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Wunsch

von

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Treffen

Ich näherte mich ihr und gleichzeitig auch ihnen. Ein Kribbeln erfüllte meinen ganzen Körper. Ich setzte einen Schritt nach dem anderen und versuchte krampfhaft, mich zu entspannen. Ein und ausatmen, ein und aus. Ich beruhigte mich langsam, aber stetig. Das Mädchen schien mich zu bemerken, denn sie schaute zu mir auf.

Als ihre violetten Augen den Blick von meinen trafen überkam mich augenblicklich eine unerwartete Ruhe. Den restlichen Weg bis hin zum Klassenzimmer überbrückte ich ohne jedes weitere kribblige Gefühl der Aufregung, lediglich Ruhe beherrschte den eben noch wild tobenden Pool meiner Gefühle. Sie war schon weitergegangen und ich folgte ihr, mir war, als wäre ich schon tausende Male diesen Weg gegangen.

Die gläsernen Wände der Klassenzimmer verwirrten mich ein wenig, ich konnte sehen, was die anderen in der Klasse machten. Mir fiel auf, dass es elektronische Tafeln gab und überhaupt alles modernisiert worden ist. Staunend über den Fortschritt schritt ich weiter durch die Gänge und Flure, die mit Glaswänden ausgestattet waren. Ich konnte an einigen Stellen sogar nach draußen blicken, ein wahrlicher Panoramablick. Ich vergaß für einige Momente den eigentlichen Grund, weshalb ich hergekommen war, auch wenn der Wunsch stets in mir pochte und mein Unterbewusstsein umklammerte.

Ich kam am Klassenzimmer an. Das Mädchen saß schon und packte gerade ihre Schulsachen heraus, einige Jungs drängelten sich an mir vorbei, hastig trat ich zu Seite. Die Lehrerin kam und bemerkte mich.

"Du bist die neue Schülerin, nicht wahr?", fragte sie mich freundlich auf Japanisch. Ich nickte und stellte meinen Sprachmodus innerlich auf Japanisch um.

"Dann komm, nicht so schüchtern", lachte sie und ging in das Zimmer. Ich folgte ihr schnell und stellte mich neben sie. Sie klatschte in die Hände, alle eilten auf ihre Plätze und standen auf. Die Klasse beäugte mich neugierig, doch es machte mir nichts aus. Ich war es gewohnt, auch wenn nicht aus diesem Grund, weshalb ich jetzt angestarrt wurde.

"Guten Morgen!", sagte sie Lehrerin und stellte ihre Sachen auf dem Pult ab, welcher vorne ein wenig neben der Tafel stand.

"Guten Morgen!", ertönte es zurück und sie setzten sich wieder, die Lehrerin fing wieder an zu reden. "Wie ihr sicherlich schon bemerkt habt, haben wir eine neue Schülerin. Du kannst dich alleine vorstellen, oder?" Wieder ein Nicken, dann begann ich zu reden.

"Hallo, ich bin Lilith Nauer und komme aus Deutschland", sprach ich auf Japanisch, "Ich bin 14 Jahre alt. Auf gute Zusammenarbeit!" Ich verbeugte mich kurz und richtete mich dann wieder auf.

"Willkommen an unserer Schule! Ich bin übrigens Namida-sensei. Du kannst dich auf den freien Platz neben Kiko-kun setzen." Sie zeigte auf einen Jungen, der etwa in der dritten Reihe vom Pult aus saß. Mit flotten Schritten durchquerte ich den Raum und setzte mich. Neben mir saß ein Mädchen, vor und hinter Jungs.

"Beginnen wir mit dem Unterricht!", verkündete Namida-sensei.

Der restliche Unterricht verlief relativ reibungslos, auch wenn ich das ein oder andere Wort aus dem Kontext erschließen musste. In der Pause durften wir im Schulgebäude bleiben und einige Mädchen umringten mich schon.

