Geste, denn es ist eine widerliche Vorstellung in meinem Kopf, wenn ich daran denke, dass Eltern Sex haben.

 

„Zu viel Information“, brumme ich und er lacht.

 

„Sorry … ich bin einfach nur so genervt … Sakura macht mich fertig.“

 

„Warum trennst du dich nicht von ihr?“ Er sieht mich so an, als wären mir Hörner gewachsen, doch dann verändert sich sein Ausdruck, wird nachdenklicher.

 

„Ich hab darüber nachgedacht …“, sagt er leise. „Wirklich. Aber ich glaube das kann ich nicht. Ich kann nicht mit ihr schlussmachen, wenn ich nicht weiß was überhaupt los ist …“

 

„Du solltest mit ihr darüber reden.“ Er nickt.

 

„Ja … tut mir leid, dass ich damit zu dir komme, ich hab gedacht, dass …“

 

„Du kannst immer zu mir kommen“, erwidere ich. „Aber ich werde dir ehrlich sagen, was ich denke, okay?“ Wieder nickt er, ehe er grinst.

 

„Deswegen bin ich hier. Ich will jemanden, der objektiv beurteilt, wie er die Situation sieht.“

 

Ich bin alles andere als objektiv eingestellt, wenn es um dich geht, Naruto Uzumaki. Wenn ich könnte, würde ich aufstehen, mich auf deinen Schoß setzen, dich küssen und dir immer wieder sagen, wie sehr ich dich liebe. Ich würde dir sagen, dass sie deine Liebe nicht verdient hat. Dass ich derjenige bin, mit dem du glücklich werden solltest.

 

Doch ich tue nichts von alledem. Es wäre zu egoistisch. Und die Chancen, dass er meine Gefühle erwidert, liegen im Minusbereich.

 

„Ich denke, du solltest sie direkt darauf ansprechen. Sie fragen, ob sie an mir interessiert ist … und daraus deine Konsequenzen ziehen.“ Also rate ich ihm, das einzig Richtige zu tun.

 

 

Er bleibt noch ungefähr für eine Stunde, die wir damit verbringen, über banale – jedoch für mich wichtige – Dinge zu sprechen. Alles, was er mir erzählt wird von mir aufgesaugt. Verinnerlicht. Und später dann, als ich wieder alleine bin, denke ich weiterhin darüber nach. Und mein verräterisches Herz begrüßt die Tatsache, dass es zwischen Naruto und Sakura kriselt. Mit diesem Gedanken lässt es sich viel besser schlafen.

 

 

Auch am nächsten Tag bringt mich diese Vorstellung dazu, mit guter Laune zur Schule zu fahren. Ignoranz für meine Mitmenschen im Bus – Schüler auf den Gelände sind uninteressant. Ich sehe sie nicht. Nur Narutos und Sakuras Ende ist in meinen Gedanken präsent. So stark, dass ich mich erst wieder daran erinnere, dass Kiba existiert, als er auf einmal vor meinem Tisch steht und grinsend auf mich herabblickt.

 

Das war es dann wohl mit der guten Laune. Mit einer einzigen Geste zerstört. Von einem idiotischen Betrüger, der mich erpresst.

 

„Na, Sasuke-chan, hast du es dir überlegt?“ Was gibt es dabei zu überlegen?

 

„Du bist ein Arschloch“, erwidere ich, doch er winkt nur ab und lächelt.

 

„Ich weiß, ich weiß. Also, wie lautet deine Antwort?“

 

„Würde dir ein Fick dich genügen?“

 

„Also soll ich das Band dann in der Mittagspause abspielen?“ Ich schnaube, presse dann die Lippen aufeinander und ziehe ein neues Blatt aus meinem Block heraus. Unter seinen wachsamen Augen schreibe ich auf, was er von mir wissen will.

 

„Deine Schuhgröße brauch ich noch“, fügt er hinzu, nachdem ich ihm den Zettel reichen will.

 

„Ich werde keine hohen Schuhe tragen“, zische ich leise, während er gluckst.

 

„Keine Sorge, so sehr will ich dich dann auch nicht quälen. Aber dein Outfit muss zusammenpassen, also hopp hopp, schreib sie auf.“ Ich tue, was er von mir verlangt. Natürlich mit fließender Lava im Bauch, doch ich tue es.

 

„41? Sasuke, du hast Kinderfüße.“

 

„Hast du ein Problem damit?“ Er schüttelt den Kopf.

 

„Nope. Das macht dich gleich noch viel niedlicher.“ Zur Antwort zeige ich ihm meinen Mittelfinger.

 

„Hehe“, grinst er daraufhin nur. „Ich werde dich am Freitag abholen, also halt dich bereit.“ Er dreht sich bereits um, bleibt dann jedoch stehen und blickt über seine Schulter hinweg zu mir zurück. „Achja, du solltest dich rasieren. So komplett … wenn du das nicht eh schon machst.“ Der Stift zwischen meinen Fingern wird gedanklich zum Mordutensil. Wenn ich jetzt aufspringe, um ihn die Miene ins Auge zu rammen, dann würde er leiden, richtig? Ich komme allerdings nicht dazu, meinen spontan geformten Plan in die Tat umzusetzen, denn er läuft bereits weg, da der Lehrer den Klassenraum betreten hat.   



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