Prolog
Prolog
Schwer atmend rannte er durch die verlassene Straße, schaute weder nach rechts, noch nach links. Sein Blick war nach vorne gerichtet, stur gerade aus, als wolle er um sich herum alles ausblenden.
Es war dunkel, nur die Straßenlaternen über ihm wiesen ihm den Weg. Außerdem war es bitterkalt. Der Schnee lag knöchelhoch und aufgehört zu schneien hatte es auch noch nicht.
Er schien zu frieren, da er am ganzen Körper zitterte, doch er hörte nicht auf zu rennen. Seine Augen waren panisch geweitet, als habe er vor etwas Angst. Er verlangsamte keinen Moment sein Tempo, auch nicht, als er um die Ecke rannte und auf dem Schnee den Halt verlor. Er rutschte aus, fing sich aber noch rechtzeitig an der Wand ab und setzte seinen Weg fort, als wäre eben nichts geschehen.
Blindlings rannte er weiter, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter ihm her.
„Wo willst du hin, Tsunayoshi-kun? Bleib doch noch ein bisschen hier und spiele mit mir.“
Erschrocken stolperte der junge Mann über seine eigene Füße und landete mit den Händen und Knien voraus in den Schnee.
Keuchend hob er seinen Kopf, stand jedoch nicht auf. Nicht mal diesen einfachen Gedanken konnte er fassen. Er starrte wie hypnotisiert auf die Person, die vor ihm erschienen war.
Doch durch die Dunkelheit konnte man ihn kaum erkennen, das Licht von der Straßenlampe war nicht hell genug, doch Tsunayoshi wusste, wer vor ihm stand.
Seine Augen fingen an zu brennen und er grub seine Finger in den Schnee. Die Kälte, die sich um seinen Körper schlang, bemerkte er gar nicht, viel zu sehr war er von der Angst überwältigt.
„Verschwinde! Lass mich in Ruhe! Du Mörder! Du Mörder!“, schrie er der Person seinen ganzen Frust entgegen, doch ihm ging es dadurch nicht besser. Die Angst schnürte ihm die Kehle zu. Würde die Person ihm dieses Mal wehtun? Ihn töten? So wie er seine Eltern getötet hatte?
Tsunayoshi wollte weinen, doch seine Tränen waren versiegt. Er konnte nicht mehr. Er hatte genug. Vielleicht würde es besser sein, wenn die Person ihn auch tötete. Schließlich hatte er alles verloren, was ihm lieb und teuer war. Er war ab nun alleine... Es gab also keinen Sinn mehr zu leben.
„Aber, aber, Tsunayoshi-kun. Was redest du da? Ich bin doch kein Mörder“, säuselte die Person und Tsunayoshi hob seinen Kopf.
„Du hast meine Familie getötet! Vor meinen Augen!“, brüllte er ihm entgegen und er stieß seine Stirn gegen den Schnee. „Du hast sie einfach getötet...“
Er heulte laut auf, doch immer noch konnte er keine Tränen vergießen. Er war nicht mehr dazu in der Lage.
„Hast du das wirklich gesehen, Tsunayoshi-kun? Versuche dich zu erinnern.“
„Natürlich... Sie standen noch direkt vor mir und kurz darauf lagen sie blutüberströmt auf dem Boden... So etwas kann ich doch nicht vergessen!“, schrie er und schlug erneut seine Stirn gegen den Schnee. „Verdammt, wieso?!“
„Ihr von der Mafia seid doch alle gleich. Leugnen immer die Wahrheit. Nur weil du der nächste Vongola-Boss werden sollst, hast du nicht das Recht, das Blut an deinen Händen zu verleugnen. Denn du, Sawada Tsunayoshi, hast deine Eltern getötet. Du, ganz alleine!“, sagte die Stimme kalt und Tsunayoshi schrie laut auf.
„NEIN! Das ist nicht wahr! Hör auf zu lügen! Ich habe sie nicht getötet!“
„Es ist nicht einfach seine Taten zu akzeptieren. Schließe deine Augen und gehe in dich hinein. In der Wahrheit liegt die Lüge. In der Lüge liegt die Wahrheit. Finde sie, Tsunayoshi-kun. Finde die Wahrheit über deine grausamen Taten. Und dann sage mir, was wirklich passiert ist“, sagte die Person und Tsuna kniff seine Augen zusammen.
