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You have holiday, whether you like it or not!

(Natsu x Lucy)
von

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Ein dummer Streit mit Folgen

Lucy saß an ihrem Schreibtisch, den Stift in der Hand und nachdenklich auf das Papier am schauen. Sie drehte den Stift herum, seufzte, ließ den Kopf in den Nacken fallen und schloss die Augen.

Die letzte Zeit hatte ihre Spuren hinterlassen. Sie war erledigt, einfach erschöpft. Wieso musste es in der Gilde immer derart chaotisch zugehen, vor allem in ihrem eigenen Team? Egal was sie taten, am Ende kam das Gleiche raus: Chaos!

Lucy ließ den Stift sinken. Es brachte nichts! Schreiben war zwar ihre Leidenschaft, doch ihr fehlte die nötige Konzentration. Sie stand auf und streckte sich, ehe sie sich müde aufs Bett fallen ließ. Ihr Kopf schmerzte. Ruhe...sie brauchte jetzt Ruhe...

„Lucy!“

Erschrocken fuhr sie auf. Natsu, Gray und Erza kamen – zur Ausnahme – zur Tür hinein. Normalerweise kletterte Natsu durchs Fenster in ihre Wohnung. Als sie sie auf dem Bett sahen, schienen Gray und Erza doch ein wenig verlegen, während Natsu sich nicht stören ließ und sofort anfing zu sprechen.

„Lucy, wir machen eine neue Mission. Steh auf, los jetzt! Damit kannst du deine Miete sicher...“ In ihrem Kopf pochte es. Ruhe! Ruhe! Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Sei ruhig, sei endlich leise!, dachte sie. „...außerdem ist es richtig einfach. Wir müssen nur diese Diebe fangen und fertig machen!“

„Natsu...“, murmelte Erza, die scheinbar merkte, dass etwas nicht in Ordnung war, aber sie drang nicht zu ihm durch. Er plapperte einfach weiter, bis Lucy aufstand und ihn ohne zu überlegen ohrfeigte.

Stille trat ein. Gray und Erza starrten sie an, Natsu stand der Mund offen. Lucys Herz pochte, sie atmete stoßweise. „Hör endlich auf!“, schrie sie. Warum sie direkt schrie anstatt es ihm normal zu sagen, wusste sie selbst nicht. „Wir sind erst gestern Abend wiedergekommen! Jedes Mal verlangt ihr mir ab, das ich mich nach euren Zeiten richte! Ihr brecht hier ein und gönnt mir keine Privatsphäre. Weißt du was?! Haut ab! HAUT AB!!! LASST MICH IN RUHE!“

Natsu starrte ihr ins Gesicht, ehe ihm das Blut in die Wangen stieg. „Was ist dir eigentlich über die Leber gelaufen“, fuhr nun er wiederrum sie an, „Wir wollten dich dabei haben. Aber wenn wir dich nerven, gehen wir halt ohne dich. Ist sowieso viel einfacher, schließlich bist du die Schwächste im Team.“

Dieser Satz, dieser letzte Satz, brachte Lucy aus der Fassung. „Wie bitte?“ Natürlich wusste sie, dass sie wirklich das schwächste Glied im Team war, jedoch fand sie es verletzend, wie Natsu dies zum Ausdruck gebracht hatte.

„Natsu“, sagte Gray, der offensichtlich die Situation zu entschärfen versuchte, „so kannst du das nicht sagen!“

Lucy wies zur Tür. „Verschwindet! Verschwindet!!!“

Natsu, der seine Worte bereits bereute, fuhr sich durchs Haar. „Lucy...“

„RAUS!!!“

„...“

„Was verstehst du eigentlich nicht an dem Wort Raus?“

„Es tut mir leid“, murmelte er und verließ mit den anderen Beiden die Wohnung.

Lucy keuchte. Sie war aufgewühlt und der Schmerz in ihrem Kopf ließ einfach nicht nach. Nein, jetzt stieg ihr auch noch die Hitze in den Kopf, ihre Augen brannten. Ja, sie war schwach im Vergleich zu den anderen. Überhaupt hatte sie das Gefühl, die Schwächste der ganzen Gilde zu sein.

Weinend sank sie auf die Knie. Vielleicht hatte sie einen Fehler begangen, als sie sich damals entschlossen hatte, Magierin zu werden. Jedoch liebte sie Fairy Tail, ihre Gilde. Die Gilde bedeutete für sie alles, sie war ihre Familie!

Ich bin schwach, sagte sie sich. Ich heule schon wieder...schwach...aber ich kann stärker werden. Sie richtete sich wieder auf. Ihr Entschluss stand fest. Die nächste Zeit würde sie – trotz ihrer Erschöpftheit der letzten Zeit – alleine einige Missionen erfüllen. Sie wollte trainieren, stärker werden und nicht mehr als die Schwächste gelten. Sie würde sich den Respekt ihrer Freunde erarbeiten und ihnen beweisen, dass man sich auch im Kampf auf sie verlassen konnte.
 

„Öffne dich, Tor des Stieres! Taurus!“

Ein Schwarz auf Weiß gepunkteter Stier erschien. Sonst kommentierte er immer Lucy's tolle Formen, doch diesmal warf er ihr einen besorgten Blick zu.

Aber mit ihr zu reden brachte nichts, dass wusste er. Also tat er seinen Job und kämpfte. Der Kampf war schnell gewonnen.

Lucy rutschte erschöpft zu Boden. „Gute Arbeit...Taurus“, murmelte sie.

Dieser sah sie lange an. „Lucy-swan, du solltest weniger Jobs machen.“

Sie warf ihm einen bösen Blick zu. „Ich passe schon auf.“ Dann schloss sie das Tor und Taurus verschwand. Schweiß perlte auf ihrem ganzen Körper.

Was hatte sie bisher erreicht? Seit drei Wochen kämpfte sie sich durch ihre Missionen, bei denen sie keine Begleitung erlaubte. Natsu war deswegen sowieso nun schon beleidigt und sprach kein Wort mehr mit ihr. Auch Gray zeigte sich nicht erfreut und gab ihr, wenn sie denn mal in der Gilde war, recht unwirsche Antworten. Einzig Erza redete normal mit ihr, obwohl sie sie ständig ermahnte, sich nicht zu verausgaben. Warum sie alleine auf Missionen ging, erklärte sie ihnen nicht, denn so hätte sie zugeben müssen, dass sie sich wirklich wie eine zusätzliche Last für ihr Team empfand.

Lucy seufzte. Müde starrte sie in den langsam rötlichen werdenden Himmel. Natürlich, so viele Missionen hatte sie noch nie in so wenig Tagen geschafft, aber dadurch musste sie es ertragen, viel allein zu sein. Allein...ein inneres Beben erfasste sie, ihre Augen fingen an zu brennen. Sie unterdrückte den Drang, den Tränen freien Lauf zu lassen. Stärke, sie musste endlich Stärke beweisen!
 

Ein junger Mann mit schwarzen Haaren betrat die Gilde. Er sah sich um, ehe er auf Mirajane zu trat, die an der Theke am werkeln war.

„Entschuldigen Sie“, sprach er sie nervös an. „Wo finde ich den Gildenmeister?“

„Er ist momentan nicht da. Worum geht es denn?“

Er lächelte nicht, sondern schaute sie ernst an. „Ich bin Pfleger aus dem Krankenhaus in Onibas.“ Sein Blick huschte herum. „Wir haben dort einen Notfall rein bekommen, wissen allerdings nicht, wer sie ist. Der einzige Anhaltspunkt ist das Gildenabzeichen auf ihrer rechten Hand.“

Natsu, der sich eigentlich gerade mit Gray prügelte, horchte auf. Gildenabzeichen auf der rechten Hand? Sprach der etwa von Lucy?

Der Mann sah Mirajane durchdringend an, ehe er ihr ein Foto reichte. „Kennen Sie sie und könnten mir Informationen über die Familie geben?“

Miras Augen weiteten sich. Erst schien sie sprachlos, ehe sie schluckte und nickte. „Sie gehört zu uns. Bitte, kommen Sie mit.“ Dabei packte sie den Mann am Arm und wollte ihn mit sich in ein Hinterzimmer ziehen.

Natsu sprang auf. „Mira“, rief er ihr zu. „Um wen geht es?“ Er spürte, wie in ihm große Sorge aufkam. „Ist das...auf dem Foto...L-Lucy?“

Mirajane senkte den Blick. Diese Geste sagte mehr als tausend Worte! Doch bevor noch jemand etwas sagen konnte, zog Mira den Pfleger mit sich und schloss die Tür hinter sich.
 

Vorsichtig, um ja nicht zu laut zu sein, öffnete Erza die Tür in das Krankenzimmer, dicht gefolgt von Natsu, Gray, Mira und Levy. Mehr durften nicht mit rein. Es hatte unten bereits einen Tumult gegeben, als der Großteil der Gilde zu Lucy wollte. Am Ende ließ sich die Oberschwester dazu durchringen, statt nur den erlaubten drei Gästen fünf durch zu lassen, allerdings nur kurz, denn „Das Mädchen braucht absolute Stressfreiheit!“

„Lu-chan?“, fragte Levy und nahm die Hand ihrer Freundin. Diese drehte den Kopf zum Fenster und schwieg. „Wie geht es dir?“

Mira und Erza setzten sich an die andere Seite des Bettes. Sanft strich Mira ihr durchs Haar. „Wie fühlst du dich, Lucy?“

Lucy schämte sich. Wie hatte das nur wieder passieren können? So viel wie sie trainiert hatte, obwohl sie doch so viel getan hatte, es hatte nicht gereicht! Die letzte Mission war ein Desaster gewesen! Vergeigt! Total verhauen! Tränen der Wut über ihr eigenes Versagen traten ihr in die Augen.

Levy drückte ihre Hand. „Lu-chan, jetzt sprich bitte mit uns.“

Natsu und Gray standen am Bettende und wussten nicht, was sie sagen sollten. Lucy sah elend aus. Bleich, dunkle Ringe unter den Augen und Blessuren am ganzen – sichtbaren – Körper.

Lucy schob Miras Hand zur Seite und vermied es, irgendjemanden anzusehen. Sie durfte nicht weinen. Sie musste stark sein! Tief Luft holend setzte sie ein deutlich falsches Lächeln auf. „Geht schon wieder. Ich komm in ein paar Tagen hier raus und dann kann ich den nächsten Auftrag...“

„Wie bitte?!“, fuhr Natsu auf. „Bist du irre? Schau dich mal an! Du sieht elend aus. Um deine Miete brauchst du dir keine Sorgen machen, ich gebe sie dir und...“

„Ich brauche deine Hilfe nicht!“, schimpfte Lucy, was jedoch üble Kopfschmerzen zur Folge hatte und ihr ein Stöhnen entlockte.

Natsu starrte sie wütend an. „Was ist nur los mit dir?“

Mira mischte sich ein. „Ich werde dir keinen Job überlassen, Lucy. Der Meister hat bereits entschieden, dass du eine Arbeitspause einlegen musst. Er hat mit deinem Arzt ein ernstes Gespräch geführt.“

Lucy versuchte sich aufzusetzen, doch als sich ein schmerzvoller Ausdruck auf ihr Gesicht legte, drückten Erza und Levy sie zurück in die Kissen.

„Ich entscheide selber, wann ich welche Mission erledige!“

„Lucy!“, schimpfte nun auch Gray. „Was soll dieser Arbeitswahn? Warum bist du dermaßen versessen darauf, nur noch zu arbeiten? Vor drei Wochen hast du uns raus geschmissen, weil dir das zu viel wurde, und plötzlich machst du mehr als vorher und dann noch alleine!“

„Das ist meine Sache!“ Lucys Stimme wurde heiser, obwohl sie erst wenig gesprochen hatte. Das Gespräch strengte sie an.

Levy und Mira merkten dies. Mirajane beugte sich zu Lucys Gesicht. „Hör mir mal zu“, sagte sie ruhig, aber ihre Stimme hatte einen strengen und entschiedenen Unterton, „Du wirst dich hier erst mal in aller Ruhe auskurieren. Wir holen dich ab, sobald du entlassen wirst und danach kümmern wir uns um dich.“

Lucy wollte Mira von sich weg schieben, doch sie war zu schwach. „Nein, ich kann selbst auf mich aufpassen!“

„Ssssch! Keine Widerrede!“

Nein!, dachte Lucy. Sie wollte nicht schon wieder das schwache Mädchen sein, dass von ihren Freunden aufgepäppelt werden musste. Ihr bisheriger Erfolg würde zunichte gemacht werden!

Natsu sah sie prüfend an. Er ahnte etwas. Er ahnte, was sie zu diesem Arbeitswahn getrieben hatte und ihren Widerwillen gegen die Hilfe ihrer Freunde!

„Lucy...kann es sein, dass du … meine dummen Worte ernst genommen hast?“

Gray wusste sofort, wovon Natsu sprach. „Moment...“ Sein Blick wanderte zu Lucy, deren Wangen sich rot färbten. „Diesen ganzen Mist hast du wegen dieser Feuerechse getan? Die vielen Jobs...“

Sie schüttelte wild den Kopf, sodass Mira, Erza und Levy sie überrascht ansahen. Mira und Levy wussten nicht, was Natsu gesagt hatte, doch Lucys abwehrende Reaktion zeigte nur allzu deutlich, dass sie genau ins Schwarze getroffen hatten.

