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Requiem

von

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Aodhan.

Von Illium gezogen, seinem erregend hitzigen Körper folgend, stolperte Aodhan durch die nahezu vollkommene Dunkelheit des Waldes. Immer wieder schlugen ihm kleine Äste ins Gesicht und er musste Wurzeln und niedrigen Sträuchern durch geschickte Sprünge ausweichen – aber er ließ nicht los. Seine Finger waren fest mit denen des blauen Engels verwoben und er konnte den Puls des anderen Mannes tief in seinem Inneren spüren. Anfangs hatte er noch Fragen gestellt, hatte versucht rauszubekommen, wohin ihr Weg sie führte.

Aber stets hatte er als Antwort nur Illiums Lachen gehört und sich irgendwann damit zufriedengegeben.

Nun waren sie schon fast eine Viertelstunde unterwegs, hatten kleine Bäche und Lichtungen passiert, waren an moosbewachsenen Findlingen und einer Gruppe erschrocken fliehender Rehe vorbeigerannt und so langsam begann Aodhan zu straucheln. Die kalte Nachtluft strömte wie Feuer in seine Lungen und seine Beine wurden mit jedem Schritt, mit jedem langen Satz über einen heruntergestürzten Ast, schwerer. Mit einem leisen Stöhnen fasste er fester nach der Hand des Blaugeflügelten, atmete dessen wilden Duft, vermischt mit der würzigen Note des Waldes, ein und lauschte auf das plötzlich auftauchende Rauschen in der Ferne. Erst leise, dann rasch näher kommend, konnte er das Tosen von aberhunderter Wassermassen ausmachen, die sich brüllend in die Tiefe ergossen. Schon wurde das leise Flüstern der Blätter und das knackende Unterholz davon überlagert und wenige Schritte weiter war es Aodhan unmöglich, seine eigenen Stimme zu hören. Dafür bebte die Erde unter seinen Füßen und der Wald lichtete sich. Immer mehr traten Bäume, Gestrüpp und Moosteppiche zurück und nach wenigen Metern liefen die Engel auf nacktem Fels.

Ein scharfer Wind zauste Haar und Kleidung der Rennenden und dann... trat Aodhan ins Leere. Abrupt und ohne jegliche Vorwarnung hatte er den Boden unter den Füßen verloren und stürzte haltlos in die Tiefe. Noch immer hielt er Illiums Hand und suchte Halt bei ihm.

„Festhalten.“, schrie dieser über das Tosen des Wasserfalls hinweg, in dessen Strudel sie hinabgerissen wurden, und Aodhan tat wie ihm geheißen. Blitzschnell legte er die bandagierten Flügel an, ließ sich von Illium heranziehen und schmiegte sich wie ein Kind an dessen Seite. Heiß presste Haut auf Haut und als der weiße Engel einen Blick auf das Gesicht des Jüngeren erhaschte, konnte er dort weder Angst,noch Überraschung oder Panik entdecken, sondern nur den Ausdruck tiefer Befriedigung und unbändiger Freude.

„Du bist verrückt.“, schrie Aodhan und spürte wie Wind und Abermillionen kleiner Wassertropfen unter seinen Flügeln rauschten. Hart schlug ihm der kalte Nachtwind ins Gesicht, roch frisch und harzig wie der Wald selbst und zerzauste ihm Haar und Federn.

Illiums Antwort ging in dem Tosen der herabstürzenden Wassermassen und dem Rauschen seiner mitternachtsblauen Flügel unter, als er diese weit öffnete und den peitschenden Zugwind darunterließ. Je wurden die beiden Engel in ihrem Fall gebremst und segelten ein Stück weit in die Tiefe. Anstrengung stand auf Illiums Gesicht und er ächzte unter der Spannung, die in Schultern und Schwingen rumorte. Dann veränderte er seine Haltung, neigte sich ein wenig nach unten und die beiden Männer schossen pfeilschnell in die Tiefe. Kopfüber rauschten sie an Felsgestein, immergrünen Kletterpflanzen und brodelndem Nass vorbei und genossen das luftige Element um ihrer beider Körper.

Heiß drängte sich Illium an Aodhan, schlang seine Arme um dessen schmale Hüften und weißes Haar vermischte sich mit pechschwarzem zu einer züngelnden Flamme in der kalten Nachtluft.

