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Bloodcage - Teil 1 - Blutmond

Vampir-Roman
von

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Blutmond (Askian) Der Abend brach herein...

Der Abend bracht herein, wie ein gefiederter Phönix in Rot- und Goldtönen.

Ich stand an einer Straße des Viertels und beobachtete, wie die Sonne langsam über die Dächer hereinbrach und Alles in ein helles, rotes Licht tauchte. Der Anblick war so wunderschön, dass ich eine Weile alles um mich herum zu vergessen wollte, um nur noch diesen Augenblick zu genießen, als sei es meine letzte wirklich große Tat auf Erden.

Bald lehnte ich mich an eine Hausecke und die letzten Sonnenstrahlen verschwanden hinter den Dächern, ohne das es zunächst merklich dunkler wurde. Der Schein jedoch blieb, als bäume er sich in einem letzten Kampf auf, obwohl nur noch Schatten vorhanden war.

Ich hatte den Blick zur Straße gewand, die sich zwischen dem Bordell und der schäbigen Kneipe hindurch schlängelte und an vielen Stellen so rissig war, dass mit einem Wagen kein Durchkommen mehr möglich war. Wer aber besaß in diesem Stadtteil schon einen Wagen?

Hinter mir jedenfalls gabelte sich der grob gepflasterte Weg und führte in jenen kleinen Straßenkomplex, der besonders nah an den Stadttoren und somit Ideal für Bettler war, sodass sie dort in Scharen lungerten. Vielleicht auch, weil es ein ungeschriebenes Gesetz war, dass andere Bereiche den Huren gehörten, die bei Weitem nicht so wehrlos waren, wie man von Frauen ihres Standes allgemein annehmen wollte.

Meiner Erinnerung nach starben die Bettler zuerst. Danach folgten ihnen die Huren, vor Allem in Zeiten wie diesen, in denen die beiden Bordelle wie leer waren und auch auf den Straßen kaum Geschäfte zu machen waren. Die Seuche hatte nicht nur Leben, sondern auch Lebensgrundlagen zerstört und ich machte mir keine Illusionen, dass sich hier jemand freiwillig um die grassierende Seuche kümmern würde, solange sie nicht den Adel im höher gelegenen Teil der Stadt bedrohte. Es gab nur uns und unsere eigene kleine Welt am Rande der Stadt. Es war besser in der Gegenwart zu leben, solange man noch eine besaß. Ich war der Krankheit entronnen. Damit war ich eine der wenigen Ausnahmen und ich fragte mich für wie lange es sein mochte, bis die kalte Luft die Saat des Sterbens erneut in meinen Körper säen würde.

Nun stand ich hier und fühlte mich bei dem Gedanken daran, dass ich diese Stadt niemals mehr verlassen würde hoffnungslos und kalt. Auch in den vergangenen Jahren war ich ein Gefangener meines Lebens gewesen. Ohne diese Krankheit und ohne Siren wäre mir das niemals aufgefallen. Ich hätte einfach weiterleben und hier sterben können. Nun aber dachte ich wehmütig an all die Orte von denen ich bisher nur geträumt hatte und die ich niemals sehen würde - an all die Taten, die ich nie vollbringen würde.

Hier wo ich stand kreuzten sich die Wege. Der Eine ins rote Licht führend, der Andere ins Dunkel, wo des Nachts lediglich Straßenräuber lauerten, oder Schlimmeres, und in den Augen der allgegenwärtigen Schatten, war ich nichts weiter als ein Tier, dass sie nach belieben töten konnten, wenn sie es wollten.

- Und was für ein zerbrechliches Geschöpf! Welch wunderbare Beute!

Ich hatte dies nicht wirklich gedacht, aber es kam in meinen Geist, als sei es meinem eigenen Bewusstsein entsprungen. Mir war urplötzlich eiskalt und ich drehte mich fröstelnd in Richtung des dunklen Bettlerviertels.