„Lucy...du bist nicht schwach“, sagte Natsu entschieden. „Du kämpft auf deine eigene Weise! Außerdem...“ Er wurde rot, „...sind wir ein Team, da zählt jeder. Ohne dich fehlt es uns an der Lucy-Power.“

Ihre Freunde lächelten sie an, ehe sie aufstanden und gingen, um Lucy ihre Ruhe zu lassen. Diese weinte, doch der Knoten der letzten Wochen schien sich langsam zu lösen.
 

Natsu ging hinter den anderen her. Plötzlich sagte er: „Wenn sie entlassen wird, fahren wir mit ihr in den Urlaub!“

Comme les vacances commence

Lucy starrte gegen die Zimmerdecke. Was hatte sie erreicht? Die ganze letzte Zeit...ja, sie hatte Missionen alleine erledigt, die Gegner und Aufgaben alleine gemeistert...aber zeugte dies von Stärke? Am Ende war sie unter der Last zusammengebrochen. Und nun stand sie ein weiteres Mal als Schutzbedürftige vor ihren Freunden. Nichts hatte sich geändert. Nichts! Wenn überhaupt hatte sie etwas verloren. Die ganze Zeit über hatte sie die Einsamkeit ertragen müssen, sie hatte ihren Freunden nicht mehr vertraut.

Sie seufzte. Ihr Blick huschte zur Uhr. Kurz vor zwölf, also würden gleich Mirajane und Erza kommen, um sie abzuholen. Ja, das werte Fräulein bekam eine Eskorte... Wütend setzte sie sich auf und schlug auf die Matratze.

„Verflucht!“, schimpfte sie leise, „Verflucht! Warum? Warum?“

„Was warum?“

Erschrocken fuhr sie zusammen und starrte zur Tür. Dort standen Mira und Erza und sahen sie besorgt an. Wie lange sie da schon standen?

Röte stieg ihr ins Gesicht. Sie schüttelte kurz den Kopf und zwang sich zu einem Lächeln. „Nichts, wirklich.“

Ein Blick in die Gesichter ihrer Freunde verriet ihr, dass sie ihr diese – zugegeben – lahme Ausrede nicht abnahmen. Doch sie fragten nicht.

Stattdessen nahm Erza Lucys Tasche, während Mirajane zu Lucy trat und sanft ihre Hand nahm. „Komm, lass uns gehen.“

Händchen halten? Lucy schämte sich plötzlich noch mehr. Diese Geste, die gewiss nur liebevoll gemeint war, bestätigte ihr ihre Sorgen nur mehr.

Dennoch sagte sie nichts. Sie wusste schließlich, dass ihre Freunde sich ihrerseits Sorgen machten. Aber eines war klar: Sie musste einen Weg finden um stärker zu werden. Stärker...
 

Als sie aus dem Krankenhaus traten, weiteten sich Lucys Augen überrascht.

Vor ihr stand eine ihr bereits bekannte Kutsche. Diese war ein vom Magier Ridas erschafftes Kunstwerk, welches durch Magie Wirklichkeit erlangt hatte. Die Kutsche war mit Koffern überfüllt, des weiteren saßen dort Natsu, Gray, Levy, Loke und Cana. Sie winkten ihr betont freudig zu.

Makarov stand vor der Kutsche und schaute ihr ernst entgegen. Oder war es nicht eher schon ärgerlich? Lucy blieb stehen. Ihr wurde klar, dass er ihr etwas zu sagen hatte, etwas unangenehmes.

Er bemerkte ihr Zögern und trat nun seinerseits auf sie zu. „Lucy...“ Sein Gesichtsausdruck zeigte, dass er sich krampfhaft zurückzuhalten versuchte. „Natsu hat mir erzählt, wie du dazu gekommen bist, dir so viele Jobs zuzumuten.“ Er schwieg kurz, dann brach es aus ihm heraus und er brüllt los: „Du dummes Ding! Bist du noch zu retten!? Das, was du dir die letzten Wochen geleistet hast, das war schwach! IST DIR EIGENTLICH KLAR, WAS DIR HÄTTE PASSIEREN KÖNNEN!?“

Sie konnte ihn nicht ansehen, starrte zu Boden. Nein, sie hatte sich keinerlei Gedanken um ihre Gesundheit gemacht. Aber war es wirklich schwach, stärker werden zu wollen? Nun gut, eigentlich wusste sie, worauf Makarov anspielte. Es ging ihm darum, dass sie keine Rücksicht auf sich oder sonst wen genommen hatte. „Ich...“

„Ruhe!“ Makarov atmete tief ein und fuhr sanfter fort. „Ich will nichts von dir hören, bis du genügend Zeit hattest, um dich ausgiebig zu erholen und dir Gedanken zu machen. Daher akzeptierst du wortlos deine Strafe.“ Er blickte sie ernst an. Auch wenn Lucy die Augen nicht hob, so spürte sie seinen Blick und wusste, dass er auf ein Nicken von ihr wartete. Obwohl sie nicht besonders glücklich über den Verlauf dieses Gespräches war, nickte sie widerwillig.

„Gut so. Lucy, du wirst auf unbestimmte Zeit von jeglicher Arbeit suspendiert und bleibst in der Obhut deiner Freunde.“

Sie schaute auf und wollte widersprechen. Das konnte nicht sein Ernst sein! Sollte das eine Art Stubenarrest sein? „Aber...“

„Wortlos! Sei still!“ Der Gildenmaster seufzte deutlich. „Du fährst in Urlaub.“

„Hä?“ Lucy wandte sich zu Mira und Erza, die neben ihr standen. Diese lächelten und schienen sich über ihr ungläubiges Gesicht zu freuen. Sie schaute zu den anderen, wieder zurück und dann den Master an. „Urlaub? Ich dachte...“

Mirajane, die ihre Hand nicht losgelassen hatte, zog sie nun einfach mit sich zur Kutsche. „Aufsteigen bitte.“

Wie sollte Lucy reagieren? Natürlich hatte sie damit gerechnet, dass sie eine Menge Ärger bekommen würde und auch das Arbeitsverbot überraschte nicht, doch Urlaub? Sie wusste nicht, ob sie glücklich oder wütend sein sollte, und wenn wütend, auf wen? Auf sich selbst? Auf die Anderen? Ihr war das momentan einfach zu viel. Daher folgte sie Mirajanes Anweisung, welche sie bereits mit sanften Druck auf die Kutsche beförderte.

Levy zog sie direkt zu sich. „Lu-chan, wie geht es dir?“

Sofort fühlte Lucy sich schuldig. „Alles ok.“

„Wir fahren in ein Ferienhaus direkt am Meer. Dir wird es dort gefallen.“

„Ah...ja...hört sich toll an“, zwang sie sich zu sagen.

„Ach komm schon, Lucy“, sagte Cana und grinste. „Einfach ausspannen, Frauengespräche führen, dich bedienen lassen,...“ So fuhr Cana fort. Sie übertrieb absichtlich, jedoch auf eine so herzliche Arzt, dass Lucy sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte.

Erza und Mirajane stiegen auch auf die Kutsche. Makarov jedoch trat nur heran und nickte allen zu. „Nun denn, viel Spaß.“ Und an Lucy gewandt fügte er hinzu: „Mach dir keine Sorgen, Lucy. Wir freuen uns auf deine Rückkehr.“ Er begann breit zu grinsen und sie wusste, dass er es genauso meinte wie er gesagt hatte. Die restliche Gilde würde sich freuen, sobald sie zurückkamen.

Die Kutsche fuhr an und die Reise ging los.
 

Die Sonne begann allmählich dem Abend zu weichen, der Himmel färbte sich rötlich. Lucy gähnte ausgiebig und blickte nach draußen. Das Meer wogte sachte, mit der Spiegelung der untergehenden Sonne zeichnete es ein atemberaubendes Kunstwerk in die Welt.

„Da drüben ist es“, rief Natsu und wies zu einem schlichten Häuschen auf einem Fels hinüber. Alle folgten ihm mit ihren Blicken, nur Lucy nicht.

Sie schaute in die Gesichter ihrer Freunde. War das echte Freude? Oder versuchten sie sich nur ihretwegen fröhlich zu geben? Sie wusste es nicht. Langsam fragte sie sich, was sie überhaupt noch wusste. Dennoch fühlte sie sich nicht gänzlich unwohl. Ihre Freunde waren bei ihr. Sie musste nicht alleine sein. Lucy lehnte sich an Levy, die sich überrascht zu ihr drehte.

„Lu-chan?“

Diese schloss die Augen. „Wo ist Happy?“

Levy blickte sie lange an. „Happy ist in der Gilde geblieben.“

„Ohne Natsu...“ Lucy seufzte. „Ihr hättet nicht diesen Aufwand gebraucht. Ich hab einfach einen schlechten Auftrag gewählt, mehr nicht. Das ganze hier...“

„Ein schlechter Auftrag? Lucy, du machst zu viele und zu heftige Missionen! Und dann noch alleine. Und nur...“ Levy machte eine kurze Pause, als müsse sie die richtigen Worte suchen. „Nur wegen Natsus Aussage.“

Lucy linste zu ihr. „Ich...Nein, nicht wegen Natsu. Er hat recht. Egal was ich mache, immer versage ich in wichtigen Momenten.“

„Wie kommst du auf solch einen Schwachsinn?“, fragte Erza, die mitgehört hatte. „Wer hat denn bitte Angel von Oracion Seis erledigt?“

Lucy richtete sich auf. „Aber nur mit Hibikis Hilfe! Immer nur mit Hilfe, wenn überhaupt. Wer hat im Kampf gegen Phantom Lord versagt? Ich, ich konnte rein gar nichts! Und egal wann, immer muss mir jemand helfen oder schlimmer noch, muss mich retten. Ich kann gar nichts alleine!“ In ihr fing es an zu brodeln. Jetzt, wo sie es selbst ausgesprochen hatte, fühlte es sich noch schlimmer an als in der letzten Zeit.

Die Anderen starrten sie fassungslos an. Das sie sich für schwach hielt, wussten nun schon alle, aber das es sie derart aus der Haut fahren ließ, hätte niemand erwartet.

Levy ballte die Fäuste. Plötzlich wirkte sie seltsam entschlossen. Sie stand auf und baute sich vor ihrer Freundin auf. Und schon setzte es eine saftige Ohrfeige.

Es pochte. Es pochte schmerzhaft in Lucys Wange. Fassungslos starrte sie Levy an, Tränen brannten ihr in den Augen. „Was...?“

„Du kannst nichts alleine?! Und wenn schon! Wieso musst du alleine etwas erreichen, wenn wir es doch gemeinsam schaffen können?“ Sie packte Lucy am Kragen. „Seit wann ist es so wichtig, alles alleine erreichen zu müssen? Wozu hat man denn Freunde? Oder kannst du uns nicht mehr vertrauen?“

Lucy schwieg. Ihr fiel keine schlagfertige Antwort ein.

Levy ließ sie los und umarmte sie. „Bitte, hör auf mit diesem Quatsch.“ Keiner sprach mehr. Stille kehrte ein, eine bedrückende Stimmung hatte sich breit gemacht.

Nach einiger Zeit fuhr Cana sich durchs Haar. „Wir sind da“, sagte sie, um die Stille zu brechen. Alle nickten schweigend.
 

Das Haus war schlicht. Es gab ein großes Wohnzimmer mit gemütlicher Sitzecke und einem Essbereich. Die angrenzende Küche glich eher einer Abstellkammer, so klein war sie. Dafür glänzte das Bad. Es war groß, besaß sowohl Dusche als auch Badewanne und ein schönes großes Fenster mit herrlichem Blick auf das Meer. Im ersten Stockwerk fanden sich die Schlafzimmer. Mirajane teilte sie auf die jeweiligen Zimmer auf. Natsu, Gray und Loke teilten sich das Zimmer direkt an der Treppe, Cana und Mira nahmen das Zimmer daneben und Levy, Erza und Lucy bekamen das größte Zimmer den anderen gegenüber.

Erza stellte ihre Koffer – wie immer waren es dutzende – in eine Ecke. „Ein schöner Raum“, meinte sie und streckte sich.

Lucy nickte kurz und ließ sich auf das Bett am Fenster fallen. Ja, es schien gemütlich hier zu sein. Der Ausblick war wunderschön, der Raum besaß eine nette Atmosphäre. Man konnte sich hier wohl fühlen. Und das Bett strotzte vor angenehmer Wärme. Lucy kuschelte sich ins Kissen und schloss die Augen. Einfach nur warm, angenehm warm. Hier konnte man sich fühlen wie Zuhause.

„Lu-chan...“, murmelte Levy, aber dann hörte man Erza irgendetwas flüstern und die Tür fiel ins Schloss. Die Beiden schienen den Raum verlassen zu haben. Lucy jedoch bekam nichts mehr davon mit, denn sie war schon längst in einen tiefen Schlaf geglitten.
 

Ein neuer Morgen brach an. Müde öffnete Lucy die Augen. Sie hatte herrlich geschlafen. Das gleichmäßige Atmen der Anderen ließ vermuten, dass diese noch schliefen. Aber wieso war ihr das leise Schnarchen so nahe?

