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Atemzug

Grey Mr. Grey
von

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Sir Yalls Stolz stand über allem. Ganz egal, was in den letzten Tagen geschehen war, er würde das wieder ausbügeln. Er würde weder Stix Grey, dem Kindermörder, noch den Dieben, von denen er noch nicht wusste, was sie entwendet hatten, ihre Freiheit lassen. Oh nein, das würde er gewiss nicht. Diese drei Personen hatten an Yalls Fassade gekratzt, hatten versucht, ein Loch hinein zu schnitzen und seine Autorität zu untergraben. Doch dafür würden sie büßen. Allesamt.

Inzwischen hatte er den ersten Hinweis darauf, wer die Diebe waren und wie er sie finden konnte. Der Dolch, den der Rotschopf fallen gelassen hatte, war sehr aufschlussreich gewesen: Eine kurze Klinge aus einem Stoff namens Eliphin mit charakteristischen Mustern. Das Besondere an Eliphin war, dass es nicht im Erdreich zu finden war, wie Eisenerz. Es wurde also nicht gefunden und zu Tage gefördert, sondern erschaffen. Durch eine spezielle Art der Zauberei, ein Vorgehen namens Gedankenweben, das Yall als äußerst lächerlich empfand, konnte man seine Gedanken Stück für Stück aneinanderreihen und in Materie wandeln: Das Eliphin. Nur wenige Magier waren dazu in der Lage. Und nur drei von ihnen stellten Waffen damit her, von denen nur einer seine Klingen verzierte.

»Das gute alte Markenzeichen«, flüsterte Yall, als er den Dolch betrachtete. »Das wird uns weiter bringen, Ohns. Gute Arbeit.«

Der stämmige Ohns stand in Yalls Kammer, unweit der Tür und verbeugte sich rasch.

»Nun denn … Wo befindet sich der Zauberer?«

»Mit Verlaub, Sir, es handelt sich eigentlich um eine Zauberin

Yall lachte. »Ein Weibsstück? Von mir aus. Also, wo befindet sich die Hexe?«

»In Azurr, Sir.«

»Sag bloß, sie ist auf Silbertau! Bei Ophostheus, diese Zauberschule ist ein Grauen.«

»Nein, Sir. Sie hat sich auf dem Lande niedergelassen. Sie bewohnt eine Hütte am Rande Azurrs. Fünf Tagesritte von hier aus.«

Yall klatschte freudig in die Hände. »Sehr gut, Ohns. Sehr, sehr gut!«

Ohns kam ein paar Schritte näher und fragte: »Wollt Ihr selbst nach Azurr reiten?«

»Natürlich nicht«, entgegnete der Kommandant bestimmt, als wäre die Antwort offensichtlich. »Wo kämen wir denn hin, wenn der wichtigste Mann des Königs die Burg verlässt?«

»Mit Verlaub, Sir, ich dachte der Berater sei der wichtigste Mann des Königs.«

Ohns hatte es wohl nicht beabsichtigt, aber seine Bemerkung traf Yall wie ein Faustschlag. Er musste sich zusammenreißen, um nicht in einen Wutausbruch zu verfallen.

»Was tut ein Berater, Ohns?«

»Ähm … beraten?«

Sir Yall trat auf seinen Untergebenen zu und blieb dicht vor ihm stehen, um ihm in die Augen zu blicken. Ein vernichtender Blick, wie sich herausstellte.

»Richtig. Und was macht die Königsgarde?«

»Ähm …  sie schützt den König vor jedweder Gewalt?«

Der Kommandant schnipste mit den Fingern und sagte: »Ganz genau. Was glaubst du also? Ist es wichtiger den König zu beraten oder ihn zu schützen?«

»Ihn zu schützen, Sir. Aber … die Königsgarde bleibt doch hier, Sir. Warum könnt Ihr dann nicht gehen?«

Jetzt hatte die Wut die Oberhand über Yall gewonnen. Er schrie seinem Untergebenen die Worte mitsamt einer Ladung Speichel ins Gesicht: »WEIL ICH DER KOMMANDANT DIESER HURENBÖCKE BIN!«

