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Don't die in front of the Idiots

von

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Der Vergangenheit im Theater begegnen

Ich stehe am nächsten Samstag, an meiner gewöhnlichen U-Bahn Haltestelle und warte auf Shika. Wir wollen schließlich Shoppen gehen. Man mag es kaum glauben, aber ich liebe Shoppen. Nicht so sehr wie Shika, aber dennoch.

Es sind nun schon einige Tage vergangen, in denen ich weder schlafen noch herumstreunen konnte. Folglich gibt es keine Morde, und keine guten schulischen Leistungen. Ich weiß nicht was bei mir falsch läuft…

Heute habe ich schon drei Tassen Kaffee intus. Ich denke ich werde noch eine vierte brauchen und schaue auf den leeren Becherboden.

„Sayuri! Hallooo!“

Das ist Shika. Ich weiß es sogar ohne mich umzudrehen. Ihre nervige Stimme würde ich überall wieder erkennen.

„Hi. Weißt du schon was gestern am Nachmittag noch passiert ist?“

Eine weitere langweilige und oberflächliche Geschichte die mich nicht im Geringsten interessiert.

„Hey, hörst du mir überhaupt zu?“

„Ja, natürlich!“

Sie sieht mich mit einem Nein-machst-du-nicht-Blick an. Dann wechselt sie das Thema. So ist sie nun mal.

„Wie wäre es wenn wir nächste Woche Shoppen gehen und dafür heute zum Theater?“

„Theater?“, fragte ich unwillig dorthin zu gehen.

„Ja, sie führen so ein neues Stück auf. Dafür werden die neuesten technischen Tricks verwendet! Außerdem ist die Story bezaubernd. Oh, eine Romanze die in Tod, Lügen und Tragödie aufgeht, ist das nicht…“

Bäh, elende Schwärmerei.

„Ich will aber lieber Shoppen gehen, als in irgend so ein doofes Theater. Ich schlaf dort bestimmt ein vor Langeweile.“

Das wäre eigentlich gar nicht so schlecht…

„Jetzt sei doch nicht so! Ich hab extra vier Karten besorgt.“

Sie zwinkert mir zu.

„Du kannst ja jemanden einladen mitzukommen!“

Das hättest du wohl gerne, was?

„Warum vier? Willst du denn wen mit nehmen?“

„Och, hab ich eigentlich schon vorgehabt. Aber der ist krank. Wie kann man nur bei so schönem Wetter krank sein?“

Wahrscheinlich wollte er dich nur nicht Stunden lang ertragen müssen, du Quasseltante!

„Also heißt das, dass du mit kommst?“

„Na gut.“ Ich gebe mich geschlagen. Das macht der Schlafentzug…

„Und wen willst du jetzt fragen?“

Jetzt bereue ich es schon.

„Hallo, Say.“, kommt es plötzlich von hinten. Ich bekomme eine Gänsehaut und lasse den Becher fallen. Dann drehe ich mich um.

Ein Jugendlicher mit glattem, rabenschwarzem Haar steht dort. Er hält Zeichenblock und Stift in einer Hand. Heute trägt er außerdem noch einen Rucksack, der mich eher an eine Umhängetasche erinnert.

Er lacht, wahrscheinlich über das Gesicht das ich mache.

Shika neben mir ist genauso überrascht. Aber sie fängt sich schneller als ich.

„Hallo, ich bin Shika. Bist du ein Freund von Sayuri?“, lächelt sie ihn an. Man sieht ihr sofort an, dass sie ihn attraktiv findet.

Und dieser Heuchler lächelt mit seinem Charme zurück:

„Ja, das bin ich tatsächlich. Ich heiße Advent und bin Künstler.“

Ich kann an ihrem Gesichtsausdruck ablesen, dass sie sich denkt: ´was für ein Verrückter`.

„Habt ihr was vor?“

Ich reagiere und öffne den Mund, bin aber nicht schnell genug um Shika daran zu hindern, mir ins Wort zu fallen.