Er wollte davon nichts hören. Er wollte nicht hören, dass er seine Eltern getötet haben sollte. Er hatte sie geliebt! Mama, Papa! Er hätte nie Gründe gehabt, so etwas zu tun! Sie waren ihm heilig! Sie waren alles, was er gehabt hatte!
Und da hörte er sie auf einmal. Die Schreie. Schreie, die ihm durch Mark und Bein gingen.
"Tsu-kun! Nein, wieso?! Wieso tust du das?! Du bist doch unser Sohn!"
Vor ihm kniete eine Frau, eine wunderschöne Frau mittleren Alters. Ihre Augen waren schreckgeweitet, ihr Gesicht und ihr Oberteil befleckt mit Blut. Hinter ihr lag eine regungslose Person. Iemitsu, sein Vater. Er war schon längst tot. Eine Blutlache hatte sich um ihn herum gebildet, jede Rettung würde zu spät kommen, er verblutete.
Tränen liefen über die Wangen von Nana Sawada und sie sah ihn flehend an.
„Ich bitte dich, Tsu-kun. Leg das Messer weg. Es ist alles gut, wir werden es gemeinsam irgendwie schaffen, nur leg das Messer weg!“
Doch er tat es nicht. Er grinste sie nur breit an, seine Augen waren wie leergefegt.
„Fahr zur Hölle, Schlampe!“
Sie schrie ein letztes Mal, ehe das Messer sich in ihre Brust bohrte und ihr Herz traf. Sie hatte nochmal ihre Hand nach ihm ausgestreckt, ein letztes Mal „Tsu-kun“ gehaucht, ehe das Leben sie verließ und sie auf die Seite kippte.
Tsunayoshi schrie. Er schrie so laut er konnte. Seine Hände presste er gegen seinen Kopf, seine Augen waren weit aufgerissen. Und er schrie pausenlos.
Erst als er den Halt verlor und von irgendwo herunter fiel, brach er sein Schreien ab und er blickte sich mit zitterndem Körper um.
Der Schnee war verschwunden, es war nicht mehr kalt, sondern angenehm warm. Auch die Straße, durch die er gerannt war, war nicht mehr hier, er befand sich in einem abgeschlossenen Raum.
Und die Person, die ihm das Leben zur Hölle gemacht hatte, war ebenfalls verschwunden.
Er atmete schwer, verstand rein gar nichts mehr. Wo war er? Was tat er hier? War das nur ein Traum gewesen? Lebten seine Eltern noch?
Durch diese vielen Fragen fing sein Kopf an zu brummen. Stöhnend presste er seine Hand gegen die Stirn. Zuerst galt herauszufinden, wo er war, dieses Zimmer kannte er definitiv nicht. Also war er nicht Zuhause.
Tsunayoshi hielt inne. Hatte er überhaupt noch so etwas wie ein Zuhause? Wenn das wahr war, was er eben gesehen hatte, dann bezweifelte er es.
Er war ein Mörder. Ein eiskalter Killer, der nicht mal davor zurückschreckte, seine eigenen Eltern zu töten. Seine Mama... Sein Papa... Tot, einfach... tot...
Er spürte, wie Tränen in ihm aufkamen und dankbar heulte er laut auf. Es tat so gut, wieder Tränen vergießen zu können. Es beruhigte ihn auf eine Art und Weise, auch wenn es ihm den Schmerz nicht nehmen konnte, den er erleiden musste.
Wer hätte auch denken können, dass er, Sawada Tsunayoshi, fünfundzwanzig Jahre alt, Student, ein eiskalter Mörder sein würde? Er, der immer Gewalt und vor allem Mord verabscheute?
Wieder heulte er laut auf und er kugelte sich vor dem Bett ein, aus dem er vorhin gepurzelt war.
Und in diesem Moment ging die Tür auf und ein neugieriges Augenpaar lugte durch den Spalt hindurch zu dem jungen Mann herunter, der herzergreifend weinte.
„Der Arme...“, murmelte die Person vor sich hin, drückte die Tür komplett auf und trat leise ein.