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Atemzug

Grey Mr. Grey
von

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Ich kannte dieses Gefängnis noch aus alten Tagen und hatte folglich kaum Probleme einen unbewachten und für mich sicheren Ausgang zu finden – gut, einmal wäre ich fast in den mürrischen Wachmann gelaufen, der seine Patrouille erstaunlich ernst nahm, konnte mich aber rechtzeitig seinem Blickfeld entziehen. Ansonsten verlief meine Flucht unproblematisch.

Doch meine Gedanken ließen nicht locker. Warum zum Dunkel hatte Cip mich gehen lassen? Ich hatte den Galgen mehr als verdient – wenn schon nicht für den Mord an dem Mädchen, dann doch zumindest für das was ich meinem Partner angetan hatte.

Ich stahl mich durch ein Fenster im Erdgeschoss und huschte durch die Schatten der Nacht. An einer kleinen Baumgruppe, die ausreichend Schutz bot, machte ich halt. Was sollte ich als nächstes tun? Fest stand, ich musste untertauchen, weg aus Geek, am besten raus aus dem ganzen Königreich Kathah. Mir irgendwo in einem kleinen Dorf ein neues Leben aufbauen. Weit weg von all dem, was mich hier erwartete.

Für meine Reise musste ich mir also zunächst ein Pferd beschaffen – nein! Zuerst musste ich raus aus Geek, dann würde der Teil mit dem Pferd kommen. In dieser Stadt würde man als erstes nach mir suchen und deshalb musste ich so schnell es ging einen Weg hinter die Stadtmauern finden. Und solange es noch Dunkel war konnte ich mich relativ unbeschwerlich fortbewegen.

Ich hielt mir die imaginäre Karte der Stadt vor Augen und beschloss, das Südtor Richtung Unterstadt zu nehmen, da die Stadtwache dort lieber bei Brettspielen ihr Geld verlor, als auf das Tor zu achten. Das Problem war nur, dass es am anderen Ende lag.

Mir wurde bewusst, dass Freiheit immer Schwierigkeiten mit sich bringt. Denn dann ist niemand da, der dir die Entscheidungen abnehmen kann. Du musst selber denken, selber handeln. Und eigentlich war ich noch viel zu schwach um mein Denken auf etwas Bestimmtes zu fokussieren. Aber wie sagt man so schön: Was muss, das muss. Also nahm ich die knochigen Beine in die Hand und hastete mit schnellen unbeholfenen Schritten durch die Nacht.

Dichter Nebel zog dickflüssig durch die Gassen. Ich versank bis zu den Knien in der undurchdringlichen Masse, die meine Füße vollständig verschluckte. Nach oben hin wurde es lichter, sodass die Sicht nur minimal eingeschränkt war. So konnte ich gerade noch rechtzeitig die nächtliche Patrouille erspähen, die die Straßen auf ungebetene Gäste überprüfte und im Gleichschritt durch die graue Nebelsuppe stapfte. Ohne zu überlegen legte ich mich flach auf den Boden, um in dem zähflüssigen Brei zu verschwinden. Ich sah nichts, konnte nur das Geräusch von harten Stiefeln auf ebenso hartem Stein hören, das eilig näher kam und ebenso eilig an mir vorüberzog.

Sobald sie um die nächste Ecke bogen sprang ich auf und lief weiter die Gasse entlang, nur um sogleich mit einem etwas dickeren Wachmann zusammenzuprallen, der anscheinend nicht schnell genug für seine Gruppe war. Der ungepanzerte Bauch des Dicken warf mich mit voller Wucht zurück. Ich geriet ins Straucheln, fiel und kam mit krachender Wirbelsäule am Boden auf.

Während ich vergeblich nach Luft rang, trat der Dicke vor mich und sah mit traurigen Augen auf mich herab.

»Ist alles in Ordnung?«, erkundigte er sich, streckte mir die Hand entgegen und halft mir auf. Ich hustete schwer und nickte zur Antwort. Dabei drehte ich den Kopf so gut es ging zur Seite, um zu vermeiden, dass der Wachmann mich erkannte. Doch es war schon zu spät. Seine massigen Hände umschlossen mein Gesicht und er betrachtete mich skeptisch.

»Bist du nicht dieser Grey? Ja, ich kenn dich, du hast dieses Kind ermordet und«, er stockte und ich las den Ausdruck von Erkenntnis in seinem Gesicht, »und du solltest im Kerker sitzen und auf deine Hinrichtung warten.«

Der Mann, der aussah wie ein Käsekuchen, versuchte zornig und überlegen auf mich zu wirken, verwandelte sich dadurch aber eher in gutmütigen Quark.

