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A thousand Years

von

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Unheilbare Sünde

Godric verstand zwar nicht, wieso sein Bruder sich über das Telefonat so sehr gefreut hatte, dass er ihm ein Drei Gänge Menü zubereitet und dabei auf seinen Geschmack abgestimmt hatte, aber es hatte auf jeden Fall wunderbar geschmeckt. Die grüne Vorspeise war zwar nicht unbedingt seins, aber als Hauptgang gab es selbstgemachte Hamburger und ebenso selbstgemachte Pommes. Als Nachtisch hatte Alexander selbstgemachtes Eis mit Sahne, Streuseln und Erdbeersoße serviert. So viel Selbstgemachtes! Und alles hatte so wunderbar geschmeckt! Natürlich bekehrte das nicht den Fastfood-Esser, aber für zwischendurch konnte er damit durchaus klar kommen. Während dieses tollen Essens redeten sie über alles Mögliche. Die alte Schulzeit, wie es bei God auf der Arbeit lief, angesagte Clubs und ihren gemeinsamen Kumpel Joshua. Es war richtig entspannt und fast so als hätten sie niemals einen heftigen Streit untereinander gehabt. Als habe der Anwalt niemals diese grauenhaften Dinge über seine Eltern gesagt...Egal, was passiert war, es hatte eine positive Entwicklung gebracht.

Mit vollem Magen und einem gutem Gefühl in der Brust ging der Kellner dann endlich schlafen. Er verfiel heute sehr schnell seinen Träumen, obwohl er genau das am nächsten Tag bereuen würde. Denn in dieser Nacht kam ein neuer Traum, der sein Bewusstsein wieder fest ergriff. Erneut in diesem fremden Königreich und wieder war er der imposante Hauptmann. Er schritt durch die Flure und genoss hohes Ansehen. Nicht nur, dass er ein ausgezeichneter Kämpfer war, er stand dem König auch sehr nah und war dessen rechte Hand. Es gab Gerüchte um ihre Beziehung zueinander. Es gab Munkeln, dass sie mehr waren als Hauptmann und König... Aber bisher hatten sie alles recht gut von sich abwenden können. Egal, wie laut sie sich liebten und an welchen Orten – und das taten sie und sie taten es oft – irgendwie erwischte man sie einfach nicht. Aber vielleicht wollte es auch keiner... Nur die Frau Konstantins wusste um ihre Affäre und hatte geschworen, es nicht zu verraten. Auch wenn Benedikt ihr nicht wirklich traute und sie erst recht nicht leiden konnte, vertraute er auf das Urteil seines Geliebten, der inzwischen sogar inoffiziell mit ihm verheiratet war. Mit einem Lächeln auf den Lippen betrachtete der Hauptmann den schönen Ring an seinem schmutzigen Finger. Konstantin hatte keine Kosten gescheut, um ihn einen wunderschönen Goldring mit kriegerischen Verzierungen herstellen zu lassen. Dabei wäre es egal gewesen, was er ihm für ein Ring geschenkt hätte... Aber so etwas wollte der König nicht hören. Und er wollte ihn nicht damit beleidigen. Diesen Ring gab es nur noch ein zweites Mal und der befand sich am Finger seines Liebsten bei seinem anderen Ehering. Er hatte ihm geschworen, dass er den anderen Ring nur aus der Pflicht heraus trug und nicht, um ihn zu verletzen oder weil Elizabeth ihm irgendwas bedeutete. Es hatte sich sehr deutlich gezeigt, dass Konstantin überhaupt nichts mit Frauen anfangen konnte. Da war die Gefahr größer, dass Benedikt mit einer durchbrannte. Aber das würde er nicht. Dafür war er viel zu verliebt! Selbst nach all den Jahren der geheimen Liebe, waren seine Gefühle genauso stark, sogar stärker als am ersten Tag.

Es schmerzte nur, dass sie unter Augenzeugen keinen Körperkontakt aufbauen durften und auch nicht vertraut miteinander reden oder sich sehnsuchtsvoll anstarren durften. Das war früher schon hart gewesen und es wurde mit der Zeit nicht leichter. Erst recht nicht, weil der Herrscher unter dem Konstantin regierte, sogar selbst Interesse gezeigt hatte und ebenso um die Homosexualität des Königs wusste. Aber auch das hatten sie irgendwie überstanden. Irgendwie hoffte der Hüne, dass sie dann auch irgendwann so offen ihre Beziehung ausleben konnten, auch wenn das wie eine Kinderfantasie erschien. Doch die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt. Deshalb erlaubte sich Benedikt zu hoffen, dass er irgendwann solch ein Glück erfahren würde. Falls es irgendwann so weit sein würde, dann wünschte er sich sehr, dass Konstantin dann ebenso offen mit ihrer Liebe leben wollte, wie er.

Da ihn aber der König gerufen hatte, blieb ihm wenig Zeit, sich eine solche Zukunft auszumalen. Man öffnete ihm sofort die Türen zu den Privatgemächern des Lockenkopfes und er trat respektvoll und gefasst ein. Konstantin wurde gerade von einem Knappen in seine edle Rüstung gesteckt, die sauber und poliert war. Doch Benedikt wusste, dass Harnisch, Handschuhe und alles andere schon Blut geleckt hatten und ab und an auch mal tiefe Kerben gehabt hatten. Er mochte ein gütiger König sein, aber er liebte auch den Kampf und zu beweisen, dass er besser, wendiger und klüger als alle Anderen war. Seit er mit seinem Hauptmann trainierte, hatte er auch viel mehr Kraft in seinem Körper und wusste seine Waffen geschickter einzusetzen. Inzwischen waren ihre Kämpfe stets Kopf an Kopf-Rennen. Mal gewann Konstantin, mal er. Ähnlich lief es nun auch im Bett, wenn es um die Frage der Dominanz ging.

Trotzdem verwirrte es den Soldaten, dass man Konstantin voll bekleidete. Das war keine Jagdausrüstung und ein Kampf war für heute auch nicht angesetzt. Nicht mal Training... Deshalb trat der Langhaarige auch flott näher: „Was ist los?“

Konstantin sah auf und nickte seinem Mann zu, dann schickte er die Knaben heraus, die ihm bei der Rüstung geholfen hatten. Sie schlossen hinter sich die Tür, sodass sie unter sich waren. So entspannte sich Benedikt sichtlich und das würde vieles leichter machen. „Hilf’ mir mal mit der Schnalle, Ben.“, bat der König ihn und er gehorchte, „Ich muss in einen Krieg ziehen, Ben.“ Sofort erstarrte der Hauptmann und sah ihn entsetzt an. Er suchte nach einem Scherz, dem Schalk, aber da war nur Ernst. „Du musst hier bleiben, Ben. Wenn mir was zustößt, dann gebührt dir die Last der Krone.“, führte der Mann fort und griff zärtlich nach der zittrigen Hand seines Geliebten, „Außerdem musst du von hier aus die Soldaten an die Orte senden, an denen sie wirklich gebraucht werden. In solchen Taktiken bist du einfach wesentlich besser...“

„Was? Warum“, fragte Benedikt und seine Zunge fühlte sich bleiern und geschwollen an in seinem Mund. Ihm war schwindelig und schlecht und er war sich sicher, dass er jeden Moment einfach umkippen konnte. Das bemerkte auch Konstantin, der ihn mitleidig anlächelte und seine Hand tröstlich drückte.

