Planung
Der Inu no Taishou dachte kurz nach, ehe er sagte: „Fangen wir einmal an, welche Fähigkeiten eine Attentäterin – oder auch ein Attentäter – besitzen musste, um einen derartigen Angriff, ja, eine Falle für Sesshoumaru zu errichten.
Erstens: sie – ich gehe einmal davon aus, dass Ihr, meine Teure und auch Sakura, durchaus recht habt mit der höheren Wahrscheinlichkeit einer weiblichen Angreiferin – muss in der Lage sein ein Streunerrudel zu erreichen, die ja ebenfalls von ihrem Auftraggeber als Frau sprachen. Es könnte sich durchaus nicht nur um eine Botin gehandelt haben. Streuner jedoch treiben sich in aller Regel nicht in den westlichen Ländern herum.
Zweitens: sie muss genug Geld mitgebracht haben und einen guten Plan, um die Streuner überzeugen zu können.
Drittens: sie muss sich im Schloss auskennen und zumindest teilweise hier leben.
Viertens: sie hält Sesshoumaru für arrogant und hatte wohl ein persönliches Zusammentreffen mit ihm.
Fünftens: sie weiß, dass Sesshoumaru durchaus nicht an Tollwut leidet sondern durch eine Haarnadel verletzt wurde, was ja in ihrem Plan enthalten war um selbst nie in Verdacht zu geraten.
Soweit gibst du mir recht, mein Sohn?“
Das führte dazu, dass alle zu diesem sahen und Sakura erkannte, dass er nicht zu seinem Vater blickte – ungewöhnlich bei seinem Respekt vor diesem. So meinte sie, ohne zu bedenken, dass sie gerade einen Dämonenfürsten unterbrach: „Ich bitte um Verzeihung, aber ich denke, Seine Lordschaft möchte etwas mitteilen....“
Sie hatte es immerhin mitbekommen, dachte dieser, fixierte aber weiterhin die erkannte Möglichkeit diesen Fall doch ordnungsgemäß zu lösen.
„Und was?“ erkundigte sich der Inu no Taishou, korrigierte sich aber sofort: „Frage ihn.“
„Ja, Herr. - Euer Lordschaft sieht immer in eine Richtung. Ist dort etwas, was bei der Suche nach Beweisen weiterhelfen kann? - Ja.“ Sie wusste nicht, dass der Erbprinz in diesem Moment ebenso froh war wie sie, dass sie das Richtige erraten hatte. Sie folgte seinem Blick: „Der Heilerkoffer? - Nein.- Äh...das Skalpell? Nein....“ Sie erkannte an seinen Augen dass er ungeduldig wurde: „Ich bitte um Vergebung, Lord Sesshoumaru, ich muss in menschlich angeborener Unwissenheit raten...“
Lobenswerte Selbsterkenntnis, dachte die Fürstin. Da weiß wirklich jemand, wie man bei ihm überleben kann, meinten der Herr der Hunde und sein Heiler gleichzeitig.
Sakura fuhr fort: „Die Pinze...nein, die Nadel. Ich meine, das abgebrochene Ende der Haarnadel? - Ja.“ Sie wagte einen Seitenblick zum Schlossherrn.
Dieser stutzte, sagte dann, da sein Sohn nun zu ihm sah: „Ich stelle mit Freude fest, dass dein Verstand klar wie eh und je ist, Sesshoumaru. Ja, eine Möglichkeit einen wirklichen Beweis zu finden, du hast vollkommen Recht.“
Der Angesprochene war fast begeistert – zum einen, dass er doch verstanden worden war, zum zweiten über das Lob und zum dritten, dass Vater sofort begriff, was er meinte.
