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Ein ungewöhnlicher Mitbewohner

von
Koautor:  Caracola

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16. Kapitel

Emily wusste gar nicht, wie sie ins Bett gekommen war. Aber offensichtlich hatte sie es noch geschafft, sich die Zähne zu putzen und den Schlafanzug anzuziehen. Sie wurde von ihrem Wecker unsanft aus dem Schlaf gerissen und drückte noch zweimal den Snooze-Knopf, bevor sie endlich aufstand.

Sie begegnete Patrick im Flur, als sie gerade auf dem Weg in die Küche war, um sich Kaffee und Frühstück zu machen. Leise raunte sie ihm ein „Guten Morgen“ zu und machte dann Frühstück für sie beide.

Später setzt sie ihn beim Zooladen ab und fuhr ins Museum, wo sie sofort Brad in die Arme lief, der sie angeblich zu der Meinung zu den Leichen beglückwünschen wollte. Seine Fragen bezogen sich allerdings mehr darauf, wie die Reise und vor allem Richards Gegenwart gewesen waren. Emily konnte den Ausdruck auf seinem Gesicht nicht richtig deuten, aber er kam ihr fröhlicher vor als sonst und das bedeutete normalerweise nichts Gutes. Er hatte irgendetwas vor, weswegen sich Emily auch so schnell wie möglich aus der Situation zog und an die Arbeit zurückging. Richard konnte nicht mit ihr zu Mittag essen, was Emily aber in Ordnung fand. Sie stürzte sich mit neuer Begeisterung auf den Sarkophag und war am Ende des Tages mit den Flächen, die sie mit Blattgold belegt hatte, sehr zufrieden.

Allerdings saß ihr die Müdigkeit schon bald wieder in den Knochen.

Auf dem Weg nach Hause hielt sie an einem kleinen Supermarkt und kaufte sich Schokopudding mit Sahne und ein Glanzmagazin über Tierarten des Regenwaldes. Sie freute sich schon, mit beidem abends auf der Couch zu sitzen. Außerdem hatte ihr Mona eine SMS geschickt, dass sie später noch anrufen würde.
 

***
 

Gerne wäre Adrian mit den anderen Beiden am Morgen aufgestanden, aber er schaffte es nicht. Irgendwie hatte er vergessen, den Wecker zu stellen und von selbst wurde er natürlich nicht wach, da er immer wie ein Stein schlief. So fand er am nächsten Morgen eine leere Wohnung vor, in der man dennoch die Anwesenheit von anderen Menschen deutlich spüren konnte. Ein Gefühl, das ihm langsam immer unangenehmer wurde. Er hatte zwar schon oft alleine gewohnt, aber es war dennoch etwas anderes, wenn man wusste, dass noch jemand hier lebte. Schon jetzt vermisste er Emily und immer wenn er an sie dachte, gab ihm das fast schon einen kleinen Adrenalinstoß. Was bedeutete, dass er heute ganz schön aufgeputscht war.

Darum beschloss er gleich nach dem Frühstück ins Fitnesscenter zu gehen und seine versäumten Trainingsstunden nachzuholen. Danach duschte er ausgiebig und brachte den Müll hinunter.

Als er vom Müllplatz kam, erblickte er eine alte Dame, die sich gerade mit zwei Einkaufstaschen durch die Eingangstür der Wohnanlage schleppte. Ihre Haut war runzelig, ihre Augen lagen tief in den Höhlen und ihr dünnes Haar schimmerte Silberfarben. Ihre ganze Haltung war gebückt und sie zitterte so stark, als würde sie jeden Moment einen Herzanfall bekommen.

Sofort eilte Adrian herbei. „Entschuldigen Sie, kann ich Ihnen vielleicht beim Tragen helfen?“

Die alte Dame hob mühsam den Kopf und musterte ihn mit ihren stechend grauen Augen. Vermutlich wurde er gerade vollkommen auf mögliche Absichten durchleuchtet. Vielleicht lag es an seinem freundlichen Gesichtsausdruck, oder den gepflegten Klamotten. So oder so schien sie ihn nicht für einen Typen zu halten, der ihr gleich die Brieftasche klauen wollte.

„Wohnst du hier, Jungchen?“, fragte sie mit rauer Stimme, als hätte sie schon seit der Geburt geraucht, auch wenn ihr kein Zigarettenrauchgeruch anhaftete. Sie roch eher nach Puder und verschwitzten Kleidern.

„Ja, im dritten Stock. Ich bin erst seit Kurzem hier.“, erklärte Adrian ihr im Plaudertonfall, woraufhin sie ihm gleich die zwei Einkaufstüten in die Hand drückte und sich auf die erste Treppenstufe quälte.

„Na, dann sind wir wohl Nachbarn. Ich wohne gleich in der Wohnung gegenüber von dem netten Mädchen.“ Sie lächelte leicht gequält, da es ihr wohl große Mühe kostete, die Bürde ihres Alters zu tragen.

Obwohl Adrian eigentlich keine Hand mehr frei gehabt hätte, stützte er die ältere Dame auch noch, was sie dankbar annahm und half ihr in den dritten Stock. Wieso wohnte sie bloß in einem Haus ohne Lift?

„Bist du ihr neuer Freund?“, wollte die Dame nun neugierig wissen, während sie sich oben erst einmal ausruhte und dann ihre Wohnung aufsperrte. Adrian versuchte zu lächeln, aber es wollte ihm nicht ganz gelingen. „Nein, ich bin ihr Mitbewohner. Mein Name ist Adrian.“ Auf ihrem Türschild stand ‚Mrs Jenkins’.

„Komm rein, mein Junge. Stell die Tüten einfach in die Küche. Zweite Tür links.“ Offenbar vertraute ihm die betagte Dame bereits mehr, als er vermutet hätte. Allerdings traf ihre Wohnung Adrians Nase geradezu auf beleidigende Art. Es war nicht so, dass es nach Verwesung stank, viel mehr müffelte es und irgendwo schien auch etwas zu verschimmeln. Auch der Anblick der Wohnung war nicht gerade das, was er sich als eine saubere Umgebung vorgestellt hätte. Zwar lagen überall kleine geklöppelte Deckchen herum und darauf standen putzige Porzellanfiguren, aber trotz der gut gewählten Einrichtung, war es alles andere als gemütlich. Bilder hingen mit getrübten Gläsern an den Wänden. Der Boden war unglaublich staubig, der Teppich fast schwarz vor Dreck und obwohl alles irgendwie an seinem Platz zu stehen schien, war es doch ziemlich herunter gekommen. Kümmerte sich denn hier niemand um diese alte Dame?

In der Küche war es sogar noch schlimmer. Adrian hatte gar keine Ahnung, wo er die Tüten abstellen sollte. Überall stand Geschirr herum, mit angetrockneten Essensresten, verschimmelnden Substanzen und vor sich hin faulenden Gebilden, die vielleicht einmal einer Frucht ähnlich gesehen hatten.

Zwar ging es ihn eigentlich nichts an, aber das hier bekümmerte ihn dann doch. Adrian schob ein paar Zeitungen von einem der Küchenstühle und stellte die Tüten dann darauf ab. Er konnte hören, wie Mrs Jenkins sich ins Wohnzimmer schleppte und sich schwer in einen Couchsessel fallen ließ.

Da sie frische Lebensmittel gekauft hatte, wollte Adrian ihr den Gefallen tun, und sie gleich in den Kühlschrank räumen. Zumindest hatte er das vor, aber als er dessen Tür öffnete, sah er sich sofort einer neuen Herausforderung gegenüber.

Angewidert schüttelte er den Kopf. Das konnte doch nicht wahr sein!

Adrian ging in das kleine geräumige Wohnzimmer, um nach der alten Frau zu sehen und sie bei der Gelegenheit zu fragen, ob sich denn niemand um sie kümmerte, da sie anscheinend selbst nicht mehr dazu in der Lage war. Okay, sie schien noch recht mobil zu sein, aber vermutlich war der Erhalt einer Wohnung doch schon zu viel für sie. Sie hatte ja kaum die Treppen hoch geschafft.