Das Schreien tat gut. Es befreite seinen Zorn und nun konnte er sich wieder beruhigen. Er sprach in normalem Tonfall weiter: »Du bist doch nicht dumm, Ohns, das hast du mir mit deinen Recherchen bewiesen. Ich bin der wichtigste Mann des Königs. Ohne mich läuft hier nichts! Stell das nie wieder in Frage!«

Ohns hatte den Wutausbruch wie ein Mann ertragen. Nun verbeugte er sich tief und sagte: »Entschuldigt, Sir. Ophostheus soll mich für meine Dummheit strafen. Ihr habt natürlich Recht. Soll ich an Eurer statt nach Azurr reiten?«

Ein Lächeln breitete sich auf Yalls Gesicht aus. »Nein. Ich werde selbst reiten.«

»Aber Ihr sagtet doch-«

Yall klopfte ihm auf die Schulter und befahl: »Du wirst mich vertreten, während ich fort bin.«

Der stämmige Ritter fuchtelte abwehrend mit den Händen und stammelte: »Ich … kann doch nicht einfach … eure Position …«

»Keine Widerrede, Ohns«, unterbrach ihn der Kommandant. »So wird es sein. Punkt. Aus. Ende. Und jetzt ab mit dir.«

Verwirrt ging Ohns ein paar Schritte auf die Tür zu, allerdings sehr zaghaft.

»Hopp, hopp!« Yall wedelte mit der Hand, um seinen Mann zur Eile zu bewegen. Mit einer letzten unsicheren Verbeugung verließ Ohns die Kammer und schloss die Tür hinter sich.

Jetzt, wo er allein war, ging Yall zum Fenster und sah hinaus. Die Stadt Geek lag zu seinen Füßen wie eine Horde Bauern, die den König um Gnade anflehte. Er konnte die Unterstadt kaum sehen, auch wenn seine Kammer im obersten Stockwerk der Burg war. Doch eine dicke Staubwolke verwehrte ihm die Sicht: Der Staub und der Dreck von Bettlern und Betrügern. Angewidert verzog er das Gesicht. Dort hatte Stix Grey gelebt, irgendwo inmitten des ganzen Unrats.

Yall beschloss, noch etwas zu erledigen, bevor er nach Azurr aufbrechen wollte: Er würde Greys Partner aufsuchen und ihm einige Fragen stellen. Schließlich war er in der Nacht von Greys verschwinden im Kerker anwesend gewesen. Und vielleicht konnte er ihm ein paar nützliche Informationen geben.

Lächelnd atmete der Kommandant die klare Luft der Oberstadt.

Dann legte er seine geliebte Rüstung an.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2015-02-06T19:18:04+00:00 06.02.2015 20:18
Hey :)

Wieder ein sehr schönes Kapitel! Ich finde es witzig, wenn man bedenkt, dass die drei (Der "Kindermörder" und die Diebe) ja sogar zusammengehören und er, im besten Fall, gleich alle zusammen fangen könnte xD Nicht, dass ich es ihm wünschen würde, ich mag ihn noch immer nicht...

Die Idee mit dem Material aus Gedanken finde ich unglaublich cool, auch wenn ich es mir gerade nur schwer vorstellen kann. Aber ich mag die Idee sehr, es ist mal etwas anderes, vor allem, dass die Waffen dann von anderen getragen werden können (und eben wirklich dann ein "Material" sind)

Yalls Ausbruch fand ich witzig und ich musste auch schmunzeln, als eben sein Ego in Frage gestellt wurde. Seinen plötzlichen Wandel von "ich gehe nicht, weil ich bin ja der Wichtigste" zu "Ich geh doch und du vertritts mich" finde ich jedoch leider etwas zu rasch und abrupt; ich konnte es nicht nachvollziehen, gerade, wo er vorher so ausgerastet war, dass er ja immerhin der Wichtigste ist - und dann lässt er doch den König allein. Ein paar Zeilen mehr der Erklärung von Yall selbst (also den Gedanken) hätten hier gut getan, damit man diesen Punkt nachvollziehen könnte. So macht es Yall nur noch unsymphatischer, weil er unberechenbar agiert (aber vielleicht war das auch die Absicht).

~Kommentarfieber~


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