Der Hundefürst fuhr fort: „Wie ich bereits erwähnte, gibt es fünf Bedingungen, die ein Täter erfüllen sollte. Sayo stammt aus einer sehr vornehmen und reichen Familie, deren Besitzungen am Rand der westlichen Länder liegen. Sie lebt immer wieder hier um sich einen Ehepartner zu suchen. Und sie hatte ein schlecht verlaufendes persönliches Zusammentreffen. Überdies will sie sich opfern. Das spricht alles gegen sie, ohne Zweifel, aber wenn ich daran denke, welche Indizien schon alle auf Leute hingewiesen haben, deren Unschuld Sesshoumaru später bewies und den wahren Mörder überführte....Nun, diese Indizien gegen Sayo lassen sich alle wegerklären, zumal ihre Familie wirklich seit sehr langer Zeit sehr eng mit unserer verbunden ist. Ein Beweis oder ein Geständnis machen sich besser, das sage ich als Richter.“
Sakura bemerkte, dass Seine Lordschaft blinzelte, aber sonst den Blick nicht von seinem Vater ließ: „Ja,“ dolmetschte sie automatisch – und wurde prompt ignoriert.
Die Fürstin schloss kurz die Augen: „Ein Geständnis ist leicht zu erlangen.“
Der Inu no Taishou sah zu ihr: „Folter nimmt einem Geständnis erheblich den Wert. Sie ist nur nützlich, wenn man eine direkte Auskunft will. Ich dachte eher an eine Falle.“
„Vergebt, mein Gebieter.“ Nur nicht zu weit gehen.
Der Schlossherr blickte wieder zu seinem Sohn: „Geht sie in die Falle haben wir eher einen Beweis. Tut sie dies nicht, müssen wir warten bis du in der Lage bist eine weitere Aussage zu machen. Wobei ich hoffe, dass es sich nur um einen oder zwei Tage handelt.“
Die Heilerschülerin bemerkte den rascheren Lidschlag des Patienten: „Äh, vergebt, edler Herr. Lord Sesshoumaru möchte sich erneut äußern. Darf ich genauer nachfragen?“
„Dazu bist du da,“ erklärte der Hundefürst kalt. Nur nicht sie umbringen, sie tat, was sie konnte. Aber ein Blutbad erschien ihm langsam deutlich besser als diese hilflose Herumwarterei. Immerhin konnte er jetzt schon mal planen.
„Geht es um die Falle, Euer Lordschaft? - Nein. Um Eure mögliche weitere Aussage? - Ja.- Um die Zeitdauer? - Nein. Vergebt, ich muss es erraten....Ihr könnt nach wie vor keine Aussage über Euren Angreifer treffen? - Ja.“
„Nun, dass muss die Falle genügen,“ erklärte der Inu no Taishou besänftigt, durchaus angetan, dass die seltsame Zusammenarbeit dieser Beiden auch unter solchen extremen Bedingungen funktionierte. Sakura kannte seinen Sohn vermutlich besser als jeder andere Mensch der Vergangenheit und Zukunft, nun, vielleicht als ihre eigene Wiedergeburt. Er wandte sich jedoch an seine Gemahlin: „Ich bleibe bei Eurer Idee, meine Teure, schon, um Euch zu decken.“
Das war ein deutlicher Tadel, dass sie ihm vorgegriffen hatte, und die Fürstin verneigte sich etwas, nicht, ohne einen raschen Blick auf den Menschen im Raum zu werfen. Eine Rüge vor diesem Mädchen war noch einmal unangenehmer als allein mit ihrem Gemahl. Immerhin besaß die Heilerin genug Anstand fast im Boden zu versinken, ohne freilich Sesshoumaru aus den Augen zu lassen. Wenigstens war sie pflichtbewusst und schweigsam, mehr, als man sonst von dieser unterklassigen Art behaupten konnte.
Ach, was war das schön, dass sein verehrter Vater ein klein wenig seine Revanche übernahm, dachte der Sohn des Hauses. Zum zweiten Mal in wenigen Minuten hatte Mutter eine Niederlage einstecken müssen, und das auch noch von der einzigen Person, die sich das wirklich leisten konnte. Aber er sollte lieber Vater und dessen Idee zuhören, die der gerade ausführte.