Allerdings verwarf Adrian dieses Vorhaben schnell wieder, als er Mrs Jenkins in einem großen, abgewetzten Sessel schlafend vorfand. Er fischte eine Decke von der Couch und legte sie ihr über die Beine und zog sie auch etwas ihren Oberkörper weiter hinauf, damit sie nicht fror. Danach machte er sich auf die Suche nach Putzzeug, um sich an die Arbeit zu machen. Vermutlich würde es ihr gar nicht auffallen, wenn ihr Kühlschrank wieder in seinem alten Glanz erstrahlte, anstatt des grünen Pelzes. Aber Adrian würde sich weit wohler bei dem Gedanken fühlen, etwas Ordnung in dieses Chaos zu bringen.
 

Im Endeffekt putzte Adrian die Küche mehrere Stunden lang, während sich die alte Dame von dem anstrengenden Einkauf in ihrem Sessel erholte. Danach schrieb er ihr in übertrieben großer Schrift eine Nachricht, wo er die Lebensmittel hingeräumt hatte, damit sich die alte Lady sofort auskannte und ging dann in seine eigene Wohnung zurück. Es blieb gerade einmal Zeit, sich etwas zu erfrischen und sich dann umzuziehen, ehe er auch schon zur Arbeit musste. Heute war sein erster angekündigter Auftritt auf der Hauptbühne.
 

***
 

Natürlich wollte Mona alles wissen. Jede Kleinigkeit, die ihr Emily aber nicht erzählte. Na ja, zumindest nicht jede Kleinigkeit.

„Ja, haben wir. Aber…“

„Was aber?“

„Ich weiß nicht. Irgendwie hab ich das Gefühl, dass ich nicht in ihn verliebt bin… Ich will mich nicht schon wieder auf irgendwas einlassen.“

„Klingt mir nach einem Übergangsmann.“

„Ich wusste, dass du das sagen würdest.“

„Und? Hab ich Recht?“

Es hörte sich so an, als würde Mona bei diesem Satz grinsen. Mit einem tiefen Seufzen überlegte Emily, was sie antworten sollte.

„Vielleicht. Ich meine, er ist nett und irgendwie will ich ihm eine Chance geben, aber andererseits…“ Es war schwer zu beschreiben. „Irgendwas passt schon jetzt nicht und am Anfang sollte man doch Schmetterlinge im Bauch haben und so was… Oder bin ich da zu romantisch?“

„Nein, Schwesterchen. Wenn es der Richtige ist, dann kommen die Schmetterlinge auch.“

Gerade wollte Emily etwas einwenden, als Mona weiter sprach. Und der nächste Satz traf Emily sehr.

„Aber vielleicht brauchst du im Moment nicht den Richtigen. Vielleicht reicht jemand, der dir zeigt, dass nicht nur Idioten auf dich stehen, die dich nur ausnutzen wollen. Nimm’ dir einfach, was du brauchst und wenn er dir auf die Nerven geht, dann ist’s auch in Ordnung.“

„Du weißt, dass das nicht meine Art ist. Ich will ihn nicht ausnutzen.“

„Tu einfach, was dir im Moment gut tut. Er wird dir schon zu verstehen geben, wenn du ihn verletzen solltest.“
 

Nach dem Gespräch dachte Emily noch lange über Monas Worte nach und blätterte nur die Zeitschrift durch, ohne etwas zu lesen. Nicht einmal die bunten Bilder sah sie sich an, sondern grübelte darüber nach, ob sie das konnte – sich nehmen, was ihr gut tat. Sie wusste doch gar nicht genau, was ihr gut tat.

Irgendwann ging sie ins Bett und konnte eine Weile nicht einschlafen. Gerne hätte sie Adrian nach Hause kommen hören, aber dafür war es noch viel zu früh. Wie wohl sein Auftritt lief? Morgen würde sie ihn einmal nach seinen Dates mit Patrick fragen. Das interessierte sie doch sehr.
 

***
 

Als er am nächsten Morgen heim kam, war für ihn gar nicht an Schlaf zu denken, dennoch zwang er sich dazu, sich wenigstens ins Bett zu legen und die Augen zu schließen. Obwohl er immer wieder an die alte Dame denken musste. Sie war schon vorher ohne ihn klar gekommen, aber irgendwie wollte er heute dennoch noch einmal nach dem Rechten sehen. Vielleicht hätte sie nichts gegen einen Kurzbesuch einzuwenden. Das würde ihn zumindest etwas beruhigen.

Sein Wecker läutete um neun Uhr morgens, doch er war schon vor ihm wach gewesen. Jetzt aber konnte er auch gerechtfertigt aus dem Bett steigen und sich anziehen. Danach schlurfte er ins Bad, um sich die Haare zu richten und die Zähne zu putzen.

Während der Kaffee glucksend die Maschine entlang lief, machte er sich mit schnellen Handbewegungen Notizen auf einem Block und kaute nebenbei an einem zähen Brötchen herum. Emily würde hoffentlich auch bald hinzustoßen. Er freute sich schon darauf, mit ihr etwas zu unternehmen. Vielleicht ein Eis im Park essen oder so etwas in der Art. Aber Hauptsache raus aus der Wohnung.
 

Emily sah auf ihren Wecker, der heute in gelb erstrahlte und kräuselte die Nase. Sie war erst nach ein Uhr nachts eingeschlafen und jetzt war es bereits zehn. Zu allem Überfluss hatte sie Adrian schon in der Wohnung herum laufen hören – bei den knarzenden Dielen konnte er sich nicht wirklich verstecken und das musste er auch nicht.

Ohne weiter auf die Uhrzeit zu achten starrte Emily eine Weile an die Decke, bis zur Nasenspitze in ihr Bettzeug vergraben. Sofort nach dem Aufwachen waren ihr wieder Monas Worte eingefallen. Vielleicht wäre es gesund gewesen, endlich einmal selbstsüchtig zu sein, aber das würde Emily nicht übers Herz bringen. Ihr Seufzer wurde von der Daunendecke gedämpft, die über ihren Mund lag. Am liebsten wäre es Emily gewesen, wenn Richard sich einfach nicht mehr bei ihr gemeldet hätte. Dann hätte sie die Reise nach Norwegen unter Erfahrungen abhaken können und gut wars. Da war zwar noch die Tatsache, dass sie zusammen arbeiteten, aber sehen mussten sie sich ja deswegen nicht ständig. Und nach zwei Nächten im gleichen Bett wäre das sicher auch nicht zu peinlich. Immerhin hatten sie keine akrobatischen Übungen oder Rollenspielchen gemacht, die man anderen Menschen als Schwachpunkt des Anderen auf die Nase binden konnte. Auch das hätte Emily niemals im Leben getan, aber sie fürchtete sich davor, was man im Museum herum erzählen könnte, wenn ihre … Affäre mit Richard bekannt wurde.

„Hab ich etwa schon wieder eine Affäre?“ Sie grummelte das letzte Wort, das sie so stark hassen gelernt hatte, in ihre Decke hinein und biss dann kurz in ihren hellblauen Bettbezug. Das war doch alles zum Heulen. Eigentlich hatte Emily gar keine Lust mehr auf Männer.

Mal von Adrian abgesehen, wenn sie ganz ehrlich war. Er vermittelte ihr immer ein wohliges Gefühl und sie fühlte sich so, als könnte sie einfach nur sie selbst sein. Dafür war sie ihm mehr als dankbar. Sie hasste es, sich verstellen zu müssen und das Gefühl zu haben, besser sein zu müssen, als sie war.

Mit diesem Gedanken sprang sie aus dem Bett und ging im Schlafanzug ins Bad. Die Dusche weckte ihre Lebensgeister endgültig und sie legte leichtes Make-up auf, zog sich ihren Lieblingspulli und dunkelgraue Hosen an und suchte sich die Kette heraus, die ihr Mona zum letzten Geburtstag geschenkt hatte. Es war eine dünne Silberkette, an der ein großer Glasstein hing, in den blauer Glitzer in einem kleinen Wirbel eingeschlossen war.

Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen steckte sie ihren Kopf in die Küchen, wo sie Adrian vermutete. Der stand an der Küchenzeile und sah nachdenklich vor sich hin.

„Wunderschönen guten Morgen!“
 

Adrian schenkte Emily schon einmal Kaffee ein, während er sie im Bad hören konnte. Sich selbst tat er den gleichen Gefallen. Nachdenklich rührte er die Milch und den Zucker unter. Interessanter Weise hatte er mit einem Schlag ganz schön viele Dinge zu bedenken. Gerade machte er sich Gedanken wegen seinem heutigen Auftritt und wie er diesen am Besten über die Bühne bringen würde, als er einen fröhlichen Morgengruß hinter sich vernahm.

Mit dem Kaffeebecher in der Hand drehte er sich um, setzte ein strahlendes Lächeln auf und lehnte sich lässig mit dem Rücken gegen die Theke.

Er ließ absichtlich seinen Blick einmal lasziv über Emilys Erscheinung gleiten, ehe er einen Schluck von seinem zweiten Kaffee nahm. „Guten Morgen, Schönheit. Na, wieder ganz fit?“ Er grinste. „Dann kann das Wochenende ja beginnen!“ Ohne diese dunklen Augenringe sah sie tausend Mal besser aus. Außerdem war er froh, sie wieder munter und voller Kraft zu sehen. Das verwischte doch glatt den letzten Eindruck, den er von ihr gewonnen hatte.

„Kaffee?“, fragte er und streckte ihr dann die Tasse hin. „Gefrühstückt hab ich noch nicht wirklich.“ Das zähe Brötchen zählte nicht. „Aber wie wär’s, hättest du Lust mit mir heute Auswärts ein Frühstück einzunehmen? Das Wetter ist heute richtig gut und es soll noch schön angenehm warm werden.“

Er klappte die Notizen zusammen und schloss den Block, auf dem er nun schon haufenweise Dinge notiert hatte. Da er nicht wusste, wie Mrs Jenkins auf fremde Hilfe reagierte, wenn man sie ihr anbot, hatte er sich mehrere Taktiken einfallen lassen, um ihr dennoch unter die Arme zu greifen. In den meisten Fällen würde es dann aber gar nicht wirklich danach aussehen, was sie also sicher dazu brachte, anzunehmen. Aber das verschob er jetzt erst einmal auf später. Im Augenblick war Emily die Hauptperson seines Tages. Wegen ihr konnte er sein Lächeln gar nicht mehr abschrauben. Er war geradezu ungewöhnlich fröhlich. Vielleicht, weil er endlich einmal nicht an sie und Richard hatte denken müssen. Immerhin hatte er sich nun einfach mit der Tatsache angefreundet, dass er sie heute sowieso nach der Reise fragen würde und wenn sie ihm so weit vertraute, wie er hoffte, würde sie ihm vielleicht auch ein paar nähere Details berichten. Wenn sie das nicht tat, verdiente er offenbar ihr Vertrauen nicht, oder da war einfach nichts gewesen. So oder so, er würde sich später mit dieser Thematik befassen.

„Also eigentlich hätte ich ja auch einmal wieder richtig Lust, schwimmen zu gehen. Leider kenne ich hier kein Bad in der Nähe. Kannst du eines empfehlen?“ Adrian heftete wieder seinen Blick auf seine Mitbewohnerin und kurz blitzte eine Fantasie vor seinem inneren Auge auf. Emily im Bikini = eine heiße Vorstellung!

Ach, was war er doch heute für ein ausgesprochener Idiot. Sie hatte noch nicht einmal eine Ahnung davon, was er für sie empfand, wobei er selbst auch nicht gerade klüger war und dann stellte er sie sich auch noch vor ihren Augen im Bikini vor. Irgendwas lief da heute nicht ganz richtig in seinem Kopf. Vielleicht noch Nachwirkungen von dem Wein, den er gestern Abend getrunken hatte.

Adrian seufzte und schüttelte unmerklich den Kopf. Tyson hätte ihm in diesem Fall geraten, dass er dringend einmal wieder vögeln müsste, um wieder klar im Kopf zu werden, aber das kam bei ihm nun wirklich nicht in Frage. Außerdem war das hier keine sexuelle Frustration. Was war es dann? Neugieriges Interesse an mehr körperlichen Details von Emily? Klang irgendwie noch schlimmer. Immerhin war er an ihr als Person im Augenblick mehr interessiert, als an den Anblick von ihr im Bikini. Auch wenn er das Bild nicht vollkommen zur Seite drängen konnte.
 

Dankbar nahm Emily die Tasse mit dem heißen Kaffee entgegen und war sofort Feuer und Flamme für Adrians Ideen.

“Ja, fit.“ Über sein kleines Kompliment musste sie grinsen. Schönheit? Irgendwie kam sie sich heute tatsächlich so frisch vor und fühlte sich wohl in ihrer eigenen Haut, dass sie dieses Wort einfach akzeptierte. Warum auch nicht? Manchmal musste man auch Nettigkeiten einfach annehmen, ohne darüber nachzudenken.

„Klar, sehr gern! Frühstück und Schwimmen finde ich klasse.“ Sie nippte an ihrem Kaffee, während ihr schon zwei verschiedene Schwimmbäder durch den Kopf schossen.

„Wäre es für dich ok, wenn wir noch vor dem Frühstück schwimmen gehen? Dann haben wir es uns danach zumindest redlich verdient.“

Natürlich ging es ihr nicht um die Kalorien, sie wollte bloß nicht mit vollem Magen schwimmen gehen. Wahrscheinlich hätte sie sich nach einem ausgiebigen Frühstück gar nicht mehr aufraffen können.

„Es gibt ein Schwimmbad, das vor allem Innenbecken hat und eine angeschlossene Sauna.“ Emily sah Adrian fragend an und als er sich nicht sofort dazu äußerte, schlug sie ihm die Alternative vor. „Das Andere ist auch ein Hallenbad, hat aber ein Schwimmbecken im Außenbereich. Alles ziemlich einfach, aber zum Bahnen ziehen sehr geeignet. Kannst du dir ja überlegen. Ich such schon mal meine Sachen zusammen.“

Sie kippte noch eine großen Schluck Wasser hinunter, bevor sie sich in ihr Zimmer aufmachte, die Tür aber sperrangelweit offen ließ, um weiter mit Adrian sprechen zu können.
 

Adrian trank seinen Kaffee aus, während er sich die Vorzüge der beiden Bäder überlegte. Letzten Endes hätte er sich von Anfang an für das mit der Sauna entschieden. Er liebte es, in die Sauna zu gehen. Vor allem die gemischten, fand er immer sehr bereichernd. Dort konnte man die interessantesten Menschen begegnen und ihnen dabei zusehen, wie sie miteinander umgingen. Natürlich gab es auch genügend langweilige Situationen, wo er schon oft alleine hatte in der Hitze vor sich hin schmoren können, aber er erinnerte sich da auch an so einige Szenen, die er sicherlich nicht vor Emily auspacken würde.

„Also ich will danach unbedingt in die Sauna.“ Das beantwortete dann wohl die Bäderfrage und er konnte ebenfalls in sein Zimmer gehen, um seine Badeshorts, ein Handtuch und ein Badetuch einzupacken. Dazu noch Haarshampoo, Bürste und Sonnencreme, falls sie den Rest des Tages im Freien verbringen sollten.
 

Während sie nach ihrem Bikini kramte, rief sie über die Schulter auf den Flur hinaus. „Wie war denn die Arbeit gestern? Bist ja ganz schön früh auf heute.“

Sie persönlich hätte nicht mal an so was wie Schwimmen oder anderen Sport denken können, wenn sie erst in den Morgenstunden nach Hause gekommen wäre. Noch dazu nach einem derart anstrengenden Job, wie Adrian ihn hatte.