„Ja, wir gehen in ein Theater. Das Stück heißt ´Forever you are mine`.“

„Davon hab ich schon gehört. Es soll großartig sein. Ich wollte dort eigentlich hin habe aber keine Karten mehr bekommen.“

In seiner Stimme schwingt ein trauriger Ton mit und Shika wird erstaunlicher Weise weich. Sie hat wohl einen Hintergedanken dabei…

„Komm doch mit uns mit, wir haben noch eine übrig.“

„Das wäre sehr nett von euch.“

Die zwei grinsen sich an. Mir ist zum kotzen. Ob das jetzt an dem Kaffee oder an den Zweien liegt?

Naja, mich jetzt aufzuregen kann ich mir sparen. Wir drei fahren schweigend zum Theater.

Im Foyer sagt Advent dann:

„Shika, würdest du schon mal unsere Plätze suche, ich würde nur noch gerne etwas mit Say besprechen.“

Sie sieht uns noch lange nach, bis sie dann im Saal verschwindet. Er geht in einen ruhigeren Bereich und erwartet dass ich ihm folge, was ich bedauerlicher Weise auch tue.

Dann sagt er: „Warum bist du weggelaufen, Say?“

„Im Übrigen, ich heiße Sayuri.“

„Gut. Also warum?“

„Wenn du einen Perversen erschossen hättest, wärst du dann nicht auch auf und davon. Allein schon, damit niemand dein Gesicht sieht? Denn selbst wenn du etwas Gutes getan hast die Polizei wird dich trotzdem verhaften.“, flüsterte ich ihm entnervt zu.

„Du hättest doch auch mit zu mir kommen können. Das wäre näher gewesen. Oder mir zumindest deine Telefonnummer geben können.“

Was soll ich jetzt antworten? Hach, der Kaffee hilft nicht wirklich. Ich muss Gähnen.

„Ich hab seit Tagen nicht geschlafen. Lass uns reingehen. Vielleicht finde ich dort endlich die Zeit dazu.“

Weil ich im ausweiche macht er ein verblüfftes Gesicht. Ich drehe mich auf dem Absatz um und gehe einfach rein. Er kommt mir nach und ich wette er grinst schon wieder.

Der bereits vollgestopfte Saal ist noch beleuchtet. Aber als wir endlich Shika ausfindig gemacht haben, verdunkelt er sich. Wir setzen uns schnell auf die freigehaltenen Plätze. Endlich mal entspannen und schlafen.

Aber, und es gibt immer ein aber, ich komme nicht dazu, denn das Stück gefällt mir. Es ist komplett neu aufgearbeitet. Die Themen sind noch immer gleich: Liebe, Verrat, Rache und noch ein paar mehr. Doch die Art und Weise wie es vorgetragen wird ist der heutigen Zeit gemäß. Die Szene die jetzt kommt fasziniert mich sehr. Der eine Typ ist gerade gestorben und wird zu einem Geist.

Natürlich hat er richtig langes blondes Haar und eine elfenbeinweiße Haut, ist gut gebaut und mit saphirblauen Augen versehen. (Ansonsten würde doch keiner zuschauen.)

Nach einer gewissen Zeit des Auf-der-Erde-Wandelns, wird er zum Engel berufen. Und das haben sie wirklich gut gemacht.

Mit automatisierten Flügeln die sich von selbst öffnen, durch Nebelmaschinen erzeugter Dunst auf dem Boden und grellen Scheinwerfern die auf sein schimmerndes Gewand gerichtet sind während er von Schnüren nach oben gezogen wird.

Ich höre wie Advent zu meiner Linken etwas auf seinen Block kritzelt. Ich schaue hin. Er ist ganz vertieft darin ein gutes Bild von dem Engel zu malen. Shika auf meiner anderen Seite ist eingeschlafen. Ja, ganz genau, sie ist eingeschlafen! Ts… !

Mein Blick findet jedoch seinen Weg zurück zur Bühne. Der Mann dort, mit diesen Haaren, dem Gewand, den Flügeln… Der Engel. Das kommt mir so bekannt vor… So bekannt…

Was…? Was ist das? Ist das… eine Erinnerung?