„Der Herrscher hat rausgefunden, dass ich die Gesetze komplett abgeändert habe in meinem Reich.“, erklärte der König freudlos, „Er hat mich aufgefordert, mein Regime wieder anzupassen und ich habe mich geweigert. Ich habe ihm gesagt, dass ich weder Rassismus noch Sklaverei dulden kann und dass es meinem Land viel besser geht seit all das verboten ist. Das hat ihm nicht gefallen...“ Er stieß ein schmerzhaftes Lachen aus als er an das wutentbrannte Gesicht zurück dachte. Dass er ihn noch hatte gehen lassen, grenzte an ein Wunder.

„Das heißt...“

„Ja... Das heißt es.“, erwiderte Konstantin kleinlaut, „Wenn ich tödlich verwundet werde, werde ich nun auch daran sterben. Er hat mich entmachtet. Ich bin nicht mehr unsterblich.“ Benedikt wollte schlucken, aber er konnte es einfach nicht. Sein Mund war so trocken und es schmerzte so sehr als habe er Rasierklingen gegessen. Auch das bemerkte der Adlige und seufzte betrübt als er fortfuhr: „Er wird erst aufhören, wenn ich falle oder nachgebe. Nachgeben kommt nicht in Frage, Ben. Nicht nach allem, was geschehen ist... Nicht nach allem, was ich riskiert habe.“

„Tust du das, wegen deinem Vater?“

Er schüttelte den Kopf und sah dann fest in die Augen seines Mannes: „Nein, nicht nur. Es stimmt ja, dass ich seinen Tod immer noch nicht so richtig verarbeitet habe, aber so ist das wohl, wenn man dabei zusehen muss, wie er qualvoll und langsam mit einem Messer enthauptet wird und man in dessen Blut seinem Mörder die Treue schwören muss. Aber ich habe es genug überwunden, um mich nicht mehr daran zu klammern...“

„Dann tust du es für dein Volk?“

„Nein.“

„Wofür willst du dich dann opfern?“, wollte der Hauptmann wissen und wurde von Moment zu Moment immer bleicher.

„Für dich. Damit du einen Ort des Glücks und des Friedens hast.“, erwiderte Konstantin und griff nach den großen Händen seines Liebsten, um jede Kuppe einzeln zu beküssen, „Ich will für dich einen Ort schaffen, an dem du zur Ruhe kommst und vergessen kannst. Das ist in einem Reich der Unterdrückung nicht möglich... Es mag keine wirkliche Freiheit geben, aber das kommt doch schon nah ran.“

Benedikt konnte nicht sagen, wann er das letzte Mal geweint hatte. Es war auf jeden Fall sehr, sehr lange her... Doch nun flossen die Tränen von alleine. Nicht, wegen den Idealen, die sein König und Mann anstrebte, sondern wegen dem Gedanken, dass er vielleicht starb und er ihn nie wieder sah. Dass er nie wieder seine Kuppen auf diese Art küssen würde. Dass er ihn nie mehr in den Arm nehmen würde. Dass sich ihre Lippen nie mehr berührten... Dieser Gedanke war so schmerzhaft und unerträglich, dass er am Liebsten schreien, schlagen und toben würde. Aber auch dafür war er zu bleiern und benebelt.

Immer und immer wieder schnappte der Hauptmann wild nach Luft. Versuchte sich zu fangen und sah den Lockenkopf mit nassen Augen ins schöne Gesicht: „Es gibt keinen Ort des Glücks ohne dich. Es gibt keine Freiheit ohne dich... Mein Leben ist wertlos ohne dich. Bitte... Tu’ mir das nicht an!“

„Kein Leben ist wertlos...“, warf Konstantin schmerzerfüllt ein, „Du bist meine bessere Hälfte, Ben. Und daran wird sich niemals etwas ändern... Erinnerst du dich an die Unterhaltung, die wir mal geführt haben? Über Walhalla und meinen Vater?“

„Ja...“, murmelte Benedikt mit brüchiger Stimme.

„Du hast gesagt, dass mein Vater dort mit den Helden und den Göttern in einer goldenen Halle speisen würde und ab und an stolz auf mich herab blicken würde.“, führte der König fort, „Du hast gesagt, dass er erschrocken sein würde, weil ich mich widersetze, um im nächsten Moment deshalb stolz zu sein. Du hast gesagt, dass ich irgendwann ebenso in die Goldenen Hallen eingehen und mit den Helden trinken und feiern würde. Glaubst du das immer noch?“

„J-Ja...“

Sanft erfasste der Adelssohn die Wangen seines Mannes und beugte sich zu ihm, um ihm einen leidenschaftlichen und ehrlichen Kuss zu schenken. Er zog ihn gefühlvoll in die Länge, während seine kräftigen Hände verhinderten, dass Benedikt sich zurückzog. Erst als er bereit war, diesen herrlichen Kussmund aufzugeben, löste sich Konstantin, lehnte seine Stirn aber an die seines Hauptmannes. Seine tapferen, aber ebenso angstvollen grauen Augen stierten in die des Kriegers als er fortfuhr: „Dort werde ich auf dich warten. Sobald die Zeit gekommen ist, werde ich dort mit dir zusammen saufen, Lieder singen und dir meinen Vater vorstellen. Aber nicht heute... Du hast noch ein langes Leben vor dir.“

„Das klingt so als würdest du sowieso sterben...“, schluchzte Benedikt leise und verfluchte sich für seine Gefühlsausbrüche, „Das klingt so als gäbe es keine Hoffnung, dass du diesen Krieg überlebst. Als hättest du schon abgeschlossen.“

„So ist es auch.“

Der Hauptmann konnte nicht sagen, woran es lag, dass er nun plötzlich ganz ruhig wurde. Es liefen noch die letzten Tränen, aber er schluchzte nicht mehr und das Zittern seines Körpers beruhigte sich auch mit einem Schlag. Ob es nun die Gewissheit seines Liebsten war oder dessen Mut konnte er nicht beschreien, aber irgendwie spendete es ihm Kraft. Wenn er auch innerlich traurig und zerrissen war. Aber Konstantin war nicht von seinem Beschluss abzubringen und wahrscheinlich hatte er auch recht und es war das Beste, was er in seiner momentanen Lage tun konnte. Niemals aufgeben... Niemals kapitulieren.