Außer einer Leichenkerze, in einer verfallenen Hütte, konnte ich rein gar nichts sehen und abgesehen von einem kläglichen Husten aus eben jenem Fenster drang kein weiteres Geräusch an mein Ohr.

Ich drehte mich erneut um und sah ein paar Prostituierte um Angelegenheiten streiten, die

vermutlich Einnahmen und Rechte was Freier anbelangte betrafen. Zumindest glaubte ich das so lange, bis ich erkannte, dass eine der Frauen wohl einen Angehörigen suchte.

Der Blick der Unglücklichen streifte mich, als ihre Kollegin mit einer ausladenden Geste auf mich zeigte und ihr etwas sagte, das durch die kalte Abendluft nur stückweise zu mir herüber drang. „Wenn du das wirklich denkst, dann kannst du auch ihn und jeden Anderen hier fragen, aber ich habe deinen Jungen nicht gesehen! Er wird wohl irgendwo tot in der Gosse liegen!“ Ich bemühte mich in eine andere Richtung zu sehen und so zu tun, als höre ich nichts von dem was gesprochen wurde. Es ging mich nichts an.

Schließlich lehnte ich mich ein wenig fester an die Steinmauer, um vor dem kalten Wind geschützt zu sein, der durch die Straßen pfiff. An dieser Stelle war er scheinbar besonders stark, doch etwas hielt mich. Mir war, als müsse ich genau hier auf etwas warten und so beobachtete ich aus den Augenwinkeln heraus weiter die Frauen, die wie zwei Sukkubi aufeinander los gingen.

Mein Herz hat schon zu lange gewartet.

Abrupt drehte ich mich um, erkannte aber wie bereits beim vorigen Blick in die schwarze Gasse lediglich die Flamme der Grabkerze, die flackernd ein kleines Licht warf, das der Dunkelheit hoffnungslos unterlegen gegenüberstand.

Dennoch war es mir nun, als erkenne ich einen schemenhaften Schatten und der sich plötzlich wieder als jener Mann - jenes Wesen, das mir das Leben gerettet hatte, enttarnte. Er kam direkt auf mich zu. Es war beinahe unnatürlich, wie er vollkommen lautlos auf mich zu schlich, als wolle er es vermeiden gesehen zu werden.

„Du bist noch hier. Daraus schließe ich, dass du meine Worte ernst genommen hast“, erkannte er mit ausgesprochen warmherzigem Tonfall und doch schien etwas in ihm vor mir zurück zu weichen, obwohl man es nicht erkennen, sondern nur fühlen konnte.

„Wer seid Ihr, Siren? Was seid Ihr?“ Meine Stimme klang beherrscht, aber seltsam fordernd, was zum Einen an meinem Argwohn und zum Anderen daran lag, dass ich verzweifelt versuchte mein Zittern zu verbergen, das von Kälte und Angst herrührte. Innerlich fragte ich mich, ob es sich bei diesem Mann um eine ausgeklügelte Halluzination handelte, die mein Körper mir nach Jahren der Einsamkeit eingab, damit ich meinen Verstand zumindest weit genug beisammen hielt, um zu überleben.

„Ich bin real.“, war seine Antwort, als habe er meine Gedanken gelesen. „Glaubst du an Gott?“

Diese Frage traf mich vollkommen unvorbereitet.

„Ja.“, antwortete ich automatisch und hätte wohl auch so geantwortet, wenn das nicht der Wahrheit entsprochen hätte.

Siren selbst jedoch schien nicht einmal eine Antwort erwartet zu haben. Er streckte seine weiße, feingliedrige Hand aus, um mich an der Schulter zu berühren, als wolle er mir beweisen, dass er durchaus real war und sich selbst gleichzeitig von meiner Existenz überzeugen.

„Ich bin seine Rache an die Menschheit.“, erklärte er, während er eine Falte meines roten Umhanges glatt strich. Ich fragte mich kurz, ob er ihn zurück fordern würde, aber wenn er sein Eigentum erkannte, so merkte man es ihm zumindest nicht an. Etwas in mir fühlte sich bei dem Gefühl jener Berührung gewaltsam zu ihm hingezogen.

