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Nur ein Tag

von

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... ist eine Ewigkeit

Warnung: Dieses Kapitel enthält brutale Ansätze und wäre Lesern unter 13 Jahren nicht zu empfehlen.
 

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Act III - ... ist eine Ewigkeit
 

Baff blieb ich zurück. "Wa-was..." stotterte ich erst einige Sekunden später. "Das ist doch mein Zimmer." Verärgert eilte ich ihm dann hinterher und forderte ihn auf stehen zu bleiben, als ich an dem Poltern seiner Schritte erkannte, dass er die Treppe hinunter gestürmt war.
 

"Lass mich los, Alter!" hörte ich ihn plötzlich brüllen.
 

Kraftvoll und genauso verzweifelt hakte Herr Saotome von hinten beide Arme fest um seinen Sohn, sodass er nicht weglaufen konnte. "So hör mir doch erst mal zu..."
 

"Nein... NEIN... Ich will das gar nicht hören, ich will's nicht hören, klar?!" Mit aller Kraft stemmte er sich aus dem Griff seines Vaters und presste sich wie ihm Wahnsinn seine Hände auf die Ohren. "Lalalala... Rede so viel wie du willst, ich höre nichts, ich höre nichts!"
 

"Ranma!" brüllte nun sein Vater zurück und gab ihm eine schallende Backpfeife, die so kräftig war, dass er zu Boden fiel. Schlagartig beruhigte sich Ranma und schaute nun mit großen Augen zu ihm auf.
 

"Ranma..." setzte er von Neuem an, als seine Stimme ruhiger wurde. "Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um auf einmal deine kindliche Seite wiederzuentdecken... Du wolltest schon bei der Gedenkfeier nicht dabei sein. Wir alle verstehen, dass es dir sehr schlecht geht, aber du musst dich doch verabschieden... Irgendwie."
 

Starr und regungslos schaute Ranma ihm noch lange ins Gesicht bis er plötzlich aufsprang und schrie: "Einen Scheiß wisst ihr! Mir geht es nicht schlecht, mir geht es NICHT schlecht, verdammt noch mal." Schnell atmend stand er seinem Vater genau gegenüber und drängte ihn mit dem Rücken zur Wand. Ihre Gesichter waren sich so nah, dass ihre Nasenspitzen sich fast berührten. Plötzlich wurde Ranmas entschlossener Ausdruck weicher... verletzter... als er leise sagte: "Ohne sie... bin ich doch viel besser dran."
 

Damit ließ er Herrn Saotome stehen und stürmte zur Tür hinaus.
 

"Ranma, warte!" flehte ich, während ich ihn eilig durch die dunklen Straßen Nerimas verfolgte. Er rannte so schnell, mein Auge konnte kaum noch ausmachen, welche Richtung er gerade eingeschlagen hatte. Immer wieder rief ich seinen Namen, doch er schien mich nicht zu hören. Zu schnellen Schrittes eilte er davon. Erst nach vielen Minuten erkannte ich ihn immer deutlicher, nachdem er vor einem großen Gebäude stehen geblieben war, das in der Dunkelheit der Nacht nur einen riesigen Schatten darstellte.
 

"Macht auf! Verdammt noch mal, macht doch endlich auf!" brüllte er komplett außer sich und trommelte mit beiden Fäusten gegen eine hohe Tür.
 

Kurz bevor ich ihn endlich erreicht hatte, nahm ich wahr, dass die Tür sich langsam öffnete und ein verschlafen wirkender, alter Herr ein paar leise Worte zu ihm sprach, ehe er ihn dann etwas zögerlich hereinließ.
 

"Entschuldigung", nuschelte ich dem Fremden entgegen, als ich mich ebenfalls an ihm vorbeidrängte, um Ranma zu folgen.
 

Das Haus war sehr merkwürdig eingerichtet. Überall waren Kerzen und Blumen. Nicht die Art von Blumen, die einen mit ihren leuchtenden, prallen Farben an Frühling und Leben erinnern, sondern eher solche, die einen auf unbeschreibliche Art traurig machen, wenn man sie anschaut.
 

Etwas verunsichert verlangsamte ich meine Bewegungen und schaute von einer Seite zur anderen, als ich stumm hinter Ranma in einen Keller hinabstieg. Ich spürte den Fremden hinter mir. Mit einem Streichholz zündete er ein paar Kerzen an und brachte schwaches, bräunliches Licht in den dusteren Raum. Er war nicht sehr groß, doch er bot Platz für viele Menschen. Nicht zuletzt erkannte ich dies dadurch, dass er vollgestellt war, mit sehr vielen Stühlen, deren Sitzpolster mit dunkelrotem Samt bezogen waren.
 

