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Federschwingen

von

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Nathan hielt Kyrie in seinem Arm. Ihre Flügel streiften die Sitzlehne, doch dies würde sie im Moment wohl nicht stören. Einige Engel, die in seiner Nähe saßen, verfolgten das Schauspiel mit beiläufigem Interesse.

Kyrie hatte ihr Gesicht mit ihren Händen bedeckt und lehnte so gegen seine Brust. Ihr dunkles Haar fiel in seinen Schoß und überlagerte somit alles, wodurch man sie hätte identifizieren können.

„Kyrie … Was hast du nur?“, fragte Liana besorgt. Sie saß vor Nathan und streichelte Kyrie beruhigend über den Rücken.

Deliora stand in der Luft und schaute sich um. „Es muss etwas mit Xenons Leuten zu tun haben“, mutmaßte sie kaum hörbar, „Aber mir fällt niemand auf …“

„Ist Thi schon am Spielfeld?“, wollte Liana wissen, da sie sich nicht umdrehte, sondern sich ganz Kyrie widmete.

Joshua verfolgte das Spiel. „Er ist am Feld, aber es ist noch die Aufwärmphase.“

Nathan schaute auf Kyrie. … Wenn er sofort wieder zu ihr geeilt wäre … Aber das Spiel hatte doch begonnen. Und der Sitzplatz …

Aber was nützte ihm dieser Platz jetzt, wo Kyrie nicht einmal zusehen konnte? Nicht anfeuern konnte. Thierry würde enttäuscht sein – aber er würde es verstehen.

Hier irgendwo war also der Halbengelhasser Xenon. Und er würde heute seine gerechte Strafe erlangen! Gula war hier – also konnte dieser gleich darüber richten. Kyrie musste nur aussagen.

„Liana, Deliora – geht zurück auf euren Platz“, schlug Nathan vor, „Ich bin ja hier … Und ihr könnt jetzt nichts machen. Helft Thi.“

Deliora schaute ihn berechnend an.

Liana wirkte unfassbar beleidigt. „Ich bin bei ihr! Das ist es, was ich hier tue! Ich unterstütze sie!“, schnauzte sie ihn an.

„Und mit welchem Erfolg?“, wollte Nathan ungehalten wissen. Es war auch für ihn eine ungewohnte Situation, verdammt! Wie sollte er Kyrie helfen, wenn sie nicht ansprechbar war? Sie zitterte bloß – sie hatte fürchterliche Angst! Was konnte er nur tun, um sie zu beruhigen? Lianas Methoden schienen auch nicht gerade sehr hilfreich.

„Ich bin zumindest für sie da!“, keifte die Frau zurück. Heute trug sie eine blaue Blume. Die falsche Farbe für ihr heutiges Temperament. Eindeutig.

„Thierry ist dran!“, unterbrach Deliora plötzlich das hitzige Gespräch.

Sogar Liana wandte sich von Kyrie ab und schaute aufs Spielfeld.

Thi hielt einen goldenen Ball in der Hand und schwebte geschickt an seinen Konkurrenten vorbei. Plötzlich warf er das Gold dem alten Mann zu, der es mit Leichtigkeit auffing, da er unter seinen Rivalen durchflog und der alte Mann schmiss den Ball los, sodass dieser den angehenden Turm erreichen würde – doch ein Gegenspieler schob sich dazwischen und hielt das wertvolle Stück davon ab, sein Ziel zu erreichen, indem er es einfach in sich hinein sog.

„Nein!“, rief Liana erschüttert, „Was für ein …“

Deliora schüttelte den Kopf. „Wir sollten wirklich nach da drüben. Von dort aus hätten wir den Konkurrenten abhalten können! Warum hat da keiner gefeuert?“ Sie knirschte mit den Zähnen.

Dann begab sie sich noch einmal kurz zu Kyrie und strich ihr durchs Haar. „Beruhige dich … Nathan wird dich beschützen“, wisperte sie in ihr Ohr – und rauschte davon.

