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Was im Schatten folgt ...

*KaRe*
von

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Dämonen der Dunkelheit

Er blickte aus dem Fenster hinaus in den verhangenen Abend. Graue Wolken zogen über den Himmel und kündeten erneuten Regen an. Regen, dessen Tropfen sich auf der Haut eiskalt anfühlen würden. Regen, der in einem dichten Vorhang vom Himmel stürzte und alles verbarg, was die Nacht noch nicht verschluckt hatte. Nebelbänke schoben sich langsam aus den Senken der Baumgruppen heraus über die großen Rasenflächen des Parks, während sich die Dunkelheit immer weiter ausbreitete.

Irgendwo in der Ferne heulte ein Hund. Ray hoffte zumindest dass es sich um einen Hund handelte. Fröstelnd schlang er die Arme um seinen Körper. Die Wildnis, die sich an der westlichen Grenze des Parks erhob, konnte durchaus Wölfe beherbergen. Ein erneutes Heulen zerriss die Nacht, diesmal klang es deutlich näher. Ray erschauderte erneut.

Was für seine Freunde ein großes Abenteuer war, brachte ihn an den Rand einer ausgewachsenen Panik.
 

Als Ray sieben Jahre alt gewesen war, hatte er allein in einer alten Festungsruine gespielt. Es war ein lustiger Nachmittag für ihn gewesen, bis zu dem Zeitpunkt, als der Boden plötzlich unter ihm nachgegeben hatte und er in die Finsternis gestürzt war.

Als er auf den Boden aufschlug tanzten weiße Punkte vor seinen Augen. Wie durch ein Wunder hatte er sich nichts gebrochen, doch als er wieder klar sehen konnte bemerkte er, dass er in den Schacht einer ausgetrockneten Zisterne gestürzt war.

Verzweifelt hatte er versucht aus diesem alten Schacht wieder hinaus zu kommen, hatte um Hilfe gerufen, versucht an den Wänden genug Halt zu finden um wieder hinaus zu klettern. Doch es hatte drei ganze Tage gedauert bis er gefunden und aus seinem Gefängnis befreit wurde.

Drei Tage in denen er allein in der Dunkelheit war, allein mit seiner Angst. Allein mit dem Gefühl des glatten Steins unter seinen Fingern, die immer wieder über die Wände geglitten waren auf der Suche nach einem Vorsprung oder einer Öffnung, irgendetwas das ihm die Flucht ermöglicht hätte. Allein mit Hunger und Durst, der klammen Kälte und dem Geheul der Kojoten in der Nacht.

Ray hatte danach lange gebraucht seine Angst davor, im Dunkeln allein zu sein, zu überwinden und glaubte es auch geschafft zu haben, doch dieser Ort hier …

Die glatten dicken Steinwände der Burg. Die feuchte Kälte, die einen mineralischen Geschmack im Mund hinterließ und jetzt auch noch das Geheul der Wölfe… wenn Ray die Augen schloss war er plötzlich wieder sieben Jahre alt und hatte panische Angst vor dem, was da in der Dunkelheit auf ihn lauerte.
 

Er wandte sich vom Fenster ab und konzentrierte sich auf den Raum vor sich. Eine geduckte Gestalt durch den Nebel im Park huschen zu sehen, würde seine Angst auch nicht dämpfen, eher im Gegenteil.

Wölfe meiden die Menschen, erinnerte er sich stumm daran, dass es keinen Grund zur Sorge gab. Doch das Mantra richtete wenig gegen die Panik aus, die immer wieder versuchte die Oberhand zu gewinnen. Wölfe verstärkten nur die Angst vor den Dämonen der Dunkelheit.

Ray atmete tief durch. Eine Nacht hatte er schließlich schon überstanden ohne den Verstand zu verlieren, blieben noch sechs, die würde er auch noch schaffen.

Wenn er sich einem der Anderen anvertraut hätte. Ihnen davon erzählt hätte, dass er sich fürchtete …

Ray schüttelte den Kopf. Er musste sich einfach nur zusammen reißen. Die Angst vor der Dunkelheit, die hier überall lauerte, war irrational. Genau, wie die Furcht davor aus Versehen in ein Zimmer eingesperrt zu werden, dass seit Monaten kein Mensch mehr betreten hatte und dessen dicke Wände seine Hilferufe erstickten.

