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Berliner Nächte

von

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Angelina Jolie

Seitdem redet Dominik nicht mehr mit mir und ich habe keine Ahnung, was ich eigentlich falsch gemacht habe. Eigentlich haben wir uns nach einiger Zeit immer wieder vertragen, aber obwohl ich den ganzen Sonntag über das Gespräch suche, hat er nicht einmal darauf reagiert.

Nun weiß ich gar nicht, wie ich auf ihn reagieren soll. Er geht mir aus dem Weg und wenn wir uns über den Weg laufen, ignoriert er mich und meine Konversationsversuche.

Mittlerweile ist schon Montagmittag und wegen der Uni hatte ich keine Gelegenheit mehr, es weiterhin zu probieren.

Ich traue mich auch nicht, es Jonas oder Leon zu erzählen, weil ich ihnen dann alles erzählen müsste und bisher wissen sie noch nicht, dass ich die Nacht mit Maria verbracht habe.

Und damit sind wir schon beim nächsten Problem: Maria.

Ich habe ihr geschrieben, dass ich es sehr schön fand mit ihr und sie gerne wieder sehen würde, um sie näher kennen zu lernen. Das schient mir die beste Lösung, damit sie sieht, dass ich die Nacht nicht bereue, aber mir auch mehr wie nur Sex mit ihr vorstellen könnte.

Bis jetzt hat sie aber noch nicht darauf geantwortet und als ich sie vorhin flüchtig in der Uni gesehen habe, hat sie zwar nett gelächelt, aber ist nicht zu mir gekommen, um mit mir zu reden. Langsam komme ich mir ziemlich doof vor und starre fast sekündlich auf mein Handy, obwohl es ja vibrieren würde, würde sie eine SMS schreiben.

„Du wirkst heute irgendwie abwesend,“ bemerkt Jonas irgendwann während des Mittagessens, als ich das achte mal in einer vierteln Stunde auf das Handy gucke. „Ist etwas passiert?“

Ich möchte es ihm wirklich nicht sagen, weil ich keine Ahnung habe, was genau zwischen Maria und mir läuft und weil Leon dabei ist und ich keine Lust habe, dass er wieder irgendwelche Gerüchte in Umlauf bringt. Scheint ja sein Hobby zu sein. (Nein, ich habe ihm immer noch nicht gänzlich verziehen!)

„Heute ist einfach nicht mein Tag,“ nuschle ich, aber ich kenne Jonas gut genug um zu wissen, dass er sich damit nicht zufrieden gibt.

„Und warum schaust du ständig auf das Handy?“

Ich entscheide mich für die halbe Wahrheit und erzähle ihm, dass Dominik irgendwie sauer auf mich ist und ich keine Ahnung habe, warum. „Ich dachte, er meldet sich mal, aber bisher kommt einfach nichts von ihm,“ lüge ich und Jonas runzelt die Stirn.

„Wieso ist er denn sauer?“, hakt er nach und ich maule: „Ich hab doch gesagt, ich weiß es nicht. Ich bin nach der Party nach Hause und dann war er plötzlich komisch.“

„Einfach so?“, mischt sich nun auch Leon ein und ich nicke, weil ich ihnen sonst doch von Maria erzählen müsste. Andererseits macht es auch keinen Sinn, dass er wegen Maria sauer auf mich ist. Vielleicht hat er sich Sorgen gemacht, weil ich nachts nicht nach Hause gekommen bin? Aber er hat ja gedacht, ich sei zu Hause und war ganz erstaunt, als er mich im Flur angetroffen hat.

„Ja, einfach so,“ nuschle ich und die Beiden ziehen die Brauen hoch. „Seltsam,“ sagen sie wie aus einem Munde und ich nicke nur und widerstehe dem Drang, auf mein Handy zu gucken.

Als ich es gerade in meine Umhängetasche gleiten lassen will, vibriert es und ich zucke so heftig zusammen, dass ich an den Tisch stoße und damit fast die Gläser darauf umschmeiße.

„Sorry,“ nuschle ich und öffne die SMS. Sie ist tatsächlich von Maria.

„Hey, Süßer. Können wir uns um Vier vor der Uni treffen? Dann können wir vielleicht besser reden.“ Ungewollt beginne ich zu Grinsen und errege damit erneut die Aufmerksamkeit von Jonas und Leon.