"Hier..." sagte er mit ruhiger, ernster Stimme und übergab Ranma eine lange, weiße Kerze in einem goldenen Ständer. Ranma hielt sie einen Augenblick fest und schaute in die kleine Flamme, ehe er sie auf ein hohes, eichenes Möbelstück abstellte.
 

Erst dann erkannte ich den am Kopfende geöffneten Sarg, der sich am mittleren Ende des Raums befand.
 

"Das ist es also... Ranma..." flüsterte ich, als ich begann mit ihm zu leiden. Er wollte Shampoo besuchen, wollte sich von ihr verabschieden... und ich war so gefühllos und folgte ihm, bloß um meine Neugier zu befriedigen.
 

Mit ernstem Gesichtausdruck faltete Ranma seine Hände. Kurz schloss er seine Augen. Dann stützte er sich mit beiden Händen auf den Rand des Sargs ab und lehnte sich kraftlos darüber.
 

Sein Anblick schmerzte mich so sehr, doch ich konnte nicht weinen.
 

"Du bist.... so eine Lügnerin.... Akane", murmelte er plötzlich vor sich hin.
 

Erschrocken weiteten sich meine Augen. Ich schluckte. "Was...? Wann habe ich dich denn angelogen, Ranma? Wenn es wegen vorhin ist, es tut mir leid, wenn ich etwas Falsche ge--"
 

"So eine Lügnerin!", wiederholte er seine Worte lauter und fiel mir damit ins Wort.
 

"SO EINE MIESE MIESE LÜGNERIN!" Mitten in dem lauten, zornigen Schrei, der ihm auf einmal entfuhr und mich erschrecken ließ, begann er zu weinen, bitterlich zu weinen und schlug mit einer Faust auf den Sargdeckel, der den hinteren Teil des Schreins schloss. Mit gekrümmtem Rücken schlug er immer fester zu, holte immer weiter aus und wiederholte seine Worte drei mal, vier mal, fünf mal, bis er schließlich erschöpft auf seine Knie sank.
 

"Ich hab dir vertraut!" schrie er, als er sich sitzend gegen den Sarg lehnte und an seinen Haaren zerrte. "Ich hab dir geglaubt, du blöde Kuh!"
 

"A-aber Ranma... Was habe ich dir denn getan?" fragte ich und schluckte jegliche Gedanken herunter, mich wegen seiner Beleidigung verletzt zu fühlen. Sein Anblick war so ungewohnt. So unkontrolliert und schwach wirkte er, als die lauten Schluchzer seinem weit aufgerissenem Mund entfuhren und schier endlose Ströme von Tränen von seinem Gesicht tropften und sein Hemd nässten.
 

Zögernd trat ich schließlich einen Schritt näher. Doch anstatt etwas zu tun oder zu sagen, schaute ich ihn für eine lange Zeit wortlos an.
 

Viele Minuten vergingen, ehe er schließlich langsam verstummte. Hektisch wischte er sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht, das sich jedoch bald wieder nässen sollte, da aus seinen schmerzerfüllten Augen bereits die nächsten quollen.
 

"Du hast gesagt, du lässt mich nie mehr allein", sagte er in einem sehr geschwächten Ton und erhob sich schwer. Mit dem Rücken zu mir gewandt schaute er wieder in den Sarg.
 

"Du bist eine Lügnerin... Du bist einfach gegangen und hast mich allein gelassen." Ein weiterer Schluchzer entfuhr ihm. "Aber trotzdem.... bist du noch überall. Im Haus, in meinem Kopf, in all meinen Gedanken und Träumen... Was soll ich denn jetzt machen?!" Leise begann er wieder zu weinen. Und ich verstand gar nichts mehr.
 

"Ohne sein Herz kann ein Mensch nicht leben... Akane", sprach er fast wie eine Frage aus.
 

Was?? 'Ohne sein Herz...' - Machte er mich jetzt etwa für Shampoos Tod verantwortlich? Scheinbar hatte er sie also doch geliebt, fuhr es mir in den Sinn. All die Zeit hatte er es abgestritten und nun... In meiner Brust spürte ich ein brennendes Stechen heraufkriechen. Ich wollte mit ihm trauern, wollte mit ihm seinen Schmerz über den Verlust eines Mitmenschen teilen, doch nun empfand ich einen ganz anderen Schmerz, der jedes andere Gefühl mächtig und unaufhaltsam verdrängte. Verletzt näherte ich mich ihm.
 

