Zum Inhalt der Seite

Mistaken

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Es hätte ein ganz normales Training sein sollen und eigentlich war auch fast alles wie sonst.

Der muffige Geruch der Sporthalle, die leicht gelbstichige Beleuchtung, das Quietschen von Turnschuhen auf Linoleum. Und natürlich die gleichen Spieler, die mit verschwitzten, konzentrierten Gesichtern wortwörtlich nach Rikos schrillender Pfeife tanzten, um die Aufwärmübungen über sich ergehen zu lassen.

Aber etwas war entschieden anders als sonst, zumindest, wenn man Izuki fragte. Und dieses Etwas betraf das goldene Duo unter den Erstklässlern. Dabei war es jedoch schwer zu sagen, was sich genau verändert hatte. Es war, wie er feststellte, weniger etwas, das sie taten, denn sie benahmen sich den anderen Spielern gegenüber normal, redeten nicht mehr oder weniger als sonst miteinander und auch ihre Partnerübungen liefen geschmeidig wie immer.

Es war vielmehr etwas, das sie nicht taten. Oder genauer gesagt etwas, das heute fehlte: Distanz.

Es war normal, dass Kagami und Kuroko in den Verschnaufpausen und für Erklärungen seitens Rikos nebeneinander standen, allerdings für gewöhnlich in einem Abstand, in dem ein weiterer Spieler problemlos Platz gefunden hätte.

Eindeutig nicht normal war dagegen, dass heute kaum ein Blatt zwischen sie gepasst hätte. Manchmal, wenn sie so dastanden, oft schwer atmend, berührten sie sich sogar tatsächlich flüchtig, Haut an Haut. Und auch wenn sie nach außen hin keine Notiz davon zu nehmen schienen, hätte Izuki schwören können, dass er Kuroko für den Bruchteil einer Sekunde hauchdünn, doch eindeutig zufrieden lächeln sah.

Izuki bemerkte im Laufe der ersten Übungen schnell, dass auch die anderen Spieler allmählich Wind davon bekamen, dass sich zwischen Kagami und Kuroko ein paar Dinge geändert hatten. Hyuuga machte einen sichtlich verwirrten Eindruck, in Kiyoshis Augen schimmerte Neugier und Koganei trat tatsächlich von einem Bein aufs andere, als müsse er sich zurückhalten, um nicht einfach mit einer Frage, die ihm auf der Seele brannte, herauszuplatzen. Der Rest schien hin- und hergerissen zwischen hinstarren und jeglichen Augenkontakt vermeiden. Izuki selbst hatte innerlich mit einem übersprudelnden Quell an Wortwitzen zu kämpfen, die mysteriöserweise alle stark in die Pärchenkategorie fielen.

Kurzum: Die Stimmung, in der sie ihr heutiges Trainingsspiel begannen, war mehr als eigenartig.

Allerdings waren sie inzwischen professionell genug, um trotzdem ein rundes Spiel abzuliefern. Jedenfalls bis Kagami in einem unkonzentrierten Moment das Timing für einen Dunk vermasselte und unelegant auf seinem Hinterteil landete.

Eigentlich keine große Sache, zumal Kagami sich scheinbar nicht verletzt hatte – bis auf sein Ego vielleicht. Riko hob ihre Pfeife, um das Spiel kurz zu unterbrechen und die Spieler, die Kagami am nächsten waren, wollten ihm gerade dabei helfen, wieder aufzustehen, als sie einen leisen, halb tadelnden, halb besorgten Ausruf hörten.

„Taiga-kun.“

Kurokos Stimme. Die Kagamis Vornamen sagte.

Jeder erstarrte in der Bewegung, sogar die Trillerpfeife gab nur einen kläglichen Laut von sich, bevor sie aus Rikos weit geöffnetem Mund fiel. Izuki vergaß sogar, was auch immer er gerade zu Kagami hatte sagen wollen, und sah nur mit aufgerissenen Augen dabei zu, wie Kuroko Kagami eine Hand reichte, um ihn auf die Beine zu ziehen.

„Du musst dich mehr konzentrieren, Taiga-kun. In einem richtigen Spiel darf dir das nicht passieren.“

… Seit wann verwendete Kuroko Vornamen?

„Tut mir leid, Tetsuya. Ich bin heute nicht ganz bei der Sache.“

… Und seit wann verwendete Kagami Kurokos Vornamen?

