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Fahr mich ans Ende der Welt

Oder zu dir nach Hause
von

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Aussichtslos?

„Ja, in einer halben Stunde ist der Termin. Wenn es klappt, bekomme ich den Job vielleicht... Dann kann ich dir und Paps das Geld schicken...“

Ich schaue aus dem Fenster des Busses und sehe wie die Stadt scheinbar an mir vorüber gleitet. Ich sehe zwar nach draußen, aber mit meinen Gedanken bin ich ganz woanders. Einzig das Handy an meinem Ohr und die Stimme meiner besorgten Mutter holen mich wieder in die Realität zurück.

„Ja, ich höre dir zu!“, erwidere ich lächelnd und schüttele den Kopf. „Mir geht’s gut. Mach dir keine Sorgen.“

Natürlich macht sie sich Sorgen. Sie ist ja auch in Italien, während ich hier in der Weltgeschichte herum kurve und mir Arbeit suche. Zurzeit hat es mich nach Deutschland gezogen, aber ganz angekommen scheine ich noch nicht zu sein, jedenfalls kommt es mir manchmal immer noch so vor.

Ich lebe schon eine ganze Weile hier. Land und Leute sind interessant und aufregend, aber irgendwie fehlt etwas. Meine Eltern? Habe ich Heimweh? Bin ich dafür nicht schon etwas zu alt?

Es ist ja nicht so, als wäre ich das erste Mal im Ausland. In den letzten Jahren bin ich ziemlich viel herumgekommen.

Inzwischen lebe ich in einem Einzimmerappartement über einer älteren Dame, weil ich mir einfach nichts besseres leisten kann und Hamburg leider ein ziemlich teures Pflaster ist. Ich hätte mir auch eine WG suchen können, aber da ich eher ein Einzelgänger bin, würde ich es bei mehreren Leuten nicht allzu lange aushalten.

Mir gefällt es so wie es ist. Wäre da nur nicht die Sache mit meinem Job. Zurzeit lässt sich einfach kaum etwas finden und ich hoffe einfach, dass es mit diesem Job klappt. Es muss einfach funktionieren. Irgendwie muss ich ja die Miete zahlen und meine Eltern muss ich ebenfalls unterstützen.

Der Bus hält abrupt an meiner Haltestelle, so dass ich mich hastig am Griff festhalte. Zu blöd, dass gerade so viel los ist, dass ich nur noch einen Stehplatz erwischt habe, umso erleichterter bin ich, dass ich endlich aussteigen kann.

Ich werfe einen Blick auf meine Uhr und merke, dass es knapp wird. Schaffe ich es in einer halben Stunde dorthin? Ein paar Mal umsteigen und ich bin da, aber wenn ich Pech habe, komme ich zu spät. Kein sehr guter Eindruck.

Wieso nur reicht mein Geld nicht mal für ein Taxi?

Gestresst merke ich auch noch, dass ich durch die Hitze ganz verschwitzt bin. Mir kleben die Haare im Gesicht. Ganz toll! Ich lockere meine Krawatte, öffne mein Jackett und laufe, so schnell ich kann, zur U-Bahn.

Auf den Stufen nach unten stolpere ich und schaffe es gerade noch so eben mein Gleichgewicht zu halten, anstatt die Treppe herunter zu fallen. Ich atme tief aus und höre ein lautes Tuten.

„Scheiße! Sag nicht, dass ist meine Bahn?!“, brülle ich und renne was das Zeug hält herunter zu besagter Bahn, die soeben gemächlich vor meiner Nase davon fährt.

„Nein!“ Entgeistert sehe ich der Bahn nach. Ich renne zum Fahrplan und gucke, wann die nächste fährt. „15 Minuten?! Nicht dein Ernst oder?!“ Ich fahre mir mit den Händen durch die verschwitzten Haare, streiche sie mir aus dem Gesicht und lasse resigniert die Arme sinken.

„Ich kann genauso gut heimgehen...“

Unschlüssig bleibe ich auf dem Bahnsteig stehen und sehe, wie die Leute um mich herum laufen, als wäre ich eine Werbesäule, nur dass sie mich nicht ansehen oder gar wahr nehmen.