„Was? Hat sich Domi entschuldigt oder warum freust du dich so?“, will Jonas wissen und ich schüttle den Kopf und dann erzähle ich ihnen doch von Maria und ernte von Jonas skeptische blicke und von Leon grölende Beglückwünschungen.

„Und jetzt ist Dominik sauer, weil er eifersüchtig ist?“, schlussfolgert Jonas nur und seine Vermutung schlägt ein wie eine Bombe. Zumindest bei mir. Ich sehe ihn an und mir klappt der Mund auf, weil plötzlich alles einen Sinn macht und gleichzeitig bedeuten würde, dass ich auf eine erneute Katastrophe hinsteuere.

„Unsinn,“ wehre ich also ab, obwohl es vielleicht gar kein Unsinn ist. Meine Freude über Marias SMS ist mit einem Mal dahin und ich frage mich, ob Dominik tatsächlich eifersüchtig sein könnte. Ich muss unbedingt mit ihm darüber reden, wenn ich nach Hause komme!

Aber bevor ich mit Dominik reden kann, muss ich erst Mal mit Maria reden.

Die ganze Zeit bis Vier bin ich total unruhig und kann es kaum erwarten, sie wieder zu sehen. In der SMS hat sie ja sehr wohlwollend geklungen und ich male mir bereits aus, wie wir Händchen haltend in der Uni umher spazieren könnten.

Dann endlich ist es Vier und ich fliege fast zum Eingangsbereich. Fast denke ich, sie kommt nicht, aber plötzlich steht sie hinter mir und erschreckt mich fast zu Tode.

„Sorry,“ kichert sie und hebt ihr Handy hoch. „Ich habe deine SMS bekommen und dachte, wir klären das lieber persönlich.“

„Okay,“ lächle ich und komme mir schon wieder so debil vor, weil mir fast augenblicklich die Worte ausgehen und ich wieder auf Maria angewiesen bin, die das Gespräch am Laufen halten muss.

„Ich fand die Nacht mit dir auch total schön,“ erklärt sie mir und wird dabei nicht mal rot. Ich weiß gar nicht, wie sie das macht. Ich nicke nur.

„Und ich finde es auch voll süß, dass du jetzt mit mir ausgehen willst und so,“ fährt sie vor und ich nicke nur noch heftiger, bis ich es merke und damit aufhöre, ehe ich mich noch lächerlich mache.

„Aber eigentlich möchte ich gar keine feste Beziehung, weißt du,“ sagt sie dann und mit einmal weicht das Lächeln aus meinem Gesicht und mit einmal Mal ist auch meine Schwärmerei für sie wie weggeblasen.

„Was?“, meine ich, teils verwirrt, teils wirklich sauer.

„Wenn du magst, können wir uns aber noch ein paar mal ganz unverfänglich treffen,“ schlägt sie dann vor und mir klappt der Mund auf.

Vorbei, die Tagträume, in der ich mit Maria eine Traumbeziehung führe und ihr irgendwann einen Heiratsantrag mache.

„Aber… ich dachte, du magst mich. Du hast doch noch gesagt, dass du mich schon lange ansprechen wolltest und so…“, stammle ich und sie lächelt und nickt. „Ich mag dich ja auch. Und ich find dich total heiß. Deswegen würde ich mich freuen, wenn wir die Nacht wiederholen könnten. Schreib mir einfach, wenn du Lust hast, ja?“, bittet sie mich und macht sich dann auf den Weg nach Hause. „Man sieht sich!“, ruft sie mir noch zu und winkt und ich bin geneigt, ihr nachzulaufen und ihr eines in die Fresse zu hauen.

Aber weil man Frauen nicht schlägt, winkte ich ihr nur kurz zu und bleibe dann stehen wie der letzte Idiot.

So viel dazu.
 

Meine Laune ist grottenschlecht, als ich in die Wohnung trete. Noch nie habe ich mich dermaßen bescheuert gefühlt. Da wurde ich also von einem Mädchen abgeschleppt und auch noch verarscht. Nicht nur, dass es total an meinem Stolz nagt, ich komme mir auch noch total bescheuert vor, weil ich echt dachte, sie würde sich für mich interessieren.