Als er seine Hand langsam und scheinbar unbewusst ein Stück meinen Arm herab gleiten ließ, hätte ich nicht sagen können, ob ich seine Berührung genoss oder nicht, da mir mein gesamter Verstand zuschrie, wie abgrundtief falsch alles war, was ich nun tun wollte. Also tat ich nichts.

„Ich hätte nicht erwartet, dass du so still bist. Du musst viele Fragen haben und ich würde dir gerne einige davon nehmen, wenn ich sie nur von deinen Lippen stehlen könnte.“, stellte der Dämon das Offensichtliche fest und schlug dabei die halb geschlossenen Augen auf, um seine Aufmerksamkeit von meinem Arm weg und direkt in mein Gesicht zu lenken. Diese Augen… Es war etwas in ihnen, dass aus irgendeinem Grund tiefes Mitleid in mir weckte. Es war so viel Trauer in ihnen und Zorn. So viel Schönheit. Wieso konnte ich mir nicht mehr vorstellen, dass eine so unglaublich zarte Gestalt zu solch schrecklichen Taten fähig sein könnte?

Dann wurde sein Blick urplötzlich vollkommen glasig und auf einmal erinnerte er mich an eine Leiche. Dieser Eindruck kam so unvermittelt und plötzlich, dass ich seine Hand angewidert einfach von mir stieß. Ich wich zurück, noch immer schwindlig von seiner Berührung. Auf einmal wusste ich, was der alte Mann in der Bar gesehen hatte. Es war nicht zu erklären, doch irgendetwas Böses war an diesem Jüngling, das gelegentlich hinter einem Schleier zurück zu treten schien. Wenn man mich nun fragen würde, ob ich seinen Worten damals Glauben geschenkt habe, so lautet die Antwort: Ja. In diesem Moment war ich vollends überzeugt einen Boten des jüngsten Gerichtes, wenn nicht gar den Teufel persönlich vor mir zu haben. Es war eine der einzigen Wahrheiten, die ich noch kannte, während mich seine rostbraunen Augen langsam fingen und ich versuchte mich nicht zu vergessen, um ihn verzweifelt und abgöttisch zu lieben.

Siren lächelte.

„Über mich zu sprechen ermüdet mich zunehmend, Liebster. Lieber würde ich über dich sprechen und deine Zukunft.“

Er blitzte mich mit einer Mischung aus Fürsorge, Verständnis und reiner Boshaftigkeit an, bevor er schloss: „Du bist mein Leben, du gehörst mir. Irgendwann wirst du erkennen, dass das eine Ehre ist.“

Mir gingen bei diesen Worten so viele mögliche Entgegnungen durch den Kopf, dass ich mich unmöglich für eine entscheiden konnte und bevor ich auch nur zu einem einzigen Wort ansetzen konnte, war der passende Moment etwas zu sagen vorbei.

Er berührte mein Gesicht mit einer Hand und ich konnte nicht anders als diese sittsame Berührung zu genießen, während mein Körper nach mehr schrie und mein Verstand nach weniger.

„Heute habe ich leider anderweitige Verpflichtungen. Ich will dich morgen Abend in der alten Kapelle treffen. Es wäre besser für dich, wenn du keine Fragen stellst und einfach kommst.“, beschloss Siren hektisch mit einem Blick über meine Schulter und verschwand schnellen Schrittes beinahe lautlos in der Dunkelheit, während etwas Glänzendes hinter ihm auf den steinernen Weg fiel.

Dunkle Vorahnung hielt mich gefangen.

Hatte er sich wirklich als Dämon vorgestellt?