Lucy blickte hinunter. Ein lauter, spitzer Schrei entfuhr ihr. Mit einem kräftiger Tritt stieß sie Natsu, der in ihrem Bett gelegen hatte, hinunter. Durch ihren Schrei alarmiert stürzten alle ins Zimmer hinein.

Natsu, noch schlaftrunken, setze sich auf und legte seinen Kopf wieder auf ihr Bett. „Was'n los?“, brummte er vor sich hin.

Alle mussten lachen. Das war mal wieder typisch Natsu!

„Guten Morgen, ihr Zwei“, grinste Gray. „Ey du Flammenkopf, steh endlich auf. Das Frühstück ist fertig!“

Natsu sprang auf. „Wie hast du mich genannt, du Eispastille?“

Erza mischte sich ein. Ein einziger, Erza-typischer Blick reichte und die Beiden begannen zur Ausnahme mal keine Prügelei, sondern flüsterten sich beim Hinuntergehen der Treppe nur immer wieder einige Schimpfwörter zu.

Nach dem Frühstück saßen alle zusammen im Wohnzimmer.

„Lasst uns schwimmen“, meinte Cana und sah jeden an. „Wir sind am Meer!“

Erza nickte. „Schwimmen ist gut.“ Und ohne die Meinung der Anderen abzuwarten wechselte sie von ihrer gewöhnlichen Kleidung in einen schicken Bikini. Dies machte sie mit ihrer Requip-Magie.

„Damit wäre es wohl entschieden“, sagte Mirajane und lächelte.

„Wettschwimmen!“, riefen Natsu und Gray wie im Chor. Gray hob die Faust mit einem herrlichen Grinsen. „Ich mach dich fertig.“

Natsu stimmte sofort ein. „Träum weiter. Ich werde dich Meilen hinter mir lassen.“

Levy beugte sich zu Lucy. Sie schien zu zögern, doch dann flüsterte sie: „Du...bist du mir noch böse...wegen dem gestern?“

Lucy schaute sie an und lächelte. „Nein. Mir tut es leid...“

Levy lächelte zurück und nahm ihre Hand. „Lass uns unsere Schwimmanzüge holen.“

„Mmm...“ Lucy verspürte rein gar keine Lust auf schwimmen, allerdings wusste sie, dass Widerspruch nichts bringen würde. Daher folgte sie Levy in ihr Zimmer.

„Levy-chan...also ich...es tut mir wirklich leid. Natürlich vertraue ich euch...“

Levy, die bereits ihren Bikini aus dem Koffer gezogen hatte, drehte sich zu ihr. „Ich weiß. Weißt du, ich denke auch, dass ich alleine schwach bin. Aber ich hab meine Freunde.“ Sie grinste. „Jetzt hol dein Zeug, das Meer wartet auf uns.“

Lucy nickte. Die Entschuldigung war nötig gewesen. Natürlich wollte sie ihren Freunden vertrauen, aber gleichzeitig hatte sie sich für ihre Schwäche entschuldigen wollen. Dies hatte sie getan, auch wenn es wohl eher indirekt gewesen war. Sie holte ihren Bikini. Die Freundinnen zogen sich um und liefen zu den Anderen.

Lös meinen Vertrag!

„Natsu!!!“ Lucy krallte sich fast panisch an ihn dran. Sie beide saßen auf einem Schlauchboot. Mithilfe seiner Magie ließ Natsu das Feuer aus den Füßen strömen und raste über das Wasser.

Sie hatte keine Wahl, sie musste sich an ihm festhalten. Und auch wenn sie schrie und ihr das Herz bis zum Halse schlug, so machte es gleichzeitig irgendwie Spaß, mit Natsu über das Wasser zu düsen.

Erza und Mira saßen am Strand und sahen den anderen zu, wobei ihr Hauptaugenmerk auf Natsu und Lucy lag.

„Sieht aus, als hätte sie Spaß“, meinte Mirajane.

„Mmm“, machte Erza und blickte kurz zu Mira. „Was hältst du von dem, was sie gestern gesagt hat? Wie lange nagt dieser Gedanke an ihr?“

„Sie hat ihre eigenen Stärken. Ihr Maßstab liegt einfach falsch. Ich denke, sie vergleicht sich mit dir, Natsu und Gray. Eure Stärke liegt in der Kraft, ihres im Köpfchen.“

„Hey, willst du damit sagen, wir sind dumm?“

Mira lächelte. „Wer weiß.“ Dann wurde sie wieder ernst. „Es beschäftigt sie gewiss schon länger. Mir macht nur Sorgen, dass sie sich scheinbar niemandem anvertraut hat.“

Erza schloss kurz die Augen. „Vielleicht haben erst Natsus Worte den vor sich hin schwelenden Zweifel explodieren lassen. Ich mache mir nur Sorgen, wie wir ihr den wieder nehmen können.“

„Die Frage ist gut“, murmelte Mirajane. „Sie wirkte gestern richtig verzweifelt.“

Levy trat zu ihnen. Sie seufzte und ließ sich in den Sand sinken. „Ich kann sie verstehen“, murmelte sie. Mirajane und Erza blickten sie aufmerksam an, während sie weitersprach. „Manchmal habe ich auch diese Gedanken, da komme ich mir schwach und wie eine Last vor. Aber eigentlich ist doch klar, dass man nur zusammen etwas erreichen kann. Wozu gibt es sonst Teams? Damit man einander die eigenen Schwächen ausgleichen und die Stärken aufbauen kann, oder nicht?“

Mira nickte. „Aber wenn man wie Lucy die eigene Stärke nicht mehr sehen kann, ist …“ Sie brach ab.

„Ist man gefangen in seinen Selbstzweifeln“, beendete Erza den Satz für sie.

Levy schloss kurz die Augen. „Braucht Lu-chan wirklich nur Zeit? Ich habe Angst“, gab sie zu. „Angst, dass ihre Zweifel sie überschatten und sie danach nicht mehr sie selbst ist.“

Erza schaute ernst. „Das werden wir nicht zulassen.“ Doch obwohl sie dies sagte, fühlte auch sie die Angst, Lucy an etwas zu verlieren, dass nur eine Person verhindern konnte – und das war Lucy selbst! Nur wenn Lucy einsah, dass sie gut war wie sie nun einmal war, würde sie wieder so sein können, wie sie es mal gewesen war...
 

Stunden verbrachten sie am Strand, genossen das gute Wetter in einer heiteren Atmosphäre. Am Abend entschieden sie zu grillen.

Lucy stieg in einem geeigneten Moment alleine die Treppen zum Zimmer hinauf, betrat dieses und ließ sich erschöpft gegen die Tür gleiten. Ja, der Tag hatte Spaß gemacht. Keine Frage, die Anderen verstanden ihr Handwerk, Sorgen fortzublasen. Leider nicht auf Dauer... Lucy seufzte. All die Aufregung am Strand hatte an ihren sowieso noch dürftigen Kraftreserven gezerrt. Sie spürte eine innere Wut aufsteigen. Die Wut, die sie inzwischen häufig verspürte, war rasende Wut auf sich selbst. Würde sie je auch nur an ihre Freunde heranreichen? Eines Tages ebenbürtig an ihrer Seite stehen können? Momentan zweifelte sie sehr daran. Natürlich, Levy lag nicht falsch, dass man gemeinsam stark sein konnte, doch wie oft musste Lucy sich von ihren Freunden helfen oder gar retten lassen? Sie wusste nicht mehr, wie oft es gewesen war, nur das es unzählige Male passierte. Allein gerade jetzt, wo sie hier eine Art Urlaub machten! Das war ihre Schuld, sie hielt mit ihrer Schwäche die Anderen von ihren Missionen, ihrer Grundlage für ihren Lebensunterhalt ab.

„Scheiße!“, fluchte sie leise und stemmte ihre Fäuste gegen ihre Stirn. Erschöpfung hatte sie ergriffen, ihr Kopf schmerzte vor Müdigkeit, dennoch hasste sie sich regelrecht dafür, auch nur einen Moment zu ihrem so einladend wirkendem Bett zu blicken. „Ich hasse es. Ich hasse es! Ich hasse mi...“ Sie stockte. Hatte sie das gerade echt sagen wollen? War sie denn wirklich schon so weit, dass sie sich selbst derart verachtete?

Ein Räuspern ertönte. Erschreckt hob sie den Kopf. Loke stand vor ihr. Moment, vor mir?!, fragte sie sich fassungslos und drehte sich zu der Tür, an der sie immer noch lehnte, als könnte diese irgendwie aufgegangen sein, ohne das sie es bemerkt hatte. Aber die Tür war, wie sie selbst feststellte, weiterhin zu. Wie hätte sie auch geöffnet werden können, ohne das sie es mitbekam? Wie lang war Loke dann schon im Zimmer? Von Anfang an? Und was hatte er bitte im Schlafraum der Mädchen zu suchen?

Sie öffnete den Mund, jedoch kam er ihr zuvor. „Nein, ich bin nicht durch die Tür gekommen und war nicht vor dir hier.“ Er fuhr sich durchs Haar. „Ich hab einfach das Tor der Spiritwelt benutzt, um genau vor dir aufzutauchen.“

Lucy runzelte die Stirn. „Weil ich ein paar Minuten weg bin?“

„Weil du ein paar Minuten mehr oder weniger still, aber völlig allein leidest.“

Sie warf ihm einen bösen Blick zu. „Ich bin bloß müde!“

„Wieso rutschst du dann am Boden herum statt dich hinzulegen?“ Er kniete sich vor sie. „Lucy, bitte, wir machen uns Sorgen um dich und...“

„Ja, ich weiß“, knurrte sie und ihr Ausdruck gab deutlich zu verstehen, wie sehr ihr diese Sorge missfiel.

Loke sah ihr ernst ins Gesicht. „Was du vorhin gesagt hast...“

Schamröte stieg ihr ins Gesicht. „Wovon redest du?“, fragte sie ausweichend.

„Lucy!“ Diesmal zeigte seine Stimme, das er keine Unterbrechung dulden würde. „Dich selbst schwach zu nennen ist eine Sache, sich selbst zu hassen eine völlig andere. Bist du dir eigentlich im Klaren, was das heißt?“

Lucy riss der Geduldsfaden. „Nein, weißt du?“, brüllte sie dermaßen laut, dass wohl der ganze Ort sie hören können müsste. „Ich philosophiere nur vor mich hin, was ich alles nicht erreiche! Ach ja, und zufällig ist da ja auch noch, dass ich alle damit belaste, das ich verdammt schwach bin und immer gerettet werden muss, immer Hilfe brauche und einfach gar nichts selber auf die Reihe kriege! Das sogar meine Freunde mich schwach nennen! Und ich es auch prompt mit einer Landung im Krankenhaus bestätigen muss!“

„Du hast dich halt übernommen. Lucy, nicht jeder kann...“

„Nicht jeder kann stark sein?! Tja, jemand so schwachen wie mich wirst du auch nicht oft finden! Wo bin ich nicht verachtenswert?“

Er packte sie wütend am Kragen. Nun kribbelte es auch ihn, ihr eine Ohrfeige zu verpassen. „HALT DIE KLAPPE!“ Seine Stimme dröhnte durch den Raum. „Schwach? Verachtenswert? Wer hat mich vor dem sicheren Tod gerettet? Wer ist seinem Vater gegenübergetreten, um einen reinen Tisch zu machen? Wer hat Angel von Oracion Seis besiegt? Würdest du deine Augen nicht vor deiner Stärke verschließen, dann...“ Plötzlich übermannte es ihn. Tränen flossen ihm über die Wangen, er fing an sie zu schütteln, ehe er sie heftig an sich drückte. „...dann wärst du endlich wieder in der Lage, die Lucy zu sein, die ich kenne.“

Sie starrte ihn an. Jetzt hatte sie ihn wirklich verletzt, das sah man. Und doch spürte sie weiter die Wut auf sich. Wäre sie stärker, wäre diese Situation überhaupt nicht entstanden.

Er durchschaute ihre Gefühle, seine traurigen Augen verrieten es. Deshalb überraschte es sie nicht, als er sie losließ und sich aufrichtete. Doch seine Worte trafen sie. „Lucy...ich will, dass du den Vertrag mit mir löst.“

Ihr klappte der Mund auf. „Was? Wie...Loke, ich...“ Tränen brannten ihr in den Augen. „Nein...ich...das kann nicht dein Ernst sein...ich...“

Loke schaute sie nicht an, er konnte es nicht mehr. „Es ist mein Ernst.“ Er ging zur Tür, zog diese auf, wobei er Lucy recht grob zur Seite schob, und verließ den Raum.

Die Anderen, die nun vor der fassungslos am Boden sitzenden Lucy standen, schwiegen zunächst, ehe sich Mira einen Ruck gab und sich vor Lucy hockte. Sie schien nach den richtigen Worten zu suchen. Schließlich sagte sie bloß: „Du solltest dich hinlegen.“

Lucy schien sie nicht gehört zu haben. „...Vertrag...auflösen...“

Mirajane strich ihr über den Rücken. Mithilfe von Levy und Erza schaffte sie es dann doch, Lucy ins Bett zu bugsieren. Diese sprach nicht mit ihnen, sondern murmelte solange über Lokes Worte, bis sie einschlief.
 