"Ranma! Hör zu!" setzte ich in einem sehr strengen, entschiedenen Ton an und wollte ihn zwingen, sich zu mir umzudrehen. Nur flüchtig sah ich meine Hand an seiner Schulter, doch ich konnte sie nicht greifen. Als hätte ich mich gegen die pure Luft gestützt, kippte ich nach vorne und versuchte mit einem entsetzen Schrei mein Gleichgewicht zu halten. Verzweifelt ruderte ich mit meinen Armen, als ich in meinem Kopf bereits den harten Aufprall spürte, der mir bevorstand. Nur im letzten Moment konnte ich meinen Halt bewahren. Im Schock verharrte ich noch einen Moment in meiner gekrümmten Haltung, mit dem Gesicht nur knapp über den offenen Sarg gelehnt und hielt meine Augen aus Schreck für einige Sekunden fest verschlossen, ehe ich langsam meine Lider wieder hob.
 

"WAS?!" entfuhr es mir in einem messerscharfen, laut schallenden Ton, als ich panisch zurückschreckte. "RANMA..... WAS IST HIER LOS?!" forderte ich kreischend und angsterfüllt eine Antwort und schaute ihm flehend ins Gesicht. Doch er rührte sich nicht. Er schien mich nicht einmal gehört zu haben, nicht einmal registriert zu haben, dass ich überhaupt da war. Gepackt von kältester, brutalster Furcht schüttelte ich meinen Kopf, als ich mein eigenes Gesicht an der toten Gestalt erkannte, die sich im Sarg befand.
 

"Akane... du fehlst mir so", hauchte er in einem so fremden Ton. "Ich kann nicht ohne dich leben... ich will nicht." Langsam streckte er seine zitternde Hand aus und fuhr über das... über MEIN starres, bleiches Gesicht.
 

Nein, das konnte nicht wahr sein! Warum sah ich mich selbst? Warum sah ich mich selbst... tot? Ich war doch da, ich sprach zu ihm...
 

"Ranma!" rief ich verzweifelt und wollte ihn am Arm rütteln, doch meine Hände glitten durch ihn hindurch.
 

"Was ist hier los?!" schrie ich aus und starrte auf meine Hände, als würde ich etwas entdecken können, das mir Antwort gab. Und plötzlich erkannte ich es. Warum hatte ich es vorher nicht bemerkt? Warum-- Wie....??
 

An meinen Händen klebte Blut. Unmengen von rostbraunem, klebrigem Blut. An meinen Armen klebte Blut. An meiner Brust, an meinem Bauch. "Es.... es ging die ganze Zeit gar nicht um Shampoo?" fragte ich flüsternd mit zitternder Stimme ins Nichts. Paps, Kasumi, Nabiki,.... Ranma... sie alle haben um.... mich geweint...? Um meinen ..... Tod.
 

Mit meiner ganzen Stimmgewalt heulte ich zur Decke auf, ließ all den beißenden Schmerz und brennenden Schock in einem lauten, verzerrten Schrei heraus und wusste doch, dass mich niemand auf der ganzen Welt hören konnte. Mein Blick glitt hin und her zwischen dem Blut und meinem..... Leichnam. Dem Blut..... meinem Leichnam. Dem Blut, meinem Leichnam, dem Blut, meinem Leichnam, dem Blut, meinem Leichnam.
 

Und dann.... fiel es mir schlagartig wieder ein. Wie ein helles Licht in einem dunklen Raum fand ich das fehlende Puzzleteil, nachdem ich die vergangenen Stunden so verzweifelt gesucht hatte. Ich sah jenen Tag vor mir... Wie durch einen dichten Nebel und doch so klar setzten sich die Bilder vor meinem inneren Auge wieder zusammen. Sie zeigten meinen Weg nachhause. Der Regen goss wie aus Eimern vom grauen Himmel. Nach einem Streit mit meiner Familie am Vortag war ich davongelaufen, war einfach losgerannt, ohne ein Ziel vor Augen zu haben. Ich wollte zeigen, dass ich stark bin, wollte mich beweisen. Doch bereits am nächsten Tag hatte das Wetter umgeschlagen und verdrängte alsbald meine Pläne auf ungerechteste Art und Weise. Schimpfend stampfte ich mit meinen gelben Gummistiefeln durch die Pfützen. Auf dem Spielplatz, wo ich die Nacht verbracht hatte, hätte ich nicht so lange bleiben können. Es sah nach einem Sturm aus. Wohl oder übel musste ich wieder nachhause.
 

Doch auf einmal sah ich Ranma. Mit einem knallroten Regenschirm, den er mit beiden Händen über sich hielt, kam er mir entgegen. Als seine Augen mich erblickten, fuhr ihm ein warmes Lächeln übers Gesicht und er eilte zu mir, um mir etwas Platz unter dem kleinen Schirm zu machen.
 

"Zuhause haben sich alle Sorgen um dich gemacht" sagte er mit einer reuevollen Stimme.
 

"Ach ja?" fragte ich schmollend mit abgewandtem Blick. "Als ob..."
 