Eigentlich möchte ich gar niemanden hören oder sehen, aber dann bemerke ich Dominik, der im Wohnzimmer hockt und eine Dokumentation über Haifische anguckt und erinnere mich, dass ich mit ihm auch noch reden wollte.

„Hey,“ meine ich also und lasse mich neben ihn auf die Couch fallen.

„Du siehst scheiße aus,“ stellt er fest, nachdem er einen Blick auf mich geworfen hat und ich nicke und unterdrücke die Tränen, die ich jetzt am liebsten vergießen würde, um der Scham zu entkommen.

„Maria hat mir gerade gesagt, dass sie mehr an meinem Schwanz als am Rest von mir interessiert ist,“ kläre ich ihn auf und er horcht interessiert auf.

„Tut mir Leid für dich,“ meint er, aber irgendwie kaufe ich es ihm nicht mehr ab. Vielleicht meint er es sogar wirklich ernst, aber nachdem Jonas seine Vermutung geäußert hat, bin ich lieber vorsichtig.

„Kann es eigentlich sein, dass du eifersüchtig auf sie warst?“, platze ich nun direkt damit heraus, weil ich ja eigentlich darüber mit ihm reden wollte.

Er wird rot, was eigentlich schon recht verdächtig ist, aber dann wehrt er doch ab: „Wie kommst du auf so einen Blödsinn?“

„Weil du… so komisch reagiert hast,“ gebe ich zu und er schaltet den Fernseher aus und dreht sich auf dem Sofa zu mir um.

„Keine Angst, ich verknall mich schon nicht in dich und mach dich zur Lachnummer der ganzen Uni,“ giftet er plötzlich und im nächsten Moment ist er wieder aufgesprungen und aus dem Zimmer gestürmt.

Aber nicht mit mir! Diesmal bin ich zu sauer auf Maria, weil sie mich so gedemütigt hat, und wenn ich auf etwas keine Lust habe, dann auf Dominiks Drama. Deshalb springe ich auf und stürme ihm nach, stoße die Türe wieder auf, ehe er sie ganz zumachen kann. Fast fällt er um, aber zum Glück stolpert er nur nach hinten und kann sich an seinem Schreibtisch abfangen.

„Kannst du mal aufhören, hier jedes Mal so eine Szene abzuziehen? Was ist denn los mit dir? Bist du total bescheuert?“, schreie ich ihn an und bereue es im nächsten Moment schon wieder. Er kann ja eigentlich gar nichts dafür und trotzdem lasse ich meinen ganzen Frust an ihm ab.

„Dann hör du doch mal auf, mir bei jeder Gelegenheit vorzuwerfen, ich würde auf dich stehen. So toll bist du auch nicht, als das ich mich unbedingt in dich verknalle muss!“, brüllt er zurück und ich glaube, dass ist das erste Mal, dass ich ihn so richtig toben sehe. Er war ja schon öfter mal etwas lauter, aber er ist nie so ausgeflippt. Naja, vielleicht flippt er gerade auch nur deshalb so aus, weil ich es selbst tue.

„Warum ziehst du hier dann so eine beschissene Show ab und bist den ganzen Sonntag total bockig?“, hake ich nach, nun schon wesentlich ruhiger, aber immer noch gereizt.

Er blinzelt und blickt dann zu Boden.

„Ich dachte halt… Keine Ahnung. Ich habe gedacht, du tust das nur, weil du die Gerüchte beseitigen wolltest und… irgendwie kam ich mir blöd vor, weil es ja meine Schuld ist, dass so über uns geredet wird und… ich fand es auch doof, dass du extra mit einem Mädchen ins Bett steigst, um nicht mehr mit mir in Verbindung gebracht zu werden.“

Keine Ahnung, ob ich ihm das glauben kann. Irgendwie kommt es mir gelogen vor, aber andererseits klingt es auch relativ plausibel.

Ich schlucke schwer und weiß nicht, was antworten, weshalb er sagt: „War blöd von mir. Ich wusste nicht, dass dir Maria so wichtig ist.“

Dabei sieht er total traurig aus und ich weiß nicht, ob er nun selbst traurig ist oder einfach nur so viel Mitleid mit mir hat.

Ich nicke. „Naja… Sie ist eine blöde Schlampe. Also sollten wir nicht wegen ihr streiten, oder?“, versuche ich mich an einem Witz, der mir deutlich misslingt.

