Nach dem Mond fragen
II. Nach dem Mond fragen
“People aren’t either wicked or noble. They’re like chef’s salads, with good things and bad things chopped and mixed together in a vinaigrette of confusion and conflict.”
— Lemony Snicket
Es war nicht mehr genug.
Yamaguchi kannte dieses Gefühl nur zu gut. Er empfand es selten, doch wenn es die Oberfläche seines Bewusstseins durchbrach, dann meistens mit immensen Auswirkungen. Diese Auswirkungen waren bisher jedoch nur positiver Natur gewesen, ein netter Stoß in Richtung Selbstbewusstsein.
Der Drang mehr zu trainieren, mehr zu studieren, mehr anderen Menschen zu helfen, mehr von allem um ein besserer Mensch zu werden. Dementsprechend erschütterte es ihn in seinen Grundfesten, als er erkannte, was genau nicht mehr genug war.
Es war nicht mehr genug nur Tsukishimas bester Freund zu sein.
Er wollte mehr. Mehr Beachtung, mehr Nähe, mehr Berührungen, mehr von allem um der Mensch zu sein, der Tsukishimas Herz sein Eigen zu nennen.
Noch nie in seinem Leben hatte Yamaguchi so viel Angst vor seinen eigenem Verlangen gehabt.
Normalerweise würde er dem Verlangen nachgeben, so war er diesem Drang bisher immer entgegen gekommen. Einfaches passieren lassen, einfach leben lassen. Doch in dieser Hinsicht wurde ihm bewusst, dass sich fallen lassen, keinerlei akzeptable Option war. Fallen lassen, würde zu einem harten, schmerzhaften, brechenden Kollidieren führen.
Es würde sein Herz einfach zerschmettern und dann wäre für immer alles genug.
Jedoch stellte Yamaguchi fest, dass er kein Mensch war, der sein Verlangen unterdrücken oder gar kontrollieren konnte. Er war ein Mensch mit Herz und ohne Verstand. Und sein Herz ohne Verstand verlangte nach dem Verstand ohne Herz. Verlangte so sehr danach, dass jede Sekunde eine Qual wurde, die es nicht leben konnte. Es gierte solange bis der Körper sich ergab und ohne Widerstand jedem Befehl befolgte.
Innerhalb einer Sekunde, einer Bewegung, ließ sich Yamaguchi in sein Verlangen fallen, sich den Folgen seines Handelns im Klaren.
Jedoch war es ihm wert. Wert, da es ein Moment war, wenn auch nur einen Augenblick lang, der gelebt werden musste. Der in all seiner Unvollkommenheit alles war, wofür es sich lohnte, alles aufs Spiel zu setzen. Auch wenn es das eigene Herz war.
Yamaguchi stand auf seinen Zehnspitzen, seine Hand im Kragen des Anderen verkrampft und seine Lippen auf die von Tsukishimas gepresst – und niemals zuvor hatte er sich lebendiger und zerissener zugleich gefühlt.
Es war nicht mehr genug.
Hände umschlagen Körper, Lippen begrüßten sich, Wärme des Anderen wurde willkommen geheißen.
Es war nicht mehr genug und daran war absolut nichts falsch.