Rays Pulsschlag beschleunigte sich wieder und Übelkeit stieg in ihm auf, als er über eine solche Situation nachdachte.

Eigentlich war ihm klar, dass da Nichts in der Dunkelheit auf ihn wartete oder dass er nicht tagelang unbemerkt irgendwo eingesperrt sein würde, dennoch spielte ihm sein Verstand seit er hier war Streiche, wie schon seit Jahren nicht mehr.

Wenn Max und Tyson nur aufhören könnten sich ständig gegenseitig zu erschrecken. Zum Glück spielten sie sich nur gegenseitig diesen Streich, seit sie gestern Kenny fast zu Tode erschreckt hatten und Kai ihnen danach eine Standpauke gehalten hatte.

Ray hoffte zu mindestens, dass er nicht auch noch Opfer eines solchen Streiches wurde. Seine Nerven waren auch so schon zum Zerreißen gespannt, ohne dass sich zu den eingebildeten Gestalten in der Dunkelheit auch noch ein paar Reale gesellten.
 

Robert, ihr Gastgeber, schien diese seltsam schauerliche Atmosphäre, in der er lebte, gar nicht wahrzunehmen. Er bewegte sich durch die düsteren Gänge, als würde er sich in einem hellerleuchteten Loft befinden, und nicht in einer Burg, die im Mittelalter erbaut worden war.

Natürlich waren seit diesem Zeitpunkt einige Veränderungen vorgenommen worden. Es gab überall fließendes Wasser, elektrischen Strom und sogar kabelloses Internet in einigen Räumen. Trotzdem hatte die Burg nichts von ihrer ursprünglichen Atmosphäre eingebüßt.

Rays Blick glitt durch sein eigenes Zimmer. Ein ausladendes Bett, ein großer Schrank und zwei Sessel vor einem kalten Kamin, das reichte als Einrichtung für die Gästezimmer. Ein großer viereckiger Teppich bedeckte den größten Teil der freien Fläche zwischen den Möbeln. Die Zimmer der Anderen sahen ähnlich aus. Ray kam nicht umhin, zugeben zu müssen, dass sein Zimmer eine urige Gemütlichkeit ausstrahlte, solange es hell war.

Der Garten vor seinem Fenster versank in Dunkelheit und die Blumenbeete und geharkten Wege wurden von Nebelschwaden überspült. Ray musste sich nicht mehr die Mühe machen das Licht einzuschalten, er hatte bereits jede erdenkliche Lichtquelle in seinem Zimmer angeknipst als es zu dämmern begonnen hatte. Eigentlich wartete er nur darauf, dass die Anderen von ihrer Privatführung durch die Kellergewölbe des Schlosses, die Robert ihnen gewährte, zurück kehrten. Ray hatte sich mit der Ausrede, dass er sich noch ein wenig hinlegen wolle, weil er wenig geschlafen hatte, in sein Zimmer zurückgezogen und die Anderen ihren Spaß haben lassen. Eigentlich war es gar keine richtige Ausrede gewesen. Ray hatte wirklich in der vorangegangenen Nacht sehr schlecht geschlafen. Träume voller beengter mit Dunkelheit gefüllter Räume hatten ihn heimgesucht und er war mehrmals schweißgebadet aufgewacht. Eine Führung durch die Kellergewölbe der Burg, so gut sie auch ausgeleuchtet sein mochten, würde seine Fantasie in dieser Hinsicht nur noch mehr beflügeln. Erst recht, da Robert etwas von ein paar alten Zellen angedeutet hatte.
 

Es klopfte an Rays Zimmertür und Ray sagte laut und deutlich: „Herein!“, bevor die Tür geöffnet wurde.

Gustav, Roberts Butler, betrat das Zimmer und verbeugte sich höflich. Für Ray war dieser Butler, genau wie die Burg an sich, ein Relikt des Mittelalters. Er war weit über fünfzig und nach Rays Meinung schon zu alt für einen solchen Job. Dünn wie er war, mit seinen langen knochigen Fingern und der fast schon zu altem Leder erstarrter Haut hätte er sicherlich einen ganz passablen Bonsai abgegeben, entschied Ray.
 

„Master Robert und seine übrigen Gäste haben die Führung nun beendet. Sie halten sich im Moment im großen Wohnzimmer auf und Master Robert lässt fragen ob es ihnen schon wieder so gut geht, dass sie ihnen vielleicht Gesellschaft leisten möchten.“, sagte Gustav in seinen steifen, höflichem Tonfall, von dem er wohl glaubte, dass dieser von seiner Stellung erwartet wurde.
 