Am nächsten Morgen herrschte zwischen Lucy und Loke ein eisiges Schweigen. Und auch sonst zeigte sich Lucy nicht gerade freundlich oder gesprächig. Eigentlich lag sie die meiste Zeit auf dem Sofa und schien Gedanken nachzugehen, die sie mit niemandem zu teilen gedachte.

Loke betrachtete sie sorgenvoll, bevor er mit den Anderen in einen anderen Raum ging, um die Situation zu besprechen. „Ihr habt gehört, was sie von sich gesagt hat?“, fragte er mit fast tonloser Stimme, die Zeugnis davon war, wie nah ihm die Sache ging.

Betreten nickten alle.

„Das sind keine reinen Zweifel mehr“, murmelte Erza. „Sie bricht zusammen!“

Natsu schüttelte den Kopf. „Sie ist gebrochen. Schau sie dir mal an. Das ist nicht mehr die Lucy, die wir kennen.“ Er ballte die Fäuste. Und es ist meine Schuld!, fügte er in Gedanken hinzu. Warum hatte er ihr so etwas gemeines, etwas verletzendes an den Kopf werfen müssen? Hätte er es nicht getan, wäre alles eventuell ganz anders gekommen. Und nun litt sie nur noch, litt innerlich Qualen, die sie dazu trieben, sich selbst zu hassen. Er musste irgendetwas dagegen tun! Wenn nicht um ihretwillen, dann um seinetwillen. Sein Herz blutete immer mehr, wenn er sie in diesem Zustand sah.

„Loke, ich denke nicht, das du den Vertrag lösen solltest“, meinte Levy zaghaft. „Das wirft sie nur tiefer in das Loch.“

Loke nickte langsam. „Ich weiß...aber ich ertrag es nicht.“ Er öffnete und schloss die Faust. „Das, was sie gestern gesagt hat, hat sie nicht nur so daher gesagt. Sie meinte es, ich hab es ihr angesehen. Sie beginnt sich dafür zu hassen, nicht zur Elite zu gehören.“

„Aber warum will sie das plötzlich unbedingt?“, fragte Levy.

„Weil sie in einem Team voll Stärkeprotzen ist“, antwortete Mirajane sofort und blickte Gray, Erza und zuletzt Natsu an. „Und wie Loke bereits sagte, sie bemerkt ihre eigene Stärke überhaupt nicht.“

Natsu schämte sich. Wie hatte er nur zu ihr sagen können, sie sei die Schwächste im Team? Genau danach hatte sie angefangen, sich in ihre Arbeit zu stürzen. „Ich werde mit ihr reden.“

Die Anderen schauten ihn an.

„Was willst du zu ihr sagen?“, fragte Gray zweifelnd.

Natsu bekam einen sehr ernsten Ausdruck. Statt Gray zu antworten, ging er ins Wohnzimmer und trat ans Sofa, auf dem Lucy bauchlings lag. Diese hob die Augen, sagte jedoch nichts.

Er atmete tief ein. „Ich möchte mit dir reden.“

Sie antwortete nicht, ihre Mimik verriet, dass sie keine Lust auf ein Gespräch hatte. Ihr war schließlich auch klar, wie laut sie gestern gewesen war. Alle mussten gehört haben, was aus ihr ausgebrochen war, mussten um ihre Gefühle, um ihren Hass wissen. Damit hatte sie mal wieder ihre Schwäche bewiesen, ihnen allen Sorgen bereitet.

„Lucy!“ Natsu fasste sie am Arm und zog sie trotz ihres Widerwillens hoch. „Komm mit, ich möchte mit dir alleine etwas sehr wichtiges besprechen.“

Sie schüttelte den Kopf. „Lass mich in Ruhe!“

„Nein“, widersprach er ihr. Seine Augen trafen die ihren. Anders als erwartet fand Lucy in ihnen eine wilde Entschlossenheit.

Natsu lächelte schwach. „Kommst du bitte mit?“

Sie zögerte, ehe sie wieder den Kopf schüttelte. „Ich will nicht mit dir reden. Lass mich...bitte in Ruhe!“

Als hätte er diese Antwort erwartet, schüttelte auch er den Kopf. „Sorry, aber das kann ich nicht. Lucy, verzeih mir, was ich jetzt tu.“

Bevor sie auf diese Worte überhaupt irgendwie reagieren konnte, riss Natsu sie in die Höhe und legte sie sich über die Schulter. Überrascht stieß sie einen spitzen Schrei aus.

„Natsu!“

Er ignorierte sie, schritt auf die Haustür zu. Die Anderen standen an der Zimmertür und wirkten ebenfalls überrascht, doch keiner sagte etwas. Wenn jemand zu Lucy durchdringen würde, so würde dies gewiss Natsu sein. Die Beiden hatten eine besondere Verbindung.

Natsu verließ mit Lucy im Gepäck das Haus...
 

Natsu ließ Lucy hinunter. Kaum stand diese auf dem Boden, schubste sie ihn von sich weg und ballte die Fäuste.

Diese Aktion von ihm hatte ihr nur wieder mal gezeigt, wie sie sich nicht einmal gegen ihre Freunde wehren konnte, wenn sie denn wollte. Aber Moment!, dachte sie. Gegen meine Freunde? Seit wann will ich mich gegen meine Freunde richten? Sie fasste sich an den Kopf. Nein, sie wollte sich nicht gegen ihre Freunde richten, aber sie wollte von ihnen auch nicht wie ein Kind behandelt werden! Sie wünschte sich doch einfach auf selber Stufe mit ihnen stehen zu können. Und dazu brauchte es Stärke. Stärke, die sie nicht hatte, noch nicht.

„Lucy...“, fing Natsu an. „Du bist stark.“ Sie konnte ihn nicht ansehen. Natürlich war sie es nicht. Er wollte sie nur aufheitern, log extra für sie. Er sprach weiter: „Doch, du bist stark. Du bist Lucy von Fairy Tail! Stell dir mal vor, was ohne dich wäre?“

Sie schwieg weiter.

„Ich würde mich immer noch ewig mit Gray weiter prügeln und vor Erza...vor Erza...ich gebs zu...vor ihr erzittern. Ein Team wäre absolut unmöglich! Unmöglich, nicht vorstellbar! Verstehst du, was die Situation geändert hat?“

Sie blickte kurz zu ihm. „Eure gemeinsamen Erfolge.“

„Genau. Und diese waren nur möglich, weil du dabei gewesen bist!“

Lucy schluckte. „Das stimmt nicht. Erza wollte mit Gray und dir gegen Eisenwald kämpfen. Mira hat mich mitgeschickt.“

„Weil sie wusste, wie schlecht wir einzeln miteinander zurecht kamen. Und kaum warst du dabei, haben wir es geschafft, als Team zusammen zu arbeiten.“

„Ihr streitet euch immer noch!“

„Aber anders! Und das weißt du sehr genau!“

Sie nickte zaghaft. „Aber das hat nichts mit mir zu tun...“

„Doch! Du bist der Faktor, der uns für ein Team gefehlt hat! Du gehörst einfach zu uns. Darin liegt deine Stärke. Du verbindest uns.“

Lucy starrte ihn erst sprachlos an, dann murmelte sie „So ein Quatsch“, doch ihr Blick wirkte sanfter, ruhiger, glücklicher...

Nightmare

Als die Beiden zurückkamen, hatte sich offensichtlich etwas geändert. Lucy redete mit Natsu, auch wenn sie dabei ein wenig zurückhaltend wirkte, und hin und wieder glitt ihr doch mal ein Lächeln übers Gesicht.
 

Lucy schaute zu Loke herüber. Er erwiderte den Blick.

Sie schluckte, atmete tief ein und ging auf ihn zu. „Loke...also...“ Sie konnte ihn nicht ansehen, es ging einfach nicht. Mehrmals öffnete sie den Mund um weiter zu sprechen, aber kein Ton kam hervor. Ihr war nicht klar, wie sie das, was sie sagen wollte, sagen sollte.

„Ich weiß“, sagte Loke schließlich. „Lucy, ich will mich nicht mit dir streiten. Aber ich hab dich zu gern, als das ich das, was du gesagt hast, ignorieren könnte.“

Sie schlang ihre Arme um ihren Oberkörper. Sie fühlte sich unwohl. Auch wenn Natsu so nett zu ihr gewesen war und sie sich doch irgendwie besser fühlte, war ihr klar, dass sich an ihrer Situation nicht viel geändert hatte. Sie stand nicht auf selber Stufe mit Natsu, Gray oder gar Erza.

Loke blickte sie durchdringend an. „Lucy, lass uns dir helfen.“

„Ich brauch keine Hilfe“, murmelte sie.

Er seufzte, entschied jedoch, dass Thema für den Moment ruhen zu lassen. Sie sah einfach nur fertig aus. Ihre Kräfte waren noch nicht vollständig zurück. Stattdessen sagte er nur: „Mira hat Essen gekocht. Lass uns reingehen, bevor unsere Meute alles verschlingt.“

Froh über den Themawechsel lächelte sie kurz und nickte.

Drinnen wartete eine reich gedeckte Tafel auf sie. Nach dem Essen zog Levy sie zur Seite und bat sie, ihr zu folgen. Sie gingen nach draußen und setzten sich unter einen großen Baum. Zunächst herrschte Schweigen. Levy blickte ihre Freundin durchdringend an, ehe sie ein wenig näher an diese rückte und die Arme um sie legte.

„Ich hab dich lieb, Lu-chan“, sagte sie und drückte sie.

Überrascht sah Lucy sie an. Sie waren Freundinnen, natürlich hatte sie Levy auch lieb, aber war das alles, was Levy wollte? Wollte sie nicht schimpfen, ihr Vorwürfe machen? „Ich dich auch.“

„Ich hab dich lieb“, wiederholte Levy. Sie hatte sich sehr genau überlegt, wie sie mit Lucy reden würde, und wie sie ihr helfen würde. Und wenn sie es hundert mal sagen müsste! „Ich hab dich wirklich lieb. Ich mag dich so, wie du bist. Ich bin gerne mit dir zusammen. Ich rede gerne mit dir. Ich lache gerne mit dir. Ich vertraue dir. Und weißt du warum?! Weil ich dich lieb hab!“

Es fühlte sich komisch an. Lucy wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Sie liebte die Gilde und besonders Levy zählte sie zu ihren engeren Freunden. „Ich...also...“

Levy lächelte sie an. „Du bist mir wichtig.“

„Du m...“

„Ich hab dich wirklich lieb. Glaubst du mir das?“

Lucy zuckte kurz. Was sollte die Frage? „Natürlich!“

„Wirklick?“

„Ja!“

„Du bist mir wichtig. Glaubst du mir das auch?“

„Was soll das? Das steht doch überhaupt nicht in Frage!“

„Glaubst du mir?“

„Ja“, antwortete Lucy abermals, auch wenn sie sich wunderte, was diese Fragerei bringen sollte.

„Ich vertraue dir. Glaubst du mir das?“

„Ja, ich glaube dir. Wieso fragst du so etwas überhaupt?“

„Du weißt also, dass ich und die Anderen dich lieben und dir vertrauen?“

„Du weichst meiner Frage aus.“

Levy wartete. Ihr Ausdruck zeigte deutlich, dass sie nicht eher antworten würde, als wenn Lucy zuerst ihre Fragen beantwortete.

„Ja, ich weiß das“, murmelte sie. Ihre Wangen röteten sich ein wenig. Irgendwie war das peinlich.

„Vertraust du uns?“

Sie schaute ihre Freundin an und begriff. Jetzt wusste sie, was Levy erreichen wollte. Sie musste wegschauen, doch schweigen konnte sie nicht, dass hätte zu sehr weh getan, zumal sie nicht log bei dem, was sie antwortete. „Ja, ich...vertraue euch allen.“

Levy drückte sie noch einmal an sich. „Danke.“ Eine kurze Pause folgte. „Ich liebe dich. Du bist meine beste Freundin, Lu-chan. Deshalb möchte ich, dass du etwas für mich tust.“

Lucy erwiderte die Umarmung sacht und nickte wortlos.

„Sag, dass du dich magst.“

Lucy zuckte und spürte, wie ihr Mund trocken wurde. Das sie die anderen liebte war die eine Sache, sich selbst zu lieben eine andere. Oder? War es wirklich so anders? Das, was die Anderen liebten, war doch sie selbst! Würde sie nun sagen, dass sie sich hasste, wäre das nicht ein Verrat an ihren Freunden, die sie so akzeptierten, wie sie war? Akzeptieren? Aber wie sollte sie sich akzeptieren, so schwach wie sie war?