Liana blickte ihn trotzig an. „Schau zu, dass sie sich beruhigt“, wies sie ihn an, dann stolzierte sie am Fußweg davon – wobei sie einigen Engeln, die gebannt das Spiel beobachteten, auf die Füße trat. Ohne ein Wort der Entschuldigung.

„Liana …“, murmelte Nathan ihr hinterher. Dann widmete auch er sich dem Spiel. Hätte von dort drüben jemand gefeuert, so hätten sie Thierrys Kugel so verstärken können, dass der Konkurrent sie nicht hätte einsaugen können – und damit hätte Thierrys Team einen Schritt zum Sieg gemacht. Schade.

Aber bei diesem Team würden wohl noch mehr Chancen kommen, um zu helfen.

Nathan widmete seinen Blick ganz kurz Gula.

Der große Mann mit diesem dunklen Haar stand noch immer ganz oben – seine Miene war unbewegt, doch er verfolgte das Spiel mit Interesse. Sein Blick klebte förmlich am Spielfeld.

Wenn Nathan jetzt nach da oben ging … dann würde der Mann ihn eiskalt ablehnen. Er war eine Todsünde – íhm diese Stunden der Freiheit zu nehmen, würde nicht gelingen. Da war Nathan sich sicher. Es würde so sein, als wollte er nach einer Konferenz mit Acedia über neue Aufgaben sprechen – einfach unmöglich.

Plötzlich spürte er, wie ein Blick auf ihm haftete – er brauchte gar nicht lange zu suchen, da bemerkte er, dass es Joshua war, der ihn hier so durchlöcherte. Ehe er nach dem Grund dafür fragen konnte, fiel ihm auf, dass er die ganze Zeit sanft über Kyries Rücken gestreichelt hatte. Sie musste sich immerhin beruhigen und … Als er in dieser Tätigkeit inne hielt, wandte sich Joshua sofort wieder dem Spielfeld zu.

„Also …“; begann Nathan, „Das Anfeuern funktioniert so: Du sitzt hier und wartest einfach auf die perfekte Gelegenheit, deinen Schuss abzugeben.“ Er schaute Kyrie an. Sie ihn nicht.

Ob sie überhaupt wahrnahm, dass er mit ihr sprach? Wenn nicht … dann würde er einfach alles wiederholen müssen. „Anfeuern ist die Publikumshilfe, wenn der Gegner des eigenen Teams im Vorteil liegt. Also sind nicht nur die Stärke des Teams ausschlaggebend, sondern auch die Anzahl der Fans – und darum ist auch Gula so wichtig.“ Nathan wandte seinen Blick noch einmal der Todsünde zu. Dann sofort wieder Thierry, welcher sich darauf vorbereitete, einen Gegner, der einen der Lichtkugeln hatte, zu blocken. „Denn wenn Gula einen solchen Schuss verstärkt und der dann auf den Turm prallt – so ist das Spiel so gut wie gewonnen. Der Sieger steht fest. Da sind die beiden Assistenten der Todsünden da drüben und ich natürlich ebenfalls ziemlich ausschlaggebend, aber wir sind keine perfekten Strategen.“ Wieder versicherte er sich, dass Kyrie ihn nicht anschaute – was sie auch nicht tat. Leider. „Gula hat bis von vor … ich glaube, das ist zwei Jahrhunderte her, oder Joshua?“ Er wandte sich seinem dunkelhaarigen Freund zu.

Dieser widmete ihm ein kurzes Nicken. Und in seinen Augen stand Zufriedenheit – war er wirklich gerade eifersüchtig auf Kyrie gewesen? Das würden die Todsünden aber ungern hören, wenn ein Engel so Besitz ergreifend war … Aber … es war eben Joshua. Nathan konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Hört sie zu?“, fragte Joshua dann unvermittelt.

Nathan blinzelte vor Überraschung. Mit dieser Frage hätte er nicht gerechnet. „Woher soll ich das wissen?“

Joshua zuckte nur mit den Schultern – und beobachtete Thi.