"Es stimmt!" rief Ranma scheinbar sehr bedacht darauf, mich zu überzeugen und kratzte sich im nächsten Moment leicht verlegen am Nacken. "Ohne dich geht zuhause irgendwie alles drunter und drüber. Nabiki scheint aus irgendeinem Grund nicht mehr so cool und gelassen wie sonst zu sein. Scheinbar hast du ihr mit deinem Verschwinden ganz schön Angst eingejagt. Dein Vater heult sowieso den ganzen Tag nur, weswegen mir mein Vater permanent vorwurfsvoll im Nacken sitzt. Und weil alle so ausflippen, kümmert sich auch Kasumi irgendwie um gar nichts mehr. So gleichgültig, wie seit du weggelaufen bist, habe ich sie noch nie erlebt..." Kopfschüttelnd brach er ab, als seine Worte immer leiser wurden.
 

"Hmph... Mich scheint also jeder unglaublich vermisst zu haben. Nur dir geht es wie immer prächtig, nehme ich an!" fuhr ich in noch immer beleidigtem Ton fort.
 

Nachdenklich sank sein Blick zu Boden. "Du weißt doch ganz genau" setzte er flüsternd an. "Dass das nicht so ist." Ein hauchzartes Lächeln berührte für einen Wimpernschlag seine Lippen. "Ohne dich ist alles nur halb da. Es fühlt sich so... unvollständig an. Auch wenn wir uns immer streiten... zeigt es mir doch... zeigst DU mir doch... dass ich am Leben bin."
 

"Ich... ehm..." begann ich stotternd. "Ich war doch nur einen einzigen Tag weg."
 

Plötzlich wehte eine starke Windböe auf, sodass ich instinktiv nach dem Griff des Schirms fasste. Erst einige Momente später registrierte ich, dass ich dabei aus Versehen seine Hand berührt hatte. Verlegen wollte ich sie wegnehmen, doch auf einmal spürte ich, wie er sie mit seiner anderen Hand fest umschloss. Lange Momente der Stille zogen vorüber und riefen ein starkes Kribbeln in meinem Bauch hervor.
 

Auf einmal legte sich ein so warmes Lächeln, wie ich es noch nie an ihm gesehen hatte, über seine Augen und Lippen, als er leise sagte: "Nur ein Tag ohne dich ist eine Ewigkeit."

...
 

Die Zeit schien still zu stehen, als er mir diese Worte sagte, die mein Herz so heiß berührten. Alles um mich herum verschwamm und wurde eins mit den vielen dicken Regentropfen, sodass ich nur wie hinter einem Schleier sah, was daraufhin geschah. "Keine Sorge, ich werde dich nie wieder alleine lassen" versprach ich ihm liebevoll und machte endlich Platz in meiner Brust. Nur bruchstückartig erinnerte ich mich, dass er mich daraufhin zärtlich küsste, spürte mein Glück, das jedoch nicht lange anhalten sollte. Hinter mir tauchte eine dritte Person auf. Mit einer bösen Vorahnung wandte ich mein Gesicht herum und erkannte eine Gestalt, die nur ein kleines Stück größer als ich war und einen dunklen Regenmantel trug. Alles geschah in Sekundenschnelle. Unter der Kapuze schärften sich Shampoos Gesichtszüge. Hasserfüllt funkelte sie uns beide an, starrte auf unseren zärtlichen Händekontakt und zog dann, ohne ein einziges Wort auszusprechen ein langes Messer hervor, um es mir kaltblütig und ohne zu zögern in den Rücken zu rammen. Sie drückte so fest zu, dass die Klinge sich vollständig durch meinen Körper bohrte und die Messerspitze an meiner Brust zum Vorschein kam.
 

Glück. Eben hatte ich es noch empfunden. War erfüllt von diesem wunderbaren Gefühl. Und plötzlich zog sich alles in mir zusammen. Erschrocken fuhr ich zurück und fasste mir über die Wunde. Tiefrotes Blut schoss heraus, wurde von meinen Händen achtlos verwischt, klebte an meinem ganzen Körper. Alles um mich herum färbte sich in diese schreckliche Farbe. Fragend und hilfesuchend blickte ich Ranma ins Gesicht und hielt meine blutverschmierten Hände hoch. Erst als sich mir die Kehle zuschnürte und ich plötzlich Blut spuckte, bemerkte ich den Schmerz, den unglaublich starken, fürchterlichen Schmerz.
 

"AKANEEE!!!" brüllte Ranma verzweifelt und fing mich auf, als Shampoo mit einem Ruck, das Messer wieder aus meinem Körper herauszog. Der Regenschirm fiel zu Boden. Wieder und wieder rief er meinen Namen, streichelte mir hektisch und zitternd übers Gesicht und beschwor, dass alles wieder gut werden würde. Ich wollte ihm recht geben, doch meine Stimme hatte längst nachgelassen. Und das Atmen wurde zu anstrengend...
 