Ihre Augen wanderten zu Levy. Das, was Levy dabei zu sehen bekam, tat fürchterlich weh. Lucys Augen wirkten plötzlich gepeinigt, voller Verzweiflung. Sie begriff, dass Lucy momentan nicht in der Lage war, ihr das zu sagen, was sie so gern hören würde. Daher zog sie ihre Freundin nur fester in ihre Umarmung und fing an, sie hin und her zu wiegen. „In Ordnung. Sag es, sobald du dich dazu in der Lage fühlst...“ Mit einem Mal fühlte Levy, wie ihr Tränen in die Augen traten, die sich einfach nicht weg blinzeln ließen, sondern ihren Weg ihr Gesicht hinab suchten. Ihre Freundin so verzweifelt zu sehen, war einfach nur grauenhaft, denn sie konnte ihr nicht wirklich helfen. Sie zwang ihre Stimme, so fest wie möglich zu klingen, und wiederholte immer wieder „Ich hab dich lieb!“.
 

Blut bespritzte sie, heißes, rotes Blut. Es tauchte alles in ein brutales, grausames Rot, schien alle anderen Farben in sich aufzusaugen. Ihre Kehle schnürte sich zu, ihre Augen starrten entsetzt zu ihm. Er kniete knapp einen Meter von ihr weg auf dem Boden, hatte den Arm hilfesuchend nach ihr ausgestreckt, seine weit aufgerissenen Augen hatten sie angefleht, ihm doch zu helfen, doch sie hatte sich nicht bewegen können.

Und nun war es zu spät! Das Leben floss aus ihm, seine Augen verloren ihren Glanz allmählich.

Der Schatten vor ihm hatte ihn getötet, ermordet.

Gray sank zu Boden. Leise ertönte seine Stimme, ein kaum hörbares Röcheln: „Wa...rum...hast...du mich...sterben...lassen? Warum?“

Es stach ihr ins Herz. Sie wollte schreien, zu ihm laufen, ihm irgendwie vor diesem Schicksal beschützen, aber alles, was sie tun konnte, war ihn wortlos anzusehen, denn sie erlag ihrer Schwäche. Wenn sie nur genauso stark gewesen wäre, wäre dies niemals passiert. Sie hätte für das Leben ihrer Freunde gekämpft, hätte sie beschützt. Aber weil sie so schwach war, war sie dazu verdammt, wie jemand Unbeteiligtes zuzusehen.

Schmerzvoll brannte der Verlust in ihrer Brust. Warum nur?

„Du bist schuld“, flüsterte die raue Stimme des Schattens. „Du bist schwach. Wärst du nicht so schwach, hätte ich ihn nicht getötet. Es ist deine Schuld! Deine Schuld!“

Meine Schuld...Lucy zitterte. Ja, es war ihre Schuld! Wegen ihr hatte Gray sterben müssen. Nur wegen ihr!

Der Schatten wandte sich Natsu zu, der bewusstlos am Boden lag.

Sofort wusste sie, was nun kommen würde. Alles in ihr schrie danach, endlich etwas zu tun, den Schatten von dem abzuhalten, was er vor hatte. Sie rührte sich nicht, bewegte nicht einen Muskel, öffnete nicht den Mund, um zu schreien, zu rufen, zu flehen. Sie war schwach, war hilflos! Nein!, dachte sie verzweifelt. Nein...nein...nein...“NEIN!“
 

“NEIN!“, schrie sie entsetzt und fuhr auf. Dabei knallte sie mit jemandem zusammen. Schmerz schoss ihr durch den Kopf und sie sank stöhnend ins Kissen zurück. Mit Tränen in den Augen blinzelte sie.

Über sie gebeugt standen Levy, Erza, Natsu und...Gray. Sie schrie erneut auf und umarmte Gray. Sofort, als sie ihn gesehen hatte, hatte sie gewusst, dass sie nur geträumt hatte, dennoch musste sie diesem Impuls folgen. Tränen brannten ihr in den Augen, während sie den verwirrten Gray an sich presste.

Jemand strich ihr beruhigend über den Rücken. „Du hast nur geträumt“, sagte Erza laut, als wolle sie mit der Entschiedenheit in ihrer Stimme die bösen Geister des Traumes vertreiben.

Gray würgte ein „Du erdrückst mich“ hervor. Sogleich ließ sie ihn los. Wie dumm hatte sie sein können? Natürlich war Gray nicht tot. All das hatte von Anfang an nicht wahr sein können, war voll von Irrealem. „Entschuldige...“

Mirajane und Cana kamen ins Zimmer. Sie trugen eine Schüssel mit Wasser und einen Tuch. Sofort setzte sich Mirajane zu ihr ans Bett. „Alles ok?“

Lucy nickte. „War nichts...nur ein Traum...“

„Offenbar ein ganz schön schlimmer Traum.“ Mira drückte sie in die Kissen, nahm das nasse Tuch und legte es ihr auf die Stirn. „Du hast etwas Fieber.“

Lucy runzelte die Stirn. Fieber? Verdammt! Ihr Körper wollte sie scheinbar noch mehr bloßstellen. Diese Schwäche konnte doch nicht mehr lange anhalten! Sie musste wieder auf die Beine kommen, um ihre Freunde zu beruhigen und dann wieder zu trainieren. Trainieren, um stark zu werden!

„Möchtest du etwas trinken?“, fragte Levy.

„Nein.“ Sie zwang sich zu lächeln. „Mir geht es gut.“ Sie zog sich das Tuch von der Stirn. „Tut mir leid, wenn ich euch geweckt hatte. Und...“

Mira nahm ihr das Tuch aus der Hand und legte es ihr wieder auf die Stirn. „Ist schon in Ordnung. Versuch weiter zu schlafen.“

„Mmmm.“
 

Am nächsten Morgen betrat sie gerade mit Levy in die Küche, als die Anderen sich begeistert auf sie stürzten. „Lass uns wieder ans Meer!“

Sie schienen bemüht, ihre gute Laune mit ihr zu teilen. Lucy schaute weg. Sie hatte überhaupt keine Lust schon wieder ans Meer zu gehen. Dies war ihr wohl am Gesicht abzulesen, denn Natsu nahm ihre Hände und zog sie näher zu sich. „Keine Widerrede!“

„...“
 

Lucy wandte sich um. Die Wellen wurden stärker und auch der Wind blies kräftiger als zuvor. Sie schaute zu den anderen. Keiner schien die Wetterveränderung zu beachten. Ihr Blick wanderte wieder zum Himmel. Dort war nicht eine Wolke zu sehen, ein herrliches Blau strahlte unablässig. Bildete sie sich die Wetterveränderung nur ein?

Gray kam auf sie zu. „Was hast du?“

„Merkst du das?“, fragte sie ihn.

„Was?“

„Das Wetter...wird schlechter, oder?“

Gray schüttelte den Kopf. „Wovon redest du? Ist doch tolles Wetter.“ Plötzlich musterte er sie ernst. „Ist es, weil du keine Lust hast?“

Sie schüttelte ihren Kopf nun ebenfalls. „Vielleicht hab ich es mir eingebildet.“

„Bestimmt“, sagte er lächelnd. Er sah sie noch einmal durchdringend an, als wolle er herausfinden, ob wirklich alles in Ordnung war, dann entfernte er sich, um sich Natsu vorzunehmen, der wie immer nur Unfug machte.

Lucy drehte sich wieder dem offenen Meer zu. Der Anblick war herrlich und doch...irgendetwas beunruhigte sie. Was, dass wusste sie selber nicht.

Hätte sie doch nur auf ihr Gefühl gehört...

Der Fremde

„LUCY!“, brüllte Natsu, der gegen die Wellen ankämpfte.

Der Sturm war wie aus dem nichts aufgetaucht. Plötzlich hatte das Meer getobt, Wolken waren erschienen und ließen ihren Regen kalt hinunterfallen.

Lucy versuchte ihm näher zu kommen, steckte die Hand nach ihm aus, aber sie erreichte ihn nicht. Allmählich ließen ihre Kräfte nach, sie spürte, wie sie immer müder, immer entkräfteter wurde. Gleichzeitig trieb sie wieder ein gutes Stück weiter auf das offene Meer zu.

Gray, der ebenfalls versuchte sie zu erreichen, rief irgendetwas zu den anderen, die Lucy nicht sehen konnte.

Eine Welle zog sie ins Wasser hinab. Luft! Luft!, schrie es in ihrem Kopf. Sie hatte das Gefühl, es nicht wieder an die Oberfläche zu schaffen. Sie würde ertrinken! Sie war zu schwach, um die Wasseroberfläche zu erreichen. Schwach? Nein, sagte sie sich, gegen ihre eigene Verzweiflung ankämpfend, sie durfte nicht aufgeben! Hoch!, befahl sie sich. Trotz ihrer schmerzenden Muskeln und ihrer brennenden Lunge versuchte sie nach oben zu gelangen und schließlich schoss sie durch die Wasseroberfläche, um ringend nach Luft zu schnappen. Die brutalen Wellen warfen sie von einer Seite zu anderen, sie konnte die anderen nicht mehr sehen, hörte in scheinbar weiter ferne jedoch die Rufe, am lautesten Natsu.

„NATSU!!!“, schrie sie verzweifelt um Hilfe.

Dann verschlang eine riesige Welle Lucy erneut, riss sie hinab in die Tiefen des Meeres...
 

Kalt...es war so kalt... Lucy zitterte, ein Hustenreiz befiel sie. Sie war durchnässt, durchnässt bis auf die Knochen. Ihre Kleidung klebte ihr am Körper. Sie lag auf einem weichen, nassen Untergrund, in den sie ihre Finger einsinken lassen konnte. Sand, es musste Sand sein. Doch die Erschöpfung, die von ihr Besitz ergriffen hatte, zwang sie, die Augen geschlossen zu halten.

Etwas warmes berührte ihren Hals und nach einer Weile wanderte es zu ihrer Wange. Es war angenehm. Plötzlich spürte sie, dass sie hochgehoben wurde. Trotz der Anstrengungen öffnete sie die Augen einen Spalt weit. Alles war verschwommen, sie konnte kaum etwas erkennen. Jemand trug sie. Jemand mit dunklen, schwarzen Haaren. „G...Gray?“, hauchte sie.

Doch die Stimme, die ihr antwortete, war nicht die Grays. „Ssssch, ruh dich aus. Wir sind gleich bei meiner Hütte, dort kannst du dich erholen.“ Die Stimme gehörte zweifelsfrei einem Mann, jedoch kam sie ihr nicht bekannt vor. War es ein Fremder? Oder war sie einfach zu müde um wahrzunehmen, wer sie da unter leisem fluchen schleppte.

Sie konnte nicht mehr. Sie schloss die Augen wieder und fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
 

Kling – Kling – Kling

Sanft klang ein kleines Glöckchen durch die Stille. Lucy tauchte aus ihrem Schlaf auf. Müde öffnete sie die Augen und setzte sich auf. Wo war sie hier? Verwirrt schaute sie sich um. Sie lag in einem wohl selbst zusammengeschusterten Bett, wenn man es denn so nennen konnte. Eher war es eine große, längliche Kiste, in der zwei Säcke voller Stroh als Matratze dienten. Eine dicke Wolldecke lag über Lucys Körper. Da fiel es ihr auf. Sie trug nichts, keinerlei Kleidung. Schamröte stieg ihr ins Gesicht und sie wickelte sich in die Decke. Dann schaute sie sich weiter um. Die Einrichtung war spärlich, neben einem Ofen stand ein schlichter Kleiderschrank, daneben ein Bücherschrank. Gegenüber fand sich ein großer Esstisch und vier dazu passende Stühle. Das war alles.

Sie kletterte aus dem Bett und ging auf die Tür zu. Gerade als sie nach dem Türknauf griff, um die Tür zu öffnen, wurde diese bereits aufgerissen und ein junger Mann stieß beinahe mit ihr zusammen. „Holla young woman, du bist wach?“

Lucy klappte der Mund vor Schreck auf. „Natsu?“

Der Mann blickte sie stirnrunzelnd an. Er sah aus wie Natsu, nur das sein Haar pechschwarz war und seine Augen einen etwas eigenartig arroganten Ausdruck besaßen.

„Natsu?“, fragte der Mann und sein Blick wurde prüfender. Sogleich legte er ihr seine Hand auf die Stirn. „Du glühst. Leg dich ins Bett.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich...“

Der Mann kniff die Augen zusammen. „Das war keine Bitte.“ Sein Ton wirkte eisern. Bevor Lucy reagieren konnte, stellte der Mann den Sack, den er getragen hatte, auf dem Boden ab, und umschlang Lucys Hüfte, um sie so grob mit sich zu ziehen und zurück ins Bett zu legen.

Das war ihr nicht geheuer. Daher wehrte sie sich und versuchte sich dem Griff zu entwinden, aber sie hatte keine Chance. Kurz darauf lag sie wieder im Bett und der Typ hatte sich kurzerhand einfach auf sie drauf gesetzt.

„Was soll das? Geh runter von mir!“

Er schaute nur aus dem Augenwinkel zu ihr. „Ich nehme keine Befehle an.“

Sie starrte zu ihm hinauf. Was war mit dem Kerl los? Was sollte das ganze? Die Situation gefiel ihr nicht, sie fühlte sich total unwohl.

Plötzlich merkte sie, wie sein Blick weicher geworden war. Eigentlich waren seine Augen schön, sie wirkten mysteriös, geheimnisvoll und...merkwürdig vertraut. Als gäbe es ein unsichtbares Band zwischen ihnen.

„Rave“, brummte der Mann, ohne zu erklären, was das bedeuten sollte.

