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Liebeschaos! Teas Sprechstunde

von

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Soziopathisch (I)

Die Beutel, in denen die Einkäufe überquollen, schnitten in Teas Finger. Der Weg zu ihrer Wohnung war weit, und natürlich keine Bushaltestelle in der Nähe. Zwar konnte sie vom Supermarkt aus ein paar Kilometer in die richtige Richtung fahren, den Rest würde sie allerdings zu Fuß zurücklegen müssen. Jetzt wartete sie auf eben diesen Bus, der schon eine Viertelstunde Verspätung hatte. Trotzdem, an sich kein Grund zu klagen. Die Wohnung war viel billiger, als alles, was in der Innenstadt oder mit besserer Verkehrsanbindung zu haben war, und damit auch für ein schmales Studentenbudget geeignet.

Endlich bog der Bus um die Ecke, und gerade wollte sie erleichtert aufatmen, als sie einen Blick ins Innere erhaschen konnte. „Oh nein...“, stöhnte sie. An der Glasscheibe der Bustür wurden die Gesichter zweier junger Männer plattgedrückt, die keine Chance hatten, einen Schritt zurückzutreten. Die Menschen waren so zusammengequetscht, dass selbst Umdrehen unmöglich war.

Der Bus hielt, und die Türen öffneten sich zischend. Die beiden Männer fielen hinaus, und konnten nicht mehr einsteigen. Keine Chance, irgendeinen Platz zu erhaschen, schon gar nicht, wenn die Einkäufe am Ende des Weges nicht als Muß ankommen sollten.

Mit hängenden Schultern machte Tea sich auf, zu Fuß bis zum Stadtrand zu kommen.

„Schon blöd“, hörte sie neben sich eine bekannte Stimme. „Da wünscht man sich fast, dass man eine Luxuslimousine mit Chauffeur hätte.“

Tea schaute links neben sich, wo ein ausladender schwarzer Bentley in Schrittgeschwindigkeit neben ihr fuhr. Die hintere Fensterscheibe war heruntergelassen. Kaiba blickte auf sein Tablet, und arbeitete daran, als würde er Tea gar nicht bemerken.

„War das eine Einladung, oder wolltest du dich nur daran ergötzen, dass ein armes Mädchen ihre schweren Einkäufe durch die ganze Stadt schleppen muss?“

Kaibas Mund verzog sich zu etwas, das wohl ein Lächeln hätte sein können, wenn sich auch irgendetwas in der Region um seine Augen herum getan hätte. „Steig ein“, sagte er ungerührt.

Der Bentley hielt, ohne dass er auch nur einen Finger rührte oder ein Wort an den Fahrer richtete. Tea hastete auf die andere Seite des Autos und erkannte, dass Roland hinter dem Steuer saß. Überraschenderweise ließ Seto Kaiba sich dazu herab, ihr die Tür von innen zu öffnen, was Tea wegen der schweren Tüten sonst schwer gefallen wäre. „Danke.“ Sie setzte sich und schloss die Tür hinter sich. Drinnen war die Klimaanlage so kalt eingestellt, dass sie in ihrem kurzen Röckchen fröstelte. „Es überrascht mich, dass du wertvolle Zeit opferst, um mich nach Hause zu bringen.“

„Mich auch. War wahrscheinlich ein Fehler.“ Kaiba steckte das Tablet in eine Seitentasche. „Roland, sie kennen ja den Weg zu Yugi Muto.“

„Jawohl, Herr Kaiba.“

Kaiba drückte auf einen Knopf, der der neben dem Griff in die Autotür eingelassen war, und zwischen die Fahrgäste und Roland schob sich eine blickdichte Wand.

„Es ist ja auch ziemlich ungewöhnlich, dass du hier in der Gegend unterwegs bist, fernab von allen großen Geschäftsgebäuden und den Häusern der wichtigen Leute“, griff Tea den Faden auf.

„So etwas soll vorkommen.“ Kaiba rang sich dazu durch, in ihre Richtung zu sehen, was Tea noch ungewöhnlicher fand. Es war schwer vorstellbar, dass er gerade nichts Wichtigeres zu tun haben glaubte, als sich auf ein Gespräch mit ihr zu konzentrieren. Ausgerechnet mit ihr, der er bisher kaum mehr Aufmerksamkeit geschenkt hatte als einem lästigen Insekt.