Aodhan schloss die Augen als der dunkle Grund in Sicht kam, jubilierte dem alles überstrahlendem Hochgefühl in seinem Körper entgegen und lauschte Illiums ausgelassenem Schrei. Dann schlugen sie auf und er hörte nichts mehr.

Stille umfing ihn als die Wellen des Sees über ihm zusammenschlugen und für einen Moment verlor der weiße Engel beinahe das Bewusstsein. Das kalte Wasser um seinen, vom Rennen erhitzten Körper, war wie ein Schock und jeder Zentimeter seiner Haut schien wie von tausend Nadeln durchstochen. Schwärze wirbelte vor seinen geschlossenen Lidern auf und Übelkeit machte sich in seinem Magen breit. Dann spürte er einen vertrauten Körper neben sich. Hitzig und in Bewegung. Das eiskalte Wasser mit mächtigen Flügeln verdrängend.

Illium.

Mit einem Ruck riss Aodhan die Augen auf, kämpfte sich mit einigen kräftigen Schwimmzügen gen Oberfläche und tauchte schließlich prustend auf. Noch immer war das Tosen des Wasserfalls so laut, dass man kaum sein eigenes Wort verstand, trotzdem konnte er auf Illiums lächelndem Gesicht dieselben Gefühle lesen, die auch ihn durchströmten. Glück. Erleichterung. Pure Freiheit.

Gemeinsam und in ruhigen Zügen schwammen die beiden Engel gen Ufer und waren froh, als sie endlich die harten Kiesel der Bucht unter ihren Füßen spürten. Das letzte Stück wateten sie und als ihm das Wasser nur noch bis zu den Knien reichte, blieb Aodhan keuchend und mit bebendem Körper in den kalten Fluten stehen. Er fühlte sich erschöpft wie nach einem langen Kampf und jetzt, da das Adrenalin langsam aus seinem Körper wich, wurden seine Beine schwer und schwerer. Unaufhörlich floss Wasser aus seinem Haar und der Kleidung, strömte aus seinen Schwingen und den vollgesogenen Bandagen daran.

Illium war noch einige Schritte weitergegangen, blieb nun stehen und wandte sich um.

Das feuchte Sweatshirt klebte eng an seiner Brust und deutlich zeichneten sich die Muskeln darunter ab. Das nasse Haar, pechschwarz und glänzend, schmiegte sich eng an den weichen Hals des Mannes und die Spitzen seiner Federn schimmerten wie flüssiges Quecksilber im Mondlicht.

Er war rundherum perfekt – ein schöner, wilder und und unbezähmbarer Mann.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er und in seinen feurigen Augen tanzte eine goldene Glut.

Aodhan nickte langsam und seine Füße hoben sich wie von selbst, als er auf den Blaugeflügelten zuging. Zielstrebig führten sie Aodhans Leib ganz nah an Illiums und er zitterte, als sich ihre Oberkörper berührten. Erregung züngelte wie eine Flamme durch den Körper des weißen Engels und kitzelnde Schauer rannen seinen Rücken hinab.

„Es geht mir gut.“, murmelte er wahrheitsgemäß und mit einem Lächeln beugte er sich herab. Sanft fanden seine Lippen Illiums, verschlossen sie mit einem zärtlichen Kuss und kühle Beherrschtheit traf auf feurige Leidenschaft.

Weich war die Berührung und der blaue Engel schmolz unter der zögerlichen Zartheit des Moments. Verlangen kribbelte in jedem Zentimeter seines Körpers und er umfing das Gesicht des schönen, stolzen Engels vor sich mit beiden Händen. Kühl und seidig schlangen sich weiße Strähnen um seine Finger und er spürte Aodhans leises Zittern.

Illium keuchte als sich ihre Lippen wieder trennten und für einen Moment lehnte Aodhan seine Stirn gegen die des blauen Engels. Dann zwangen sie Kälte und aufkommender Regen auseinander und ihre erhitzten Körper trennten sich voneinander.

„Wir sollten zurückgehen.“, murmelte Aodhan und seine Stimme klang rau und kehlig. Ein leichter Hauch von Röte lag auf Wangen und Stirn des weißen Engels und machte ihn lebendig und wunderschön.