Sein Vater wäre so stolz auf ihn.

 

All der Stolz wich als nach Monaten des Krieges, des Tötens und der Verzweiflung die Schlacht beendet war. Es gab auf beiden Seiten unzählige Verluste. Kinder, die ihre Väter verloren hatten. Frauen, die man geschändet hatte... Geplünderte Dörfer. Hungernde Familien. Es hatte Dunkelheit und Verderben über das Land gebracht. Doch die Heere bekämpften sich unerbittlich. Dann kam die Kunde, auf die der Hauptmann gewartet hatte. Jedes Mal, wenn man ihm Berichte vom Schlachtfeld schickte und er die Armee neu formiert hatte. Der König war gefallen.

Benedikt weinte nicht als er den Brief las. Er saß einfach nur da und starrte auf das dicke Pergament und den Satz darauf. Alleine in Dunkelheit strich sein Daumen immer wieder über das Papier. Er fragte sich, womit er das verdiente... Wieso er nicht schützen konnte, was er liebte. Manchmal glaubte er, dass Konstantin jeden Moment lachend durch diese Tür käme und ihm sagte, dass all das nur ein böser Traum oder ein verdammt schlechter Scherz war. Manchmal war es ihm als wachte er morgens neben ihm auf. Doch das Bett war leer, ebenso wie sein Herz... Wieder las er die Zeilen. Und wieder. Wieder... Dann sprang die Tür auf, aber es war nicht der König, sondern ein Botenjunge. Freudlos starrte der Soldat ihm entgegen und winkte ihn dann zu sich. Er gab ihm einen Brief, den er langsam öffnete und dann die neuen Zeilen las. Es war die Aufforderung zur Kapitulation an die rechte Hand des Königs und dass dieser so lange regieren sollte bis ein passender Kandidat gefunden war. Der Hauptmann spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Er hatte dieses Szenario in den letzten Monaten immer wieder erlebt und war durchgegangen, wie er darauf reagieren sollte, aber nun war es irgendwie vollkommen anders. Er wusste nicht, ob er die Bürde der Krone vorerst tragen konnte und ob er jemals vergeben konnte... Er wusste nicht, auf wen er wütender war: Auf sich, Konstantin oder den Herrscher.

Der Knabe wurde aber von Moment zu Moment unruhiger, deshalb blickten die leeren Augen ihm nun auch endlich entgegen: „Wir geben auf und ich trage so lange die Krone bis ein neuer König gewählt wurde.“ Der Botenjunge schien wirklich erleichtert zu sein und nickte. Er notierte das alles auf Pergament. „ABER...“, setzte der Langhaarige an und brachte ihn damit wieder zum Erstarren, „Dafür fordere ich den Leichnam des ehemaligen Körpers zu erhalten. So weit es geht unbeschadet. Keine dummen Vertröstungen und keine Verzögerungen. Er wird hier beigesetzt. In dem Land, das er liebte, beschützte und in dem er geboren wurde. Hast du das alles notiert?“

„Na... Natürlich, Mylord!“, stotterte der Knabe und rannte dann eilig los. Eine gefährliche Botschaft für solch einen Bursche, aber das hatte Benedikt nicht zu verschulden. Wenn er meinte, dieser Pflicht nachgehen zu müssen, lag sein Schicksal in seiner eigenen Hand.

 

Nach einigen Wochen des Wartens schickte man endlich den Leichnam Konstantins in das Reich. Man hatte die Rüstung poliert und seine Haut gereinigt und offenbar einen Zauber auf ihn gelegt, damit er nicht verweste. Sein Schwert hatte man ihm in seine Hände gelegt, damit er es halten konnte. Der Thronsaal war leer, bis auf der Bettstatt für den toten König und Benedikt. Seine Krönung würde an diesem Abend stattfinden, aber bis dahin wollte er weder Wachen noch Diener um sich wissen. Er ging auf und ab und starrte immer wieder in das schöne Gesicht seines Mannes. Immer wieder hoffte er, dass er aufspringen und ihn anlachen würde. Aber er lag da, bleicher als sonst und ohne jegliche Bewegung. Er sah aus als schliefe er... Als wäre nie etwas Schlimmes passiert. Doch ohne sein Lachen, seine seltsamen Geschichten und seiner Liebe war es nur ein Körper.

„Dies ist kein Abschied auf ewig.“, sagte Benedikt dann und ging weiter auf und ab, „Ich werde nicht >Lebewohl< sagen. Du hast mir versprochen, dass du in Walhalla warten wirst! Und ich erwarte, dass du dein Wort hältst.“

Natürlich bekam er keine Antwort. Auf keine Art und Weise... Aber er brauchte das einfach. Musste diese Dinge aussprechen, die er versäumt hatte. Musste sagen, was in ihm vorging und was ihn so erschütterte. Er überwand sich endlich und trat an die Leiche heran. Er kniete sich daneben und griff nach den kalten Händen, die um den Griff des Schwertes lagen und die seine Zärtlichkeit nie wieder erwidern würden und beugte sich über das entspannte Gesicht, das ihn nie mehr anlachen würde. Dann senkte er seinen Mund und schenkte ihm einen letzten Kuss für die Reise zu dem Fest der Götter, Helden und Könige.

„Wir werden uns dort sehen, Konstan.“, flüsterte er mit brüchiger Stimme. Nun kullerten wieder seine Tränen und benetzten die kalte Haut der Wangen. Es sah etwas so aus als weinte der König ebenso. Ebenso um das, was er verloren hatte. Auch wenn er sich etwas anderes wünschte, konnte keine Macht dieser Welt ihn zurück bringen oder die Zeit zurückdrehen. „Bis dahin werde ich alles versuchen, damit du stolz auf mich bist.“, weinte Benedikt, „Feier’ bis uns wiedersehen schön mit deinem Vater, den Göttern und den anderen Helden. Du hast es verdient. Mehr als du es jemals einsehen wolltest. Du warst der Beste von uns... Besser als ich. Besser als der Herrscher. Besser als jeder Mensch. Und dafür liebe ich dich. Ich werde dich immer lieben...“

Er küsste ihn nochmals. Ein letzter Abschiedskuss. Das Leben ging weiter und er musste sich seinen neuen Pflichten stellen. Er würde nicht mehr zurückblicken – nie wieder. Denn vor ihm wartete eine glorreiche Zukunft und ein Tod an der Seite seines einzigen Helden. Bis dahin würde er das Leben für Zwei führen. Und es war irgendwie tröstlich, dass Konstantin über diese Denkweise lachen und grinsen würde.

Er glaubte fest daran, dass diese Liebe für die Ewigkeit bestimmt war. Wie ihr Kennenlernen vorherbestimmt gewesen war. Sie würden sich wiedersehen...