Zwei Minuten später war Sakura jedenfalls nun klar woher Seine Eisigkeit seine logischen und strategischen Fähigkeiten hatte – und auch von wem seine Kühle.
Ihr Lehrer verneigte sich derweil nur: „Wohin sollen Sakura und ich anschließend gehen?“
„Gleich. Nur bleibt zusammen, falls sich eine Notwendigkeit ergeben sollte.“
Nach dem erhaltenen Tadel war die Fürstengemahlin behutsam: „Ich werde natürlich hier bei unserem Sohn bleiben, mein Gebieter. Nur eine Frage hätte ich noch: nur Sayo? Was ist mit Miyoko?“
„Nutzlos.“ Damit ging der Schlossherr.
Die Hundedame hätte nie ihre Erleichterung zugegeben: „Nun, Neigi?“
„Wir gehen unverzüglich, Herrin. Allerdings denke ich, dass Lord Sesshoumaru mit fortschreitender Ruhephase doch auch eine Decke benötigt. - Sakura, hole die aus dem Zimmer gleich gegenüber.“
Erst als das Menschenmädchen die angegebene Tür öffnete, stellte sie fest, dass ihr Lehrer offenbar nicht mitgedacht hatte – es handelte sich um das Schlafzimmer des Inu no Taishou. Es sah gemütlicher aus als das seines Sohnes, sogar eine Decke lag auf der Matte, die sie eilig nahm. Undenkbar, wenn sie hier gesehen wurde! Andererseits, was war an ihrem Ruf im Schloss noch wirklich zu ruinieren? Beim Hinausgehen entdeckte sie ein Go-Spiel. Darum also wusste Meister Neigi, wie es hier aussah. Er ging, falls der Herr und er Zeit fanden, abends gern auf ein Go-Spiel mit dem Fürsten.
Nur Minuten später kniete Sayo vor dem Hundefürsten und berührte protokollgerecht mit der Stirn den Boden.
„Richte dich etwas auf,“ befahl er: „Du hast dich bereit erklärt, dich...um meinen Sohn zu kümmern.“
„Ja, Herr.“
„Du weißt, dass das riskant für dich wird.“
„Ja, Herr.“
„Deine Familie dient der meinen seit langen Jahrhunderten und ich kann mir nicht vorstellen, dass nur das der Grund ist. Gibt es einen besonderen in deinen Augen?“ Wenn sie log würde er es erkennen.
Sie zögerte ein wenig, ehe sie leise sagte. „Es...mir wurde erzählt, dass meine Großmutter, ehe sie meinen Großvater heiratete, auf Befehl des damaligen Fürsten, dessen....spezielles Interesse besaß. Und ich möchte...mich ihrer als würdig erweisen, selbst.... Sie selbst erzählte immer gern von diesem Schloss, ja, deutete mir gegenüber sogar an...“ Sie brach lieber ab.
Sie deutete ihrer Enkelin gegenüber sogar an, dass ihr Sohn womöglich der Bastard des Fürsten sei – das wäre ein guter Grund, den bei der nächsten Gelegenheit umzubringen. Fürsten und Halbbrüder ging in aller Regel nicht gut. Für solch einen, wenn auch unwahrscheinlichen, jedoch zu verhindernden, Fall hatte er selbst ja sogar schon mit dem alten Toutousai Kontakt aufgenommen....Aber, das gehört nicht hierher. Etwas anderes war wichtiger. Wenn Sayos Großmutter die Geliebte des Fürsten gewesen war, kannte sie mit Sicherheit den Geheimgang, durch den Boten und eben auch solche Damen ungesehen den Privattrakt verlassen konnten. Er war nur von innen zu öffnen. Hatte diese geschwätzige Dämonin etwa auch ihrer Enkelin davon erzählt? Den kannte nicht einmal seine Gemahlin.
Aber es war unvorsichtig von Sayo das ihm gegenüber zuzugeben, auch das mit ihrem Vater. War sie gedankenlos oder töricht? Und damit unschuldig? Oder verstellte sie sich nur perfekt?