„Was mache ich jetzt?“ Grübelnd verschränke ich die Arme vor der Brust und setze mich neben einem alten Mann mit Hut und Gehstock auf die Bank. Der Mann wirkt als wäre er im falschen Jahrhundert.

Ob es bei mir auch so ist? Vielleicht soll es einfach nicht sein?

Ich schlucke. Soll ich heimfahren? Zurück zu meiner Familie nach Italien? Zurückkommen wie ein Loser? Aufgeben bevor ich es überhaupt probiert habe?

Heftig schüttele ich den Kopf. Nein!

Ich will nicht als Loser heimkommen. Ich will nicht, dass alle auf mich herabsehen und mich bemitleiden, weil ich es nicht geschafft habe in einem anderen Land Fuß zu fassen! Es ist meine Entscheidung gewesen hierher zu kommen und jetzt muss ich es auch durchziehen! Mit allen Höhen und Tiefen!

Nervös und hibbelig warte ich also auf die nächste Bahn, steige ein und fahre fünf Stationen. Ich steige aus und renne die Stufen der Treppe hinauf, gelange ins Freie und renne über den Zebrastreifen. Grüne Ampeln stehen wohl heute auf meiner Seite, im Gegensatz zur Bahn.

Nach fünf unendlich langen Minuten des Wartens kommt endlich mein Bus und nachdem ich eingestiegen bin, lasse ich mich hinten auf eine Bank fallen, nur um zu bemerken, dass ich mich gerade auf einen Kaugummi gesetzt habe. Schöne Scheiße!

Fluchend befreie ich meine Hose von dem Zeug, setze mich ein paar Reihen weiter vorne hin und muss mich diesmal damit abgeben neben einer telefonierenden Frau zu sitzen, die den ganzen Bus lautstark unterhält.

Der Morgen wird echt immer besser...

Ich muss mich zusammen reißen und einfach das Beste aus der Situation machen. Jammern kann ich immer noch, wenn ich versagt habe.

Endlich kommt das große Gebäude in Sicht. Umgeben von einer riesigen Mauer und einem verzierten schmiedeeisernen Tor steht eine prachtvolle weiße Villa mit grauen Schindeln.

Langsam fährt der Bus daran vorbei und so nehme ich das Haus genauer in Augenschein. Auf der Auffahrt steht eine Limousine, gänzlich in weiß und so langsam kribbelt es in meinen Händen.

Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich mich als Chauffeur ausgerechnet hier beworben habe! Das ist ein Traum!

Zumal die Bezahlung auch nicht so übel ausfällt.

Aufgeregt warte ich ab, bis der Bus endlich an der Haltestelle hält und sprinte schon beinahe aus dem Gefährt. Ich bin sowieso schon viel zu spät dran!

Ich überquere die Straße und laufe den Gehweg entlang zurück zur Villa.

Außer Atem richte ich meine Haare und meine Kleidung ein wenig her und atme ein paar Mal tief ein und aus.

Nervös drücke ich auf den Summer und eine Stimme ertönt aus der Gegensprechanlage. „Ja bitte?“, fragt mich eine weibliche gelangweilte Stimme.

„Mein Name ist Emilio Foresta! Ich bin wegen des Jobangebotes hier!“, stelle ich mich lauter vor als ich eigentlich wollte.

Ich versuche mich zu entspannen, aber viel bringt das auch nicht. Mit gestrafften Schultern und ruhelosem Blick sehe ich mich um. Wird man mich noch reinlassen?

„Einen Moment...“, ertönt die monotone Stimme wieder und als ich höre wie sich das Tor knirschend öffnet, atme ich erleichtert aus.

Mit wackeligen Beinen, einen Fuß vor den anderen setzend, gehe ich langsam die Auffahrt mit weißen Kieselsteinen entlang und schaffe es nach einer gefühlten Ewigkeit endlich die Haustür zu erreichen.

Drei Stufen einer Treppe führen zur Tür, welche mit einem Glasdach versehen ist. An den Seiten stehen zwei Kübel mit irgendwelchen farbenfrohen Blumen. Einzig das verzierte schwarze Geländer lässt das Haus noch eleganter aussehen.

Bevor ich auf die Klingel drücken kann, wird mir geöffnet. Eine Frau mit Brille sieht mich mürrisch und nicht sehr einladend an. Nein, das fängt heute wirklich nicht sehr gut an.