"NEEIIIN!" heulte er laut auf und presste meinen Körper eng an seine Brust. Ich sah ihn, wie er da in verwandeltem Zustand saß und sein hübsches weibliches Gesicht sich zu einer schmerzerfüllten Grimasse formte. Ich sah mich, meinen leeren, starren Blick, die Arme, die schlapp herunterhingen, meine Bluse, auf der sich ein dunkler Fleck abzeichnete und wuchs und wuchs. Ich sah alles von oben herab. Ich sah das Blut, sah wie Ranma sich selbst in dieses Blut tränkte, sah wie er mit meinem leblosen Körper schnell auf und abwog und zu weinen begann, wie ich ihn noch nie weinen gesehen hatte... Sah das ganze Schauspiel eine Ewigkeit so weiterverlaufen bis Shampoo eiskalt "Endlich..." hauchte und damit einen tiefen Schnitt in die Monotonie dieses Szenarios bereitete. Ich sah.... wie Ranmas Blick sich verfinsterte... so kalt und gefühllos wurde, wie ein Blick nur sein kann und dann mit einem lauten hasserfüllten Schrei aufsprang und ihr das Messer aus der Hand riss, um sie selbst damit zu erdolchen. Noch mehr Blut. Blut... überall. Blut, das sich mit dem Regen vermischte. Shampoo hatte nicht mal die Chance sich zu wehren, so gewalttätig und schnell waren seine Bewegungen. Immer wieder stach er auf das Mädchen in dem dunklen Regenmantel ein. "Stirb, stirb, stirb, du verfluchtes Miststück!!" kreischte er hysterisch und war wie vollkommen ausgewechselt. "STIIIIIIRB!"
 

Sie war schon lange tot, als er am Boden lag und laut weinend noch immer das Messer in sie hineinstach.
 

Erst als er bewusstlos zusammenbrach, nachdem er Shampoo ermordet hatte, um meinen Tod zu rächen, kehrte Stille ein.
 

... meinen Tod...
 

Ich war gestorben... Und Ranma... Er liebte mich so sehr, dass er dafür zum Mörder wurde. Nie konnte ich ihm sagen, wie sehr ich ihn ebenfalls liebte. Was hätte ich darum gegeben, nur noch eine Chance dazu zu bekommen... Eine einzige Chance!
 

Tonlos starrte ich auf meine schmutzigen Hände, als ich jenes Puzzleteil, nachdem ich so verzweifelt gesucht und das ich endlich wiedergefunden hatte, am liebsten wieder verdammt hätte. Immer noch fassungslos und in einer schmerzhaften, festen Starre gefangen, wanderte mein Blick zu meinem eigenen regungslosen Körper. Meine Haut war grau, mein Gesicht ausdruckslos. Und gekleidet war ich in meinen Karate-Gi. Es war das, worin ich mich am wohlsten gefühlt habe... Das, worin Ranma mich das erste Mal gesehen hatte. Das, worin ich stark war und immer weiter kämpfte.
 

Nur aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass Ranma plötzlich einen spitzen, glänzenden Gegenstand in der Hand hielt. Geschockt erkannte ich es wieder: Es war das Messer, mit dem Shampoo mich--
 

Entschlossen und mit kalter Miene hob er es steil mit der Klinge auf sich selbst gerichtet an. Es regte sich kein Gesichtsmuskel der Furcht. Das einzige Gefühl, das sich in seinem Gesicht abzeichnete, war die tiefe Trauer. Die Tränen quollen aus seinen Augen und rannen in Strömen sein Gesicht hinab, tropften von seiner Nasenspitze, liefen in seine Mundwinkel. Nur für den Bruchteil einer Sekunde funkelten seine Augen ein ganz klein wenig auf, als er den Griff des Messers fester umschloss und es sich dann selbst in die Brust rammte. Den Blick nicht von meinem kalten Leichnam lassend, keuchte er auf. "Nur ein Tag... ohne dich... ist eine Ewigkeit..."
 

"... AKANE!!"
 

...
 

*Nur ein Tag ohne dich ist eine Ewigkeit*
 

...
 

*Nur ein Tag ohne dich ist eine Ewigkeit*

...
 

*Nur ein Tag ohne dich...*
 

*... Nur ein Tag...*
 

*... ohne dich...*
 

*... ist eine Ewigkeit*
 

*Nur ein Tag ohne dich...*

...
 

*Nur ein Tag ohne dich ist eine Ewigkeit*
 

...
 

*Nur ein Tag ohne dich ist eine Ewigkeit*
 

...
 