„Ist nicht mal so, dass ich total verknallt in sie gewesen wäre, aber vielleicht wäre es ja noch was geworden, wenn wir uns öfter mal getroffen hätten. Ich fand sie halt nett. Und jetzt komme ich mir vor wie der letzte Idiot, weil ich auf ihre Masche hereingefallen bin.“

„Sie kommt mir eigentlich auch nicht so vor, als würde sie am Wochenende Typen abschleppen. Wahrscheinlich wäre jeder auf sie hereingefallen,“ tröstet er mich und ich lächle schwach.

„Ich bin total sauer auf sie, aber vor allem bin ich sauer auf mich, weil ich auf den Mist reingefallen bin. Ich hätte es besser wissen müssen, schon, als sie mir quasi ihre Titten aufgedrängt hat. Ich habe gedacht, sie will einfach nur sexy sein, aber wahrscheinlich wollte sie nur sicher gehen, dass ich auch ja geil auf sie werde.“

„Hat ja auch geklappt,“ wirft er ein und ich verziehe den Mund. „Ja, ich bin genauso erbärmlich wie alle anderen Typen auch. Man gebe uns ein paar Titten und wir lassen alles mit uns machen.“

Er muss lachen. „Jetzt bist du schlauer und mit dem nächsten Mädchen hüpfst du dann nicht gleich ins Bett,“ schlussfolgert er und ich stimme zu.

„Wie ist da bei euch schwulen? Seid ihr auch so schwanzgeil?“, frage ich und er beginnt zu lachen. „Glaub mir, es gibt genug, die ebenfalls nur mit ihrem Schwanz denken.“

„Aber du nicht,“ stelle ich fest und er schüttelt den Kopf. „Ich nicht,“ bestätigt er und ich nicke.

„Als Maria zu mir kam, wollte ich gerade nach Hause gehen und mir mit dir ein paar DVDs angucken,“ gebe ich zu und er blickt auf. „Nächstes Mal mach ich das, egal welche Tussi da vor mir steht!“

„Und wenn es Angelina Jolie ist?“, fragt er und ich muss lachen. „Keine Angelina Jolie der Welt kann es mit Dominik Faber aufnehmen,“ zwinkere ich ihm zu und er lächelt und wird wieder rot und ich frage mich, ob er vorhin nicht doch gelogen hat. Aber selbst wenn er ein wenig auf mich stehen sollte, ist er sicher so vernünftig, sich nicht ernsthaft in mich zu verlieben und alles andere ist ja nicht so schlimm.
 

Ich weiß genau, dass Jonas und Leon gespannt auf neue Informationen bezüglich Maria und mir warten, aber ich bring es einfach nicht fertig, ihnen die Wahrheit zu erzählen. Weil ich aber auch nicht lügen möchte, schweige ich einfach oder erzähle wahlweise davon, dass ich mich wieder mit Dominik vertragen habe.

„Man, Jasper, jetzt rück schon mit der Sprache raus,“ drängt mich Leon irgendwann und ich sehe ihn so böse an.

„Es geht euch gar nichts an, was mit Maria und mir ist,“ gifte und ihre Blicke wechseln von neugierigen zu mitleidigen Blicken.

„Tut mir Leid, ich dachte echt, das mit euch könnte etwas werden,“ tröstet mich Jonas da auch schon und ich habe keine Ahnung, wie sie das jetzt erraten haben, aber wenigstens muss ich es jetzt nicht mehr aussprechen.

„Sie ist eine blöde Schlampe,“ behaupte ich und gebe mich total lässig, als würde es mir gar nichts machen, dass wir nur Sex hatten und es niemals mehr werden wird.

„Sie wollte noch öfters mit mir Sex haben, aber so gut war er gar nicht, als dass ich das wiederholen müsste,“ meine ich trotzig, was ziemlich gemein ist, weil der Sex eigentlich echt geil gewesen ist. Muss ja aber keiner wissen – beziehungsweise weiß wahrscheinlich die halbe Universität, wie Maria im Bett ist…

„So eine hinterhältige Tussi. Das hätte ich ihr gar nicht zugetraut. Sie sieht doch so unschuldig und süß aus!“, empört sich Leon und die Art und Weise, wie er sich nun für mich einsetzt, finde ich dann doch wieder ganz nett von ihm.