„Jedenfalls hat er sämtliche Rekorde in diesem Spiel gehalten. Er war der Meister – er war nämlich stark und klug. Jeder hatte Ehrfurcht und gegen ihn zu spielen, war eine Bereicherung für alle Teilnehmer. Man lernte vom Verlieren.“ Nathan konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Nathan hatte Gulas letztes Spiel mit angesehen – es war einfach ein Traum von einem Spiel gewesen. Man fühlte sich wie … wie … wie im Himmel. Es war einfach alles … richtig.

„Als er dann zum Assistent von Gula auserkoren worden war, musste er das Spielen aufgeben, weil es ihm einfach zu viel Freude bereitet hatte. Aber nachdem er nach all diesen Jahren wieder hier ist … glaube ich nicht, dass er es jemals geschafft hat, das aufzugeben, was er wahrlich …“ Sie machte es schon wieder. Kyrie hörte vermutlich nicht zu, aber sie schaffte es einfach, ihn zum Reden zu bringen, ohne dass er es wollte! Er konnte doch nicht vor Joshua …

Aus seinen Augenwinkeln heraus beobachtete Joshua ihn forschend. Berechnend. Mit Schmerz in den Augen.

Nathan musste ihn ignorieren. Bis er eine Todsünde war, musste er es einfach ertragen, Joshua nicht zu lieben! Nichts zu lieben. Einfach nur … gleichgültig zu sein. Es zumindest so vorzuspielen, wie Gula es getan hatte. Wie vielleicht alle es getan hatten – außer Acedia. Bei ihr war er relativ sicher, dass sie alles aus ihrem früheren Leben abgeworfen hatte. Gut, vielleicht noch bei ein, zwei anderen … Aber Gula war wie er: anhänglich. Einfach … willenlos … Sie liebten einfach zu sehr – waren so gesehen … schwach.

Plötzlich fühlte er, dass er umarmt wurde. Seine Taille umschlungen.

Er schaute nach unten.

Kyrie sah ihn aus verzweifelten Augen heraus an.

Und er konnte den Hilferuf darin förmlich hören.
 

Xenon … Sie erwachte aus ihrer Trance. Sie wusste nicht genau, wie sie an diesen Ort gekommen war, doch sie fühlte, dass sie Nathan umarmte. Die Angst plagte sie derweil – wie sollte sie Xenon entkommen? Wenn sie den Himmel jetzt verließ … sie wusste, dass sie dann nie mehr wieder den Mut aufbringen können würde, ihn je wieder zu betreten. Wenn sie Xenon heute nicht aus der Welt schaffte, so würde Kyrie dazu nie mehr wieder in der Lage sein.

Und diese Erkenntnis versetzte sie schier in Panik.

Sie hatte wahrgenommen, was Nathan ihr erklärt hatte. Was Liana und Deliora und Joshua gesagt hatten. Dass Thierry dort unten spielte. Sie wollte auch unbedingt zusehen – ihn anfeuern, ihm helfen! Doch … sie schaffte es nicht.

Wenn Nathans starker Körper ihr in diesem Moment keinen Halt gegeben hätte – sie wäre zerbrochen. Panik hätte die Überhand genommen. Sie hätte keine Chance mehr gehabt.

Und so starrte sie in sein überraschtes Gesicht. Ihr war klar, wie fahl sie wirken musste, vielleicht sogar krank, obwohl sie sich im Himmel befand. Doch wie sollte sie sich so schnell und unvorbereitet entscheiden? Wie nur? Was sollte sie tun? Xenon verraten? Aber … wie?

Gula … würde ihr Gula überhaupt helfen? Würde sie dadurch Thierry die Chance seines Lebens zerstören, indem sie Gulas Aufmerksamkeit für sich beanspruchte?

„Thierry!“, rief Joshua plötzlich laut aus – und aus seinen Händen strahlte ein kleines Licht, welches allerdings sehr schnell nach unten schoss. Kyrie wusste nicht, wie er damit helfen wollte. Aber sie schaffte es einfach nicht, sich umzudrehen, zum Spielfeld zu sehen.

Nathans Blick folgte der Lichtkugel für einen kurzen Moment, kam dann aber sofort wieder auf sie zurück.

Seine Lippen bewegten sich. Er sagte etwas. „… wieder beruhigt hast! Ich bin so froh … Kyrie?“ Sie starrte ihn an.