***
 

"Nur ein Tag ohne dich ist eine Ewigkeit."
 

"Was?!" fragte ich laut und fuhr erschrocken hoch. Der starke Regen prasselte auf den Schirm, den Ranma und ich gemeinsam hielten. Verwirrt schaute ich mich um, erkannte die leeren, unebenen Straßen, in denen sich das Wasser in Pfützen sammelte, atmete die frische, herbstliche Luft ein und dann... sah ich in seine himmelblauen, warmen Augen.
 

Verwundert blickte er mir ins Gesicht. "Ich sagte ,Nur ein Tag ohne...' Ach komm..." Schüchtern winkte er ab. "Du hast mich doch verstanden, oder?"
 

Ich antwortete ihm nicht. Ich war nicht imstande, ihm zu antworten. Fassungslos tastete ich mir selbst mit meinen Fingerspitzen übers Gesicht und schaute dann panisch auf meine Hände. Sauber... keine klebrige, Flüssigkeit klebte daran. Sie waren ganz sauber. Erleichtert atmete ich aus und flüsterte ganz leise: "Ich lebe...?" Fragend und mit einem winzigen, starren Lächeln schaute ich in Ranmas Gesicht.
 

Sehr stark verwirrt fing er meinen Blick auf. "Was hast du denn, Akane?" Seine Stimme war so lebhaft wie immer, nur dass ich sie in diesem Moment als besonders liebevoll empfand.
 

"Ach... nichts...", antwortete ich entgeistert, nachdem ich einige Sekunden gebraucht hatte, um zu realisieren, wo ich mich befand. Etwas benommen schaute ich auf meine gelben Gummistiefel hinunter. "Es war nur..." setzte ich an und schluckte. "Nur ein Tag......-traum."
 

Er lächelte. "Ja, das kenn' ich." Seine Augen wirkten auf einmal etwas abwesend. "Das habe ich auch manchmal. Plötzlich denke ich mir dann: Wie sehe mein Leben eigentlich aus, wenn du nicht mehr da wärst, um mich ständig zu ärgern." Grinsend stieß er ein leises Lachen aus, als wir beide wieder den Blickkontakt miteinander aufnahmen. "Aber so genau... will ich es mir gar nicht vorstellen."
 

Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe und zog dann kräftig am Schirm, um ihn zum Weitergehen zu bewegen. Stumm folgte er mir.
 

Wenige Minuten später fragte ich ihn schließlich ganz vorsichtig: "Du Ranma? Hast du eigentlich noch das Herz aus Schokolade, das ich dir einmal zum Valentinstag geschenkt habe?"
 

Verlegen schaute er zu Boden und blieb ohne mir zu antworten ein weiteres Mal stehen.
 

"Ehm... okay... Nicht so schlimm. Tut mir leid, dass ich...", nahm ich ihm stammelnd seine Antwort vorweg.
 

Doch plötzlich griff er mit geröteten Wangen in seine Hosentasche und hielt mir dann einen glänzenden, kleinen Gegenstand entgegen, den er vorsichtig auf seiner Handfläche balancierte. "Ich hab's immer bei mir." sagte er schüchtern und presste sofort seine Lippen fest aufeinander.
 

Unwillkürlich entfuhr mir ein Lachen. Kein belustigtes, sondern ein überglückliches, als mein Herz einen Sprung machte und mich alles, was an plötzlich so unwichtigen Streitereien am Vortag vorgefallen war, komplett vergessen ließ. Dankbar, auf dieser Welt zu sein, am Leben zu sein... zusammen mit Ranma... schmiegte ich mich unter dem kleinen Schirm eng an ihn, obwohl der Regen längst nachgelassen hatte.
 

"Ich muss dir dringend etwas sagen, Ranma..."
 


 

~ Ende
 

---
 

Eine Hommage an Akane Tendo...
 

... meine Heldin. @->->---
 


 