„Was?“

„Ich heiße Rave Leengi. Du?“

„Lucy...“ Sie merkte, dass ihr unwohles Gefühl verging. Trotz der Frage, was hier vor sich ging, hatte irgendetwas die Atmosphäre angenehmer, vertraut werden lassen. Es verwirrte sie, aber Angst hatte sie nun nicht mehr.

„Lucy die fast Ertrunkene“, fügte Rave hinzu.

Sie wandte den Blick ab. „Das...Das war ein Unfall.“

Rave drehte ihren Kopf zurück. „Davon bin ich ausgegangen. Wieso musst du das extra erwähnen? Ist es eine Ausrede?“

„Nein!“

Er nickte. „Besser so.“

„Wo bin ich hier?“

„Na hier“, gab Rave die wenig ergiebige Antwort.

„Und wo ist hier?“, fragte sie und schaute ihn durchdringend an.

Er grinste spöttisch. „Dort, wo du dich befindest.“

„Kannst du nicht richtig antworten?“

„Kann ich.“ Sein Grinsen wurde breiter.

„Würdest du es dann mal?“

„Würde ich.“

Sie seufzte. Er würde es ihr nicht sagen. „Ich muss zurück.“

„Kannst du aufstehen?“

„Wenn du endlich von mir runtergehst!“

„Also nein.“ Rave lachte. Er hatte ein schönes Lachen...wie Natsu. Vielleicht fühlte sich Lucy deshalb nicht mehr unwohl. Auch wenn Rave sich gänzlich anders benahm, so war er Natsu äußerlich dennoch sehr ähnlich. Und irgendetwas an ihm war ihr so vertraut.

„Erde an Lucy, starr mir keine Löcher ins Gesicht.“

Sie musste lachen. „Dann wirst du vielleicht leichter.“

Rave sah überrascht über ihre schlagfertige Antwort aus, ehe er wieder grinste. „Leicht ist Ansichtssache.“ Er verschränkte die Arme und sein Ausdruck wurde wieder ernst. „Zurück wohin?“

„Zu meinen Freunden. Sie machen sich gewiss schon Sorgen.“

„Zu diesem Natsu?“

„Unter anderem.“

Rave ließ den Kopf in den Nacken fallen. „Was willst du bei Freunden, die dich nicht mal vorm Ertrinken zu retten wissen?“

Lucy wurde nun doch sauer. „Das war ein Unfall! Was mischst du dich eigentlich ein?! Das geht dich nichts an. Außerdem warst du nicht dabei!“

Blitzschnell fuhr Rave auf, drückte sie an den Schultern tief in die Matratze und kam ihrem Gesicht sehr nahe. „Du weißt nichts, Lucy. Du würdest es bereuen, wenn du jetzt gehst.“

Sie trat nach ihm. „Lass mich!“

Er krallte seine Finger schmerzhaft in ihre Schulter. Sein Gesicht zeigte Wut und...war es Verzweiflung? Fassungslos starrte Lucy ihn an. War er wirklich verzweifelt? Aber warum? Weshalb ließ es ihn so aus der Haut fahren, dass sie zu ihren Freunden wollte? Sie kannten sich doch gar nicht! Was für eine Bedeutung konnte sie, die Fremde, für ihn schon haben?

Rave bemerkte ihren Blick und schien zu begreifen, was er da gerade tat. In einer hastigen Bewegung wich er zurück und sammelte sich, um wieder seine arrogante Miene aufzusetzen.

Lucy stand auf. „Wo sind meine Sachen?“

Wortlos nickte er in Richtung der Stühle. Dort lag ihre Kleidung und ihr Schlüsselbund. Sie guckte zu Rave. Seine Augen folgten ihr. „Ich gehe. Gibt es hier ein Bad, wo ich mich umziehen kann?“

Er schüttelte den Kopf.

Sie wurde rot. „Dreh dich bitte um...“

Wieder schüttelte er wortlos den Kopf.

Lucy stampfte auf, griff ihre Sachen und hüllte sich enger in die Decke, um so zur Tür zu gehen, nicht ohne Rave in den Augen zu behalten. Er rührte sich nicht, schaute sie aber durchdringend an. Erst als sie fast aus der Tür getreten war, öffnete er den Mund: „Willst dich aufpäppeln lassen? Schwache Leistung, kannste nichts selber?“

Als wäre sie vom Blitz getroffen, blieb sie stehen und schaute ihn entsetzt an. Schwach...Tränen stiegen ihr sofort in die Augen. Warum musste er so etwas sagen? Seine Worte bohrten sich in sie rein. Nein, sie wollte nicht schwach sein. Nicht schon wieder. Doch wenn sie jetzt zurückging, würde sie schwach sein. Sie fühlte ja, wie das Fieber bereits an ihr nagte. Aber hier bleiben? Damit würde sie ihnen nur mehr Sorgen machen. War es Schwäche, in schwachen Momenten zu ihren Freunden zu gehen? Sie erinnerte sich an die letzte Zeit. Entschieden straffte sie die Schultern. „Vielleicht ist es schwach“, sagte sie, „aber ohne meine Freunde kann ich nicht stark sein!“

Rave runzelte die Stirn und wendete seinen Blick ab. Er konnte sie offensichtlich nicht mehr anschauen! „Zieh dich an.“

Sie lächelte und tat, wie ihr geheißen, denn sie vertraute ihm. Er schaute nicht. Dann legte sie die Decke zurück aufs Bett. „Danke für deine Hilfe.“

„Lass mich dir eines sagen: Du wirst bereuen, nicht hier geblieben zu sein.“

Sie sah ihn an. Seine trotzige Haltung erinnerte sie an einen kleinen Jungen. Aus einem plötzlichen Impuls heraus ging sie auf ihn zu und wuschelte ihm durchs Haar, wobei sie ihm ein Lächeln schenkte. „Ich weiß zwar nicht, was du da redest, aber danke für deine Sorge.“ Wieso sie das tat, wusste sie selber nicht. Es war einfach über sie gekommen.

Er starrte sie ungläubig an, dann plötzlich griff er sie an den Handgelenken. „Es ist falsch! Du wirst...“ Er schüttelte sie. „Warum? Warum bist du so?“

Sie verstand ihn nicht, wollte sich seinem Griff entwinden. „Lass los.“

Rave seufzte und ließ sie los. Er ging in Richtung Tür und riss sie auf. „Bitteschön, young woman. Auf einen Trip ins Verderben!“

Sie schüttelte ratlos den Kopf und trat hinaus.
 

„Scheiße, wo ist sie nur?!“, schimpfte Gray. Wäre Juvia nur hier gewesen! Sie wäre eine große Hilfe gewesen. Und warum hatte er Lucy nicht ernst genommen, als sie etwas von schlechtem Wetter gesagt hatte? Hätte er richtig reagiert oder wenigstens darauf geachtet, dass alle nah am Ufer blieben, wäre das niemals passiert!

Was war, wenn sie tot war? Es wäre seine Schuld, seine verdammte Schuld, weil er nicht richtig auf sie aufgepasst hatte und das, obwohl sie doch genau hier waren, um sich um sie zu kümmern.

Nein!, dachte er, sie darf nicht tot sein!
 

Lucy keuchte. Das Fieber nagte an ihr, ihre Beine fühlten sich wackelig an, in ihrem Kopf pochte es stetig. Sie brauchte immer wieder Pausen und trotzdem kämpfte sie sich weiter.

Rave, der neben ihr her ging, blickte zurück. Die Hütte lag vielleicht hundert Meter entfernt. Wie sollte sie den Weg bis zu dem Haus, indem die Gilde residierte, in einem solchen Zustand erreichen? Warum hielt er sie nicht einfach auf? Schließlich wusste er sehr genau, was danach geschehen würde. Seine Augen huschten wieder zu seiner Begleitung. Diese war abgesehen von ihren geröteten Wangen bleich und wirkte zerbrechlich.

„Sie war eine starke Frau, bis sie zerstört wurde.“

Er schüttelte widerwillig den Kopf. Daran sollte er nicht jetzt denken! Er musste nur dafür sorgen, dass das, was geschehen war, sich nicht wiederholen konnte. Hätte er sie in der Hütte festhalten sollen, sie einsperren? So war es geplant gewesen. Aber er hatte es nicht gekonnt! Irgendetwas an ihr ließ es nicht zu. Er wollte nicht, dass sie ihn hasste, ihn verabscheute, obwohl er für sie doch nur der große Fremde war. Ein Mensch von Nirgends und ohne Bedeutung. Natsu...diese Person hatte Bedeutung, für sie eine so große Bedeutung, dass wusste er. Er dagegen nicht, denn sie kannte ihn nicht und würde ihn auch niemals kennen.

Seine Augen ruhten auf ihr, ehe er stehen blieb und zum Himmel schaute. Was tat er hier überhaupt?

„Rave?“ Sie war stehen geblieben, holte tief Luft und schaute ihn fragend an. Sie besaß schöne Augen, in ihnen lag eine Wärme, die in ihn zu dringen drohte und sein Vorhaben in Gefahr brachte. Aber gleichzeitig bemerkte er, dass sich etwas über diese Wärme gelegt hatte, etwas zerstörerisches und er wusste genau, was die Quelle davon war.

Er schnaubte, dann hob er die Hand. „Uma Za Kasai!“ Aus seiner Handfläche schoss eine schwarze Flamme, die immer größer wurde und die Form eines Pferdes annahm, bis ein schwarzes Pferd mit einer schwarzen Feuermähne zwischen ihnen beiden stand. „Halt dich daran fest. Aufsitzen geht nicht, aber es wird dir ein bisschen Halt geben.“

Sie sah ihn lange an, ein Blick, der davon zeugte, dass sie registrierte, wie er sie wahrnahm, und das schien sie ihm übel zu nehmen.

„Sie hielt sich seitdem für schwach und wollte keine Hilfe mehr annehmen...“

Dennoch streckte sie den Arm aus, um sich an seinem Magiepferd festzuhalten und weiter zu gehen. Er blieb erst noch stehen, um sie weiter zu betrachten. So stolz, dachte er, stolz und doch so verletzlich. Eine Kälte ergriff ihn, Kälte, die er so oft schon gespürt hatte. Seit er klein war, gab es nur den einen Wunsch. Jetzt hatte er seine einmalige Chance, die Möglichkeit, die Kälte im Keim zu ersticken! Er musste nur seinen Plan durchziehen.

Und so folgte er ihr...

Hoffnung

„Lucy“, rief Natsu froh und wollte auf sie zulaufen, als neben ihr ein Schatten vorbeihuschte und sich auf ihn stürzte. Eine Faust, die umringt von schwarzem Feuer war, traf ihn hart in der Magengrube und schleuderte ihn mehrere Meter nach hinten.

„Rave!“, schrie Lucy auf und ließ vor Schreck das schwarze Pferd los, wodurch sie zu Boden sank. Ihre Beine hatten einfach nachgegeben, obwohl sie doch zu ihnen kommen wollte. „Rave, hör auf!“

Doch dieser ignorierte ihre Rufe und prügelte auf Natsu ein. Dieser war zunächst noch überrascht, aber dann schlug er zurück und kämpfte sich wieder auf die Beine. Jetzt betrachtete er seinen Gegenüber genauer. Seine Augen weiteten sich. Dieser Typ sah fast genauso aus wie er. Er war ein wenig kleiner als er selbst und hatte schwarzes Haar, doch ansonsten ähnelten sie sich wie ein Ei dem anderen.

Erza trat zwischen sie. Ihr Blick hing misstrauisch auf diesem Rave. „Hört auf!“

Levy, Cana und Mirajane waren zu Lucy geeilt. Levy umarmte ihre Freundin sofort. „Wie geht es dir? Oh Gott, du glühst ja!“

Lucy zwang sich zu einem Lächeln. „Hab wohl zu lange gebadet...“ Keiner fand diesen Kommentar lustig, dass konnte man deutlich sehen. Sie schaute weg. Ihre Augen trafen die von Natsu und ein echtes Lächeln kroch über ihr müdes Gesicht.

Rave ballte die Fäuste, als er das sah. Obgleich er hatte damit rechnen müssen, so ärgerte es ihn sie mit diesem Ausdruck zu sehen. Sie würde es noch bereuen!

Er hob eine Augenbraue und drehte sich Erza zu. „Holla young woman, du meinst, mir Befehle erteilen zu können? Ich nehme keine Befehle an, von nichts und niemandem.“

Erza musterte ihn. Er sah Natsu wirklich erstaunlich ähnlich, aber diese Augen...sie waren kalt und kamen ihr irgendwoher doch sehr bekannt vor, aber sie wusste nicht woher. „Wer bist du?“

Rave lachte. „Bevor man jemand nach seinem Namen fragt, sollte man sich selbst vorstellen.“ Er wartete keine Antwort ab, warf Natsu einen eiskalten Blick zu und drehte sich zu Lucy, die von Levy, Cana und Mirajane gestützt wurde. Mit einem Schnalzen ließ er das Magiepferd verschwinden, bevor er lässig auf sie zuging. Plötzlich erschien eine Klinge an seinem Hals. Sein Blick wanderte zur Seite, wo er Erza erblickte.