Illium stimmte mit einem Kopfnicken zu und gemeinsam machten sie sich durch den einsetzenden Nieselregen auf den Rückweg.
 

Als nach einer guten Stunde das Haus in Sicht kam, hatte der Himmel all seine Pforten geöffnet und es goss wie aus Eimern. Geduckt, den Windböen so gut wie möglich ausweichend, nahmen die beiden Engel die letzten hundert Meter im Laufschritt und atmeten erleichtert auf, als sie in die schützende Wärme des Holzhauses traten.

Mit einem angewiderten Schnauben schüttelte sich Illium und wandte sich zu seinem Begleiter um.

„Alles noch dran?“, fragte er und beäugte die Flügel des weißen Engels argwöhnisch. Die nassen Bandagen klebten eng an den perlmuttfarbenen Federn und zogen mit unerbittlicher Stärke nach unten. Blätter und kleine Ranken hatten sich in dem schmutzigen Grau verfangen und verunstalteten die unsterbliche Pracht.

Aodhan nickte und seine Zähne schlugen klappernd aufeinander. Er bot einen mitleiderregenden Anblick und Illium lächelte schräg.

„Du solltest dir eine warme Dusche gönnen.“, stellte er fest und stappelte Holz, das neben der Tür lagerte, auf seine Arme. „Ich mache es uns derweil gemütlich.“

Der weiße Engel folgte dem Jüngeren mit den Augen, als dieser den Wohnraum betrat und dort vor dem Kamin niederkniete. Er machte sich in der längst verglühten Asche zu schaffen, fluchte halblaut und legte schließlich frisches Holz auf die Brennfläche. Mit großer Umsicht entfachte er eine kleine Flamme, zog sie geduldig auf und wenige Minuten später erhellte ein prasselndes Feuer den großzügigen Raum.

„Du bist ja immer noch hier.“, lachte Illium als er sich erhob und die angelehnten Glastüren zur Veranda schloss. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick auf den gesamten Talkessel. Grüne Wiesen so weit das Auge reichte, Bäume die sich im Nachtwind bogen, Findlinge, uralt und mit weichem Moos bewachsen, vor der malerischen Kulisse der gigantischen Wasserfälle. Regenschauer jagten durch die Nacht und der silberne Mond wurde immer wieder von dunklen Wolken verdeckt.

Aodhan spürte die aufkommende Wärme des Kaminfeuers auf seiner Haut prickeln und ging einen Schritt näher. Gierig leckte die Hitze der Flammen über seine feuchten Arme, sog Wasser und Kälte wie ein Schwamm in sich auf und hinterließ das wohlige Gefühl von Geborgenheit.

Der weiße Engel schloss die Augen und verharrte vor dem Kamin, bis sich eine Hand um seine Hüfte schob. Illiums Hitze war eine andere, verlockendere, und Aodhan wand sich um.

„Du zitterst.“, murmelte der weiße Engel und legte seine Stirn gegen Illiums. Der Duft von Sommer und würzigem Honig stieg ihm in die Nase und er seufzte leise.

„Dagegen gibt es nur ein Mittel.“, entgegnete der Blaugeflügelte rau und er löste sich aus der intimen Berührung mit einem enttäuschten Stöhnen. „Ab unter die Dusche.“, dirigierte er dann und verließ die betörende Wärme des flackernden Feuers Richtung Badezimmer.

Der verhältnismäßig kleine Raum war geschmackvoll eingerichtet und auch von hier hatte man einen fantastischen Blick auf die umgebende Landschaft. Durch bodentiefe Fenster konnte man dunkle Tannen und wildes Gestrüpp sehen. Eine Lichtung lag in direkter Verlängerung des Hauses und auch hier wanden sich glitzernde Bäche durch den duftenden Waldboden.

Im Badezimmer selbst gab es ein in den Boden eingelassenes Becken, mehrere Sitzgelegenheiten und eine geräumige Dusche die durchaus Platz für drei Engel und deren raumgreifende Flügel bot. Flauschige Handtücher, nach Lavendel und Minze duftend, lagen in Regalen aufgestapelt und die Wärme des Kaminfeuers im Nebenraum drang durch einige Schlitze in der Wand herein.