Nur ein Tag ohne Akane ist eine Ewigkeit~~



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Kommentare zu diesem Kapitel (16)
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Von: abgemeldet
2009-08-31T08:55:42+00:00 31.08.2009 10:55
...*sprachlos sei*...*nein doch nicht*...ganz toll,toll,toll,toll,...Ganz toll!!!
Von:  Kalahari
2008-09-23T14:11:42+00:00 23.09.2008 16:11
wonderful^^
echt total klasse^^ *luftsprung*
war est total geschockt, als ich las, dass Akane tot war und hab mich umso mehr gefreut, als sie aus dem Traum erwachte..^^
Favo^^
Von: abgemeldet
2008-08-17T17:17:51+00:00 17.08.2008 19:17
Ich schließe mich dem an^^
Selten etwas so Anspruchsvolles gelesen, ob nun inhaltlich oder von der Formulierung her - Akanes "Geistdasein" war jedoch irgendwie ein wenig zu vorhersehbar, was dem Ganzen aber keinen Abbruch tut.
Es gefällt mir, dass du die Kapiteltitel nochmal zusammenfassend in diesem Kapitel genannt hast. Das Ende, also die Sache mit dem Tagtraum hingegen, war wirklich wie aus heiterem Himmel und obwohl ich das Ende irgendwie als "Stilbruch" empfinde, ist es einfach der einzig mögliche Schluss.
Von: abgemeldet
2008-08-17T16:06:26+00:00 17.08.2008 18:06
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich beim FF-lesen schon mal so schockiert gewesen wäre! Ich hab mir schon von Anfang an gedacht, dass es sich um Akane handelt, die gestorben ist, es gab da so ein paar kleine Hinweise ... Also, bevor wir uns missverstehen: Ich bin zutiefst beeindruckt von dieser FF und setze sie sofort auf meine Favo-Liste, wenn ich diesen Kommentar fertig habe! Vermutlich lese ich sie gleich nochmal, um das ganze irgendwie besser zu verinnerlichen ...
Eine Stelle ist mir ganz besonders im Gedächtnis geblieben. Einerseits war sie wirklich zu Tränen rührend, auf der anderen Seite hat sie mich auch an eine Szene aus einem Horrorfilm erinnert: Ranma liegt auf Akanes Bett und singt leise vor sich hin und dann SPÜRT er ihre Anwesenheit!
Aber der Anfang - meiner Meinung nach das wichtigste an Geschichten jeder Art, da er den Leser fesseln muss - war nicht weniger beeindruckend: Dieser kurze Prolog über den "einen Tag" und dieser Gefühlswechsel! Wäre das Wort "Schicksalsschlag" ein Gefühl, hättest du wohl die treffendste Beschreibung dazu geliefert.
Ich weiß nicht, irgendwie hast du mit dieser FF so viele Fragen, Emotionen und persönliche Überlegungen über den möglichen Verlauf der Story aufgeworfen, dass ich gar nicht weiß, wie ich meine Bewunderung zu dieser Geschichte am besten ausdrücken soll.
Nur zwei Dinge noch: Sie war hart. Hammer hart! Aber das Ende war wie der erste Sonnenstrahl nach einem Gewitter - total befreiend und wunderschön. Ich bin wirklich froh, dass sie so geendet hat, obwohl es natürlich neue Fragen aufwirft (die es sich zu stellen aber um einiges angenehmer ist, als zum Beispiel am Anfang der Geschichte).
Und zum anderen: Es gibt viele gute Autoren auf Animexx und Co., aber ich hab noch nicht oft von welchen gelesen, die ein so komplexes und auch heikles Thema so überzeugend und gekonnt in Szene setzen.
Von:  Varie
2008-08-10T14:13:13+00:00 10.08.2008 16:13
Eine klasse Story, sehr schön geschrieben und eine Wendung mit der keiner gerechnet hätte - einfach klasse!
Von: abgemeldet
2008-08-08T11:25:35+00:00 08.08.2008 13:25
hey :)
mir gefiel die ganze geschichte unglaublich gut. ich fands toll, dass akane zuerst annahm, shampoos tod wäre der auslöser für all das. vor allem, als ranma vor dem sarg weinte und sie sich plötzlich einbildete, dass er shampoo wohl doch geliebt hatte... wenn man das liest, dann denkt man sich "ach akane, denk dir doch nicht solchen mist!", aber eigentlich würde jeder von uns in dieser situation das gleiche denken.
was mir noch gut gefallen hat, und das liegt wohl daran, dass ich kasumi sehr mag, war, dass du sie rauchend dargestellt hast. xxD du hast sie damit in ein ganz anderes licht gestellt und wer kasumi kennt, den hat das wohl genauso schockiert wie akane, als sie da in der tür stand. das war echt super. x3