Das ist der Engel, genau wie auf der Bühne. Nur, er ist klein, gar winzig und steht in einer Ecke auf einem Sideboard.

Ein einfacher Raum. Weiße Wände die von Schimmel befallen sind. In der Ecke unter dem Sideboard steht eine Eckbank mit einem Esstisch.

An der gegenüberliegenden Wand befindet sich ein größerer Schrank. Eine Matratze liegt auf dem Boden. Das Zimmer hat nur ein Fenster, durch das trübes Licht eindringt. Der Teppichboden auf dem ich knie ist seit vielen Jahren nicht mehr gereinigt worden. Alles ist schäbig und verdreckt, und riecht nicht besonders gut.

Ich würde diese Einrichtung auf den Müll werfen und das komplette Haus abreisen. Aber ich bestimme nicht darüber.

Ich sehe verschwommen, mit dem Blick auf den Boden. Da ist ein Blutfleck.

Ich huste. Noch einer. Dann spüre ich einen gewaltigen Schlag auf mein Gesicht und den nachfolgenden Schmerz. Ich lande auf meiner Seite und versuche mich wieder aufzurichten. Mein Arm tut weh. Ist er gebrochen? Ich glaube schon. Es gelingt mir nicht. Ich bleibe liegen.

Eine lallende Stimme dringt zu meinem Ohr:

„Du Miststück! Was fällt dir eigentlich ein?! Jetzt hast du deine Strafe bekommen!“

Dann lacht die Männerstimme und er verschwindet durch die Tür hinter mir.

Nun liege ich da, huste noch immer. Ein leises Wimmern kommt irgendwo aus dem Zimmer. Es wird lauter und nun weint jemand.

Ich versuche meinen Blick zu klären und erkenne das Mädchen. Sie sitzt an die Wand gelehnt auf der Matratze. Sie ist von diesem Typen vergewaltigt und geschlagen worden.

Ich wollte ihr nur helfen…

Während sie in ihrem Leid weiter weint verliere ich langsam das Bewusstsein.

Das letzte was ich sehe ist diese Miniaturstatue von dem Engel.

Warum hat er ihr nicht geholfen, frage ich mich, bevor alles schwarz wird.
 

Ich starre den Schauspieler an.

Engel? Er sollte sich nicht Engel nennen.

„Hey, Sayuri ist alles in Ordnung mit dir?“, flüstert mir Advent besorgt zu.

„Ich weiß nicht. Ich…“

„Was ist denn los?“, unterbricht mich Shika verschlafen.

Es war nur eine Erinnerung. Sie ist nicht real und schon lange vorbei.

Ich raffe mich wieder zusammen.

„Du hast das Beste verpasst!“, motze ich sie im Spaß an.

„Waas? Ich bin eingenickt? Nein!?“

„Tja, du hast noch vier Minuten.“

Ich grinse sie an, denn ich weiß wie sehr sie es hasst etwas zu verpassen.

Advent neben mir wirkt noch immer besorgt. Sieht so aus als ob er später noch mit mir reden will… Das muss ich unbedingt unterbinden.

Aber zuerst sehen wir uns noch die Show zu Ende an. Der Schluss ist irgendwie komisch, aber auch passend: Alle sterben.

Die Lichter gehen an und wir wandern mit der Masse aus dem Theater. Die meisten hätten sich ein Happyend gewünscht, andere ein dramatisches Ende, was ich so von den Gesprächen mitbekomme.

Ich finde es gelungen, denn irgendwann ergeht es uns allen so.

Manchen sogar früher als ihnen lieb ist. Und ich denke dieser Schauspieler gehört auch dazu. Mir ist der Gedanke eigentlich schon gekommen als ich ihn zum ersten Mal sah. Jetzt habe ich sogar einen Grund dafür gefunden.

Also echt, einen Grund? Habe ich je einen triftigen Grund gehabt? Wenn es so weiter geht werde ich noch berechenbar…

Hach, alles ist zurzeit ziemlich verwirrend in meinem Kopf.

Aber mein Entschluss steht fest.

Dieser Engel wir fallen, und zwar schon bald.



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