„Guten Tag!“, begrüße ich die Frau noch einmal und nur widerwillig lässt sie mich eintreten. Mein Blick fällt auf ihr legeres Kostüm und der Hochsteckfrisur. Obwohl sie so fein hergerichtet ist, passt ihr Anblick einfach nicht zum Ambiente. Sie wirkt eher wie eine Bibliothekarin.

„Sie sind zu spät!“, stellt sie fest und zeigt mit einer Handbewegung auf ein paar Besucherstühle. Scheinbar bin ich nicht der Einzige, denn neben mir wartet noch jemand.

„Warten Sie einen Moment!“

Schweigend setze ich mich hin und linse zu der anderen bemitleidenswerten Seele, die neben mir sitzt und nervös an den Fingernägeln knabbert. Angeekelt sehe ich wieder starr geradeaus.

„Sind Sie auch wegen des Jobs als Chauffeur da?“, fragt der Mann neben mir interessiert. Ich nicke.

„Ich habe ziemlich gute Referenzen und habe den Job schon so gut wie in der Tasche!“

Warum zum Teufel sollte mich das eigentlich interessieren? Sehe ich so aus als wäre ich wirklich daran interessiert? Augenblick! Heißt das etwa, dass wir beide um die Gunst des Auftraggebers buhlen?

Entsetzt wische ich mir den Schweiß von der Stirn. Der Kerl neben mir hat den Job doch schon so gut wie in der Tasche, was soll ich dann noch hier? Ich meine, ich habe keine nennenswerte Ausbildung genossen oder gar irgendwelche Referenzen, die ich vorzeigen könnte und zuguterletzt bin ich auch noch viel zu spät dran!

Angespannt wandert mein Blick durch den großen Raum, der so leer wirkt, bis auf die Anmeldung, die Sitzecke für Besucher und ein paar Pflanzen in den Ecken.

Ich schlucke als mir ein Gedanke kommt.

„Haben Sie es Ihnen etwa noch nicht gesagt?“, frage ich vage und sehe ihn höchst erstaunt an. Der Mann erwidert meinen Blick.

„Was meinen Sie?“, fragt er mich verwirrt.

Ich schlucke. „Mir wurde der Job als Chauffeur schon fest zugesagt!“

Der Mann steht abrupt auf, so dass ich erschrocken zusammenzucke. „So eine Unverschämtheit! Wie kann das sein? Das Vorstellungsgespräch lief doch hervorragend! Es stand doch schon so gut wie fest!“, brüllt er wütend.

Oh Mann, was habe ich da nur angerichtet?!

Erbost setzt er sich auf die Stuhlkante und wippt mit einem Bein auf und ab. Er kaut wieder an seinem Fingernägeln und wirft mir einen kurzen Blick zu. „Wieso hat man mich denn heute überhaupt herbestellt? Dann bin ich ja ganz umsonst gekommen?!“, meckert er leise vor sich hin.

Ich zucke mit den Schultern und versuche entspannt und unwissend auszusehen. „Das kann ich mir auch nicht erklären. Vielleicht haben sie ja einen Fehler gemacht?“, versuche ich ihn zu beschwichtigen.

Der Mann steht wieder auf und zieht seinen Anzug zurecht. „Unverschämtheit!“

Wütend geht er an mir vorbei und öffnet die Tür. Kurz darauf sitze ich alleine bei der Anmeldung und atme tief durch.

„Wer hätte gedacht, dass das so einfach ist...“, flüstere ich und lehne mich mit geschlossenen Augen zurück in meinen Stuhl.

Was habe ich mir nur dabei gedacht, jemandem den Job wegzunehmen?

„So so, ich mache also Fehler?“, höre ich eine amüsierte Stimme neben mir. Erschrocken reiße ich die Augen auf und drehe meinen Kopf herum. Vor mir steht die brummige Frau, nun nicht mehr so verschlossen, sondern wirkt leicht amüsiert auf mich.

Hat sie das Gespräch etwa mitverfolgt?

„Nun, da sie der einzige Bewerber sind, können sie Montag anfangen!“, teilt sie mir lächelnd mit und setzt sich auf einen Stuhl neben mir. „Wenn sie dann noch hier unterschreiben könnten...“



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