„Es scheint, wir haben gestern einfach zu wenig Schlaf bekommen. Ich hätte dich wohl nicht so lange wach halten sollen“, überlegte Kuroko, zuckte dann aber mit den Schultern und trottete auf seine Position zurück.

… Was?

Man konnte den Moment, als die anderen Mitglieder von Seirin diese Information verarbeitet hatten, an ihren geschockten Gesichtern ablesen. Einige wurden regelrecht rot, Mitobes Wangen nahmen dabei einen besonders hübschen Pfirsichton an. Izuki konnte das Kopfkino mit Theorien darüber, was Kuroko und Kagami die Nacht über getrieben hatten, um sich gegenseitig wach zu halten, auch nicht ganz abstellen.

Das Training ging nach einer seltsamen, circa zweiminütigen Pause jedoch fast so weiter wie zuvor, brennende Fragen, die sich niemand zu stellen traute, und spannungsgeladene Atmosphäre hin oder her. Jedenfalls bis Riko das Spiel abpfiff und Kagami und Kuroko losschickte, um die Bälle wegzubringen. Die Tür zur Sporthalle war kaum hinter den beiden zugefallen, als niemand mehr an sich halten konnte.

„Habt ihr das auch alle gehört?“, fragte Tsuchida.

Mitobe nickte dazu.

„Vornamen! Kuroko benutzt doch nie Vornamen, oder?“, warf Kawahara ein.

Zustimmendes Gemurmel.

„Ich meine, von Kagami erwartet man das eher“, sagte Fukuda. „Immerhin ist der in Amerika aufgewachsen und die halten das ja anders mit Namen.“

„Schon, aber warum redet er dann uns alle noch mit Nachnamen an, nur Kuroko nicht?“, gab Hyuuga zu bedenken und blickte dabei ein wenig säuerlich drein, so als sei es ein Verbrechen, einfach etwas Etabliertes ohne sein Wissen zu ändern.

Nun mischte sich sogar Riko in das Gespräch ein. „Irgendetwas muss ja gestern zwischen ihnen vorgefallen sein, das die Situation geändert hat.“

Schweigen. Und da war auch das Kopfkino wieder. Lieber Himmel!

Einige peinliche Momente vergingen, bis Koganei das Wort ergriff.

„Meint ihr … dass die beiden … nun ja, zusammen sind?“

Wieder entstand eine merkwürdige Pause, in der einige krampfhaft in eine andere Richtung sahen.

„Ah“, sagte Kiyoshi schließlich, ein ziemlich argloses Lächeln auf den Lippen. „Ich dachte, die beiden seien schon länger ein Pärchen …“

„Was?!“ Hyuuga schien entsetzt. „Wie kommst du darauf?“

Kiyoshi kratzte sich verlegen am Hinterkopf und grinste in die Runde.

„Hattet ihr nie den Eindruck, dass sie irgendwie vertrauter sind als normale beste Freunde? Oder war das nur meine Einbildung?“

Man konnte es beinahe in den Köpfen der Mannschaft rattern hören. Jetzt, wo er es sagte … Izuki hatte bereits öfter bemerkt, wie gut sich das Duo verstand. Und zwar nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch privat. Auf ihre sehr eigenwillige Art ergänzten sie sich perfekt, wussten immer, was der andere dachte, fühlte und brauchte. Wenn das kein Beziehungsmaterial war …

„Was auch immer sie hatten, sie haben ihre Beziehung wohl auf ein neues Level gebracht“, sagte Furihata endlich und beendete damit vorläufig die Diskussion über das „ob“ zwischen Kuroko und Kagami. Da die Gesamtsituation für die Richtigkeit seiner Aussage sprach, ließen die anderen sein Wort einfach als gegeben stehen.

Es war schon durchaus unterhaltsam, das keiner ernsthaft gegen den Gedanken protestierte, dass zwei ihrer Freunde vielleicht miteinander ausgingen. Wenn Izuki sich so umsah, stellte er anhand der reihum fast versonnen nickenden Köpfe fest, dass wohl jeder von ihnen schon mindestens einmal insgeheim über die Möglichkeit nachgedacht hatte. Es schien wohl etwas dran zu sein an Kuroko und Kagami.

Bedenken wurden trotzdem geäußert, allerdings gingen diese in eine andere Richtung.

„Was, wenn sie sich irgendwann trennen? Würde das nicht Unruhe in die Mannschaft bringen?“, fragte Tsuchida.

