Es war eine vertraute Berührung, wie er ihre Hand in seine nahm, sie näher zu sich zog. Sein Atem kitzelte auf ihrer Haut, seine Lippen waren zu etwas zwischen einem Grinsen und Lächeln verzogen. Sie wusste es, weil er diesen Gesichtsausdruck so oft trug, fand aber nie das richtige Wort für ihn, der so glücklich und gleichzeitig neckend war. Er kostete seinen Triumph, sie dort zu haben immer wieder auf‘s Neue aus. Seine Hände durchkämmten ihre langen Haare und seine Lippen auf ihrer Haut entlockten ihr ein kaum hörbares, wohliges Seufzen. Wenn sie darüber nachdachte, wie lange sie dafür gebraucht hatten um nun an dieser Stelle zu sein... wollte sie ihn wieder von sich stoßen. Denn eigentlich hatte sie nie den Uchiha an dieser Stelle gewollt, doch scheinbar war er es, der es umso mehr für sie beide gewollt hatte. Wenn sie an seine ständigen Versuche zurück dachte, ihre Abweisungen, ihre Beleidigungen, die nur ihm zuteil geworden waren und die er teils noch immer zu hören bekam, so bemerkte sie, dass sich dieses neckende Flirten in etwas anderes verwandelt hatte. Etwas, das ihre Kanten langsam schliff und Seiten an ihr zum Vorschein brachte, die sie selbst nicht kannte, ja, von denen sie nie gedacht hätte, dass sie diese überhaupt besaß. Und das machte sie nicht unbedingt glücklich in ihren starken Momenten in denen sie die Welt zum Teufel wünschen könnte, da es ihre Worte zu Lügen werden ließ. Er veränderte sie und sie wusste nicht, ob es zum Guten war.
Aus seinen dunklen Augen sprach immer so viel Gefühl, dass ihr etwas unwohl dabei war weswegen sie froh war sie nicht sehen zu müssen. Denn so vielen anderen Mädchen versprachen sie Zuneigung, doch es war nie ein ernst gemeintes Versprechen. Am Ende des Tages war er schließlich nie bei ihnen. Jedes Mal führte sein Weg ihn zurück zu ihr, so unverständlich es für sie schien. Aber wer war sie, die enterbte Tochter des Hyuuga Clans, dass sie ihm seinen eigenen Kopf absprechen konnte?
Seine Lippen waren mittlerweile zu ihrem Ohr gewandert. Und sie war gerade bereit diese Gesten zu erwidern, als eine gedankenlose Bitte zu einem ausgesprochen Wort wurde:
„Ich möchte dich meinen Eltern vorstellen.“
Er hatte Glück, dass er überhaupt noch das letzte Wort gänzlich aussprechen konnte. Ihre Augen hatten sich kaum drei Sekunden geweitet, bevor ihr Körper den Schock verarbeitet hatte. Schmerz war das nächste, was der Uchiha fühlen durfte.
„Au au au, meine Haare, Hinata-chan!“
Denn an diesen packte die Hyuuga ihn nun nicht allzu sanft und drückte ihn in die Matratze ohne ihren Griff zu lockern. Ob seine Einwände am Schmerz lagen oder an der Sorge um seine Frisur konnte sie allerdings nicht sagen.
„Vergiss das ‚Hinata-chan‘“ zischte sie ungehalten „Verrat mit lieber wie du auf diese absurde Idee kommst!“
Mittlerweile saß sie auf seinem Bauch, während der Uchiha ergeben unter ihr lag, was wohl daher kam, dass ihm ihre Wutausbrüche gefielen. Es war nicht daran zu denken, sein Grinsen in irgendeiner Art aus seinem Gesicht zu vertreiben. Masochistischer Bastard...
„Deine Familie wird mich hassen. Das weißt du.“
Aber sie vermutete, dass es das war, was er wollte. Alles, was er tat, lief darauf hinaus seinen Eltern eins auszuwischen.
Nachdem sein älterer Bruder seiner Familie den Rücken gekehrt hatte, war es Sasuke, auf dem die Last des Erben lag. Etwas, worauf Sasuke in der Vergangenheit nie vorbereitet worden war und wogegen er sich nun sperrte, wenn auch nicht offensprachig.
Hinata kannte dieses Gefühl in eine Rolle gedrängt zu werden, noch zu gut, obwohl sie schnell enterbt worden war, als bemerkt wurde, dass ihre schlechten Manieren noch nicht auf Hanabi abfärbten hatten. Es war eine Erleichterung für den gesamten Clan gewesen aber eine Enttäuschung für das Kind, welches nie so akzeptiert wurde wie es war.