 

Als Godric hochschrak merkte er sofort, dass er Tränen im Gesicht hatte. Zittrig wischte er sich diese weg, aber er konnte einfach nicht aufhören zu weinen. Das war alles so echt, so greifbar gewesen... Und es riss ihm ein Loch in seine Brust. Als habe er gerade Alexander verloren! Er musste sich ein paar Mal wachrütteln bis er sich sicher war, dass er im Jetzt war und dass es Alex wirklich gut ging.

Dem Anwalt aber erging es nicht wesentlich besser. Nach allem, was er am Vortag getan und fast getan hätte, sah er es aber als gerechte Strafe an als ihn sein persönlicher Albtraum erfasste. Da war wieder diese goldene Stadt, aber größer und voller als vorher. Es sah aus als seien einige Jahre vergangen. Es hatte sich viel getan als Loki und Thor auf Midgard geschickt wurden. Der Donnergott war auch da und er sah ihn streng an: „Wieso tust du das alles? Ich dachte, dass du mich liebst!“

„Das habe ich von dir auch gedacht.“, antwortete Loki.

Da wurde dem Hünen der Mund ganz trocken. Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte. „Du hast deinen eigenen Vater getötet, Loki“, erinnerte Thor ihn dann, „Aber vorher hast du ihn an die Bettstatt unseres Vaters gebracht!“

„DEINES Vaters!“, warf der Schwarzhaarige wütend ein, „Und du weißt, warum ich das getan habe.“

Zähne knirschend ging Thor auf und ab. Rang mit sich und der Vernunft. Vernünftig war sein Adoptivbruder schon lange nicht mehr. Der Wahnsinn hatte seinen Verstand benebelt und er fürchtete, dass er das zu verschulden hatte. Sie hatten Loki einsperren müssen und seither besuchte er ihn jeden Tag. Brachte ihm Bücher und versuchte an seinem Gewissen zu appellieren. Doch bisher hatte das gar nichts bewirkt.

Betrübt sah der Hüne ihn also erneut an: „Wieso bist du nur so verbittert? Wir waren mal glücklich miteinander!“

„Ja, das waren wir!“, schrie der Gott des Schabernacks und schlug gegen die Scheibe seines Gefängnisses. Etwas, was schmerzhaft war, aber Loki zuckte nicht mal. „Wir hätten auf Midgard ein sorgloses Leben führen können!“, brüllte er ihn an, „Uns lag die Welt offen, endlich auszuleben, was wir sind und was wir fühlen! Aber du hattest du ja ein schlechtes Gewissen und hast dich nach deinem Vater gesehnt! Du musstest ja der Zeit auf Asgard nachweinen!“

„Wieso musst du mir das immer noch vorhalten?“

„Weil ich dir nur deshalb nachgab! Deshalb haben wir unsere Liebe aufgegeben und wurden aus der Verbannung geholt! Wir haben unsere Kräfte und das Leben in dieser schönen Stadt zurück, aber wir haben...“, er brach ab und senkte den Blick.

Nun war Thor aufmerksamer und sah ihn fest an: „Was haben wir?“

„Wir haben unsere Herzen getötet...“

Mit einem Schlag war Thor furchtbar übel. Er wusste ja, was sein Adoptivbruder meinte. Immer wieder sah er zu ihm und sehnte sich nach der Zeit auf Midgard. Dort hatten sie sich geliebt und waren frei gewesen. Sie waren sich so nah, wie niemals zuvor gewesen... Keine Augen, die sie beobachteten und keine Verpflichtungen. Es war eine herrliche Zeit gewesen. Sie hatten gemeinsam alles erkundet, hatten gelacht und geweint. Das Leben als Sterbliche war hart gewesen, aber nichts, was er nicht für Loki ausgehalten hätte. Doch seine Liebe zu Odin war zu stark gewesen. Ebenso sein Heimweh. Der Gott des Schabernacks hatte auf all diese Dinge verzichten können und nie zurück geblickt, was Thor stets bewundert hatte. Und dennoch war er außer Stande gewesen, sich daran ein Beispiel zu nehmen.

Sie hatten um Gnade gefleht und deshalb hatte Odin ihnen dann vergeben und die Rückkehr gestattet. Dann hatte das Unglück seinen Lauf genommen... Loki hatte erfahren, dass er gar kein Odinson war und danach drehte er vollkommen durch. Er hatte versucht, Thor zu töten, hatte die Eisriesen ins Reich gelockt und Laufey – seinen wirklichen Vater – mit dieser Finte getötet. Er hatte ihn verloren, dann war er wieder aufgetaucht und hatte nur Chaos mit sich gebracht, aber dennoch konnte der Blondschopf ihn gefangen nehmen. Das hatte ihre Beziehung nicht einfacher gemacht. Immerhin liebte er ihn weiterhin, auch wenn sie das nicht mehr auslebten. Das machte alles so schmerzhaft.

„Du hast zurückgewollt, Thor und du hast uns aufgegeben.“, zischte der Illusionist und schritt weg von seiner Gefängniswand.

„Ich habe uns nicht aufgegeben!“, wehrte sich der Donnergott, „Mir geht es doch genauso schlecht dabei!“

Der Schwarzhaarige sah ihn kalt und müde an. Für ihn war alles verloren seit Thor ihre Beziehung für ein Leben in Asgard eingetauscht hatte. Er hatte ihm das Herz gebrochen. Auf eine Art und Weise, wie es nie wieder ganz sein würde... Da halfen keine Heiler, keine lieben Wörter. Mit dem zertrümmerten Herz war auch sein Verstand zerstört wurden. Er hatte all das nicht ertragen. Die Zurückweisung und dass er eine Lüge gelebt hatte. Er hatte sich nichts weiter gewünscht als gleichgestellt zu sein. Das Streben nach Macht war erst entstanden als seine Welt in sich zusammenfiel, wie ein Kartenhaus.

Seitdem fragte er sich, warum er es überhaupt noch versuchte. Warum er weiterhin mit Thor über diese Dinge sprach. Sie würden sich niemals einig werden. Das war ihnen einfach nicht gegönnt. Wie so vieles...

„Geh’ einfach zu deinem geliebten Vater und lerne, wie es ist, einen Thron zu besitzen und über Leben und Tod zu entscheiden, Thor.“, sagte Loki kalt, „Das, was zwischen uns war, wird nie wieder sein. Du hast dich für dein Blut entschieden und ich habe entschieden, dass ich das nicht akzeptiere.“

Es brach Thor das Herz, dass er einfach nicht mehr zum Jüngeren durchdrang. Dennoch nickte er bleiern und schenkte Loki noch einen letzten Blick, ehe er sich zurückzog. Es war alles gesagt, aber wie sich der Blondschopf kannte, würde er nie müde werden und trotzdem versuchen, ihn zu bekehren.