Wo war sie? Wenn sie sich jetzt nach vorne drehte – würde sie in Xenons Blickwinkel fallen? War er noch da? Wo war sie überhaupt? Wie konnte sie sich sicher sein, dass sie sich nicht verriet?

Vielleicht saß er auch direkt über ihr. Vielleicht sah er sie in diesem Moment. Plante bereits einen Anschlag.

Plötzlich wurde ihr übel. So übel. Sie wollte einfach weg hier. Weg!

Nathan platzierte seine Hände auf ihren Schultern. Er sah sie eindringlich an. Sein Blick war fest – eisenhart. Schien sie zu durchbohren – doch er hielt sie auch gefangen. Seine azurblauen Augen durchdrangen sie, hielten sie fest. In der Gegenwart. In seinem so schönen Gesicht. Und diesem wunderbaren Leuchten darum herum … Leuchten … Xenon hatte geleuchtet. Seine Flügel waren ausgebreitet – und ihre auch. Sie waren im Himmel. Vielleicht hatte der Himmel so stark geleuchtet, doch …

„Xenon …“, brachte sie keuchend hervor.

Sofort schnellte sein Gesicht herum. Seine Miene blieb steinhart, die Augen wirkten wie die eines Falken – er hatte alles im Auge, nahm jede Bewegung wahr. Doch er konnte nicht wissen, wonach er suchte. Nicht, bis sie es ihm sagte. Bis sie sich umwandte und auf Xenon deutete.

Nach dem Spiel konnte es zu spät sein. Vielleicht würde Gula dann bereits fort sein. Oder Xenon.

Aber Thierry … Thierry konnte heute siegen. Konnte heute zur Legende werden. Er war ihr Freund. Sollte sie nicht für ihren Freund zurückstecken? Beide hatten nur eine wahrscheinliche Chance auf einen heutigen Sieg – und doch … wollte sie, dass Thierry gewann. Wenn sie heute verlor, so wäre ihr Leiden in achtzig Jahren vorbei. Thierry hingegen … Er würde noch sehr lange traurig über den heutigen Tag sein.

„Xenon?“, murmelte Joshua, wobei dieser sich auch verstohlen umblickte. Sogar Joshua wollte ihr helfen …

„Wo?“, zischte Nathan leise.

Sie schüttelte den Kopf. „Nach dem Spiel.“ Sie ließ Nathan los – und je weiter sie sich von ihm entfernte, desto mehr verkrampfte sich ihr Magen und alles andere in ihr drinnen. Sie war einem Schüttelfrost ausgesetzt – so stark waren ihre menschlichen Instinkte also … sodass sie sogar der himmlischen Heilung widerstanden. Traurig.

„Nein!“, wehrten sich Joshua und Nathan gleichzeitig. Hinter ihnen räusperte sich jemand.

„Nein“, wiederholte Nathan wesentlich ruhiger und leiser, wobei er sich ein wenig zu ihr hinunter bog, „Jeder Engel darf nur einmal anfeuern. Und Joshua hat seinen bereits verbraucht – also wirst du ihm jetzt sagen, wo Xenon ist und er wird es Gula berichten“, wies Nathan sie an.

Sie schüttelte den Kopf, wobei sie versuchte, ihr langes Haar in ihr Gesicht hängen zu lassen, sodass Xenon sie nicht erkennen konnte. Falls sie durch ihre außerordentliche Schwäche nicht sowieso schon hervor stach.

„Wieso nicht?“, fragte Joshua ungläubig. Ungläubig. Joshua … Kyrie fühlte sich beinahe schlecht, so viele Gefühle aus ihm hervor zu locken. Immerhin wollte er nur ihr helfen. Nur wegen ihr bröckelte seine Fassade so.