und das ende natürlich auch. mir ist regelrecht ein stein vom herzen gefallen, als sich herausstellte, dass das alles nur ein schrecklicher tagtraum gewesen ist. ich muss ehrlich sein, als die beiden dann zum schluss dastanden, sie in den gelben gummistiefeln, unter dem regenschirm, da dachte ich: ach verdammt, lauf weg, bestimmt fällt dir shampoo gleich mit dem messer in den rücken! xxD zum glück wars nicht so. wirklich ein sehr schönes ende... vor allem auch, weil du das schokoladenherz noch mal eingebaut hast. das rundete das alles irgendwie ab.
dein schreibstil ist auch toll, liest sich sehr gut und man kann sich auch wirklich vorstellen, was man da liest. mich hat die geschichte wirklich erfasst und ich hätte niemals von ihr ablassen können bevor ich sie nicht zu ende gelesen habe. und das haben bei mir bisher nur gute bücher und elfen lied geschafft. :)
na gut. dann will ich dich nicht noch mehr zuquasseln^^
glg
sabi. :)
Von:  Toshi
2008-08-04T00:29:21+00:00 04.08.2008 02:29
Uh, das muss ich erstmal sacken lassen.. mir ist unglaublich schlecht geworden.. weiß allerdings nicht, ob es an der Geschichte lag, oder, dass ich zu viel Süßes gegessen hab.
Normal lese ich keine 'Darkfics', und eigentlich passt es ja auch nich wirklich zum Slapstick von Ranma 1/2, aber ich hab eben mal ins 'Aikos und Yuukis Leseecke'-Archiv geschaut, und es war die einzige Ranma 1/2 Geschichte. Dass überhaupt eine dieser Serie aufgenommen wurde ist ja schon was! ^^
OK, aber nun zur Geschichte:
Das erste Kapitel ist ziemlich verwirrend, aber da die folgenden Kapitel nicht so lang sind, regt es auch an, weiterzulesen, um sich 'schlauer zu machen'. Dass Akane die ganze Zeit im Tagtraum sozusagen ein Geist gewesen ist, hab ich bis ca. zur Hälfte des letzten Kapitels nicht bemerkt, dafür ein großes Lob. Denn ich denke, das hattest Du auch vor. Also, dass es erst nich bemerkt wird.
Du hast sehr verständlich und ohne (Denk-)Fehler geschrieben, das finde ich am großartigsten (<ist das überhaupt ein Wort?)! Denn ich finde, dass sowas beim Lesen am meisten stört.
Am Ende war ich doch sehr erleichtert, dass es alles nur ein Tagtraum von Akane war.. und nicht 'real' (wobei das ganze natürlich garnicht real ist, sondern halt geschrieben.. emh.. ach, Du weißt, was ich meine, oder? ^^).
Ach, und Du musst wissen, dass ich solch ausführliche Kommentare nur bei Fanfictions schreibe, die mich wirklich faszinieren und wo ich, falls abgeschlossen, zuende lesen will.
Nagut, eigentlich schreibe ich AUSSCHLIEßLICH Kommentare, wenn mir die Fanfiction wirklich gut gefällt! XD Sonst klick ich gleich wieder weg..
Öhm, naja, das gehörte jetzt nicht wirklich dazu.
Von:  belladonna_lily
2008-08-01T13:21:33+00:00 01.08.2008 15:21
oh mein gott!
ich hab geheult wie weis ich nich was... mein ganzer schreibtisch is nass... ja ich gebe es zu ich bin sehr emotional xD
aber du kannst echt hammer schreiben o_o
aber dass ende... naja... irgendwo war es n bisschen "endtäuschend"... heul ich so elenz und dann sind sie nicht tot xD
aber es war ne überraschung.... :)
lg Hjuky
Von: abgemeldet
2007-10-20T19:37:04+00:00 20.10.2007 21:37
Hui, toll geschrieben! Mir kam gleich der Verdacht, dass es sich bei Akane um einen Geist handelt, aber das machte die Story trotzdem nicht weniger spannend! Der Handlungsbogen war wirklich gut und die Charaktere wirkten recht echt. Deinen Schreibstil finde ich im übrigen sehr angenehm.
Dass es ein Tagtraum war hat mich zwar irgendwie ein bisschen enttäuscht (so eine einfache Erklärung?), aber irgendwie hat's mich noch viel mehr erleichtert! XD
Klasse!
LG,
b_k
Von: abgemeldet
2004-07-24T22:27:26+00:00 25.07.2004 00:27
Als ich den Anfang der Geschichte gelesen habe, war mir ein bisschen mulmig, weil ich nicht so ein Fan von *düsteren* Geschichten bin. Es soll nicht heissen, dass ich keine lese. Nur ich mag sowas nicht sonderlich (Also mach ich einen weiten Bogen drum). Aber diese hier war wirklich gut.

Du hast (wie immer^^) alles super gut beschrieben, sodass man einen guten Einblick in das Geschehen und die Gefühle der Characktere erhaschen konnte. Zudem hast du erst sehr spät erklärt wie Akane gestorben ist, und wie Ranma zum Mörder wurde. Und das Ende war wirklich super. Sowas hätte ich nun wirklich nicht erwartet.

Wie sagt man den so schön. "Kurz aber fein?" (Verdammt der Spruch ist mir entfallen^^). Lange Rede kurzer Sinn (Jeah der Spruch ist gut ;-)) die Geschichte war, obwohl sie kurz war, super. Mach weiter so! ICH LIEBE DEINE GESCHICHTEN!

mfg

Dein Fan

ObiWan


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