Riko seufzte tief. „Zerstreiten können sie sich immer und es wäre in jedem Falle fatal für das Team. Ob jetzt als beste Freunde oder als Paar, macht im Ergebnis keinen Unterschied. Wir müssen sie einfach gewähren lassen und darauf vertrauen, dass sie auch in Zukunft zusammenhalten wie Pech und Schwefel.“

„Es sind Kuroko und Kagami“, sagte Kiyoshi. „Die packen das schon, das tun sie ja sonst auch immer.“

Alle nickten in Zustimmung und damit war das Thema vom Tisch. Die Neugierde allerdings weniger, denn als Kuroko wenig später zurück in die Sporthalle kam, richteten sich umgehend sämtliche Augenpaare der Anwesenden auf ihn. Izuki hatte ein wenig Mitleid mit dem armen Jungen, der ganz verwirrt in der offenen Tür stand und der versammelten Mannschaft entgegen sah.

„Ihr seid alle noch da? Aber das Training ist doch vorbei, oder nicht?“

„Ähm, also“, stammelte Hyuuga, der sich als Captain scheinbar dafür verantwortlich fühlte, die Situation zu erklären. „Es gab da noch eine kleine Unklarheit …“

„Warum nennt ihr euch plötzlich beim Vornamen, Kagami und du?“, platzte es aus Koganei heraus, der mit großen Augen und seinem typischen Katzenlächeln dabei völlig unschuldig wirkte.

Izuki konnte nicht anders, als dieses lose Mundwerk ein wenig für eine solche Direktheit zu bewundern.

Kuroko legte den Kopf schräg und sah der Reihe nach alle an, bevor er schlicht mit den Schultern zuckte und näher kam, um sich besser mit den anderen unterhalten zu können.

„Es ist eigentlich ganz einfach. Ich übernachte zurzeit bei Taiga-kun, schon seit Anfang der Woche -“

„Warum das?“, unterbrach Furihata ihn, offensichtlich durch Koganei angesteckt. Angesichts der Tatsache, dass heute Donnerstag war, war es allerdings keine unberechtigte Frage …

„Das Fenster in meinem Zimmer ist kaputt“, setzte Kuroko an und fuhr auf die fragenden Blicke hin mit der Erläuterung fort. „Eine ältere Dame, die kürzlich nebenan eingezogen ist, hielt mich wohl für einen bösen Geist. Deshalb hat sie auch einen steinernen Talisman durch meine Scheibe geworfen. Ich sollte mich bei Gelegenheit dafür entschuldigen, dass ich ihr einen Schrecken eingejagt habe.“

Das Team inklusive Riko schüttelte synchron teils ungläubig, teils mitleidig die Köpfe. Das hier war eine Situation, in die auch nur Kuroko geraten konnte.

„Und du übernachtest bei Kagami, bis die Scheibe ausgetauscht ist?“, schloss Izuki.

Kuroko nickte.

„Das beantwortet aber immer noch nicht die Frage, warum ihr inzwischen beim Vornamen seid“, sagte Hyuuga, inzwischen deutlich neugierig.

„Das wollte ich ja erklären, bevor ich unterbrochen wurde. Taiga-kun und ich haben uns den ganzen Abend lang über seine Kindheit in Amerika unterhalten. Ich wollte viel über seine Freunde und seine Basketballspiele wissen, dabei ist es sehr spät geworden.“

Soviel also zum Wachhalten. Izuki rieb sich peinlich berührt die Schläfe. Er hatte wirklich gedacht, Kuroko und Kagami hätten ihre Beziehung auf eine … intimere Stufe gestellt.

Der Rest des Teams aber auch, den Reaktionen nach zu urteilen. Sie hatten alle eine viel zu verdorbene Fantasie. Aber nun gut, sie waren eben Teenager, da war das normal, oder?

„Irgendwann im Halbschlaf meinte Taiga-kun dann, dass er mit all diesen japanischen Formalitäten noch immer Schwierigkeiten hätte, vor allem mit korrekten Anreden. In Amerika konnte er seine Freunde alle einfach beim Vornamen nennen und es gibt dort auch nicht sehr viele Anreden für Fremde oder Respektspersonen.“

„Hast du Kagami dann angeboten, dass ihr euch beim Vornamen nennen könnt?“, fragte Koganei.