„Gula muss Thierry anfeuern“, brachte sie leise hervor, „Heute ist seine Chance. Vielleicht bekommt er sie nie wieder.“

„Gula wird noch lange genug Todsünde sein, um ihn auch bei den nächsten zweihundert Spielen anzufeuern!“, murrte Nathan, „Thi wird es verstehen, wenn er heute keinen Zuschuss bekommt.“ Er schüttelte den Kopf. „Kyrie! Es geht hier um Gerechtigkeit! Nicht um Sieg oder Niederlage – was sie dir antun … Sieh dich doch an!“

Sie wandte ihren Blick von Nathans Augen ab. Starrte in ihren Schoß. Ja. Sie war ein kümmerliches Häufchen Elend … Hatte Angst. Panik. Furcht. Wollte nie mehr wieder in den Himmel – brauchte Babysitter! … Und doch … konnte sie es nicht verantworten, Thierry heute diese Chance wegzunehmen. Nicht hier und heute konnte sie seine Zukunft für ihr Wohl aufs Spiel setzen!

„Die Todsünden bestehen länger – sie werden schon irgendwann etwas herausfinden …“, murmelte Kyrie vor sich hin, „Es muss nicht heute sein.“

„Muss es sehr wohl!“, begehrte Nathan laut auf, wobei er sie schüttelte, „Wach auf, Kyrie! Xenon ist hier! Er ist der Fadenzieher – vielleicht hilfst du durch diesen Schritt hunderten Halbengeln nach dir!“

… Hundert Halbengel für den Ruhm eines Freundes?

„Nathan!“, rief Joshua plötzlich, „Thi braucht Hilfe von unserer Seite.“

Kyrie reagierte, obwohl ihr Name nicht gefallen war. Sie wandte ihren Blick auf das Spielfeld und entdeckte Thierry vor einem relativ riesigen goldenen Turm. Um genau zu sein, standen bereits sieben relativ große Türme auf diesem Spielfeld, die zuvor noch nicht da waren. Das waren sie also – die Ziele. Und wer zuerst die richtige Größe erreichte, hatte gewonnen.

Thierrys Turm führte, knapp vor den anderen. Drei Mannschaften lagen weit zurück und die anderen vier knapp beieinander.

Thi hielt die goldene Kugel, stand kurz vor seinem Turm, wurde aber eingekreist. Man sah ihm an, dass er diese Kugel jetzt schießen würde. Wenn jemand ihm also genug Schwung gab, so würde die Kugel durch den Gegner hindurch auf den Turm treffen.

An Kyrie schoss die Kugel vorbei, welche von Nathan ausging und sie flog direkt auf Thierry zu. Als er den Energieschub erhielt, grinste Thierry siegessicher – und schoss.

Und in dem Moment flog eine ebenso starke Kugel, wie die von Nathan, von der anderen Seite auf die Person, durch welche Thi augenscheinlich durchschießen wollte.

Der andere Engel sog die Kugel auf – und die ganze Runde war umsonst. Thierrys Mannschaft musste zurück an den Spielfeldrand, um dort erneut auf eine goldene Kugel zu warten – währenddessen holten die anderen auf, da eine ganze Mannschaft für eine kurze Zeit ausfiel.

„Verflucht“, murrte Nathan, „Invidias Junge ist wirklich …“

„Xenon“, realisierte Kyrie, als sie den Weg, den die gegnerische Kugel genommen hatte, zurückverfolgte, um den Schützen ausfindig zu machen.

Er saß ihr beinahe genau gegenüber. Wenn er also Nathans Kugel zurückverfolgte …

Ihre Augen weiteten sich.

Sofort duckte sie sich auf Nathans Schoß, vergrub ihr Gesicht in Nathans Kleidung. Nein … Wenn er sie gesehen hatte … Er würde wissen, dass sie sich nicht an das Verbot gehalten hatte. Würde wissen, dass sie wieder hier war. Gesund war … Er konnte erneut …

Das Zittern, welches für den kurzen Moment, in dem sie auf Thierrys Spiel konzentriert war, verschwunden war, kehrte in all seiner Stärke zurück. Nein … Er durfte sie nicht erkannt haben … Gula … warum hatte Gula nicht einfach schießen können? Dann hätte Thi gewonnen, dann hätte sie … hätte sie jetzt Xenon verraten können … Sie hatte ihn lokalisiert. Wusste, wo er war … Es war nur noch eine Frage der Zeit.

Wie lange würde Xenon bleiben?
 