„Sehr gerne.“, antwortete Ray nickend und der Butler verbeugte sich bevor er in den Flur zurück trat und darauf wartete, dass Ray ihm folgte.
 

***
 

„Du hast wirklich was verpasst.“, sagte Max zu Ray freudestrahlend, als dieser hinter Gustav das Wohnzimmer betrat. Ray war wirklich froh, dass der Butler mit Umsicht darauf achtete dass niemand der Gäste allein durch die Gänge der Burg laufen musste. Sicherlich hätte Ray sich hoffnungslos verlaufen, zumal die Bezeichnung „großes Wohnzimmer“ darauf schließen ließ, dass es mehrere Wohnzimmer zu geben schien.

Blinzelnd sah er sich im Zimmer um, als er es betrat. Gestern Abend hatten sie auf jeden Fall in einem anderen Raum gesessen. Drei große Sofas gruppierten sich um einen flachen Holztisch vor einem Flachbildfernseher. Alle waren mit dunkelrotem Samt bezogen, dessen Farbe Ray stark an die von getrocknetem Blut erinnerte, und sich auch in den Vorhängen und Kissen wiederholte. An der einen Wand hing ein großes, bereits nachgedunkeltes Ölgemälde, es zeigte eine Schlachtenszene, daneben befanden sich eine Auswahl an Hellebarden und Streitkolben. Der angrenzende Kamin war kalt und leer. Ray setzte sich neben Robert auf eines der Sofas. Der Schlossherr war mit Kai in eine Partie Schach vertieft. Kai saß auf einem Kissen vor dem Tisch und betrachtete konzentriert die Figuren. Das Spielbrett stand auf der Kante des flachen Holztisches zwischen ihnen und Kais düstere Miene verriet, dass Robert ihn ganz schön in die Enge getrieben hatte.
 

„Du glaubst nicht, was es da unten alles gibt.“, fuhr Max fort und Ray konzentrierte seine Aufmerksamkeit wieder auf ihn. „Roberts Familie hat über die Jahrhunderte verschiedenste Sachen gesammelt. Die meisten sind natürlich Waffen gewesen, aber es gibt auch Schmuckstücke. Die Gänge da unten sind wie ein kleines Museum. Schade dass du nicht mitgekommen bist.“
 

Die Sache mit den Waffen glaubte Ray gern. Sein Blick blieb an dem Ölgemälde hängen. Sicherlich war darauf ein Vorfahr von Robert zu sehen, der seinen glorreichen Sieg in irgendeiner Schlacht für die Nachwelt festhalten wollte.
 

„Ja, Schade.“, sagte Ray halbherzig und lehnte sich zurück. Die bedrückende Atmosphäre der Burg war durch die bloße Anwesenheit seiner Freunde fast völlig in den Hintergrund gerückt. Sie lenkten seine Gedanken ein Stück weit ab. Doch aus den Augenwinkeln heraus behielt Ray die bodenlangen Fenster im Auge. Dunkelheit und ein schwacher Schein des Bodennebels schien mit ständig wachsender Kraft gegen sie zu drücken.
 

„Schach.“, Roberts Stimme neben ihm war leise, doch ein überhebliches Lächeln umspielte seine Lippen, nachdem er eine schwarze Figur versetzt hatte. Kai knurrte unwirsch.
 

„Wie lange noch bis zum Abendessen?“, fragte Tyson und gähnte herzhaft ohne sich die Hand vor den Mund zu halten, was ihm einen missbilligenden Blick von Gustav einbrachte. Der alte Butler legte großen Wert auf Manieren, zumindest wenn Robert anwesend war.
 

„Das Abendessen wird in einer halben Stunde serviert. Aber ich kann die Köchin bitten schon jetzt ein paar Häppchen zu schicken.“
 

„Das wäre wunderbar, Gustav. Vielen Dank.“, sagte Robert lächelnd und der Butler verschwand mit einer Verbeugung aus dem Wohnzimmer. Der Schlossherr hatte schon am voran gegangenen Abend Tysons gesegneten Appetit mit Belustigung zur Kenntnis genommen. Robert zog seinen schwarzen Springer nach vorn und setzte Kai matt.