 

Was dann kam, hatte keiner von ihnen kommen sehen und keiner hatte es gewollt. Nur ein paar Stunden nach ihrem Gespräch kam ein Ase zu Thor gerannt und sah bleich und krank aus. Er schnappte nach Luft und sah zwischen ihm und Odin hin und her. Keiner wusste, was sie erwartete, sonst wären sie wohl weniger geduldig gewesen und hätten den Mann zu einer Äußerung gedrängt.

„Es... tut mir leid...“, sagte er atemlos und wischte sich den Schweiß von der Stirn, „Loki... Loki ist...“

Darauf reagierte Thor sofort. Er sprang auf und eilte auf den Boten zu, den er grob am Kragen packte und von den Füßen hob: „Was ist mit Loki?! He?! Rede!“

„Beruhige dich, Thor!“, mahnte Odin und eilte an die Seite seines Sohnes. Rasch drückte er ihm die Hand auf die Schulter. Dann wurde der arme Knabe auch heruntergelassen, der schwer nach Luft hechelte und lieber einen Sicherheitsabstand zu dem Thronfolger einnahm. Das war womöglich auch das Beste.

„Loki, Herr... Er ist... Er ist tot...“

WAS?!“, schrie Thor und im selben Moment zog ein Gewitter über Asgard auf und es donnerte laut. Blitze und Donner krachten und es grenzte eher an einen Weltuntergang. Es wurde auch immer schlimmer bis sogar heftiger Regen einsetzte. Odin musste ihn festhalten, damit er nicht auf den Boten losging. Der zitterte am ganzen Körper und wollte am Liebsten weglaufen. „Wie?!“, brüllte der Hüne, „Wie konnte das passieren?! Wer war das?!“

„Er... Er selbst, Mylord...“, antwortete er wehmütig, „Er hat sich selbst umgebracht.“

Nun wurde der Blondschopf ganz ruhig. In sein wutverzerrtes Gesicht mischte sich Verzweiflung und die eine Frage: Warum? Vor ein paar Stunden hatten sie sich so schrecklich gestritten, aber er war nie auf den Gedanken gekommen, dass der Schwarzhaarige so labil war. Aber das war ihm nun schon ein paar Mal nicht aufgefallen... Irgendwie verstand er Loki einfach nicht so, wie er es wollte.

Doch der Donnergott konnte und wollte nicht glauben, was man ihm gesagt hatte. Er stieß seinen Vater von sich und den Boten zur Seite und rannte mit dem Tosen im Hintergrund durch die Gänge. Er atmete so heftig, dass seine Brust sich permanent hob und senkte. Jeder seiner Schritte hallte. Ihn tat alles weh, aber er konnte nicht aufhören zu laufen. Noch nie war ihm der Weg zu dem Gefängnis so lang vorgekommen, wie heute. Noch nie waren die Asen so gesichtslose Hindernisse, wie jetzt. Einige stieß er einfach beiseite, um schneller voran zu kommen. Er betete und flehte, dass das nur ein dummer Scherz war. Er hoffte, dass das nicht das Ende ihrer Geschichte war. Das Ende ihrer gemeinsamen Reise... Er lief immer schneller. Seine Muskeln schmerzten und in seinen Lungen war auch ein stechender Schmerz. Doch er forderte seinen Körper mehr. Zog an allen Kraftreserven und stürmte als sei der Teufel persönlich hinter ihm her.

Nach endlosen Laufen stürmte er endlich in den Kerker und stieß auch hier die Asen beiseite. Dann sah er es und er konnte nur knapp den Kampf gegen die Übelkeit gewinnen. Loki lag da in seinem Käfig. Das Gesicht war bereits bleich und um ihn herum war eine Blutlache. Er musste schon etwas länger tot sein. Wahrscheinlich kurz nachdem der Donnergott gegangen war... Der war noch wie gelähmt und starrte auf den Leichnam seines Bruders.

„Wie... konnte das passieren...?“, fragte der Blondschopf mit trockener Kehle.

„Er hatte ein Messer, Mylord.“, antwortete einer der Wachen vorsichtig, „Er muss es irgendwann gestohlen haben als er Essen bekommen hat und hat dann auf eine Gelegenheit gewartet, es zu nutzen.“

Das würde zu ihm passen... Alles sauber und langsam planen. Mit messerscharfem Verstand sein eigenes Ableben, wie ein Theaterstück durchplanen und es dann perfekt ausführen.

Raus!“, schrie der Blondschopf emotional, „Alle raus!“

Niemand wagte es, etwas zu fragen oder zu widersprechen. Sie eilten heraus und ließen ihn alleine zurück. Nun fühlte er sich weniger beobachtet und irgendwie sicher. Sein Vater würde Rücksicht nehmen und ihm diesen Moment gönnen, das wusste er. Nun ging er erstmal auf und ab und starrte immer wieder auf den bleichen Loki und dessen Blut, das schon vertrocknet war. Seine Gefühle spielten verrückt, ebenso wie sein Herz. Er wusste nicht, ob er weinen oder lachen sollte. Ob er wütend oder traurig sein sollte.

Die Menschen beteten zu ihnen, wenn ihr Herz ihnen schwer wurde, doch zu wem sollte ein Gott beten? Um wessen Gnade sollte er flehen? Wo sollte er Halt finden?

Er schrie wie von Sinnen und griff zu einem Regal, um es krachend zu Boden zu bringen. Das Holz splitterte und verteilte sich genauso über den Boden, wie der Inhalt. Dann trat er gegen ein Tischchen, welches der Kraft direkt nachgab. Immer wieder schrie er und draußen tobte ein wildes Unwetter. Alle Möbelstücke, die der Donnergott fand, zertrümmerte er mit aller Gewalt, um in dem Moment, wo nichts mehr zum Zerstören da war, immer wieder auf eine massive Wand einzuschlagen. All den Schmerzen zum Trotz tat er das lange bis seine Hand blutete und die Knochen leicht angeknackst waren. Das würde heilen, anders als sein Herz und seine Seele.

Als ihn seine Kraft verließ und er wild schnaubend versuchte, Luft zu bekommen, wandten sich seine blauen Augen wieder zu ihm. Er hoffte, dass er einfach aufstehen, ihn auslachen und dann abhauen würde. Er hoffte, dass das ein schlechter Scherz oder Traum war. Dann trat er näher. Langsam, vorsichtig als könnte er sonst irgendwas kaputt machen. Leicht zittrig auf den Beinen kniete er sich neben den Schwarzhaarigen und hob diesen behutsam in seine Arme. Weinend drückte er ihn an ihn und strich immer wieder unsicher das lange Haar beiseite und schenkte seiner Stirn verzweifelte Küsse und wiegte ihn auf und ab, außer Stande seiner Gefühle Herr zu werden.