„Wow.“, murmelte Illium und entledigte sich hektisch seines Sweatshirts. Mit einem dumpfen Klatschen landete das Kleidungsstück auf dem marmornen Boden und er wand sich Aodhan zu. Der lehnte im Türrahmen und betrachtete mit errötenden Wangen den jüngeren Engel in all seiner Herrlichkeit. Weiche, geschmeidige Muskeln an Brust und Rücken, ein flacher Bauch. Goldene Haut die zum Streicheln einlud und die betörend schönen Azurflügel.

„Du zuerst?“, murmelte Aodhan mit rauer Stimme und verschränkte mit zitternden Fingern die Arme vor der Brust.

Illium lächelte und das Feuer in seinen erstaunlichen Augen loderte auf. Bernstein verschmolz mit Gold und hitziger Lava zu einem glühenden Kern der sich ausschließlich auf den weißen Engel richtete und ihn zum Erschaudern brachte.

„Komm her.“, lockte der Blaugeflügelte und er streckte seine Hand nach dem Älteren aus.

Ohne zu wissen warum, folgte Aodhan der Aufforderung und schob seine Finger in die des Jüngeren, ließ seinen Blick über die atemberaubenden Flügel gleiten und stellte fest, dass es sich richtig anfühlte. Hier zu sein. Mit Illium zu sein. Es tat gut.

Zärtlich schob der blaue Engel seine Hände auf Aodhans Hüften und strich sanft über den rauen Stoff des Shirts. Geschickt wanderten seine Finger die schmalen Flanken hinauf, erkundeten und streichelten die noch verhüllte Haut mit langsamen Bewegungen und entlockten dem Älteren ein Seufzen.

„Was...hast du vor?“, murmelte Aodhan und schloss seine unglaublichen Augen. Leidenschaft huschte wie ein Schatten über sein sonst so ausdrucksloses Gesicht und Illium genoss den Anblick.

„Dich von deiner kalten Kleidung befreien.“, antwortete er mit erstickter Stimme und wartete auf Gegenwehr. Sie blieb aus und Triumph glomm in den feurigen Tiefen seines Blickes auf.

Vorsichtig und mit all der Selbstbeherrschung, die er aufbringen konnte, lüftete er den Rand des Shirts auf Aodhans Hüfte und schlüpfte darunter. Kühle, weiche Haut empfing seine hitzige Hand und Illiums Körper überzog sich mit Gänsehaut. Perfekt und nachgiebig schmiegten sich Muskeln und Sehnen an seine suchenden Finger und keine Unebenheit, nicht die kleinste Narbe, störte die vollkommene Glätte.

Mit langsamen, kreisenden Bewegungen schob Illium den störenden Stoff nach oben, entblößte Zentimeter um Zentimeter der duftenden Haut und schluckte tapfer sein Stöhnen herunter. Er wollte Aodhan nicht überfordern. Ihn nicht verunsichern mit der Lust, die in ihm tobte.

„Arme hoch.“, kommandierte er dennoch und war erstaunt, als der weiße Engel klaglos Folge leistete. Mit einer geschmeidigen Bewegung zog Illium das nasse Shirt über den Kopf des Älteren. Der sich nun bietende Anblick brachte den jungen Engel ins Straucheln und er musste sich für einen Moment an Aodhans beruhigend großen Körper lehnen. Kühl presste sich die makellose Haut gegen Illiums Stirn und er fand wieder zu sich, hob die Hand und legte sie mit gespreizten Fingern auf den leicht gewölbten Brustmuskel.

„Wunderschön.“, murmelte er leise und sie verharrten eine ganze Weile in dieser Position. Goldene Karamellhaut gegen weißes Perlmutt gedrückt. Schwarzes Haar mit lichtweißen Strähnen verwoben.

Dann regte sich Aodhan, schob seine Hände in Illiums Schopf und er ließ die schwere, feuchte Seide durch seine Finger gleiten. Wie ein Wasserfall rann das feine Haar mit den blauen Spitzen über seine Haut und hinterließ ein sanftes Kribbeln.