"Dürfen wir dich Lilith nennen? Oder Lil-chan?" "Wir wirst du eigentlich geschrieben?" "Wieso bist du denn nach Japan gewechselt?" "Die Uniform passt super zu deinen Haaren!" "Wie hast du vorher gelebt?" "Ich habe dich heute morgen schon gesehen! War die Frau bei dir deine Mutter?" Diese und viele andere Fragen prasselten unaufhörlich auf mich ein, ich kam mit den Antworten nicht mehr hinterher.

Das Mädchen mit den schwarzen Haaren erhob sich von ihrem Sitz und kam auf mich und die Menschentraube zu.

"Ich glaube Nauer-san kommt mit den Antworten nicht hinterher." Ihre Stimme war ohne jegliche Hast und in normaler Lautstärke, trotzdem schien sie alles zu übertönen. Sofort stoppten sie ihr Geplappere und sahen mich entschuldigend an.

"Entschuldige bitte, wir sind nur ein wenig aufgeregt, weil wir noch nie eine Schülerin aus Deutschland hatten."

Ich schüttelte versöhnlich den Kopf und wandte mich an das schwarzhaarige Mädchen.

"Dankeschön, äh... Wie heißt du?"

"Akemi Homura", lautete ihre Antwort. Als ich ihre Worte hörte, spürte ich eine merkwürdige Vertrautheit. Es war, als würde ich sie schon sehr lange kennen. Ich bemerkte, dass ich nicht geantwortet hatte und fuhr eilig fort: "Also Akemi-san? Danke, Akemi-san."

Sie nickte mir leicht zu und ging dann aus dem Raum heraus. Ich stand auf und folgte ihr. Die anderen Mädchen ließ ich kurzerhand zurück, achtete nicht auf ihre fragenden Blicke.

"Akemi-san!", rief ich. Sie drehte sich um und wartete auf mich. Nach einigen Metern hatte ich sie eingeholt und erklärte ihr mein Anliegen. "Könnten wir kurz reden?"

Sie blickte mich nachdenklich an, stimmte jedoch zu: "Gerne."

"Könnten wir an einen nicht so belebten Ort gehen?", bat ich sie.

"Okay, komm mit." Sie ging vor, ich versuchte, mir den Weg einzuprägen und zu merken. Mich faszinierten schon wieder das viele Glas um mich herum, die fast freie Sicht auf alles. Ich registrierte auch einige Überwachungskameras an den Wänden, die jede einzelne Bewegung der Schüler wahrnahm und abspeicherte. So auch wir. Jetzt wurde mir klar, warum man an dieser Schule in den Pausen nicht rausgehen musste, sondern auch drinnen bleiben durfte. Stetige Überwachung.

Ich und Homura betraten nach einigen Treppen das Dach der Schule.

Ich eilte sofort zur äußersten Grenze des Daches. Der Wind wehte mir durch die Haare und ich schloss meine Augen. Der frische Geruch von Freiheit, ich roch ihn ganz deutlich. Der Duft nach einer erfrischenden Brise. Als ich die Augen wieder öffnete, erstreckte sich Tokyo vor mir. Gebäude ragten in die Höhe und streiften die immer dahinziehenden Wolken. Gedränge auf den Straßen und Bürgersteigen. Mir fiel auch auf, dass hier oben keine Kameras waren, die uns beobachten konnten.

"Worüber wolltest du mit mir reden?", durchschnitt Homura die Stille.

Peinlich berührt wandte ich den Blick Homura zu. Ich atmete tief durch. "Erst noch eine kurze Frage, die nichts mit dem anderem zu tun hat. Darf ich dich Homura nennen?"

"Wenn du willst. Sonst noch etwas?"

"Ja. Ich... habe dich in meinem Traum gesehen. Du hattest ein Kleid an, es war lila, glaube ich. Ich konnte es nicht so erkennen, denn es war unglaublich dunkel. Nur du hast irgendwie gestrahlt, weißt du? Du hast gegen schwarze Schatten gekämpft, es war wirklich bizarr..." Ich redete und redete, ich hatte das Gefühl, mir die Seele vom Leib zu reden. Ich sah sie die ganze Zeit nicht an, nur flüchtige Blicke, die ich ihr zuwandte, sonst irrte mein Blick ruhelos von einem Punkt zum anderen. Die Erinnerungen kamen wieder hoch und ich schilderte ihr ebenfalls von den Ereignissen in der Gasse. Ich sprach ohne Hemmungen und setzte einen Schritt nach dem anderen mehr in die Geschehnisse der vergangenen Tage und verinnerlichte sie.