„Bleib da weg“, raunte sie ihm zu. Auch wenn er mit Lucy erschienen war, so wie er Natsu ohne Grund attackiert hatte, konnte er eine Gefahr für sie sein.

Er seufzte gekünstelt. „So grob, dabei hab ich euren Blondschopf aus dem Wasser gefischt und aufwendig aufgepäppelt. Ihr solltet mir zu Füßen liegen.“

„Für deine Hilfe sind wir dir dankbar“, sagte Mirajane, die ihre Arme um Lucys Oberkörper geschlungen hatte, „aber dein Angriff macht dich zu einer Gefahr.“

Rave legte den Kopf schief. „Ihr würde ich nichts tun, das übernehmt ihr schon.“

„Wie bitte?“

„Ihr habt schon verstanden. Oder warum hat es nicht einer von euch geschafft, sie vorm Ertrinken zu retten?“

Natsu wurde wütend. „Du hast doch keine Ahnung! Du warst nicht dabei!“

„Und DU warst dabei, oder nicht?! Warum also musste ICH sie aus dem Wasser fischen?!“

„Weil...weil...nun ja...“ Natsu ballte die Fäuste. „Du willst darüber reden. Gut, aber nicht jetzt. Jetzt hat jemand anders Priorität!“ Mit diesen Worten ging er an Rave vorbei.

Dieser ballte die Fäuste, knurrte, doch er riss sich zusammen, denn in diesem einen Punkt musste er Natsu Recht geben. Jemand anders hatte Priorität, jemand viel wichtigeres als ein bescheuerter DragenSlayer!
 

Rave saß mittig auf dem Sofa, die Arme zu den Seiten ausgebreitet, die Beine lässig übereinander geschlagen und mit arrogantem Gesichtsausdruck. Ihm gegenüber saßen Erza, Mirajane und Cana. Gray und Natsu standen genau hinter ihnen. Levy war mit Loke oben bei Lucy.

„Also...“, begann Erza, „...wer bist du?“

„Hab ich dir nicht eben erst beigebracht, dass man sich zunächst selbst vorzustellen hat, bevor man jemand anderen nach seinem Namen fragt?“ Rave grinste. „Aber da ich ein Gentleman bin, will ich mal nicht so sein und euch euer schlechtes Benehmen vergeben.“ Er stand auf, legte den einen Arm auf den Rücken, während er den anderen zur Seite schwang und sich tief verbeugte. „Darf ich vorstellen? Rave Luce!“ Mit diesen Worten setzte er sich wieder aufs Sofa und nahm seine vorherige Haltung an.

„Wo hast du Lucy gefunden?“

„The young woman? Na, wie ihr Name Lucy die fast Ertrunkene erkennen lässt – leblos im kalten Blau des Meeres. Hatte wohl 'ne schlechte Tauchstunde.“

„Du...!“ Natsu wollte auf ihn los, doch Gray hielt ihn davon ab. Dabei schaute Gray sich diesen Rave jedoch genau an. Er wurde das Gefühl nicht los, das dieser Natsu absichtlich zu provozieren suchte, obwohl aus der vorherigen Rauferei klar hervorgegangen war, dass Nastu ihm kräftemäßig tausendmal überlegen war.

„Wir sind dir dankbar, das du sie gerettet hast“, sagte Mirajane.

Rave warf ihr einen kalten Blick zu. „Dankbar? Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre sie nicht zu solch nutzlosen Freunden zurückgekehrt.“

Natsu zitterte vor Wut. „Du hast keine Ahnung, wie es zu diesem Unfall gekommen ist!“

Blitzschnell fuhr Rave auf, auch er zitterte. „Oh, ich weiß eine Menge. Und sicher ist, solange sie bei euch Versagern bleibt, wird sie niemals in der Lage sein, sich ihrer Stärke wieder bewusst zu werden und wenn das nicht bald geschieht, ist sie tot!“

Diese Worte taten ihre Wirkung. Stille legte sich über den Raum. Woher wusste Rave von Lucys Selbstzweifeln? Hatte sie ihm davon erzählt, sich ihm anvertraut? Das war unwahrscheinlich. Aber woher wusste er es dann?

Erza musste sofort an Levys Befürchtungen denken. „Ich habe Angst. Angst, dass ihre Zweifel sie überschatten und sie danach nicht mehr sie selbst ist.“

Rave lächelte, offenbar zufrieden mit der Wirkung seiner Worte, und fuhr fort: „Sie wird es noch bereuen, zu euch zurückgekommen zu sein. Das Einzige, was ihr momentan helfen kann, ist Abstand. Einen Abstand, den ihr ihr niemals gewähren könnt. Ob aus Angst, Zuneigung oder sonst was, ihr würdet sie kontrollieren, wie ihr es jetzt tut. Damit steigert ihr aber nur ihren Glauben daran, dass sie schwach sei. Und...“

„Woher weißt du davon?“, fragte Natsu.

Rave grinste spöttisch. „Vielleicht hat sie es mir in der heißen Nacht erzählt, in der ich sie in meinen Armen hielt?“

„Hör auf mit deinen Späßen!“

„Du glaubst mir nicht? Warum dann die ganze Fragerei?“

„...“

Mirajane mischte sich ein. „Du hast Recht, wir können sie nicht alleine lassen. Aber ich glaube, wenn wir sie wirklich alleine lassen würden, würden wir ihr nicht helfen, sondern vielmehr das Gegenteil. Sie hat Probleme! Gerade jetzt braucht sie Freunde um sich.“

Ihr Gesprächspartner gähnte übertrieben.

„Was für eine Lösung schlägst du denn vor?“, fragte Cana gereizt.

„Schließt sie aus der Gilde aus!“

Diesmal hielt nichts Natsu auf, niemand versuchte es überhaupt. Er sprang über das Sofa und schlug Rave mitten ins Gesicht. Was fiel diesem Typen eigentlich ein? Niemals würden sie ein Familienmitglied in einer solchen Krise im Stich lassen! Niemals! „Du Mistkerl! Wir lassen sie nicht im Stich!“

„Wir?!“, schrie Rave zurück. „Du meinst wohl eher du! DU bist doch derjenige, der all das ausgelöst hat! DU hast sie als die Schwächste im Team bezeichnet! DU BIST SCHULD AN ALLEM!!!“ Natsu erstarrte ihn seiner Bewegung. Diese offensichtliche Verwunderung nutzte Rave, ließ wieder schwarzes Feuer um seine Fäuste auflodern und schlug mehrere Male brutal zu, ehe Erza und Gray ihn zurückstießen.

Natsu stand nur da, starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Ihn schockte die Tatsache, dass Rave so genau von seinen Worten wusste, nicht so sehr wie die ausgesprochene Erkenntnis, die schon länger an ihm nagte. Er wusste, er war Schuld. Er hatte ihr diese zerstörerischen Worte in diesem einen unbedachten Moment an den Kopf geworfen, hatte sie in einen Teufelskreis von Selbstzweifeln und Selbsthass getrieben.

„Verschwinde“, zischte Erza und hätten Blicke töten können, wäre Rave sofort leblos umgefallen. „Verschwinde und komm uns und vor allem Lucy nie wieder zu nahe.“

Rave neigte den Kopf ein wenig zur Seite. „Ich gehe. Vorerst. Aber nicht, weil ihr das sagt, sondern um ihr Ruhe zu gewähren.“ Er ging zur Tür, drehte sich jedoch noch einmal um. „Nichts und niemand wird mich davon abhalten, the young woman wiederzusehen.“
 

Es war dunkel, als Lucy die Augen öffnete. Etwas hatte sie aus dem Schlaf schrecken lassen. Neben ihr hörte sie das gleichmäßige Atmen der anderen. Vorsichtig setzte sie sich auf. Ihr Kopf tat weh, ihr ganzer Körper fühlte sich elend schwächlich an. Das verdammte Fieber nagte noch immer an ihr, das spürte sie ganz deutlich.

Ein Schatten kam näher. „Lucy“, flüsterte eine ihr bekannte Stimme.

„Natsu, was machst du hier?“, fragte sie, bemüht leise, um die Anderen nicht zu wecken.

Natsu setzte sich zu ihr. Wortlos nahm er ihre Hand. Überrascht versuchte sie sein Gesicht besser zu sehen. Seine Hand, nein, sein ganzer Körper zitterte.

„Was hast du? Was ist passiert?“

Er zog ihren Kopf an seine Brust, die bebte. Weinte er? Als er sprach, klang seine Stimme ungewohnt brüchig: „Es tut mir leid. Es tut mir so leid.“

„Natsu, wovon red...“ Sie brach ab. Ihr wurde klar, wovon er sprach. Glaubte er wirklich, für ihr Versagen verantwortlich zu sein? Nahm er Rave wirklich ernst? Mit einem Mal wurde ihr bewusst, das sie selbst ihm Anlass dazu gegeben hatte. Ja, sie fühlte sich schon lange zu schwach, doch kaum hatte Natsu ihr ihre Schwäche an den Kopf geworfen, hatte sie diese direkt krampfhaft zu bekämpfen versucht und war kläglich daran gescheitert. Aber sie konnte nicht nichts tun, sie musste stärker werden. Ihrer Schwäche war es zu verdanken, dass jetzt sogar Natsu weinte, sich wegen ihr schuldig fühlt. Schwäche...Stärke...was hatte sie zu Rave gesagt? Ohne ihre Freunde kann sie nicht stark sein. Wieso hatte es in dem Moment so richtig gewirkt, wenn es bei ihren Freunden falsch wirkte, sie mit ihrer Schwäche zu belasten? Sie schämte sich. Wie konnte sie ihm und allen anderen nur so weh tun? Behutsam legte sie ihre Arme um Natsu und drückte ihn sacht an sich. „Dir muss nichts leid tun. Mir tut es leid.“ Sie lehnte ihre Stirn an seine Brust. „Ich bin es, die schwach ist und...“

„Du bist nicht schwach!“

Sie drückte ihn fester. „Nein, ich bin schwach. Und das kann ich nicht ertragen, das konnte ich schon lange kaum ertragen. Du hast keine Schuld. Es tut mir leid. Ich habe deinen Wutausbruch missbraucht, um mir endlich selbst etwas zu beweisen und bin gescheitert. Das hatte nichts mit dir zu tun. Natsu, ich ertrage es nicht, wenn du das glaubst! Bitte...ich weiß, ich bin egoistisch. Ich will euch nicht weh tun und tu es trotzdem. Aber ich kann nicht anders. Es tut weh, immer wieder so weh...“

Natsus Lippen waren sehr nahe an ihrem Ohr. „Du bist nicht schwach. Du bist wahnsinnig stark. Du schaffst es, Menschen zu verbinden, die sich sonst die Köpfe einschlagen. Nicht nur unser kleines Team, auch bei dem Thunder Palast von Laxus warst du es, die die Streitereien von allen unterbrochen und sie zum zusammenhalten bewegt hast.“

Sollte das wirklich etwas mit Stärke zu tun haben? Es bewies nur, dass das Band der Freundschaft zwischen ihnen allen stark war, nicht das sie persönlich stark war. Doch sie beschloss, es ihm zu liebe darauf zu belassen und nur leicht zu nicken.

Er nickte ebenfalls. „Du solltest schlafen. Du wirkst immer noch heiß.“

Sie musste lächeln. „Das kann man auch anders verstehen“, flüsterte sie sehr leise. Als er sie loslassen wollte, griff sie nach seiner Hand. Warum? Das wusste sie selber nicht so genau. Und doch schien er zu wissen, was sie selbst nicht verstand. Er legte sich zu ihr und drückte sie an sich. Wortlos lehnte sie sich an seinen warmen Körper, spürte die starken Arme um sich und fühlte sich geborgen und beschützt. Seltsamer Weise machte es ihr nichts aus, viel mehr fühlte sie sich unglaublich wohl.
 

Sechs Köpfe beugten sich über die zwei schlafenden Personen. Während der Eine leise schnarchte, lag die Andere dicht an ihn gerückt und hatte einen sehr ruhigen und entspannten Gesichtsausdruck. Niemand wagte sie zu wecken, doch die Hoffnung, dass endlich Lucys Heilung eingesetzt hatte, wuchs.

Gedanken

Lucy hatte so herrlich geschlafen wie schon lange nicht mehr. Kein Albtraum, keine negativen Gedanken, stattdessen ein Schlaf voller Geborgenheit, das Gefühl als könne sie sich einfach fallen lassen.