Xenon? Nathan starrte den Mann an, der dort drüben saß. Es war derjenige Assistent, mit dem er zuletzt gesprochen hatte. Der Blonde mit den eiskalten, eisblauen Augen. Ein starker Assistent … Invidias Assistent. Ob er wirklich …?

Die Beschreibung passte.

Und Kyrie hatte zu ihm geschaut. Vom Assistenten aus war dieser Schuss gekommen. Hatte Kyrie den Schuss verfolgt? Sollte es wirklich so sein, dass ein Assistent …?

Wut schürte sich in Nathans Herzen. Wie passte das zusammen? Die Liebe mussten sie aufgeben – doch den Hass durften sie weiter tragen? Oder liebte er seinen Hass so sehr, dass er diesen aufgeben musste und es – wie Nathan – nicht schaffte, dies zu tun?

Xenon. Das war also sein Name.

Sooft hatte sich Nathan Gedanken darüber gemacht, wer dies sein könnte. Sooft … und dann saß der Gesuchte auf derselben Treppe im Rang wie er. Er hätte sich nach Links wenden müssen und hätte ihn gesehen.

Hatte nach dem Vorfall sogar mit ihm gesprochen. Und hatte es nicht bemerkt. Weil er sich nie um die anderen Assistenten gekümmert hatte. Es waren Durchlaufposten für ihn. Sobald ihre Todsünde starb, würde er den Namen der Assistenten sowieso vergessen. Es hatte für ihn niemals Sinn ergeben, die Namen der anderen Assistenten zu lernen. Superbias erster Assistent war immerhin bereits verstorben – und den Namen seines zweiten hatte sich Nathan nie eingeprägt, weil er einfach der Annahme war, dass Superbia bald abtreten würde und der Assistent dann einfach Superbia war.

Wenn er gewusst hätte, was für einen Namen dieser Assistent hatte … vielleicht hätte er eher darauf schließen können. Ihn sofort darauf ansprechen können …

So scheinheilig hatte er über Halbengel gesprochen, dieser Mistkerl! Und dann war er der Auftraggeber, der sich an seiner Kyrie vergriffen hatte? Dieser … Nathan knirschte mit den Zähnen.

Er bemerkte, dass eine sanfte Hand auf seiner Schulter lag. Joshua blickte ihn steinhart an. Entschlossen. „Beruhige dich“, befahl er ihm ruhig.

Nathan schloss seinen Mund.

„Ist Xenon derjenige, der gerade Thierrys Gegner unterstützt hat?“, wollte Nathan wissen – er wusste, dass man die unterschwellige Wut genau aus seiner Stimme heraus hörte.

Er schaute auf Kyrie, welche sich zitternd auf seinem Schoss versteckte.

Sie nickte.

„Das ist der Assistent von Invidia“, klärte Nathan sie auf, „Es tut mir leid, dass ich das nicht eher kapiert habe.“

Sie schüttelte den Kopf. Dann wandte sie den Kopf ein wenig um und schaute zu ihm auf. „Sag nichts …“, bat sie ihn leise.

„Ich kann diese Ungerechtigkeit nicht dulden“, knurrte Nathan. Dann umklammerte er ihren zierlichen Körper und hob sie ein wenig nach oben, sodass sie wieder richtig auf ihrem Stuhl saß. Die Engel hinter ihm murrten ein wenig obgleich der Störungen.

Doch sofort bedeckte Kyrie ihr Gesicht wieder.

„Ich weiß jetzt, wie ich ihn finden kann“, sagte Nathan selbstsicher. „Also konzentrieren wir uns auf das Spiel – und danach ist er dran.“

Als Nathan sich wieder auf das Spiel konzentrierte, bemerkte er, dass sie bereits ziemlich viel weiter waren als zuvor. Es stand nun ein Kopf-an-Kopf-Rennen – Thierrys Mannschaft unterlag ein klein wenig gegen eine andere Mannschaft. Viel fehlte beiden nicht mehr.

Die anderen Mannschaften mischten mehr untereinander, während die beiden potenziellen Sieger ein Duell daraus machten.

Nathan schaute kurz zurück, um zu Gula zu schauen. Er schaute noch immer versteinert nach unten.