„Wo du einmal hier bist“, begann Kaiba. „Du studierst doch Psychologie.“

Tea verdrehte die Augen. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, Informatik zu studieren, oder Agrartechnik. Andererseits... Interessant war es allemal, etwas Persönliches von Kaiba zu hören. „Ja, richtig. Warum? Hast du etwas auf dem Herzen, dass du erzählen möchtest?“, fragte sie liebenswürdig.

„Auf dem...?“, Kaibas Augenbrauen senkten sich, und seine Augen blitzten so kalt wie ein Polarsturm. „Ich habe so einen neumodischen Firlefanz nicht nötig! Jemanden zu bezahlen, damit er sich das Gejammere anderer Menschen anhört!“

„Du bezahlst ja nichts“, sagte Tea lächelnd.

Kaiba rückte ein paar Strähnen seines braunen Haares zurecht, dass sonst immer so perfekt saß, als habe er es per Vertrag in diese Form gezwungen. „Ich mache mir Sorgen um meinen kleinen Bruder.“

Natürlich, was sonst? Der einzige Grund, aus dem Kaiba sich erlaubt hätte, einen anderen Menschen um Hilfe zu bitten. „Was ist mit Mokuba?“, fragte Tea sanft.

„Bist du mit der neuen Technologie vertraut, die meine Firma letzten Sommer auf den Markt gebracht hat?“

„Du meinst diese Helme, mit denen die virtuelle Welt der Kaiba Corp auch der breiten Masse zugänglich gemacht werden kann?“

Kaiba nickte. „Ganz genau. Wir haben uns davon entfernt, es nur für Computerspiele zu nutzen, und wollen das Internet zu einem frei begehbaren Erlebnis machen, dass gleichzeitig alle Funktionen beibehält, aber auch zusätzlich unterhält.“

Tea musste an die vielen Seiten im Internet denken, die ihr schon zweidimensional auf einem Bildschirm nicht so recht behagten. „Ist mir bekannt.“

Kaiba presste die Lippen aufeinander. „Mokuba verbringt sehr viel Zeit damit. Auch seine Klassenkameraden sind große Teile des Tages online, aber... auf eine andere Art und Weise. Sie chatten und treffen sich mit ihren Freunden, oder sie spielen und schauen irgendwelche unsinnigen Videos. Mokuba aber ist die meiste Zeit in dem unterwegs, was auch du damals als virtuelle Welt kennengelernt hast, als uns die Big Five in ihrer Gewalt hatten.“

Das Verlorengehen in virtuellen Realitäten war beileibe nichts, was es erst seit der Erfindung von Kaibas Superhelmen gab, und großes Suchpotenzial steckte auch schon immer darin. Nur – das Kaiba so direkt ins Gesicht zu sagen war möglicherweise nicht die klügste Taktik.

Aber da Kaiba sich ja ungeheuer gerne selbst reden hörte, war er ohnehin mit seinem Monolog noch nicht am Ende angelangt. 'Wenn er nur häufiger die Klappe halten würde, könnte er eigentlich ziemlich sexy sein', dachte Tea.

„Auch das ist natürlich nichts Neues.“ Kaiba strich den Ärmel seines Anzugs glatt, bevor er sich wieder Tea zuwendete. „Es geht eher darum, mit wem er sich dort trifft. Erinnerst du dich noch an Noah?“

So eine Frage konnte wirklich nur Kaiba stellen. Also ob irgendein normaler Mensch den Jungen hätte vergessen können, dessen Geist wohl ewig in der virtuellen Welt gefangen sein würde.

„Als ich die Protokolle ausgewertet habe, war es mir Anfangs gar nicht klar. Noah modifiziert mittlerweile seinen Körper, um einen Altersprozess artifiziell nachzubilden, deshalb habe ich ihn beinahe nicht erkannt. Aber es besteht kein Zweifel.“

„Du spionierst deinem kleinen Bruder im Internet hinterher?“, fragte Tea.

„Hast du mir nicht zugehört?“, brauste Kaiba auf. „Mokuba trifft sich heimlich mit diesem Spinner, dem schon längst der Stecker gezogen gehört. Ich habe schon versucht, ihm Viren einzuprogrammieren, aber die kleine Göre ist zu gerissen.“

„Die kleine Göre ist genauso alt wie du. Und wäre es nicht Mord, wenn du ihn mithilfe von Viren auslöscht? Er hat eine menschliche Seele“, gab Tea zu bedenken.