»Zum dunklen Pfad der toten, teuflischen Teemütter mit dir!«, wollte ich fluchen, aber das war mir zu lang und zu aufwändig, also beließ ich es bei einem schlichten »Mist!«, trat meinem Gegenüber fest zwischen die Beine und rannte davon, sobald seine Hände reaktionsbedingt von meinem Gesicht auf die gerade getroffene Stelle wechselten.

Ich preschte durch den Nebel und versuchte den erstaunlich schnellen Dicken loszuwerden, der sich nun wutschnaubend an meine Fersen geheftet hatte. Noch dazu brüllte er unablässig nach seinen Kollegen. Und weil das Schicksal mich genauso hasste wie alle anderen, legte es mir etwas in den Weg – vermutlich eine Holzkiste – über das ich einfach stolpern musste.

Mein Verfolger holte mich ein und war rechtzeitig da, um mich mit blankgezogenem Schwert am Aufstehen zu hindern. Jetzt hatte ich im wahrsten Sinne ein dickes Problem.

»Im Namen der Stadtwache und des Königs Larhunn, Sohn des Jaesh, Herrscher über Kathah, nehme ich dich als Gefang…« Er hatte seinen Text Pflichtbewusst begonnen, geriet dann aber ins Stocken. Er sah mich verdutzt an, als hätte er vergessen wer ich war und was er hier machte. Dann öffnete er den Mund, wollte etwas sagen, doch statt Worten drang rotes Blut heraus. Er schwankte gefährlich, verdrehte die Augen und fiel in den ewigen Schlaf.

Geschockt starrte ich auf den bleichen Assassinen, der noch mit bluttropfendem Dolch hinter dem Toten stand. Visköse Nebelwolken waberten um seine Beine herum, ließen die tödliche Gestalt unwirklich und falsch erscheinen. Er steckte den Dolch zurück an den Gürtel, nachdem er ihn an dem Lederwams des Dicken abgewischt hatte, strich sich durchs weiße Haar, grinste breit und entblößte dabei die spitzen Zähne. Leichtfüßig und lautlos trat er an mich heran. Das Grau in seinen Augen blitzte amüsiert auf, als ich instinktiv über den Boden kroch, um wieder Abstand zwischen uns zu bringen. Seine Hände schnellten vor, packten mich am Kragen und zogen meinen klapprigen Körper hoch.

Jetzt würde ich sterben. Das war‘s. Das Schicksal wollte mich um jeden Preis loswerden und ich freundete mich allmählich mit dem Gedanken an. Doch genau in dem Moment, als ich mit meinem Leben endgültig abschloss, ließ er mich los. Der Mörder musterte mich, klopfte mir friedfertig auf die Schulter und meinte dann: »Wir sollten los, Grey. Es tagt bald und bis dahin solltest du aus der Stadt verschwunden sein.«



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2015-01-28T17:25:35+00:00 28.01.2015 18:25
Hey :)

Sehr schön finde ich, wie sehr du auf Details achtest. Bspw: Warum zum Dunkel hatte Cip mich gehen lassen?
Da es in einer anderen Welt (Kobolde!) spielt und wahrscheinlich auch andere Vorstellungen herrschen, flucht er natürlich nicht "zum  Teufel!". Viele achten da nicht drauf, umso schöner, dass du eine andere Variante hier gewählt hast, die dennoch gut passt. Das macht es noch realistischer :)

Die Szene mit dem Wachmann fand ich ziemlich witzig. Auch wenn es natürlich "Mist" war, heitert kleine Späße die Sache etwas auf, was ich gerade als sehr angenehm empfunden habe. Nur, um ihn dann wieder richtig in die Scheiße zu reiten...
Der Kerl, der ihn gerettet hat, war doch sicher der aus der Bar. Ich frage mich, was eigentlich dessen Ziel ist - immerhin hatte er doch den Auftrag, ihn zu töten oder nicht?! Ist ein ziemlich schlechter Mörder. Vielleicht sollte man ihm nochmal erklären,was er eigentlich zu tun hat...

Auf jeden Fall bin ich sehr gespannt, wie das hier wohl weitergehen wird-  und hoffe, das nächste Kapitel bringt Antworten ;)

~Kommentarfieber~
Antwort von:  TommyGunArts
29.01.2015 16:57
Holy Crap!
Jetzt bin ich ja mal überrascht xD Da schaut man mal wieder auf die persönliche Startseite und dann DAS *__*
Für diese vielen lieben Kommentare würde ich dich am liebsten drücken! Man merkt, dass du aufmerksam liest und das freut mich total, weil das nicht selbstverständlich ist. Das ist gerade so dermaßen aufmunternd... :) Danke, danke, danke.


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