Trotz seiner Hoffnung, tat sich einfach nichts. Er war das einzige Leben in diesem Raum und er war sich dabei sicher, dass er auch nicht mehr lebte. Der Gott des Schabernacks hatte ihn ebenso mit in den Tod gerissen mit seinem letzten Geniestreich. Doch wahrscheinlich hatte er das nicht mal geahnt. Er hatte nur an sich gedacht und nicht an die, die er zurückließ. Keine Sekunde hat er daran gedacht, was er nun durchmachen würde. Er war so schrecklich egoistisch... So furchtbar unverbesserlich.

„Ich liebe dich, Loki~...“, schluchzte Thor endlich mit krächzender Stimme, „Es tut mir so leid. Alles tut mir so leid!“ Er drückte seinen Adoptivbruder immer dichter an sich und vergrub sein Gesicht in dessen dunkles Haar. Roch den Duft ein, der ihn in den letzten Monaten so sehr gefehlt hatte. „Ich weiß, dass du noch länger auf Midgard bleiben wolltest. Ich weiß es ja... Und ich wollte es ja auch! Wirklich.“, schluchzte er bitterlich, „Ich wollte so gerne mit dir zusammen sein. Aber ich war zu schwach, Loki... Zu schwach, um von meinem Vater und Asgard los zu kommen! Zu feige, um meine Bestimmung hinter mir zu lassen. Du hattest zweifelsohne Besseres verdient...“

Ihm versagte die Stimme. Er erinnerte sich so gerne an ihre Zeit auf Midgard. Sein Adoptivbruder hatte ihm eigentlich jeden Tag neue Streiche gespielt. Obwohl er schlecht über diese Welt und ihre Entwicklung sprach, hatte es ihnen Beiden sehr gefallen. Natürlich hätte der Gott des Schabernacks das niemals zugegeben, aber ihm hatte Midgard besser gefallen als Asgard. Dort war er richtig aufgeblüht! Und wenn Thor ehrlich zu sich selbst war, dann hatte es auch ihm dort besser gefallen.

Was brachte die weite Entwicklung, wenn sie nicht mal die retten konnten, die sie liebten? Was hatte all diese Macht und der Thron für eine Bedeutung, wenn es Niemanden gab, mit dem er all das teilen konnte? Was war ein halbes Leben schon wert?

„Wir sind... im Streit auseinander gegangen, aber... ich schwöre dir, dass ich dich über alles liebte.“, fuhr er endlich fort, „Und ich werde dich niemals vergessen. Weder deine guten noch deine schlechten Seiten. Ich werde unsere Zeit auf Midgard nicht vergessen und auch nicht, wie du gelacht hast, wenn du mich mal wieder reingelegt hast...“ Er küsste nun die Schläfe Lokis, während er ihn weiterhin hielt als würde ihn das zurück bringen. „Und ich bitte dich um Vergebung für meine Schwäche, auch wenn ich dir wohl niemals für deine vergeben kann...“, flüsterte Thor und betrachtete das leblose Gesicht vor sich, „Ich hasse mich, dass ich das nun sage, aber selbst im Tod bist du der schönste Mann, den ich jemals gesehen habe. Ich liebe dich...

 

Alexander ahnte nicht, dass Godric ähnlich, wie er hochfuhr. Er ahnte nicht, wie viel sie eigentlich verband. Der Anwalt fuhr sich durch die scheißnasse Stirn und den Haaransatz und fluchte leise. Das Schlimme an diesem Traum war nicht, zu sehen, was die Zurückgelassenen empfunden hatten, sondern dass er bei seinem Selbstmord dabei gewesen war. Nein, nicht seiner... Aber es hatte sich so angefühlt als wäre es seiner gewesen.

Jetzt erinnerte er sich auch an die Unterhaltung, die er mit Reika geführt hatte. Draußen war es noch dunkel und als er auf die Uhr sah, las er ab, dass es auch erst vier Uhr morgens war. Schlafen konnte und wollte der Anwalt jetzt nicht, weshalb er die Decke wegstieß und aufstand, um seinen Laptop hochfahren zu lassen und dann aus der Küche eine Wasserflasche zu holen. Sein Puls raste immer noch als wäre er immer noch in diesem furchtbaren Albtraum gefangen. Sein Blick schweifte kurz zu seinem Kleiderschrank und er wusste, was darin lag, aber er riss sich direkt wieder davon los, um sich vor seinen Laptop zu setzen und einen Schluck Wasser zu trinken. Als er endlich fertig geladen war, öffnete er den Browser und gab über Google „Loki und Thor“ ein. Es gab erschreckend viele Ergebnisse und die alle zu durchforschen würde wohl mehr Zeit in Anspruch nehmen als diese Nacht. Doch das war ihm gerade vollkommen egal. Er öffnete Seiten, in denen die Schlagworte interessant klangen und las sich alles durch. Las über diesen magischen Hammer Mjölnir, den Thor besaß und die Fähigkeiten, den Donner und die Stürme zu beherrschen. Las über den Gott des Schabernacks und dessen Hohn. Er las über den Allvater.

Immer wieder kamen ihm dabei Bilder in den Kopf. Schlagartig. Er griff sich in sein lockiges Haar  und rieb sich die pochende Schläfe. Es waren so viele Bilder. So vieles, was er nicht verstand. So greifbar und so einnehmend... Zu real, um ein Traum zu sein. Als hatte er dieses Leben eins selbst geführt. Als hatte er den Donnergott über alles geliebt. Als wäre er für ihn einfach alles gewesen... Doch nicht nur er! Er hatte auch Odin Allvater vergöttert und den jungen Balder. Es war als habe man ihn damals vollkommen zerrissen und er hatte am Ende nicht mehr gewusst, wo genau sein Platz war. Als hätte er nur eine Hand gebraucht... Doch sie hatten nur seine Fassade gesehen. Nicht erkannt, wie sehr er nach Hilfe schrie. Dass jedes Lachen Show war. Wie schwer es ihm gefallen war, zu atmen... Wie schwer es ihm gefallen war, im Schatten seines älteren Bruders zu stehen, der nicht mal sein Bruder gewesen war.

In so vielen Hinsichten waren sie sich ähnlich. Viele ihrer Entscheidungen ließen sich zusammenführen... Doch gestern hatte Alex etwas getan, wozu Loki nicht imstande gewesen war: Er verschonte das Leben seines Vaters seiner Liebe willen. Er hatte sich entschieden, dass das Glück seines Bruders über seinem stand. Selbst dann, wenn er es niemals so empfinden würde... Selbst dann, wenn er es niemals erfuhr. Loki hatte vergeben wollen, aber er hatte es nicht gekonnt und als er erkannte, dass sein Verstand und sein Herz vergiftet und nie mehr geheilt werden konnten, beendete er es endgültig.