Einen Moment stand Emily unschlüssig vor ihrem Schrank. Sie hatte zwei Bikinis zur Auswahl. Einer war leicht rosa mit hellen Blumen darauf und nur mit dünnen Schnüren zum Zubinden, was viel nackte Haut bedeutete. Das war wohl weniger etwas, wenn sie Bahnen schwimmen wollten. Also packte sie doch ihr anderes Modell in die große karierte Tasche und stopfte auch noch ein Handtuch, Bürste und Waschzeug hinein, bevor sie an der Tür auf Adrian wartete.
 

Bei Emilys Frage nach seiner Arbeit blickte er hoch und schaute in die Richtung, wo ihr Zimmer lag. „Ehm… Heute Nacht durften die Ladys mich einmal in Polizeiuniform betrachten.“ Er schmunzelte leise vor sich hin. Uniformen standen ihm von vornherein unglaublich gut und dass er heute großen Spaß gehabt hatte, ließ sich nicht leugnen. Auch wenn er die Hauptattraktion gewesen war. Irgendwie war es einfach total interessant und spannend, jedes Wochenende in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Heute Abend würden die Ladys wieder ganz schön was zu schauen haben. Immerhin war dieses Mal viel Leder, Nieten und düsteres Make-up angesagt. Da durfte er endlich wieder einmal den bösen Jungen raushängen lassen. Adrian konnte wirklich nicht behaupten, sein Job wäre jemals langweilig. Das ging schon einmal von vornherein nicht.

„Außerdem hab ich heute irgendwie einen Überschuss an Energie. Ich konnte kaum schlafen.“, teilte er ihr noch mit, ehe er sich wieder ans Packen machte.
 

***
 

Nach der Schranke trennten sie sich und Emily zog sich in einer der gelben Kabinen den Bikini an. Kurz sah sie prüfend an sich hinunter, bevor sie die Verriegelung der Tür wieder löste und ihre Tasche in einem Spind verstaute. Adrian würde ihr hoffentlich nicht auf das bisschen Fett starren, dass sie auf den Hüften hatte. Heute hatte Emily einfach keine Lust, sich wegen so etwas Gedanken zu machen. Immerhin war sie eine gute Schwimmerin und sicher, dass sie mit Adrian mithalten konnte. Das gab ihr schon sehr viel Selbstvertrauen, bevor sie sich kurz unter die kalte Dusche stellte und dann an den Rand des Beckens im Innenraum trat. Noch konnte sie Adrian nirgendwo sehen, aber hinter der Milchglastür der Männerduschen tauchte kurze Zeit später ein roter Haarschopf auf. Das brachte Emily zum Grinsen. Warum war sie bloß immer so fröhlich in Adrians Gegenwart?
 

Als sich die beiden trennten, um in die Frauen- bzw. Männerkabinen zu gelangen, war Adrian schon ziemlich hibbelig. Er und Emily würden gleich schwimmen gehen. Das hätte er sich in seinen wildesten Träumen nicht ausmalen können.

Rasch wollte er sich seine Blauschwarze Badeshorts anziehen gehen, aber die Schlage vor den Männerkabinen wollte kein Ende nehmen. Darum war Emily auch schon fertig, als er endlich mit seinen Hand- und Badetüchern aus dem Duschraum treten konnte. Natürlich tropfte er bereits wie ein nasser Hund, aber so gehörte sich das nun einmal.

Adrian brauchte nicht lange zu suchen, da hatte er Emily auch schon entdeckt und ja, sie im Bikini war wirklich ein Augenöffner. Doch das durfte er ihr bloß nicht so offen ins Gesicht sagen. Vermutlich wäre es besser, einfach darüber die Klappe zu halten. Also strahlte er sie nur an. „Tut mir leid, wegen der Verspätung. Ich musste mich noch mit einem Kerl um einen Spind prügeln.“ Ach quatsch, es waren noch genug frei gewesen, aber was soll’s.

„Da drüben sind noch Liegen frei. Da können wir die Handtücher ablegen.“ Er deutete zu der Glasfront, die das Hallenbad vom Außenbecken trennte und an der eine Reihe von gelb-weiß gestreiften Liegen aufgestellt waren.

Adrian breitete sein Badetuch direkt neben der Liege von Emily aus und legte das Handtuch darauf. Er würde es wohl erst nehmen, wenn er in die Sauna ging.

„Hey, was hältst du davon, wenn wir beiden wie zwei Omas auf Speed ein paar Bahnen ziehen, um uns etwas aufzuwärmen?“ Er konnte es kaum erwarten, ins Wasser zu kommen und wenn er sich erst einmal etwas ausgepowert hatte, konnten sie getrost auf Wasserspiele übergehen. Adrian gab es zwar nicht gerne zu, aber er konnte nie die Finger von den langen Schaumgummischlangen lassen, mit denen man so eine Art Wasserkissenschlacht veranstalten konnte. Das hatte er zumindest oft mit Tyson getan, als sie noch jünger gewesen waren. In manchen Dingen blieb Mann eben immer ein Kind.
 

Emily folgte Adrian zu den Liegen und breitete ihr Badetuch auf einer davon aus. Das Tuch hatte sie von einem Urlaub mit ihrer Familie, der schon ein paar Jahre zurück lag, daher war der große Delfin auf blauem Grund auch schon ziemlich verblasst. Aber für ein billiges Andenken hielt es wirklich lange und Emily liebte es einfach deshalb, weil es riesig und schön flauschig war. Für die Sauna hatte sie noch ein großes, weißes Duschtuch dabei. Als sie jenes noch zusammen gefaltet auf die Liege legte, sah sie kurz zu Adrian hoch, dem man seine Begeisterung für das Schwimmbad ansehen konnte. Emily konnte gar nicht überlegen, ob es unangenehm sein würde mit ihm in die Sauna zu gehen, bevor er auch schon zum Becken spurtete.

Omas auf Speed? Ob Emily damit dienen konnte, wusste sie nicht, aber Bahnen schwimmen lag ihr auf jeden Fall. Und sie mochte es lange Strecken zu tauchen.

Adrian hatte einen ganz schönen Vorsprung, als er vom Startblock ins Becken sprang und ein paar Züge unter Wasser machte, die ihn fast bis zur Mitte des Beckens brachten. Zumindest war die Bahn hinter ihm frei und Emily konnte sehen, dass Adrian nicht allzu tief angesetzt hatte. Außerdem ging sie davon aus, dass er einfach weiter schwimmen würde, sobald er auftauchte. Also sprang sie nach ihm ins Wasser, tauchte allerdings tief ab, um die ganze Bahn im Tauchen zu absolvieren. Irgendwann stellte sie verdutzt fest, dass Adrians Beine in der Mitte der Bahn vor sich hin paddelten. Er musste wohl auf sie gewartet haben.

Emily beschloss einfach unter ihm hindurch zu schwimmen und dann weiter hinten an die Oberfläche zurück zu kommen.

Um ihn auf sich aufmerksam zu machen, berührte sie ihn kurz am Bein, als sie fast schon an ihm vorbei war. Das hatte sie früher mit Mona oft gemacht und so gelernt, dass man sich nicht zu früh bemerkbar machen sollte, weil der Andere von der unerwarteten Berührung erschreckt werden konnte. Diese Lehrstunde hatte sie mit einem blauen Auge bezahlen müssen, was Mona noch lange nachdem die Schwellung abgeklungen war, Leid getan hatte.

Emily konnte schon die Wand am anderen Ende der Bahn sehen, schaffte es aber bei aller Anstrengung nicht noch unter Wasser anzuschlagen. Sie hatte das einfach schon zu lange nicht mehr gemacht. Nach Atem ringend tauchte sie auf und strich sich kurz die Haare aus dem Gesicht. Offene Haare waren wie gewöhnlich eine blöde Idee gewesen. Mit dem Haargummi, den sie um das Handgelenk trug, zog sie ihre dunklen Haare im Nacken zu einem Dutt fest und drehte sich dann Richtung Becken, um nach Adrian zu sehen.
 