So ganz bin ich zwar immer noch nicht darüber hinweg, aber so langsam wird er mir wieder sympathischer.

„Naja, die Sache ist abgehakt,“ schließe ich das Thema Maria ab und stehe auf, um mich auf den Heimweg zu machen. Bis eben saß ich bei den Beiden in der Küche und habe mit ihnen gequatscht.

„Gehst du am Wochenende wieder mit feiern?“, fragt Leon mich und ich schüttle den Kopf. „Ich glaube, ich bleibe zu Hause und schaue mit Domi DVDs.“

Wie fast immer, wenn die Sprache auf Dominik fällt, sieht Leon aus, als würde er gerne etwas dazu sagen wollen, verkneift es sich aber doch.

„Er ist immerhin mein Mitbewohner und ich möchte auch mal Zeit mit ihm verbringen,“ murre ich trotzdem, ehe ich gehe und das scheint auch Leon zu überzeugen, denn er nickt.

Wenig später laufe ich durch die Straßen Berlins und fühle mich schon etwas besser. Jetzt wissen alle, dass Maria eine dumme Kuh ist und mit Dominik habe ich mich auch wieder vertragen.

Eigentlich beginnt langsam alles wieder gut zu werden. Bleibt nur zu hoffen, dass es so bleibt.
 

Ich weiß genau, dass sich einige Studenten neugierig zu mir umdrehen, obwohl ich tunlichst versuche, sie nicht anzusehen.

Mir war von Anfang an klar, dass es eine beschissene Idee sein würde, hier her zu kommen, aber in Anbetracht der Tatsachen hatte ich wohl nicht wirklich eine andere Wahl.

Ich quetsche mich durch die Masse an Leuten, die gerade dabei ist, den Hörsaal zu entweder zu betreten oder zu verlassen.

„Was machst du hier?“, zischt mir in dem Moment auch schon Leon zu und zerrt mich zu sich, ehe ich mir weiter meinen Weg bahnen kann.

Ich blinzle ihn an und es ist das erste Mal, dass mir auffällt, dass er und Dominik das gleiche studieren.

„Ich suche Dominik,“ gebe ich zu und er sieht mich fassungslos an. „Bist du bescheuert?“, fragt er und senkst sofort seine Stimme, damit niemand uns mehr hören kann.

„Was ist so wichtig, dass du hier her kommen musst, statt es ihm zu Hause zu sagen?“, fragt er und ich hebe die schwarze Umhängetasche hoch, die ich in der Hand halte und von der ich heute morgen nicht bemerkt habe, dass darauf ein großes Bandlogo gestickt ist, bis Jonas mich darauf aufmerksam gemacht hat.

„Ich hab unsere Taschen vertauscht und dachte, ich tausche sie schnell mit ihm, ehe unsere Lesungen beginnen.“

Leon schiebt mich wieder mit sich aus dem Saal, während er auf mich einschimpft. „Dann nehmt ihr eben beide einfach einen Block oder so was,“ wehrt er mich ab und blickt sich um, als könnte er sehen, ob irgendjemand mich bereits mit Dominik in Verbindung gebracht hat.

„Das geht nicht, ich brauch das Skript!“, wehre ich ab und sehe mich wieder suchend nach Dominik um. „Außerdem sind mein Handy und mein Geldbeutel in der Tasche!“

„Hör mir mal zu!“, motzt Leon und packt mich an den Armen, als ich mich gerade wieder in den Hörsaal schieben möchte.

„Ich habe lange genug gebraucht, um allen klar zu machen, dass an den Gerüchten zwischen euch beiden nichts dran ist und du willst da rein marschieren und Taschen tauschen? Was glaubst du, werden die alle denken, wenn sie das beobachten?“

ich beiße mir auf die Lippen und muss zugeben, dass er wohl Recht hat. Es würde wohl echt blöd aussehen, wenn Dominik und ich plötzlich Taschen tauschen würden. Resigniert schultere ich Dominiks Tasche wieder und nicke nachgiebig. „Stimmt wohl,“ gebe ich zu, aber dann kommt mir langsam in den Sinn, was er da gerade eben gesagt hat, und ich sehe ihn verwirrt an.