Mittlerweile flogen viele Lichtkugeln umher. Das bedeutete also, dass das Spiel ziemlich dem Ende zuging – nun, es standen mittlerweile fast zwei Sieger fest.

Viele Kugeln trafen die Sieger. Um die anderen kümmerten sich mittlerweile eher wenige.

Gula würde also eine Show liefern – er würde der letzte sein, der schoss.

Während des gesamten Spiels musste also so ziemlich jeder bereits seine Chance genutzt haben. Das sah man auch an den Bauten, die sich dort in der Mitte auftürmten. Alle waren gut – doch Thierrys Mannschaft war einfach sehr gut. So einen schönen, festen, großen Turm hatte er kaum einmal gesehen! Und das, obwohl zwei Assistenten ihre Stärke bereits unnötig verbraucht hatten. Auf Superbias Assistent hatte Nathan gar nicht geachtet.

Und die Assistenten der anderen Ränge waren sowieso schwächer. Es verteilte sich immer schön, wenn mehrere der starken Engel anwesend waren – jeder war für eine andere Mannschaft. Meistens.

Er blickte noch einmal kurz zu Kyrie. Ihr Schuss fehlte noch.

„Du kannst dir vorstellen, wie man anfeuert, oder?“, wollte er von ihr wissen, als ihm auffiel, dass er diese Erklärung ausgelassen hatte.

Zu seiner Überraschung nickte sie entschlossen. „Ich will helfen, dass Thierry gewinnt … Und wenn Xenon dadurch davon kommt …“ Ihre Entschlossenheit wurde durch die Haare, die ihr Gesicht bedeckten, gedämpft.

Sie hatte noch immer Angst. Doch jetzt überspielte sie es. Vielleicht hatte auch sie bemerkt, dass es nun dem Ende zuging.

Und so war es auch: Nur noch vereinzelt flog hier und da eine Kugel herum.

„Soll ich auch schießen?“, wollte Kyrie unsicher von ihm wissen. Sie überschaute das ganze Spielfeld. „Ich habe keine Ahnung davon …“

„Thierry hat den Ball!“, rief Joshua plötzlich laut und deutlich, beinahe aufgeregt, aus.

Und tatsächlich: Thi hatte die goldene Kugel aufgefangen und war salopp über alle hinweg geschwebt – direkt auf den Turm zu. Und sein Konkurrent von vorhin – Nathans Meinung nach der Favorit des anderen Sieger-Teams – stellte sich ihm in den Weg.

Die anderen Spieler waren geblockt.

Es war ein Kräftemessen. Wenn Thierry jetzt einen kleinen Schub erhielt, dann war er gleich stark, wie der andere Engel, der ihm lichtmäßig überlegen war.

Und ehe Nathan ihr den Befehl dazu erteilen konnte, erhob sich Kyrie selbstbewusst und ohne Angst, stellte sich dorthin und ließ einen Lichtblitz los, der selbst Nathan überraschte.

Und in dem Moment, in dem dieser Blitz beinahe Thierry erreicht hatte, sprang der Konkurrent dazwischen. Kyries Blitz traf den Mann und ließ ihn erstarken.

Und während Kyries Blitz so dahin schoss, während sich der Konkurrent auf Kyries Magiebeihilfe, die im Moment die Einzige war, die aus dieser Richtung kam, konzentrierte, schob sich eine gewaltige Lichtkugel zu Thierry.

Und als Thierry in dieses Licht gebadet wurde, wuchs die goldene Kugel in seiner Hand ins Unermessliche an – und der Turm von Thierrys Team war beendet.

Thierry hatte gewonnen.

Durch Kyrie!


Nachwort zu diesem Kapitel:
Uiuiui, und schon wieder spät dran!
Aber diesmal schon wieder aus der schönen Heimat!
Adieu, France, je t'aime :'(

Ich hoffe, ihr mögt mein Kapitel genauso oder zumindest nur halb so wenig, denn das wäre auch schon genug *^*
Jedenfalls <3 Danke fürs Lesen und bis zum nächsten Mal :3 Komplett anzeigen

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