Mit unverhohlener Neugierde betrachtete er Emilys Sprung vom Startblock und wie sie sich elegant ins Wasser schwang. Dann konnte er sie nicht mehr sehen, erst als sie ganz nahe war, entdeckte er ihren Körper unter Wasser. Offenbar wollte sie unter ihm hindurch schwimmen. Ihr Lungenvolumen war wirklich bemerkenswert.

Damit er sie nicht wieder aus den Augen verlor, schwamm er ihr nach. Gerade als sie durch die Wasseroberfläche brach und prustend nach Luft schnappte, tauchte Adrian wieder ab, um ganz nahe am Beckengrund auf sie hin zu tauchen. Er konnte sehen, wie sie einen Moment lang in ihrer Position verharrte, ehe sie sich zu ihm herum drehte, wohl um ihn zu suchen. Einen halben Meter vor ihr, tauchte er wieder auf und grinste sie breit an. „Sag bloß, du hast dir über Nacht Kiemen wachsen lassen.“ Sein Lächeln wurde spielerischer. „Gestehe: Du gehst öfters heimlich schwimmen, stimmt’s?“
 

„Ha, das mit den Kiemen wäre mir mehr als Recht!“, antwortete Emily ebenfalls grinsend. Als sie jünger gewesen war, hatte sie immer davon geträumt, unter Wasser atmen zu können. Aber selbst als sie im Schwimmverein gewesen war und dreimal die Woche geschwommen war, hatte sie enttäuscht feststellen müssen, dass ihr keine Schwimmhäute oder Kiemen gewachsen waren.
 

Adrian schwamm seitlich von ihr an den Rand, um sich mit einem Arm dort fest zu halten, dabei wischte er sich die Haare zurück.

Plötzlich nahm er etwas im Augenwinkel wahr und er reagierte automatisch.

Ganz dicht neben ihm, sprang etwas ins Wasser und hätte ihn fast getroffen, wenn er nicht reflexartig in die Nähe von Emily ausgewichen wäre, damit er nicht irgendein Körperteil sonst wo hin bekam. Als der kleine Bengel etwas weiter weg von ihm wieder auftauchte, zog Adrian sich wieder in seine Position zurück.

„Erinnere mich daran, falls ich einmal Kinder habe, dass ich sie besser erziehe.“, nuschelte er vor sich hin, während er nun deutlich aufmerksamer die Badegäste um sie herum beobachtete. Eine kleine Gruppe Kindergartenkinder watschelte gerade von den Umkleidekabinen direkt ins Kinderbad. Die Begleitpersonen schienen sie kaum noch bändigen zu können. Das konnte Adrian durchaus nachvollziehen. Auch er wollte dringend schwimmen.

„Also ich weiß ja nicht, was du jetzt vorhast, aber ich mache den Omis da drüben mal ein bisschen Konkurrenz.“ Sein Lächeln erschien wieder auf seinem Gesicht. Dann war er auch schon unter getaucht, stieß sich mit den Beinen vom Beckenrand ab und tauchte ein Stück die Bahn entlang, ehe er zu kraulen begann, um sich eine Weile abzureagieren. Emily hatte sicher auch ihre eigenen Wünsche in diesem Augenblick.
 

Emily wusste nicht, was sie mehr überraschte. Dass ihr das Wasser ins Gesicht spritzte, als der kleine Junge ins Becken sprang oder dass ihr Adrian auf einmal so nahe kam. Sie zog sich ein kleines Stück zurück, um ihm Platz zu machen und wischte sich das Spritzwasser aus dem Gesicht. Dann grinste sie ihn an, bis sie wirklich verstand, was er gerade gesagt hatte. Kinder? Beinahe hätte sie ihn gefragt, ob er tatsächlich irgendwann Kinder wollte. Aber das kam ihr irgendwie falsch vor in diesem Moment. Immerhin würde darauf eine schwierige Diskussion folgen. Emily hatte sich noch nie damit beschäftigt wie schwer es für schwule Paare war, ein Kind zu adoptieren.

Im nächsten Moment stellte sie sich unwillkürlich vor, wie Adrian und Patrick mit einem Kind aussehen würden. Süßes Bild. Allerdings konnte sie sich nicht entscheiden, ob es in ihrer Phantasie ein dunkelhaariges Kind oder ein Rotschopf sein sollte. Eigentlich völlig egal, denn in dem Bild vor ihrem inneren Auge hatte Adrian ein kleines Baby im Arm. Irgendwie seltsam, dass sie sich das vorstellen konnte.

Sie war so vertieft, dass sie gar nicht mitbekam, wie Adrian sich abstieß und anfing seine Bahnen zu kraulen. Emily folgte ihm, sobald sie ihre Gedanken wieder zusammen hatte. Sich richtig müde zu schwimmen, fühlte sich verdammt gut an!
 

***
 

Nach einer halben Stunde hing Emily am Rand des Beckens und atmete schwer, während sie auf Adrian wartete, der noch eine Runde mehr schwamm als sie. Ihr reichte es, denn das Becken war inzwischen so voll, dass sie immer wieder mit Kindern kollidiert war, die mit ihren Schwimmbrillen unter Wasser hin und her schwammen oder einfach vom Rand des Beckens mitten hinein sprangen. Heute war anscheinend Ausflugstag in verschiedenen Kindergärten und Grundschulen.

Emily mochte Kinder, aber so langsam ging ihr das Kreischen auf die Nerven. Sie zog sich am Beckenrand hoch und ging zu ihrer Liege. Adrian würde ihr sicher gleich folgen. Sie sah ihn bereits wieder bei einer der Leitern auftauchen und aus dem Becken steigen.
 

Eigentlich hatte er die Runde noch fertig schwimmen wollen, aber als ihm plötzlich jemand versuchte, die Hose runter zu ziehen, war’s nun endgültig vorbei mit dem Spaß. Die kleine blondhaarige Göre mit dem Loch in der oberen Zahnreihe, grinste ihn quietsch vergnügt an, während er gerade noch den Stoff seiner Shorts festhalten konnte, um hier keinen unfreiwilligen Stripp vor einer vierjährigen abzuhalten und den unzähligen Müttern, die ihm dabei ungeniert zusahen. Offenbar fühlte sich keine für die kleine Kröte verantwortlich, also zog er die kleine Hand mit einem Lächeln von sich und schob das Mädchen ein Stück weiter im Wasser weg. Da sie Schwimmflügel trug, brauchte er keine Angst zu haben, sie würde untergehen.

„Versuchs noch mal in zwanzig Jahren.“, rief er ihr zu, ehe er auf Tauchstation ging, um dem ohrenbetäubenden Lärm zu entgehen und sich schnell aus dem Wasser zu retten. Emily hatte inzwischen den gleichen Gedanken gehabt, denn sie wartete bereits auf ihm.

„Ich wäre jetzt für Entspannung in der Sauna. Hier ist mir gerade ehrlich gesagt zu viel Betrieb.“, teilte sie ihm ohne Umschweife mit.

„Sauna klingt jetzt richtig gut. Das bedeutet Kleinkinderfreiezone!“ Und vor allem ein Ende mit diesem Lärm. So viele Kinder auf einem Haufen geballt, überstieg wirklich seine Schmerzgrenze. Also schnappte er sich seine Handtücher und verschwand mit Emily in Richtung Sauna. Wieder trennten sie sich, um sich umzuziehen.

Adrian legte die Handtücher auf eine Bank, zog sich die Short aus und wickelte sich das kleinere der beiden um die Hüfte. Danach wrang er seine Badehose aus und legte sie in eines der Fächer. Das Badetuch nahm er mit, damit er sich in der Sauna darauf legen konnte, falls genug Platz frei war. Immerhin hatte er nicht vor, sich vor Emily zu entblößen. Auch nicht vor anderen.
 

Am Beginn der Saunaanlage war eine weitere Schranke, hinter der sich wieder Umkleiden und kleine Fächer getrennt für Damen und Herren anschlossen. In einer der Kabinen zog Emily ihr Oberteil aus und wickelte sich das große Badetuch um den Körper. Sie prüfte zweimal, ob es fest saß, bevor sie sich schließlich aus ihrem Bikinislip schälte.