Wahrscheinlich war es dies, was immer unausgesprochen zwischen ihnen stand. Sie waren so verschieden und doch waren zwischen ihnen unausgesprochene Gemeinsamkeiten, für die beide zu stolz waren um sie laut auszusprechen. Aber wahrscheinlich reichte das Wissen, dass es so war. Manchmal war es besser den Gedanken am Leben zu erhalten, statt ihn mit der Wahrheit zu zerstören, falls die Wirklichkeit widererwartend doch anders aussah. Aber wäre sie nun in Sasuke‘s Position... würde sie diesen Weg immer noch wählen? Oder würde sie versuchen andere mit Stolz zu erfüllen auf die Gefahr hin sich zu verbiegen?
Sie lockerte den Griff um seine schwarzen Strähnen ehe sie sie mit den Fingern hindurch kämmte. Langsam fand ihre Hand einen neuen Platz und ihre Finger legten sich an sein Kinn, womit sie den direkten Blickkontakt zu ihm herstellte.
„Hör zu. Ich gehe jetzt in die Küche. So lange hast du Zeit“, informierte sie ihn mit ruhiger aber drohender Stimme „und wenn ich wieder da bin, bist du durch das Fenster geklettert und verschwunden, verstanden?“ Eigentlich war das schon nett von ihr, denn nicht viel früher hätte sie ihn eigenhändig aus dem Fenster geworfen.
Sie erhob sich, doch ihr Versuch das Bett zu verlassen klappte nicht ganz. Etwas hielt sie zurück. Seine Finger hatten sich um ihr Handgelenk gelegt, ohne dass sie es bemerkt hatte. Ohne ihn anzusehen, versuchte sie, seinem Griff zu entkommen, von ihm los zu kommen, doch er blieb eisern. Warum?
„Bleib.“
Seine Stimme war leise, aber lauter als ein Flüstern. Bestimmend, aber trotzdem wie eine Bitte. Doch er machte klar, dass er wusste, was er wollte. Als ob sie das einschüchtern würde. „Was bildest du-“
Noch ehe sie das nächste Wort aussprechen konnte, war er aufgestanden und hatte sie zu sich herangezogen. Ihre freie Hand lag auf seiner Brust um ihn zu Abstand zu zwingen, doch es hatte nur wenig Wirkung. Ihre weiteren Worte wurden erstickt als seine Lippen auf ihren lagen. Sachte, aber kaum fordernd. Es reichte um ihren Atem stocken zu lassen und ihren Streit kurz zu vergessen. Sein Griff wurde lockerer bis er ihre Hand nur noch liebevoll in seiner hielt, als wäre ihr Wutausbruch vorhin nie geschehen. Jeder andere würde die nächsten Minuten Abstand von ihr halten, nur Sasuke schien das Vertrauen aufzubringen, dass sie nicht weiterhin versuchen würde, ihm zu schaden. Ihre Finger zitterten, aber sie war nicht in der Lage sie zur Faust zu ballen. Nichts wünschte sie sich mehr als ihre Fingerknöchel in seine Wange zu rammen, aber etwas hielt sie davon ab. Und sie verstand nicht, was es war.
„Ich hasse dich“, nuschelte sie, ihre Stimme gab ihr Bestes nicht zu brechen.
Seine Antwort darauf war lediglich ein Lächeln. Er wusste, dass es nicht einfach war zu ihr durchzudringen, da ihre Gedanken immer etwas mehr bei einem gewissen anderen Schwarzhaarigen sein würden, der sie vermutlich nie so sehen würde wie er es tat und dieses Wissen stimmte ihn sogar in eine gewisse Art und Weise eifersüchtig, wenn er es nicht besser wüsste. Dabei war dieses Gefühl Neuland für ihn, da er normalerweise eher selbst die Ursache für diese Eifersucht war. Nie hatte er das Opfer sein dürfen. Aber vielleicht, wenn er viel Glück hatte, würde es irgendwann enden und auch er würde einen Platz in ihrem Herzen haben dürfen.
Ihre Kraft war mit der Sekunde verschwunden, in der ihre Fassade begonnen hatte zu bröckeln und bot ihm endlich die Chance sie gänzlich in seine Arme zu ziehen. Zusammen mit ihr ließ er sich wieder auf dem Bett nieder und gemeinsam sanken sie zurück in die weichen Kissen, wobei er immer darauf bedacht war sie keine Sekunde los zu lassen. Es war eine schlechte Angewohnheit von ihm geworden, sich abends in ihr Zimmer zu schleichen und dort ein paar Stunden neben ihr zu schlafen, nachdem sie ausgiebig gestritten hatten, aber er wollte dieses Ritual einfach nicht mehr missen. Nie war es mehr als das gewesen und vor der Dämmerung war er wieder verschwunden, um von niemandem entdeckt zu werden. Doch bevor er sich dem Schlaf hingeben wollte, platzierte er einen Kuss auf ihrer Stirn und murmelte: „Und morgen reden wir ausgiebig darüber, warum ich dich meinen Eltern vorenthalten sollte.“
Es folgte ein unangenehmer Schlag gegen seinen Brustkorb und er konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen, welches schnell wieder verstummte als seine Augen schwer wurden. Für ihn war die Welt in diesem Moment in vollkommener Ordnung.