„Paperlapapp! Mord. Zeig mir den Richter, der mich deswegen verklagen würde, wenn ich ein schadhaftes Computerprogramm mit einem kontrollierten Virus zur Selbstzerstörung bringe, das ist schlimmstenfalls Sachbeschädigung, wenn überhaupt – und letztendlich ist Recht doch immer nur das, von dem nicht in den Gesetzbüchern steht, dass es falsch ist. Und was das Alter angeht – umso schlimmer, wenn er sich mit meinem kleinen Bruder trifft! Das ist ja pädophil!“

Tea verzog das Gesicht. Immerhin war Mokuba selbst mittlerweile 17 und konnte gut allein entscheiden, mit wem er sich traf und mit wem nicht. Schon damals hatte sie das Gefühl gehabt, dass zwischen den beiden in der Zeit, in der Mokuba Noahs Geisel gewesen war, eine Bindung entstanden war, die Kaiba alles andere als Recht sein musste. „Hast du denn schon mal mit Mokuba darüber gesprochen?“, fragte sie.

„Gesprochen?“, wiederholte er. „Was soll das bringen? Er wird nur versuchen, es zukünftig vor mir geheim zu halten.“

„Und das würde ihm gelingen?“

Kaiba sah ertappt aus. „Ich lass mich doch nicht von meinem kleinen Bruder austricksen.“

Tea zuckte mit den Schultern. „Dann hast du doch nichts zu verlieren. Frag ihn doch einfach, was die beiden machen. Vielleicht ist alles nur halb so schlimm. Du könntest ihn einfach darauf ansprechen, und ihm sagen, dass du dir Sorgen machst, wenn er sich mit Noah trifft.“

„Ihm sagen, dass ich...“ Es regte sich zwar nicht viel in Kaibas Gesicht, aber Tea kannte ihn nach all den Jahren gut genug, um zu wissen, dass er sich aufregte. Wahrscheinlich gefiel ihm der Gedanke nicht, über seine Gefühle sprechen zu müssen, oder der Gedanke, dass er Gefühle hatte. „Lenk nicht vom Thema ab! Ich war noch nicht fertig. Als Psychologe lernt man doch auch etwas über Konditionierung. Ich hatte mir überlegt, dass, wann immer Mokuba Noah trifft, ich ihm kleine Elektroschocks verpasse. Dann sollte er den Schmerz mit Noah assoziieren, und schnell die Nase voll von diesem Trojaner haben.“

„Mal ganz davon abgesehen, dass es viel einfacher wäre, mit deinem Bruder zu sprechen...“, begann Tea, „... und es unethisch ist, Mokuba Elektroschocks zu verpassen...“ Sie verdrehte die Augen. „Funktioniert bei der Konditionierung die Verstärkung viel besser als die Bestrafung. Also, gib ihm immer dann etwas, das ihm gefällt, wenn er nichts mit Noah gemacht hat, dann wird er häufiger nichts mit Noah unternehmen.“ Tea stöhnte inbrünstig auf. „Allerdings sind Menschen weder Maschinen, noch Laborratten. Mit ihm zu reden wäre viel einf-“

„Danke, danach habe ich nicht gefragt.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Mimmy-chan
2014-09-25T00:24:39+00:00 25.09.2014 02:24
Seto will Mokuba elektrische Schocks verpassen, damit er an nichts Falsches denkt? XDDD Oh Hilfe, der Typ ist ja so etwas von unsozial.
Trotzdem hat es Tea eine kostenlose Fahrt eingebracht. Und den seltenen Anblick eines stotternden Setos. Das sind die Beschimpfungen doch wert.

chuchu Mimmy-chan
Antwort von:  Dornentanz
08.10.2014 11:58
Wenn Seto die Gefühle eines anderen Menschen vertehen will, muss er erst mal eine wisenschaftliche Abhandlung drüber lesen. Danach fragen wäre aber auch ein bisschen viel von ihm verlangt. Aber timmt. ich würde mich auch beschimpfen lassen, wenn ich im Gegenzug erleben dürfte,wie Seto Kaiba in Verlegenheit gerät.
Von:  Vipera0502
2014-01-04T21:21:40+00:00 04.01.2014 22:21
Kaiba xD So geil, er will seinem Bruder Elektroschocks verpassen xD Bei dem Kapitel musste ich irgenwie lachen xD
Antwort von:  Dornentanz
04.01.2014 22:26
Deshalb stehts ja auch als "Humor" drin - obwohl ich nicht so sicher bin, ob er nicht tatsächlich auf so einen bekloppten Plan kommen könnte. XD
Antwort von:  Vipera0502
04.01.2014 22:40
genau darum war es so geil, das klingt einfach nach Kaiba xD


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