Mit dem kleineren Handtuch zusammen legte sie ihren Bikini in eines der Fächer und sah sich dann die Tafel an, auf der die verschiedenen Saunen aufgelistet waren. Sie wollte nicht zu heiß anfangen, da ihr Kreislauf das beim letzten Mal nicht gut vertragen hatte.

"Rosensauna hörte sich doch gut an."
 

Vor dem Ausgang der Umkleidekabinen teilte ihm Emily mit, für welche Sauna sie sich interessierte. Ihm war es relativ gleichgültig jetzt, da sie nur noch mit einem Badetuch bekleidet vor ihm stand. Was wohl früher darauf zu sehen gewesen war? Es war leider so ausgebleicht, dass er hätte raten müssen und selbst dann würde er vermutlich daneben liegen. Sein eigenes Handtuch war von einem schlichten Schwarz. Noch ziemlich neu, da er sich erst vor kurzem eine neue Garnitur gekauft hatte, um seine antiken Handtücher von vergangener Zeit nicht mehr ansehen zu müssen.

Schweigend ging er neben Emily her, während er versuchte, sie nicht anzusehen. Nicht einmal in den Augenwinkeln. Es hätte ihn einfach zu neugierig gemacht. Vielleicht war die Sauna doch keine so gute Idee gewesen. Denn, als sie am Ziel angekommen waren, stellte er fest, dass sie wohl die einzigen waren, die sich für die Rosensauna interessierten.

Entschlossen ließ er Emily dennoch den Vortritt, ehe er die Tür wieder hinter sich zu machte und ihn angenehm warme und feuchte Luft umfing. Es war nicht zu heiß, so dass sie nicht nach wenigen Minuten wieder hinaus flüchten müssten. Doch so angenehm, dass er sich bereits jetzt zu entspannen begann.

Es war eine sehr geräumige Sauna, die viel Platz bot. Darum breitete er sein Badetuch auf die unterste Ablagefläche aus Holz aus und legte sich mit dem Rücken darauf. Wohlig seufzend schob er seine angewinkelten Arme unter den Kopf und schloss die Augen.

„Langsam lässt bei mir das Klingeln in den Ohren nach. Kaum zu glauben, dass das nur Kinder waren.“, stellte er mit gedämpfter Stimme fest, um ganz unverfänglich anzufangen. Dass hier ein guter Ort zum Reden war, war offensichtlich. Allerdings wollte er nicht sofort mit der Tür ins Haus fallen und einfach nach Emilys Reise nach Norwegen fragen. Vielleicht klang das zu interessiert oder zeigte deutlich, dass er eifersüchtig war. Denn dass er das war, konnte er nicht leugnen.
 

Die Sauna erschien ihr gut ausgewählt. Niemand sonst war in dem kleinen Raum, von dessen Decke getrocknete Rosen herab hingen und sich ein angenehmer, sanfter Geruch nach eben diesen ausbreitete. Bevor sie sich setzte, drehte Emily die Sanduhr an der Wand um, die anzeigte, wann sie die Hitze wieder verlassen sollten. Eine Weile würde sie es hier auf jeden Fall aushalten. Die Temperatur war sehr angenehm und dass sie weder jemand anglotzen, noch ihnen zuhören konnte, empfand Emily fast als befreiend.

Die Bänke waren so hoch, dass sie ein wenig mit den Beinen wackeln konnte, während sie Adrian dabei zusah, wie er es sich gemütlich machte. Das schwarze Handtuch um seine Hüften ließ ihr Badetuch noch schäbiger erscheinen. Aber das machte nichts, sie liebte es trotzdem. Gerade jetzt, wo sie es so flauschig auf dem Großteil ihrer Haut spüren konnte.

Erst nach einer Weile zog sich Emily eine der kleinen, hölzernen Kopfstützen heran und legte sich hin. Dabei hielt sie ihr Badetuch über ihren Oberschenkeln fest, damit es nicht nach oben rutschen konnte. Adrian hatte zwar die Augen geschlossen, aber sie wollte kein Risiko eingehen. Er war laut seiner eigenen Aussage an weiblichen Körpern nicht interessiert, aber das hieß ja nicht, dass sie ihm nackte Tatsachen vor Augen halten musste. Wahrscheinlich würde er das sogar abstoßend finden. Bei dem Gedanken musste Emily grinsen, was sich seltsam anfühlte, denn sie dachte hier immerhin an ihren eigenen Körper. War schon komisch, dass sie sich vor Adrian hätte ausziehen und sonst was tun können und bei ihm hätte sich so rein gar nichts geregt. Ihr Grinsen vertiefte sich noch, bis er sie ansprach und sie damit aus ihren Gedanken riss.

„Jepp, mir wäre ein Kinderbecken in einer Käseglocke ganz recht gewesen.“

Emily hatte sich so hingelegt, dass sie über Eck, aber mit dem Kopf auf der gleichen Seite lag wie Adrian. Sie hatte sich nicht weiter nach oben legen wollen, denn dort war es heißer und auch die Temperatur hier unten war ausreichend, um sie bald zu entspannend. Sie legte ihre Hände auf ihrem Bauch ab und schloss die Augen. Das war wirklich eine gute Idee gewesen.

„Also.“ Sie machte eine kurze Pause. Wahrscheinlich war Adrian sowieso schon klar, was sie fragen würde. Immerhin hatte sie schon die ganze Zeit darauf gebrannt, die Einzelheiten von ihm zu erfahren.

„Euer Essen in unserer Küche war doch nicht das erste Treffen zwischen dir und Patrick, oder?“

Sie wünschte ihm so, dass es gut gelaufen war. Anscheinend waren sie kein Paar, denn sonst hätte Patrick nicht auf dem Sofa übernachtet, aber vielleicht hatte Adrian zumindest mehr für den schönen Dunkelhaarigen übrig, als er am Anfang gedacht hatte. „Magst du ihn?“
 

Man, das hier ist so viel besser, als eine Käseglocke, dachte Adrian bei sich, während er sich genüsslich in der Wärme rekelte. Bereits jetzt spürte er feine Schweißtröpfchen auf seiner Haut, was auch von der Luftfeuchtigkeit kommen könnte. Es war auf jeden Fall ein Hochgenuss für seine Poren. Jede einzelne davon schien tief durchzuatmen und sich zu entspannen. Der Duft der Rosen über ihnen, war so angenehm, dass er ihn beinahe auf der Zunge schmecken konnte.

Erst als Emily mit ihm redete, öffnete Adrian die Augen, um sie anzusehen. Doch sie hatte die ihren geschlossen, was ihn keinesfalls dazu veranlasste, es ihr wieder gleich zu tun. Sein Blick blieb auf ihrem Körper hängen, als wäre er eine Fliege auf einem Klebestreifen. Gefangen, weil die Verlockung einfach zu groß war.

„Ich habe ihn am Abend deiner Abreise angerufen, um mich mit ihm zu treffen. Demnach sollte ich dir dafür danken, dass du mich noch einmal dazu aufgefordert hast.“ Er lächelte nicht, sondern verfolgte die Linien ihres Körpers. Dabei immer darauf achtend, dass sie seinen Blick nicht bemerkte. Ihr Badetuch war gerade von einer Länge, die einem Mann viele verschiedene Fantasien entlocken konnte. Es verhüllte zwar alles, war aber zu knapp, als dass man sich nicht fragte, was passieren würde, würde es noch etwas weiter die glatten Schenkel hinauf gleiten.

Sofort riss Adrian seinen Blick von ihr los und starrte auf die Rosen über ihnen. Sein Herz hämmerte, aber nicht etwa wegen der erhöhten Temperaturen in diesem Raum.