Sie schlug die Augen auf. Natsu lag neben ihr, den Arm um sie gelehnt, und schnarchte laut. Ein leises Lächeln schlich über ihr Gesicht. Wie hatte sie bei diesem Lärm nur schlafen können? Doch aufstehen konnte sie nicht, denn sie wollte nicht riskieren ihn zu wecken. Daher ließ sie ihre Gedanken schweifen. Dabei verging ihr zuvor noch gutes Gefühl. Was war nur geschehen? Anstelle zu trainieren und an sich zu arbeiten, behinderte sie ihre Freunde. Schlimmer noch, sie verletzte sie mit ihrem Verhalten! Aber was sollte sie tun? Nichts? Das konnte sie einfach nicht! Es tat zu sehr weh, als das sie es so belassen konnte, wie es momentan war. Sie wollte endlich selbst etwas erreichen, einen Meilenstein in ihrer eigenen Entwicklung legen. Und doch war sie nun hier bei ihren Freunden, die versuchten sie gesund zu pflegen. Gesund pflegen...aufpäppeln...Rave hatte sie davor gewarnt zurück zu gehen und sie selbst hatte gewusst, dass sie schwach sein würde. Hatte sie ihre Missionen vor dem Krankenhaus nicht auch alleine bestritten? Wieso war sie also wirklich zurückgekehrt? Weil sie ohne ihre Freunde nicht stark sein konnte? Aber war nicht genau das der Grund, warum sie überhaupt mit dem Training angefangen hatte, um eigenständig agieren und den anderen dadurch eine verlässliche Stütze sein zu können? Sie schloss kurz die Augen. Ihre Handlungen waren, wenn man sie von außen betrachtete, eigentlich total inkonsequent. Mal ging sie fort, mal kam sie wieder, nur um am Ende besser nicht wiedergekommen zu sein? Sie öffnete ihre Augen wieder und blickte Natsu ins Gesicht. Sie verlor ihren Weg zum Ziel in diesem Wirr-Warr. Aber war dieses Ziel sinnvoll? Stärke...war sie durch ihre Missionen stärker geworden?

Ja und nein, denn was war Stärke überhaupt? Das Gegenteil von Schwäche.

Sie seufzte. Irgendwie kam sie nicht weiter, als habe sich vor ihr eine unsichtbare Mauer aufgebaut, die es zu durchdringen galt, um wieder zu sehen, was zählte. Wieder?

Lucy presste die Hände auf den Mund und setzte sich ruckartig auf. Ja, wieder! Dieses Gefühl hatte sie nicht immer beherrscht. Wo genau hatte es angefangen? Wo lang der Ursprung ihres Wunsches? Würde sie zu einer Lösung gelangen, wenn sie versuchte ein paar Schritte zurück zu gehen und die Mauer zu umlaufen?

„Was'n los?“, brummte Natsu, der durch Lucys plötzliche Bewegung aus dem Schlaf gerissen worden war.

Lucy schaute ihn an. „Ich...nichts wichtiges.“

Verschlafen sah er sie an, dann schlag er seine Arme um sie und zog sie zu sich herunter. Ihre Gesichter waren sich nah und er musterte sie, ehe er leicht lächelte und ihren Kopf an seine Schulter drückte. „Lass uns heute ausschlafen.“

Erst wollte sie ihn von sich schieben, doch stattdessen hielt sie inne. Natsu machte sich schon genug Sorgen um sie. Außerdem hatten sie früher auch schon alles mögliche gemacht, also warum nicht mal den Tag verschlafen? Vielleicht half es ihr, ein paar Schritte zurückzugehen, damit sie endlich vorwärts kam. Obwohl es ihr schwer fiel, blieb sie liegen, schloss die Augen und murmelte ein leises „Von mir aus.“

Natsu war verblüfft, dass sie zustimmte, aber das sagte er natürlich nicht. Es freute ihn. Dieses Gefühl gestern...er hatte deutlich gespürt, wie sehr er sie verletzt hatte und wie weh ihm das tat, sie leiden zu sehen. Daraufhin fühlte er eine Kälte in sich aufsteigen und die Tränen waren nur so geflossen. Als Freund hatte er versagt und das musste er irgendwie wieder gut machen, das war alles, woran er hatte denken können, als er zu ihr ging. Aber dann, als sie ihm sagte, dass es nicht seine Schuld sei, da war ihm mit einem mal klar geworden, das Lucy unrecht hatte, mehr unrecht als zuvor, denn genau in diesem Moment war er der Schwächste im Raum gewesen. Sie war die Starke! Ohne es zu merken brachte sie die Stärke auf, ihm Mut zuzureden, ihn zu trösten. Er hatte sie gebraucht und er brauchte sie immer noch. Es war anders als mit Lisanna. Natürlich liebte er Lisanna, wie jeden aus der Gilde, vielleicht sogar etwas mehr, aber eher wie eine Schwester. Bei Lucy, so wurde ihm klar, war es eine andere Art, etwas, was er nicht ganz zu begreifen imstande war. Was er jedoch wusste, war, das sie seine Stärke geworden war, seine Stütze. Ob ihr das jemals klar werden würde? Welche Kräfte sie besaß? Er musste alles ihm mögliche tun, um diesmal ihr zu helfen, für sie die Stütze zu sein und ihr zu zeigen, welche Stärke sie bereits jetzt in sich barg.

Sanft strich er ihr übers Haar.
 

Happy saß mit einem riesigen Karton am Tresen in der Gilde. Statt Mirajane kümmerte sich Bisca um die Ausgabe von Getränken und Speisen, wobei ihm der Fischeintopf von Mira fehlte. Er seufzte. Wie es Lucy wohl inzwischen ging? Erholte sie sich? Als er gehört hatte, dass sie verletzt im Krankenhaus lag, hatte er sich mächtig erschrocken. Mehr aber war er entsetzt, nachdem Natsu von einem Besuch wiederkam und ihm erklärte, warum sie die ganzen schweren Jobs auf sich genommen hatte. Gleichzeitig wurde er wütend. Sie und schwach? Was war er denn dann? Nach nur wenig Zeit war seine Wut dennoch verraucht, denn auch er kannte dieses Gefühl, und seine Sorge wuchs. Doch als der Master gefragt hatte, wer alles mitfahren wollte, war er der Einzige gewesen, der nicht hatte mitfahren wollen. Natsu hatte ihn verblüfft angesehen und hitzig gefragt, was das solle, gerade ihr Team sollte mitfahren. Obwohl Happy ihm erklärte, dass er für ihre Rückkehr etwas vorbereiten wollte, hatte Natsu den ganzen Abend nicht mehr mit ihm gesprochen. Später dann aber hatte er ihm geholfen.

Jet und Droy beugten sich zu ihm. „Wie kommst du voran?“, fragte Droy.

Happy hob den Blick kurz, dann streckte er die Pfote wieder aus und fasste ein Foto aus dem Karton. „Ganz gut.“ In der Pfote hielt er ein Foto, dass ihn, Natsu, Lucy und Plue zeigte. Dieses legte er an verschiedene Stellen in einem Blankobuch.

„Da sieht es gut aus. Unter das braucht man nichts schreiben. Das Bild sagt alles“, meinte Jet lächelnd. Happy musste ihm zustimmen. Sie alle lachten auf dem Foto, waren so glücklich, dass es unmöglich gewesen war, diese Stimmung in dem Bild nicht einzufangen und jedem zu vermitteln, der es sich ansah. Also klebte er es fest.

Von allen hatte er Fotos gesammelt, Fotos vom Gildenalltag, von Festen wie dem Hanabi, welches Lucy so sehr liebte, von ihren Missionen, von Ausflügen – einfach von allem möglichen. In dem großen Karton befanden sich nun die seiner Meinung nach besten Fotos. Allein für das Sortieren der Fotos hatte er einen ganzen Tag gebraucht. Genau deshalb hatte er nicht mitfahren können, denn wie hätte er unbemerkt so viel Zeit in sein Geschenk für Lucy investieren können?

Happy war nichts eingefallen, mit dem er ihr über ihre Sorgen hätte hinweghelfen können, denn er wusste nur zu gut, dass dies ein Kampf war, den sie vor allem mit sich selbst austragen würde müssen, aber wenigstens wollte er ihr mit diesem Buch voller Erinnerungen zeigen, was sie für sie alle bedeutete.
 

Rave starrte auf das Haus. Er lag in einer Astgabel in einem nahe gelegenen Baum, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und die Beine ausgestreckt. Ob ihr Fieber inzwischen runtergegangen war? Er brummte missgelaunt. Warum hatte er sie überhaupt gehen lassen? In ihrem Zustand hätte es ihm ein leichtes sein müssen, sie in der Hütte festzuhalten. Aber stattdessen hatte er ihr sogar die Tür geöffnet, wenn auch nicht mit netten Worten. Nette Worte waren sowieso nie seine Stärke gewesen, schon als er klein war, hatte man ihn als unhöflichen ungehobelten Bengel bezeichnet. Interessiert hatte ihn das nie. Was sollte es ihn auch scheren, was andere Menschen von ihm dachten?

„Vielleicht ist es schwach, aber ohne meine Freunde kann ich nicht stark sein!“

Er fuhr sich durchs Haar. Freunde...er selbst hatte nie echte Freunde gehabt und war trotzdem stark geworden. Natürlich hatten die Freunde seines Vaters versucht, ihn mit ihren Kindern anzufreunden, aber er hatte dieses lächerliche Zwangsverfreundschaften nicht mitgemacht.

Doch ihre Augen...sie hatten einen winzigen Moment gefunkelt, vergessen, was sie quälte, ehe sich der Schatten wieder über sie legte. Er hatte sie nicht mehr ansehen können, wusste, dass dieses Funkeln ein Weg für ihre Heilung, dabei aber auch ein Weg in ihre Vernichtung darstellte.

Er strecke seine rechte Hand aus, betrachtete seine Handfläche und ballte sie dann zu einer Faust. Nein, diesen Weg würde er sie nicht gehen lassen. Das Risiko war viel zu hoch! Sie würde nur solange hier bleiben, wie sicher war, dass der kritische Punkt noch nicht mal am Horizont flimmerte, dafür würde er sorgen. Er musste das tun, selbst wenn das hieß, sich ihren Hass zuzuziehen, denn das, was geschehen war, dufte sich einfach nicht wiederholen. Er würde der große Fremde bleiben, ein Mensch von Nirgends und ohne Bedeutung.

Rave blickte wieder zum Haus.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, nach über einem Jahr voller Stress geht es endlich mal weiter mit dieser FanFic, tut mir leid das es so lange gedauert hat >.<
Dieses Kapitel war bis zu diesem Punkt schon seit Monaten "fertig", nur hatte ich ein paar Dinge noch einbauen wollen, zu denen ich erst nicht kam und die mir dann bei der späteren Bearbeitung nicht so recht in dieser Form gefielen. Daher hab ich mich entschieden, es einfach ein kurzes Kapitel sein zu lassen und meine anderen Ideen nun etwas anders als geplant in die nachfolgenden Kapitel zu verarbeiten. Ja, es wird weitergehen! Diesmal hoffe ich, dass ich keine so große Pause mache und den vielleicht noch wartenden Lesern schneller neuen Zündstoff zur Kritik zu liefern xD
Das nächste Kapitel ist jedenfalls auch fast fertig :)

Ich hoffe, dieses Kapitel hat euch gefallen :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (32)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Songohangirl1990
2017-03-25T19:40:43+00:00 25.03.2017 20:40
Oh super geschrieben schreib bitte weiter ich liebe natsu und lucy 😍

Gruß Songohangirl1990 :)
Von:  ultraFlowerbeard
2016-10-07T11:32:09+00:00 07.10.2016 13:32
Jay es geht weiter! Ixh bin schon gespannt
lg Flower
Von:  Glo-chan
2015-11-26T16:20:15+00:00 26.11.2015 17:20
Huuh mach unbedingt weiter!! Mega schön, als Lucy in Natsus armen lag!! ♡.♡
Von:  fahnm
2015-08-18T21:04:33+00:00 18.08.2015 23:04
Spitzen Kapitel
Von:  kathiritsch
2015-03-14T09:24:43+00:00 14.03.2015 10:24
Oh verdammt! Da geht es auch schon nicht mehr weiter *schmoll* Bei dem Fremden musste ich unwillkürlich an Rave (dem anderen Manga und Anime von Hiro Mashima, denken. Weil du ihn wie Natsu beschrieben hast - wenn auch weder wie Natsu rosa noch wie der aus Rave mit weißen Haaren dieser schwarze hat.

Du hast hier einen weiteren Fan der nun sehnsüchtig auf die Fortsetzung wartet
(deswegen mag ich noch keine abgeschlossenen Geschichten ~.~)
Von:  Curupira
2014-04-22T14:02:56+00:00 22.04.2014 16:02
Mehr! Gib mir mehr xD Ich will lesen, will wissen was es mit rave aufsich hat, wobei ich da schon so eine Vermutung habe. Liegt an Raves Nachnamen xD

Ich mag deinen Schreibstil. Wunderschön, Gefühlvoll geschrieben <3

Schreib schnell weiter *_* selten so eine fesselnde Geschichte gelesen. :)
Von:  Mia-sama
2014-04-13T19:19:45+00:00 13.04.2014 21:19
voll cool vor allem die Szene von Natsu und Lucy war schön.
Von:  fahnm
2014-04-13T00:46:26+00:00 13.04.2014 02:46
Yeah^^
Es geht weiter.

Dieser Rave.
Wer oder was ist er nur?
Das kann doch kein Zufall sein das er wie Natsu aussieht.
Von:  bela-chan
2013-12-03T15:36:53+00:00 03.12.2013 16:36
Hey erstmal also ich muss Ehrlich zugeben das deine Idee deine schreib weiße mir richtig gefallen also immer weiter so ;)
Von:  niky-chan
2013-10-23T12:47:11+00:00 23.10.2013 14:47
Raves Nachname hat keine große Bedeutung, oder? *grins*
Okay, sehr interessante Entwicklung und ich bin gespannt, was als nächstes kommt :3


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