Der Anwalt schluckte schwer. Nun suchte er nach König Konstantin und filterte die Ergebnisse heraus, indem er seinen Nachnamen ergänzte. Tatsächlich gab es einige Einträge, aber die waren eher ungenau. Es ging um einen König, der versuchte, ein Land zu retten, das vergiftet war von Korruption, Fremdenhass und Verzweiflung. Ein König, der sich gegen alles gestellt und dafür einen hohen Preis zahlte. Es hatte Gerüchte gegeben, dass er neben seiner Frau eine Liebschaft zu seinem Hauptmann geführt hatte. Benedikt... Es war wage, deckte sich aber auch mit den Träumen, die er zu diesen Beiden erlebt hatte. Deshalb erfassten ihn wohl auch dort diese Bilder. Die Erinnerung, wie sehr sie sich geliebt hatten und dass sie nicht ohneeinander wollten. Sie waren stärker gewesen als Thor und Loki. Die Beiden hatten sich und ihrer Liebe eine Chance gegeben, obwohl man sie ebenso verurteilte. Aller Widrigkeiten zum Trotz hatten sie gekämpft, dann geheiratet und glücklich miteinander ihr Leben verbracht. Wo Thor zu zweifeln und zu schwanken begonnen hatte, hatte Benedikt genau gewusst, was er wirklich wollte.

Doch auch ihnen war das Schicksal nicht hold. Beinahe so als wollte es sie daran erinnern, dass sie es nicht verdienten, zusammen zu sein. Als lastete ein Fluch auf ihnen... Zwar hatte sich Konstantin nicht umgebracht, aber er hatte sich geopfert, um seine Ideale und seinen Mann zu verteidigen. Das war in Anbetracht der ausweglosen Lage wohl auch die beste Entscheidung gewesen. Aber er hatte dennoch damit ein Herz gebrochen.

Und nun waren sie hier... Hier in der neuen Zeit. Mit hochmodernen Handys, teuren Laptops und schönen Autos und versuchten es erneut. Zu ängstlich, um sich zu regen... Zu verletzt, um etwas zu wagen. Zu erschöpft, um weiter zu machen, wo sie aufhörten. Sie kreisten umeinander und wehrten sich dabei gegen die Anziehungskraft des jeweils Anderen, unfähig zu erkennen, dass es genau das ist, was sie brauchen. Gefangen in Bürokratie und Selbstmitleid... Geblendet von der Modernen.

Alexander starrte noch eine Weile auf sein Display und fragte sich, ob es vielleicht an der Zeit war, sich aus der Starre zu lösen. Er wusste nicht, ob er nun einfach nur wahnsinnig wurde oder ob das, was er vermutete, wahr war, aber in diesem Moment war es ihm einfach vollkommen egal. Es war ihm egal, ob er den Verstand verlor und wie es bei Anderen rüber kam.

Er schloss den Monitor und erhob sich. Irgendwie wusste er, dass Godric im Wohnzimmer stand und ebenso mit sich haderte, wie der Anwalt es bis eben noch getan hatte. Als Alexander die Tür öffnete und das Licht seines Schlafzimmers in das Wohnzimmer drang und den Kellner aus den Schatten schälte, blickte dieser erstaunt und verwirrt auf. Er sah ein bisschen so aus als habe er genauso schlecht geschlafen, wie er. Der Anwalt musste nicht weiter nachdenken als er auf den Hünen zuging und plötzlich nach seinen Nacken und seiner Wange griff, um ihn leidenschaftlich und bestimmend zu küssen. Der 28-Jährige war erst vollkommen überrumpelt, dann aber erwiderte er den Kuss. Nach einigen Atemzügen legte er seine eigene Hand an die Wange des Jüngeren und drückte die andere in sein Kreuz, um ihn dicht an sich zu pressen. Ihre Münder pressten sich entbrannt und feurig aufeinander. Ihre Herzschläge wurden zu einem, ihre Atmung passte sich an die des Anderen an. Es war so als drehte man einen Schlüssel in einem Schlüsselloch... Es passte einfach.

So lange hatten sie sich gefürchtet und sich versteckt. So lange hatten sie sich angeschwiegen. Viel zu lange hatten sie eine Versöhnung hinausgezögert... Es erschien als wäre das sowieso unvermeidbar gewesen. Als wäre es ihre Bestimmung gewesen, sich zu finden und sich zu wollen. All der Neid, die Eifersucht und der Frust fielen von Alex. Er war zum ersten Mal dankbar, dass er adoptiert war. Zum ersten Mal in seinem Leben verfluchte er nicht Godrics Eltern dafür, dass sie ihn in ihre Familie holten. Es war ihm sogar egal, dass er eine Lüge gelebt hatte. Es war unwichtig, wer seine Eltern gewesen waren...

Das spürte auch der Kellner, der sich nun bestimmender gegen ihn presste. Er drängte sich einfach dem Körper des Jüngeren auf und führte ihn so zu dem teuren Sofa. Erst stockten sie, weil der 26-Jährige mit seinem Hintern gegen die Rückenlehne der Sitzmöglichkeit stieß und gegen die presste ihn God eine Weile, um ihn leidenschaftlich und schnaubend zu vermitteln, dass er der Boss war. Seine große Hand glitt dabei kurz über den knackigen Hintern, um sich für einen Moment in der Backe zu verkeilen, dann glitt sie zum Oberschenkel und umschloss es bestimmend, aber mit der nötigen Vorsicht. Der Hüne hob das Bein und schließlich löste sich seine andere Hand von Alex’ Wange, um nach dem anderen Bein zu greifen. Ohne Anstrengung oder Mühe hob er den Anwalt hoch als sei er ein Fliegengewicht.

„Ich... liebe dich...“, nuschelte Alexander in den Kuss und legte derweil seine Arme um den Nacken des Älteren.

„Ich dich... viel mehr...“

Nun trug Godric ihn um das Sofa herum und schaffte es sogar, nirgendwo anzuecken. Als sie nah genug waren, ließ er den Anwalt auf den Polstern nieder und kroch selbst über ihn. Dabei suchte er den direkten Körperkontakt zu dem Unterliegenden.

„Aber wir sind... Brüder...“, warf dann der Kellner ein.

„Nein, sind wir nicht.“

„Ja... Ich weiß...“, murrte Godric mit heißem Atem direkt an den Mund von Alex, „Du bist adoptiert.“

„Das meine ich nicht...“

Der Lockenkopf strich schnurrend über den nackten Oberkörper des Blondschopfes. Er war wirklich mehr als gut trainiert. Es zeichneten sich so viele Muskeln ab, die willig tanzten, wenn er sie berührte.

„Was... meinst du dann...?“, fragte Godric als der Anwalt einfach nichts mehr sagte.