„Revanche?“, fragte Kai seufzend und nach einem Nicken Roberts begann er die Spielfiguren zurück auf ihre ursprünglichen Felder zu stellen. Als Kai seinen ersten Zug machen wollte, steckte der Butler abermals seinen Kopf durch die Wohnzimmertür hinein.
 

„Ein Telefongespräch für sie Master Robert.“, informierte Gustav sie.
 

„Wer ist es?“, fragte Robert scheinbar nur mit mäßigem Interesse. Er verschränkte die Finger ineinander, streckte seine Arme aus und ließ seine Gelenke knacken.
 

„Mr. McGregor.“
 

„Ich komme.“ Robert entschuldigte sich bei seinen Gästen und folgte Gustav hinaus.
 

„Spielst du solange gegen mich?“, fragte Tyson, als die Tür hinter dem Butler ins Schloss gefallen war?
 

„Meinetwegen.“, meinte Kai, schien aber nicht allzu erfreut zu sein. Er betrachtete Tyson nicht als ebenbürtigen Gegner was das Schachspiel anbetraf, soviel war sicher.
 

„Ich ziehe zuerst!“, bestimmte Tyson und Kai nickte nach kurzem Zögern.
 

Anstatt das Schachbrett zu drehen stand Kai von seinem Kissen auf und nahm Roberts Platz neben Ray auf der Couch ein. Rays Blick ruhte auf den Fenstern. Es hatte zu regnen begonnen. Feine Tropfen schlugen gegen die Scheiben und drückten den Nebel zu Boden.

Tyson setzte sich auf den Boden und Max nahm daneben Platz, um gute Ratschläge zugeben. Die Beiden spielten meistens als Team, was ihnen nicht unbedingt zum Sieg verhalf. Wenn sie gegen Kai spielten gewannen sie fast genauso oft, wie sie verloren. Allein standen ihre Chancen nicht so gut ein Spiel für sich zu entscheiden.

Ray lehnte sich fast schon entspannt zurück.

Dann flackerte das Licht zum ersten Mal.

Ray blinzelte und hielt den Atem an. Er hätte es für seine Einbildung gehalten, wenn nicht die Blicke der Anderen auch einen Moment lang zu den Lampen gezuckt wären. Er zwang sich langsam auszuatmen um sein pochendes Herz wieder zu beruhigen. Selbst wenn das Licht jetzt hier ausfiel, er war in Gesellschaft seiner Freunde. Er musste sich keine Sorgen machen. Ray redete sich selbst gut zu und beruhigte sich so langsam wieder. Eine Panikattacke vor seinen Freunden zu erleiden, bloß weil das Licht kurz geflackert hatte, war das Letzte, was Ray jetzt wollte. Er wandte seine Aufmerksamkeit dem Spielbrett zu um sich abzulenken.

Erneut flackerte das Licht.

„Was ist da los?“, fragte Tyson, und im nächsten Augenblick saßen sie alle in Dunkelheit.
 

Ich finde der Stromausfall ist ein hervorragendes dramaturgisches Mittel



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Minerva_Noctua
2013-04-25T19:56:35+00:00 25.04.2013 21:56
Die Beschreibungen der Natur und Gefühle sind wie stets beeindruckend.
Da lerne ich als FF-Autorin ziemlich viel.
Als Leserin bin ich einfach nur hin und weg von den ganzen mitreißenden Sinneseindrücken.
Es gefällt mir, wie du Reis Angst erklärt hast. Realistisch.
Nett fand ich auch das Schachspiel und dass Tyson sich ebenfalls daran versuchen wollte:)

Bye

Minerva
Von:  Destinysoul
2013-01-13T22:52:19+00:00 13.01.2013 23:52
hui, das klingt ja sehr spannend und auch eine neue idee, toll!

und das beste ist ja, das es ne kare ist ^^

ich bleib dran :)
weiter so
Von:  --Lucy--
2013-01-13T04:23:32+00:00 13.01.2013 05:23
Hallöchen :)

Der liebe Ray hat also Angst vor der Dunkelheit...irgendwie kommt mir das bekannt vor *hust* *hehe*
Also, fand das erste Kapi sehr gut gelungen, vorallem wie du die Dinge beschreibst, find ich toll :)

Ich bin echt mal gespannt, wie genau Ray auf den Stromausfall reagieren wird. Vielleicht klammert er sich ja an Kai *grins*

Also, dann bis zum nächsten Kapi.

Lg, Yuri


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