Kuroko zuckte leicht mit den Schultern. „Ich erinnere mich nicht gut, ich war selbst sehr müde. Aber wir sind irgendwie übereingekommen und dabei geblieben.“

Das war es dann wohl mit der herrlichen romantischen Verschwörungstheorie. Dabei hätte Izuki schwören können, dass da etwas war, allein schon wegen dieses Mangels an Distanz, den sie heute an den Tag gelegt hatten. Aber vielleicht war das einfach die Art, wie eine neue Vertraulichkeit so enge Freunde stärker zusammenschweißte.

Das Team verzog sich nun endlich ein wenig verlegen in den Umkleideraum, um den überfälligen Feierabend einzuleiten. Kuroko blieb jedoch in der Sporthalle, weil er angab, noch mit Kagami, der augenscheinlich Getränke holen war, einige Taktiken üben zu wollen.

Izuki ließ sich viel Zeit beim Umziehen und war am Schluss der Letzte, der noch da war. Er war völlig in Gedanken versunken, denn irgendwie hatte er das Gefühl, dass Kuroko nicht alles erzählt hatte …

Auf dem Heimweg kam er an der offenen Tür der Sporthalle vorbei und konnte nicht widerstehen, einen Blick hinein zu werfen, neugierig darauf, welche Manöver Kuroko und Kagami wohl vertiefen wollten.

Ihm stockte, gelinde gesagt, der Atem.

Kuroko und Kagami waren tatsächlich noch da, aber sie trainierten nicht, jedenfalls keinen Basketball. Sie standen unter dem Korb, völlig ineinander verschlungen, Kuroko beinahe auf seinen Zehenspitzen, seine Arme in Kagamis Nacken verschränkt, und küssten sich als hinge ihr Leben davon ab.

Nichts, aber auch gar nichts, und sei es seine verdorbene Teenagerfantasie, hätte Izuki darauf vorbereiten können. Seine Wangen glühten vor Scham, als er sich unauffällig von der Tür entfernte und sich regelrecht davon schlich.

Wenigstens konnte er nun sagen, dass seine Menschenkenntnis ihn nicht vollkommen verlassen hatte.

Die frische Nachtluft kühlte ihn allmählich wieder ab und plötzlich musste er grinsen. Ob er es sich wohl leisten konnte, Kuroko und Kagami für die nächsten Tage subtil ein wenig aufzuziehen, wenn sie unter sich waren? Er war gespannt auf die Reaktionen.

Izuki kicherte leise. Er brauchte neue Wortspiele, so viel stand fest.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Tosho
2015-04-25T21:01:53+00:00 25.04.2015 23:01
Oh, wow!
Die Idee ist echt Dr Hammer! Irgendwie süß, wie Kuroko sich herausredet, aber auch witzig, wie die anderen überlegen was so los sein könnte.....
Ich finde die Geschichte und deinen Schreibstil echt klasse!
Von:  ichigawa_hikari-chan
2014-08-04T23:00:35+00:00 05.08.2014 01:00
Das ist voll Hammer die idee /Schreibstil /Charaktere bitte mach weiter das ist voll spannend ich muss wissen wie es weiter geht 😅
Antwort von:  Sheska
06.08.2014 19:06
Danke für den Kommentar :). Es freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. Allerdings ist das hier ein One Shot, also nicht dazu gedacht, fortgesetzt zu werden. Aber ich schreibe sicher noch etwas Längeres irgendwann ^^. LG
Von:  Sayu_Impercaela
2014-06-24T08:42:24+00:00 24.06.2014 10:42
awwwwwww ist das süß :D
Du hast einen sehr schönen Schreibstil und die Idee ist ja mal oberniedlich *O*
DIe Charaktere hast du auch alle sehr gut getroffen ;)
RESPEKT ^-^
Ahhh~ Wenn ich nur daran denke, was die beiden zusammen machen, um sich "wachzuhalten", dann gerät mein Blut in Wallung *-* Liebe unter Jungs ist so wundervoll <3
Ähem...Back to topic!
Die Idee den OS aus Izukis Sicht zu schreiben ist echt cool und gut gelungen :)
Es macht immer wieder Spaß eine so schöne FF zu lesen^^
Danke fürs Schreiben ;D

LG
Kim
Antwort von:  Sheska
24.06.2014 18:20
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar! Es freut mich, dass dir die Geschichte gefällt :). Ich arbeite schon sehr lange an meinem Stil, da ist es schön zu hören, dass er gut ankommt. Ich habe die Charaktere getroffen? Großartig! Ich liebe sie allesamt und wollte ihnen gerecht werden. Tausend Dank für die lieben Worte :3


Zurück