„Wir sind viel mehr als das...“, erwiderte er, „Viel mehr als Brüder. Und viel mehr als alles anderen.“

Darüber musste der Hüne lächeln. Solche Worte war er gar nicht von seinem kleinen Bruder gewohnt, aber es fühlte sich unglaublich gut an, es mal zu hören zu bekommen. Plötzlich stand die Zeit einfach still und dieser Moment schien nur ihnen zu gehören. Als gäbe es kein Morgen.

„Wann bist du nur so romantisch geworden?“, fragte der Kellner liebevoll.

„Ich weiß nicht.“, erwiderte er kichernd, „Liegt vielleicht daran, dass ich eine wunderbare Motivation habe, romantisch zu sein.“ Sanft küsste er den Mund des 28-Jährigen und dann sein Kinn, um darüber zum Hals zu wandern, den er ebenfalls mit Küssen bespickte. „Du bist es wert, dass man dich auf Händen trägt, Gody.“ Als wollte er diese Worte bestärken, strichen seine Hände über die Schultern zu der Wirbelsäule, um dieser zu folgen. Er hinterließ dabei stets eine angenehme Gänsehaut bei Godric, der diese Tat erwiderte, indem er nun über die Seiten des Unterliegenden streichelte.

Doch seine blauen Augen konnten und wollten sich im Moment einfach nicht von ihm lösen. Er hang förmlich an den Lippen des Anwalts: „Aber du verdienst es genauso.“

„Na ja, nicht ganz so sehr.“

„Oh doch!“

Alexander kicherte etwas und küsste nun wieder den Mund des Älteren: „Ich liebe es, wenn du dich ärgerst.“

„Das ist nicht nett, Lexy.“

„Aber die Wahrheit.“, konterte er, „Außerdem liebe ich es noch mehr, wenn du lächelst. Oder wenn du lachst... Dann glaube ich, ich wäre im Himmel.“

„Okay... Nun wirst du aber etwas zu schmalzig.“, sagte der Kellner und grinste schief.

Motiviert von dieser Reaktion griff nun Alexander nach den Seiten des Älteren, holte etwas Schwung und warf ihn von sich direkt auf den Fußboden neben sich. Er ließ ihm keine Zeit, die Situation zu verarbeiten, sondern stieg direkt vom Sofa herunter über den Blondschopf, um sich auf dessen Bauch zu setzen als sei er sein persönlicher Thron. Kurz darauf verarbeitete God auch, was gerade geschehen war und musste lachen. Dass er mal von Alexander zu Boden gebracht werden würde, hatte er niemals erwartet. Doch es war nicht unbedingt zu seinem Nachteil, denn der Anwalt senkte seinen Kopf und begann die Brust des Älteren zu beküssen. Ab und an drängte er sogar seine Zunge heraus und leckte mit der ganzen Fläche über die leicht salzige Haut. Danach kühlte diese feuchtwarme Spur durch die Luft ab und sorgte für neue wohlige Gefühle. Schließlich leckte er um die Brustwarze herum. Erst in großen Bögen, dann kam er immer näher. Erst als Alex sah, dass dieser sich erregt erhob, senkte er seinen Mund direkt darauf und bildete einen Sog um diesen. Damit brachte er Godric zu einem leisen Keuchen, welches lauter wurde als er seine Zähne sanft und zwickend auf den Nippel senkte und ihn ein bisschen biss oder sogar daran zog. Ein unbeschreibliches Gefühl und in dem Moment wollte er mit Niemandem tauschen.

„Weiter~...“, drängte der Kellner ihn schnurrend. Seine eigene Hand glitt nun durch das lockige Haar und brachte es vollkommen durcheinander. Es fühlte sich so schön weich und samtig an.

„Wie heißt das Zauberwort?“, fragte Alexander und sah von dem Brustkorb auf in das verzogene Gesicht, „Ich mache erst weiter, wenn du es sagst.“

Der 28-Jährige sah den Anwalt beinahe schon verurteilend an: „Willst du mich etwa gerade ernsthaft erziehen?“

„Vielleicht...“

Als wäre es die Strafe dafür, dass er nicht einfach >bitte< sagte, pustete der Lockenkopf einfach gegen die feuchte Brustwarze und sorgte dafür, dass sie sich schlagartig abkühlte. Das würde für noch mehr Spannungen sorgen, worauf es der Anwalt auch anlegte. Entsprechend räkelte sich auch God und verkeilte sich regelrecht im dunkleren Haar des Jüngeren.

„Okay... Okay!“, gab er recht schnell nach, „Weiter... bitte.“

Vorerst reichte das dem 26-Jährigen, der mit einem triumphalen Grinsen erneut die Brustwarze umschloss, um daran zu saugen und einige Male hinein zu beißen. Dieses Mal sagte der Kellner lieber nichts, aber das musste er auch nicht. Seine Lustlaute sagten alles, was Alex wissen musste.

Als er genug von der starken Brust hatte, wanderten seine Lippen und sein Mund über den Sixpack des Älteren und liebkosten dort jeden Muskel und jede Hautfalte. Es faszinierte ihn, wie Godric dabei den Bauch einzog oder ihn wieder entspannte und wie er sich immer mal wand. Kurz darauf erreichte er den Bauchnabel des Mannes und umkreiste diesen ebenso mit seiner Zunge. Als er das Gefühl hatte, dass er Godric genug gequält hatte, schob er sein Geschmacksorgan hinein und erfreute sich am Keuchen des Älteren und wie sich sein Bauch heftig zusammenzog.

„Ich liebe dich, Lexy~...“

Langsam sah der Anwalt wieder auf und betrachtete das sanft gerötete Gesicht des Blondschopfes, der sicherlich sein erstes Abenteuer mit einem Mann wagte: „Ich liebe dich auch und ich werde ganz vorsichtig mit dir umspringen.“

„Versprichst... du mir das...?“, fragte Godric etwas verunsichert. Neuland zu begehen, war eine Sache, aber dabei nur eine geringfügige Macht auf das Kommende zu haben, eine ganz andere.

„Ich schwöre es dir sogar...“, erwiderte Alexander und lächelte charmant. Als wollte er das beweisen, kroch er wieder zum Gesicht des Kellners und küsste ihn inbrünstig.

 

Kapitel 4 Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2013-10-11T21:13:30+00:00 11.10.2013 23:13
Ich schwitze!
O/////O

Uiuiuiuiuiuiuiuiui.
In diesem kapi war ja alles drin.
Heulen
Zittern
Beben
Beten
Wieder heulen
freuen
mitfiebern
und schmachtend seufzen

ich schmelze dahin^^
Antwort von:  Kylie
11.10.2013 23:16
Die volle Packung an Emotionen kompakt zu einem Bad der Gefühle vermengt. xD
Und auch jetzt freue ich mich wieder, dass es dir so gefällt und du dich weiterhin mitreißen lässt. :-) *Taschentuch reicht*

Und wieder danke für deinen Kommi und das Lesen. ^^


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