Ich hatte weder Panik vor Gott, noch vor seinen Dämonen – dies waren Mächte, denen ich ohnehin nichts entgegen setzen konnte -, aber ich hatte Angst den Verstand zu verlieren und das Gefühl dem wäre so. Ich wollte nicht toll werden, wie die versoffenen Bettler, oder die Opiumkranken am Flussufer unter den Brücken. Ich wollte nicht wirr redend in einer Gosse sterben, wenn die Möglichkeit bestand stattdessen zu verhungern. Ich wollte nicht nach Verwesung und Exkrementen riechend von einem Soldaten des Stadttores getötet werden, der den einzigen Sinn seiner Tat darin fand, mein Leiden zu lindern. Ich wollte meinen Verstand nicht verlieren, denn er war das Einzige, das mir niemand nehmen konnte, solange ich es nicht freiwillig gab.

Ich sah mich nach dem glitzernden Kleinod um, das Siren verloren hatte. Es war der Rosenkranz aus Jade. Er musste unermesslich wertvoll sein.

Ich bückte mich und hob ihn auf.

Es wäre schlicht gelogen jetzt zu behaupten, dass ich nicht daran gedacht hätte, ihn zu verkaufen. Unter normalen Umständen hätte ich das vielleicht sogar getan. Schließlich allerdings beschloss ich Siren sein Schmuckstück zurück zu geben. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass er es nicht suchen würde. Zumal ich den Eindruck hatte, dass er das Schmuckstück vielleicht nicht ganz zufällig verloren hatte.

Offenbar hatte ich also keine Wahl, als mich seiner Einladung zu fügen, wenn ich dieses Ding schnell loswerden wollte. Er war deutlich zu wertvoll, um damit länger als ein paar Tage an diesem Ort unterwegs zu sein.

Ich entschied, die Kette in einer Tasche meines Stoffmantels griffbereit zu halten. Immerhin war er auch ein Zeichen von Sirens Existenz. Halluzinationen verlieren keine Schätze, Verrückte vielleicht eher.

So ergab dies alles für mich vielleicht einen Sinn. Vielleicht war Siren der Wahnsinnige und nicht ich.

Er war sicherlich charismatisch und sah mit seinen schütteren Haaren und dem stechenden Blick aus, als sei er selbst ein gefallener Engel unter Sündern. Er war in der Tat der schönste Mann, den ich jemals gesehen hatte.

Ich schüttelte den Kopf, als würde das helfen meine Gedanken zu sortieren und ging zurück in die lichtere Straße, wo die weinende Hure offenbar mittlerweile Verstärkung von einer Freundin bekommen hatte, die durch eine äußerst schrille Redeweise bestach. Da ich keine Lust hatte zu reden, oder mich in Hurenpolitik einzumischen, lächelte ich sie an und ging weiter.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Azahra
2013-09-10T14:49:45+00:00 10.09.2013 16:49
Huhu,

ein wirklich interessantes Kapitel. Die Gefühle zwischen Siren und Askian kommen sehr gut rüber und die Szenen am Anfang fand ich schon schaurig geschrieben. Mal schauen wann Siren seine Kette vermisst: D

cucu Azahra
Von:  w-shine
2013-07-13T00:00:35+00:00 13.07.2013 02:00
So, dann machen wir doch hier gleich mal weiter.
Ich mag das Kapitel, die Begegnung von Siren und Askian hast du wirklich schoen beschrieben, ebenso der Anfang von Askians Gedanken, die er sich darueber macht, dass er jetzt an diesem Ort gefangen ist (wegen Siren?). Auch seine widerspruechlichen Gefuehle Siren gegenueber werden deutlich.
Mir ist einzig und allein die Zeitlinie nicht ganz klar. Es wuerde fuer mich besser passen, wenn dieses Kapitel vor dem anderen kommt (aber dann waere das abwesendlich Siren – Askian nicht mehr).

Nur ein kleiner Fehler ganz am Anfang ist mir aufgefallen: „Der Abend bracht herein, wie ein gefiederter Phönix in Rot- und Goldtönen.“ Das „t“ an „brach“ ist zu viel.
Ansonsten habe ich an diesem Kapitel gerade nichts zu meckern (ich glaub, das freut dich bestimmt gerade ;)).

LG Shine



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