„Was soll das heißen, du hast lange genug dafür gebraucht?“, frage ich ihn und er zuckt verlegen mit den Schultern.

„War ja teilweise auch meine Schuld, was da abgegangen ist und deswegen habe ich eben allen, die hier Müll gelabert haben, klar gemacht, dass ich gut mit dir befreundet bin und weiß, dass du nicht mit Domi zusammen bist. Die meisten haben mir dann auch geglaubt, weil sie ja auch wussten, dass ich sicher nicht derjenige bin, der Dominik in Schutz nehmen würde, weißt du.“

Ich sehe ihn verwundert an. Das wusste ich gar nicht und ich habe auch nicht damit gerechnet. Mir war zwar klar, dass er es leugnen würde, würde ihn jemand danach fragen, aber dass er aktiv auf die Leute zugegangen ist, die getuschelt haben, wäre mir nie in den Sinn gekommen.

„Danke,“ meine ich verblüfft und er nickt, ehe er sich wieder paranoid umsieht. Ich muss schmunzeln, weil er sich damit genauso komisch benimmt, wie Dominik.

„Jetzt geh endlich,“ fordert er mich auf und ich nicke und wende mich zum gehen, stoße dabei aber unglücklich gegen ein Mädchen, so dass ihr die Zettel herunterfallen, die sie in der Hand hält.

„Oh, sorry,“ entschuldige ich mich und versuche mich an einem netten Lächeln, dass auch sofort wirkt. Sie lächelt nur dümmlich zurück, meint, es sei gar kein Problem und bückt sich dann, um ihren Kram aufzuheben.

Ganz Gentleman, der ich nun mal bin, helfe ich ihr dabei und bereue es im nächsten Moment sofort.

„Ist ja witzig, die gleiche Tasche hat Dominik auch,“ lacht sie und deutet auf die blöde Tasche, die noch immer in meinen Besitz ist. Ich merke, wie mein Lächeln gefriert und versuche krampfhaft, es aufrecht zu halten.

„So ein Zufall,“ meine ich lahm und nehme Blickkontakt auf. Ich weiß, dass es ein gemeiner Versuch ist, sie damit abzulenken, dass ich sie anflirte, aber immerhin ist sie dann vielleicht nicht länger auf die Tasche fixierst.

Weil sie diese aber mustert, bemerkt sie meinen Schlafzimmerblick gar nicht.

„Ich versteh euch Jungs einfach nicht. Wie kann man nur auf so schreckliche Musik stehen?“, meint sie, lacht dabei aber. Offenbar ist ihr mein Flirtversuch doch nicht entgangen. „Naja, so schlecht ist die Band gar nicht, wenn man sich erst mal dran gewöhnt hat,“ erwidere ich wenig überzeugend, weil ich keine Ahnung habe, was die Band für Musik macht – ich kannte ja bis eben nicht mal den gottverdammten Namen!!! – und stehe auf. Um nett zu sein, helfe ihr hoch und überreichen ihr dann die Blätter, die ich aufgesammelt habe.

„Also, ich muss jetzt los, vielleicht sieht man sich ja mal wieder,“ will ich mich auch sogleich verabschieden und schenke ihr noch ein Lächeln, ehe ich mich in Bewegung setze. Weit komme ich aber nicht, denn sie meint: „Kann ich deine Telefonnummer haben?“

Ich sende einen stummen Fluch Richtung Himmel, ehe ich nicke und mich wieder ihr zuwende. Sie zückt ihr Handy und tippt meine Nummer ein, während ich neben ihr stehe, wie auf heißen Kohlen.

„Drei, sieben – was?“, hakt sie nach und ich rattere erneut meine Nummer herunter, während ich mich unruhig umsehe. Mein Blick fällt auf Dominik, der mich irritiert ansieht. Ich deute unauffällig auf die Tasche und mache dann eine scheuchende Handbewegung, um ihn zu signalisieren, dass er einfach weitergehen soll.

„Okay, danke!“, meint in dem Moment das Mädchen, deren Namen ich nicht mal kenne und sie sieht mich verlegen an: „Sorry, ich kenne nicht mal deinen Namen,“ meint sie dann und ich zwinge mich dazu, die Sache durchzuziehen und nicht zu flüchten.