Nachdem ich geendet hatte, wagte ich es wieder, Homura länger als einen Augenblick anzusehen. Sie starrte mich geschockt, verwundert, überrascht, ich hatte keinen wirklichen Ausdruck für dieses Perplexe in ihrem Blick. Konnte man es überrumpelt nennen?

Schweigen breitete sich aus und nur der Wind pfiff, die Autos hupten und leises Gelächter und Gerede von den anderen Schülern unten auf dem Hof oder im Gebäude drang zu uns durch. Ich hatte ihr den Rücken zugewandt und starrte den endlos anmutenden, strahlend blauen Himmel an. Der Tag neigte sich langsam dem Ende zu, der Himmel färbte sich rotorange. Der Klang der Schulglocke zerriss die unangenehme Stille.

"Wir sollten...", fing ich an zu reden, als Homura mir in das Wort fiel: "Können wir nach der Schule nochmal reden? Hast du Zeit?" Erleichtert, auf etwas eine Antwort geben zu können und nicht mehr diese Stille zu haben, antwortete ich immer noch ein wenig verlegen: "Ja, wartest du dann am Schultor auf mich?"

Ich sah sie aus dem Augenwinkel nicken. Dann gingen wir beide zusammen wieder zum Unterricht, wobei ich bemerkte, dass sie nicht ganz bei der Sache war. Ob es wohl an den Dingen lag, die ich ihr erzählt hatte? Waren die Tatsachen alle so verwirrend gewesen? So verstörend? Ich hatte einfach keine Antwort darauf und merkte nicht, wie meine eigenen Gedanken abschweiften und in Fragen herumwanderten.

Bald darauf war der Unterricht zuende. Ich packte meine Sachen und wollte mich gerade Homura zuwenden, als sie auch schon durch die Tür verschwand. Ratlos blieb ich zurück. Wollte sie noch jemanden holen gehen? Ich seufzte kurz und erinnerte mich nochmal zurück. Achja, genau. Ich sollte vor dem Schultor auf sie warten. Also begab ich mich dorthin und wartete noch eine Weile, bevor ich sie sah. Die Sonne stand schon tief und tauchte die Welt in Abendrot.

Hinter Homura sah ich noch eine andere Person, sie hatte blonde Haare, sie waren zu zwei Zöpfen gebunden, die wiederum gelockt waren. Sie sah mich freundlich an, und ich konnte nicht anders, als zurückzulächeln. Sie hatte eine so warme Aura.

"Können wir los gehen?", fragte Homura mich und stellte dann noch schnell das andere Mädchen vor: "Das hier ist Tomoe Mami." Sie schritt los und wir setzten uns alle in Bewegung. Ich holte zu ihr auf.

"Wohin gehen wir denn?"

"Zu mir", sagte Tomoe-san lächelnd, "Wir können nicht in der Öffentlichkeit darüber ungestört reden."

Ich nickte nachdenklich und folgte den beiden als Schlusslicht.

"Du darfst mich übrigens Mami nennen", sprach Mami an mich und ich erwiderte: "Und du mich Lilith." Danach setzte Schweigen wieder ein und hielt lange an. Die Schritte, unsere Schritte, auf dem Asphaltboden klangen leise. Ich hörte entferntes Kindergelächter und nahes Autohupen von der Straße neben uns. Es wirkte alles so ruhig und auch der Himmel schien der Träge des Sommers zu unterliegen, einige Wolken bewegten sich nicht klar erkennbar am Himmel.