„Patrick hat an jenem Abend gleich zugesagt. Wir sind erst etwas Trinken gegangen und danach waren wir noch Tanzen bis tief in die Morgenstunden hinein. Ich kann nur sagen, der Kerl hat vielleicht einen Hüftschwung drauf! Von dem kann sogar ich mir noch was abschauen.“ Nun lächelte er sanft, als er sich an diesen Abend zurückerinnerte.

„Ich denke, wir werden gute Freunde.“, stellte er noch einmal laut fest. „Er hat sich mir gegenüber auf eine Weise benommen, die ich noch nie zuvor erlebt habe.“

Seine Stimme wurde etwas leiser. „Er ist ein guter Kerl.“

Wie immer tat es Adrian irgendwie leid, dass er nicht der Mann sein konnte, den Patrick verdient hätte. Aber das ließ sich nun einmal nicht ändern.

„Ich mag ihn wirklich, aber nicht auf die Weise, die er sich vermutlich wünschen würde.“ Adrian schloss für einen Moment die Augen, und ließ seine Worte auf Emily wirken. Ob sie verstanden hatte, dass er nicht an Patrick interessiert war? Bestimmt.
 

Emily hörte ihm aufmerksam zu, öffnete aber nicht die Augen, weil sie sich sicher war, dass Adrian sie ebenfalls nicht ansah. Das hier war zu entspannend, als dass man Rücksicht auf Gebote der höflichen Konversation legen musste.

Ein wenig enttäuscht war sie schon, als sie am Ende verstand, dass Adrian nicht an Patrick interessiert war. Zumindest nicht so, wie sie es sich für die beiden erhofft hatte. Also nichts mit der süßen Phantasie von den beiden mit einem Baby in den Armen. Aber sie war froh, dass Adrian einen Freund gefunden hatte und bildete sich ein auch aus seinen Worten und seinem Tonfall heraus zu hören, dass es ihm ebenfalls so ging.

„Ist doch schön, dass ihr euch gut versteht. Er scheint wirklich nett zu sein. Mehr als nur ein hübsches Gesicht, würde ich sagen.“ Ein breites Grinsen zog sich für einen Moment über ihre Züge, als sie an das Aprikosenhühnchen denken musste.

„Und du solltest ihn dir wirklich warm halten. Er kocht besser als wir beide zusammen.“ Sie kicherte ein wenig in sich hinein, obwohl sie gar nicht genau wusste, warum. Es kam ihr einfach lustig vor. Und den nächsten Kommentar konnte sie sich einfach nicht verkneifen. „Den Hüftschwung würde ich allerdings gern mal sehen, wenn sogar du so davon schwärmst.“
 

Adrian drehte sich auf die Seite, um Emily ansehen zu können, während er seinen Kopf auf einem Arm abstützte. Kurz blickte er an sich herab, ob noch alles dort war, wo es sein sollte, danach ruhte sein Blick auf ihrem Gesicht. Sein Herz schlug noch schneller, während er ihr zuhörte, doch es war nicht Patrick, über den er im Augenblick sprechen wollte, weshalb er schließlich einfach das Thema wechselte.

„Und was ist mit dir? Wie war die Reise? Hat es sich gelohnt? Habt ihr die Mumien bekommen? Waren sie den Aufwand wert?“
 

Das kurze Lachen blieb ihr beinahe im Halse stecken, als Adrian sie auszufragen begann und sie hören konnte, dass er sich wohl zu ihr umgedreht hatte. Sie ließ die Augen weiter geschlossen, zog aber ihren Oberschenkel an und stellte einen Fuß auf die Holzbank. Wäre jemand neben ihr gesessen, hätte er oder sie wahrscheinlich eine ganz schöne Aussicht genossen, aber Emily strich wie nebenbei das Handtuch zwischen ihre Beine, um alles Nötige wieder ausreichend zu bedecken.

„Norwegen war schön. Die Stadt war wirklich süß mit den alten Fassaden und dem kleinen Marktplatz. Auch das Museum ist entsprechend altertümlich gestaltet. Das gefällt mir wesentlich besser als der moderne Stil unseres Museums.“ Sie hielt inne und sah die beiden Gebäude im Geiste nebeneinander vor sich. Das herrlich alte Haus in Norwegen gefiel ihr so viel besser, aber es war auch viel kleiner als der moderne Beton- und Glasklotz, in den sie vor ein paar Jahren mit ihrer Sammlung umgezogen waren.

„Aber ihre Kapazitäten sind zu klein. Sie haben tolle Stücke, aber keinen Platz sie auszustellen. Daher wollten sie auch die Leichen verkaufen. Die Mumie war schon auf den ersten Blick in Ordnung. Bei der Moorleiche hatten wir ein paar Sorgen.“

Sie erinnerte sich an das verzerrte, schwarze Gesicht, dass sicher eine spannende Geschichte zu erzählen hatte, die Emily so gern herausgefunden hätte. Und jetzt würde sie wohl die Gelegenheit dazu bekommen. Bei dem Gedanken wurde sie ganz aufgeregt.

„Aber nachdem ich sie genauer untersuchen konnte, stellte sich raus, dass sie besser erhalten ist, als wir zuerst dachten.“

Jetzt schlug sie doch die Augen auf und drehte ihren Kopf zu Adrian, der sie mit seinen blitzblauen Augen ansah. Irgendetwas lag in seinem Blick, das ihr sagte, sie sollte ihm nichts von Richard erzählen. Zumindest nichts, was über die geschäftlichen Dinge hinausging. Nichts von den Nächten, die sie mit ihm verbracht hatte. Das kam ihr schon so weit entfernt vor, als wäre es vor Jahren und nicht erst vor ein paar Tagen passiert. Sie wurde ein wenig rot, als sie daran dachte. Vor Adrian schien ihr Verhalten unsäglich peinlich zu sein. Glücklicherweise konnte ihm das Pink auf ihren Wangen sicher nicht aufgefallen sein. Ihr Kopf leuchtete bestimmt allgemein wie eine reife Tomate von der Hitze und der feuchtigkeitsgeschwängerten Luft des Raumes. Emily strich sich eine Strähne aus der schweißnassen Stirn.
 

Adrian musste schwer schlucken, während seine Pupillen unmerklich größer wurden. Er konnte es einfach nicht verhindern. Sein Blick hing regelrecht an Emilys Bewegungen, mochten sie noch so nebensächlich wirken. Sie stellte ein Bein auf die Bank, so dass er sich in diesem Augenblick wünschte, er wäre das Holz unter ihr. Doch die Bewegung ihrer Hand war es, die ihm einen elektrisierenden Schauer durch den Bauch jagte.

Wie hypnotisiert sah er ihr dabei zu, wie sie sich das Handtuch zwischen die Schenkel drückte, um den sicher vorzüglichen Anblick zu verdecken, den die Wand auf dieser Seite haben musste. Es war nicht zu beschreiben, was ihn mehr anzog. Vielleicht war es einfach nur die Geste. Ihre Hand zwischen ihren Schenkeln, genau dort, wo seine Hände schon oft bei fremden, ganz und gar nicht besonderen Frauen die unterschiedlichsten Reaktionen hervorgelockt hatten. Ekstase war nur eine davon.

Zum Glück wandte er schließlich mit glühendem Kopf den Blick ab, sonst hätte Emily ihn dabei erwischt, wie er ihren erhitzten und mit glitzernden Schweißperlen bedeckten Körper anstarrte und das wäre natürlich nicht so leicht zu erklären gewesen.

Erst als sie ihn ansah, wurde er sich bewusst, dass sie die ganze Zeit etwas gesagt haben musste. Schwach konnte er sich an ein paar Wortfetzen erinnern. Irgendetwas über die Stadt, das Museum, die Ausstellungsstücke. Wenigstens hatte er wohl den wichtigsten Kern ihrer Aussage erfasst. Die Leichen waren in einem akzeptablen Zustand.

„Also hat das Museum sie gekauft?“, fragte er mit leicht belegter Stimme und musste abermals schlucken. Ihre gerötete Haut, mit den flüssigen Perlen darauf, die langsam der Erdanziehungskraft folgten, hatte eine ganz besondere Wirkung auf ihn. Ihr Haar klebte ihr in kleinen Strähnen an den Schläfen und bestimmt sah er auch nicht anders aus, aber obwohl er sich das alles nicht erklären konnte, glaubte er, noch nie etwas Erotischeres gesehen zu haben, als Emily in diesem Augenblick.