Sie grinst mittlerweile bis über beide Ohren und ich schlucke, weil ich eigentlich nicht vorhatte, mich noch mal mit ihr zu treffen. „Jasper,“ sage ich dennoch und im nächsten Moment gefriert ihr Lächeln und ich ahne schlimmes.

„Jasper,“ echot sie und mustert mich noch einmal und dann meine Tasche. Ihre Lippen formen ein ‚Oh mein Gott’ und ich bin geneigt, mich einfach in Lust aufzulösen.

„Also, ich freue mich auf unser Date,“ versuche ich mir nichts anmerken zu lassen und will flüchten, aber sie packt mein Handgelenk und zwingt mich zu bleiben.

„Du bist Dominiks Freund,“ stellt sie fest, zum Glück leise, damit es niemand weiter hört. Ich mache mich aus ihrem Griff los, was nicht wirklich schwer ist – sie ist immerhin nur ein kleines zartes Mädchen.

„Ich bin nicht sein Freund,“ stelle ich klar und sehe mich um. So langsam steckt mich die Paranoia von Leon und Dominik an und daran ist nur diese blöde Tussi schuld.

„Wir sind nicht zusammen und wer was anderes behauptet, lügt!“

Sie sieht mich skeptisch an und schüttelt den Kopf. „Hör doch auf, dir selbst was vorzumachen. So ein Outing ist vielleicht nicht schön, aber danach wirst du dich viel besser fühlen.“

Mir klappt der Mund auf und ich will widersprechen, aber sie lässt mich nicht sondern redet einfach weiter: „Denk doch auch mal an Dominik. All die Gerüchte, die über ihn in Umlauf waren. Und jetzt hat er endlich jemanden, der zu ihm steht und dann will derjenige es nicht zugebe. Das ist doch scheiße! Du solltest dir mal überlegen, wie du deinen Freund behandelst!“

„Hey, jetzt pass mal auf,“ unterbreche ich sie, ehe sie den nächsten Satz anfangen kann, aber sie hat nicht wirklich Lust, aufzupassen und schimpft einfach weiter: „Ihr Typen seid doch alle gleich! Ihr denkt immer nur an euch. Und ich dachte immer, dass wenigstens Schwule anders wären, aber du benimmst dich auch nicht anders, wie all die anderen Arschlöcher auch!“

„Meine Fresse,“ fauche ich sie an und sie verstummt. „Dominik und ich sind nicht zusammen, okay. Das sind nur ein paar blöde Gerüchte, die über uns in Umlauf sind. An denen ist aber rein gar nichts dran!“

„Warum hast du dann seine Tasche?“, konfrontiert sie mich mit ihrem – für sie sicher sehr stichhaltigen – Beweis.

„Das ist meine Tasche,“ lüge ich und sie schüttelt den Kopf. Offenbar glaubt sie mir kein Wort mehr. So langsam geht sie mir auf die Nerven.

„Ich weiß echt nicht, warum es nicht in deinen Kopf will, aber Dominik und ich sind nicht zusammen,“ maule ich. Wäre sie kein Mädchen, dann hätte ich sie wohl schon längst zusammen geschlagen, wegen all der Scheiße, die sie labert.

Sie sieht nicht so aus, als würde sie mir glauben und will gerade wieder zu einen Gegenargument ansetzen, als jemand zu uns tritt. „Linda, kommst du endlich? Die Vorlesung beginnt gleich.“ Entsetzt schnappe ich nach Luft und starre Ann-Kathrin an. Diese blickt neugierig zurück, erkennt mich dann aber und grinst. „Wen haben wir denn da,“ freut sie sich und ich bete zu Gott, dass sie jetzt einfach in Flammen aufgeht, aber das tut sie nicht. Stattdessen brüllt sie durch den ganzen Hörsaal: „Dominik, dein Schatz ist hier!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  tenshi_90
2014-04-29T05:55:35+00:00 29.04.2014 07:55
Auweia... Armer Jasper und auch armer Domi.... Die beiden geraten aber auch immer wieder in die schrecklichsten Positionen....Vielleicht wäre es doch besser, wenn die beiden schnellstmöglich ein Pärchen werden ;)
Antwort von:  Jeschi
02.05.2014 15:50
Das wäre natürlich optimal! :D
Danke für den Kommi. :3


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