"Wir sind da!", rief Mami erfreut aus, als wir an einem Gebäudekomplex stehen blieben. Wir gingen hoch und sie schloss die Tür auf, bat uns herein. Schweigend schritten wir durch die Tür, sie klickte leise beim Schließen. Ich atmete den Geruch in der Wohnung ein. Ein wohliger Duft erfüllte meine Nase und holte ein seltsames Gefühl der Vertrautheit in mir hoch.

"Setzen wir uns doch, bevor wir reden." Sie führte uns durch den Flur in ihr Wohnzimmer. Wir knieten uns um einen Glastisch nieder, während sie kurz Tee kochen ging. Mit dampfendem Jasmintee und Tassen kam sie wieder zurück. Wir tranken eine Weile ohne zu reden den Tee.

"Es wird an der Zeit dich aufzuklären, Lilith-san", begann Homura nach ihrer ersten Tasse Tee, Mami schenkte ihr nach. "Wir", führte sie fort und zeigte auf sie selbst und auf Mami, "sind Magical Girls. Wir kämpfen gegen das Böse, diese Schatten, die du gesehen hast. Sie richten sonst Unheil an, lassen Menschen Selbstmord begehen und solche Sachen. Sie bringen die Verzweiflung." Sie sagte die Dinge so, wie sie sind. Ohne jegliche Beschönigung, auch wenn es mir so vorkam, als würde sie schon ein wenig vorsichtig sprechen.

Ich schwieg und dachte nach. "Euch gibt es überall auf der Welt, oder?"

"Ja."

Erneut legte sich eine angespannte Stille über uns.

Ein leises Rascheln ertönte. Es kam aus der Richtung, in der die Fenster waren. Die Gardinen bewegten sich und eine kleine, weiße Gestalt kam hervor.

Sie sah aus wie eine Katze, oder doch ein Eichhörnchen? Es hatte ein pinkes Viereck auf seinem Rücken, das Innere des Vierecks war weiß. Es hatte ebenfalls unglaublich lange Ohren und sah knuffig aus.

"Kyubei", sagte Mami mit einem überraschten Unterton, "Was führt dich hierher?"

"Was soll mich denn hierherführen? Natürlich dieses Mädchen da", sagte es und deutete mit seinem Schwanz auf mich.

"Wegen mir? Homura, wer ist das?", fragte ich verwirrt.

"Das ist Kyubei, er macht uns zu dem, was wir sind. Er erfüllt einen Wunsch von dir und im Gegenzug wirst du ein Magical Girl und kämpfst gegen die Schatten, das Böse der Welt."

"Sei gegrüßt, Lilith Nauer. Ich bin hier, um dich zu fragen, ob du ein Magical Girl werden willst und was dein Wunsch ist, den ich dir erfüllen darf." Er sah mich an, legte den Kopf leicht schief.

Ich starrte ihn an. Ich konnte nicht anderes, als dieses Wesen bis ins kleinste Detail zu mustern. Er wollte mir einen Wunsch erfüllen, Beschränkungen hat er mir nicht gegeben. Doch dafür musste ich zum Magical Girl werden und gegen diese Monster kämpfen. War mir ein Wunsch so viel Wert?

Die Antwort kannte ich nicht. Ich brauchte Zeit.

Ich merkte, dass sein Blick immer noch fragend auf mir ruhte. Ich beeilte mich, zu antworten: "Entschuldigung, aber ich kann noch keine Antwort geben." Er nickte langsam und gemächlich.

"Aber natürlich." Er verschwand auf demselben Weg, wie er gekommen war. Homura stand ohne ein weiteres Wort auf und ging ebenfalls.

Mami sah ihr wissend hinterher, dann konzentrierte sie sich wieder auf mich.

"Was für eine unangenehme Situation", sagte sie lächelnd und ein wenig verlegen. Sie sah in Richtung Fenster, die Sonne war untergegangen und die Schwärze der Nacht breitete sich aus. "Es ist Zeit. Willst du, bevor du deine Entscheidung triffst, vielleicht sehen, wie wir kämpfen? Wie die Monster aussehen, die du vielleicht bekämpfen musst?"

Ich nickte.



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