Er musste erneut hart schlucken. Mit einem Mal konnte er sie nicht mehr ansehen, also setzte er sich mit dem Rücken zu ihr auf und schlang die Arme um seine Knie. Dabei drückte sich etwas hart gegen seine Oberschenkel.

Ungläubig starrte er auf die Ausbuchtung unter seinem Handtuch, deren Umriss nur zu deutlich zeigte, was sich darunter verbarg. Sofort zog er die Beine noch enger an seine Brust heran. Das machte die Lage zwar nicht unbedingt besser, doch wenigstens konnte niemand dieses … Abstraktum erkennen.

Scheiße!, fluchte er innerlich. Wann zum Teufel, war er das letzte Mal durch optische Reize hart geworden? Noch dazu, ohne wirklich ganz nackte Tatsachen gesehen zu haben? Adrian wusste es nicht mehr. Doch er wusste, dass er eigentlich nur noch auf direkte Reizungen seines Körpers reagierte und dann meistens auch nur, wenn er genau wusste, was vor ihm lag und er seine Pflichten erfüllte. Das war sozusagen eine automatische Reaktion, die aus jahrelanger Routine resultierte oder bei der er eben mit Viagra nachgeholfen hatte. Aber DAS hier, war völlig unkontrolliert, überraschend und vor allem alles andere als bekannt! Es machte ihn mit einem Mal verdammt nervös und verletzlich. Er war verwirrt und zugleich stark über sich verwundert.

Da nun nicht nur die Hitze von Außen für gute Durchblutung sorgte, sondern auch in seinem inneren die Gefühle heiß tobten, lief ihm nun tatsächlich der Schweiß den Rücken hinab. Er konnte jeden einzelnen Tropfen spüren, wie sie seine Muskeln umspielten, seine Wirbeln entlang glitten und sich schließlich dort sammelten, wo seine gerötete Haut endete und das Handtuch anfing.

„War dein Boss mit deiner Arbeit zufrieden?“, fragte er merkwürdig tonlos, da er seine leichte Panik zu unterdrücken versuchte und vor allem musste er sich so schnell wie möglich wieder abregen. Sie konnte nicht Ewig hier drin bleiben. Aber selbst wenn, er hatte noch immer das Badetuch, dass er sich rechtzeitig an die Brust drücken konnte und somit das Gröbste verbarg. Dennoch schien sein Herz ihm bis zum Hals zu schlagen und in seinen Ohren rauschte laut das Blut. Adrian war sich Emilys Anwesenheit nur zu deutlich hinter sich bewusst. Das Bild ihres Anblicks flammte wieder hinter seinen Augenlidern auf. Mit zusammen gebissenen Zähnen stützte er sein Kinn auf den Knien ab und verhinderte somit ein gequältes Stöhnen.
 

„Ja, ich denke schon, dass er zufrieden war. Wir konnten die Leichen ohne Weiteres für die Sammlung empfehlen, also hat das Museum sie gekauft.“ Mit Begeisterung in der Stimme und ihren Augen drehte sie sich ganz zu Adrian um, der sich aufgesetzt hatte. Sie konnte nur seinen Rücken sehen, auf dem sich das Muster der Holzplanken abgedrückt hatte. Wahrscheinlich sah sie genauso aus. Die Hitze entspannte einen zwar, aber auf die Dauer waren die Bänke nicht sonderlich bequem.

Kurz überlegte Emily, ob das wohl Absicht war, damit man nicht einschlief und einen Kreislaufzusammenbruch oder so etwas bekam.

Adrian liefen die Schweißperlen mehr über den Körper als ihr selbst und irgendetwas an seiner Haltung kam ihr seltsam vor.

„Wenn dir zu heiß ist, sag Bescheid. Wir können auch in eine andere Sauna wechseln.“

Oder in dieses große Kaltbecken gehen. Emily mochte es, dort sogar zu schwimmen. Das Becken war groß genug dafür und als sie einmal mit Mona hier gewesen war, hatten sie eine Runde im Außenbecken gedreht. Emily war immer wieder fasziniert, dass man die Kälte nach einer Weile gar nicht mehr spürte. Aber vor Adrian hätte sie sich bestimmt nicht ganz ausgezogen. Also würde es bei der kalten Dusche bleiben und bei diesem Kneipp-Becken, in dem man herum watete.

Wieder sah sie Adrian an, konnte aber nur seinen Rücken sehen und erkennen, dass er das Kinn auf seine Knie gestützt hatte. Vielleicht dachte er nur über irgendetwas nach. Die Stimmung zwischen ihnen schien Emily auf eine unerklärliche Weise aufgeladen. Sie fühlte sich fast unwohl, weil sie nicht wusste, was los war. Hatte sie etwas Falsches gesagt?

Das Schweigen wurde ihr zu lang, mit jeder Sekunde die verstrich. Es kam ihr so vor, als könnte sie den Sand in der kleinen Uhr an der Wand nach unten rieseln hören.
 

„Ein bisschen halte ich es hier noch aus.“, er lächelte über seine Schulter hinweg zu Emily hinüber. Langsam aber sicher kam alles wieder zu seiner Normalität zurück, was er auch nur deshalb schaffte, weil er im Geiste jede widerliche Situation im Kopf durchspielte, die er in seinem Leben erlebt hatte und ihm so auf die Schnelle einfiel. Wie gut, dass man das nicht auf seinem Gesicht ablesen konnte, obwohl es in tieferen Regionen sofort seine Wirkung zeigte.
 

„Wohin möchtest du nachher denn zum Essen gehen? Ein Frühstück kann man das ja jetzt gar nicht mehr nennen…“ Sie hoffte, dass er überhaupt noch mit ihr essen gehen wollte. Ein beengendes Gefühl hatte sich um ihre Brust gelegt, dass sie daran zweifeln ließ, ob Adrian noch mehr Zeit mit ihr verbringen wollte, daran änderte auch sein Lächeln nichts. Krampfhaft überlegte sie, was sie gesagt haben könnte. Es fiel ihr aber nichts ein.
 

„Ich kenne da ein nettes Café direkt neben einer Parkanlage. Es gibt dort auch freie Parkplätze und man kann dort vorzüglich Mittagessen. Einfache aber leckere Kost. Also wenn du Lust hast, ich würde dich gerne einladen.“ Sein Blick sagte, dass er kein ‚Nein’ akzeptieren würde. Er wollte ihr eine Freude machen.

„Okay, jetzt halte ich es wirklich nicht mehr aus.“ Er stand auf wackeligen Beinen auf. Seine Knie waren noch ganz weich von all der Aufregung, aber das konnte er locker auf die Hitze zurückführen.

„Wenn es dir nichts ausmacht, ich würde mich gerne nur kalt duschen. Saunas machen mich von Grund auf immer sehr träge, vermutlich würde ich dir einfach absaufen, wenn wir in die Abkühlbecken gingen.“ Er grinste und schnappte sich sein Badetuch. Natürlich hatte es andere Gründe, warum er dort nicht hin wollte. Aber die würde er ihr garantiert nicht auf die Nase binden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  SaMa2
2014-02-22T10:29:22+00:00 22.02.2014 11:29
die story ist echt super. Aber wo ist das 15 kapitel abgeblieben ??????????

Antwort von:  Darklover
22.02.2014 13:18
Erst Mal danke für deinen Kommentar. Hat mich sehr gefreut.

Und was das 15. Kapitel angeht, muss es erst erneut freigeschaltet werden. Ich korrigiere die Geschichte nach und nach und überschreite dabei oft die Bearbeitungsquota, was dann eine erneute Freigabe erfordert.
In ein paar Tagen müsste es wieder da sein. Je nachdem, wie fleißig unsere Freischalter sind.

Liebe Grüße
Darklover


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