Illium hielt vollkommen still, wagte kaum zu atmen und hielt den Blick gesenkt. Aodhans Berührungen lösten einen so mächtigen Orkan aus Erregung, Lust und Gier in ihm hervor, dass er fürchtete nicht mehr lange an sich halten zu können. Feuer schoss wie ein glühender Pfeil durch seine Adern und bereitete ihm nahezu unerträglich lustvolle Qualen.

„Jetzt zitterst du.“, kommentierte Illium und genoss das Gefühl von Aodhans kräftigen Fingern in seinem Nacken.

„Mir ist kalt.“, antwortete der weiße Engel schlicht und ein Lächeln zog durch seine zersplitterten Iriden.

„Dann solltest du dich ein wenig aufwärmen.“ Und mit einem sanften Stupser beförderte Illium den um einiges größeren Engel in die großzügige Duschkabine. Als er den Hahn aufdrehte und mit einem leisen Rauschen warmes Wasser herabregnete, seufzten beide Engel erleichtert auf.

Heiß und duftend rann das Nass durch Haare und Federn, suchte sich seinen Weg auf honig- und perlmuttfarbener Haut und versickerte dann in rauem Hosenstoff. Schmutz, Kälte und Anstrengung wurden hinweggespült und verschwanden gurgelnd im Abfluss, hinterließen nur feurige Hitze und tiefe, tiefe Erschöpfung.

„Was ist mit... deinen Flügeln?“, fragte Illium stockend und betrachtete die schmutzigen und mittlerweile an vielen Stellen gerissenen Bandagen mit gerunzelter Stirn.

Aodhan schaute ihn eine Weile nachdenklich an, schien in seinem Gesicht nach etwas zu forschen, und seufzte dann.

„Sei vorsichtig.“, mahnte er und gab damit, widerwillig zwar, seine empfindsamste Stelle frei.

„Was sonst erwartest du von mir?“, gurrte Illium und lächelte breit. Sein schönes, wildes Gesicht strahlte und Aodhan kam nicht umhin das Lächeln zu erwidern.

„Angeber.“, murmelte er und wandte sich mit leichtem Unbehagen um.

Seit Jahrhunderten hatte niemand mehr seine Flügel berührt, von den Vampiren im Kampf mal abgesehen, und Aodhan fürchtete sich insgeheim davor. Er war vor langer Zeit so tief verletzt worden und hatte jegliches Vertrauen in die Welt und ihre Bewohner verloren – noch einmal würde er das nicht ertragen.

„Sag Bescheid, wenn es weh tut.“, murmelte Illium hinter ihm und legte dann eine Hand auf die empfindliche Haut zwischen den beiden Flügelansätzen. Aodhan zuckte in Erwartung des Schmerzes und der Übelkeit zusammen, aber nichts von beidem stellte sich ein. Beruhigende Wärme ging von den geschickten Fingern des blauen Engels aus und er verharrte genau solange, bis sich Aodhans rasendes Herz beruhigt hatte.

Dann fuhr Illium am äußeren Flügelbogen nach oben, passierte die erste Bandage und lockerte sie mit gekonntem Griff. Erleichterung durchströmte den großen Engel, als der Druck auf den sensiblen Federn endlich nachließ und er seufzte tief.

„Alles in Ordnung?“, fragte Illium besorgt und hielt inne, die Hand noch immer auf den samtweichen Schwungfedern.

Aodhan nickte wie in Trance und genoss den Moment in seiner perfekten Vollkommenheit.

Illiums Hand auf seinen Schwingen, die ihn endlich von der Last der Bandagen befreien würde, das heiße Wasser auf Gesicht, Schultern und Brust und die tiefe Vertrautheit zwischen zwei Unsterblichen.

Nachdem sich Illium sicher war, dass der weiße Engel sich entspannte, fuhr er in seinem Tun fort. Vorsichtig schob er seine flache Hand an den glatten Federn entlang, lockerte umsichtig die nächste Verbandsschlinge und glitt dann an dem empfindsamen Flügelbogen nach unten.

Aodhan erstarrte für einen Moment zu einer perfekten Statue aus Marmor und Perlmutt. Jeder Muskel in seinem Körper spannte sich bis zum Äußersten und der blaue Engel löste schweren Herzens die Berührung zu dem überwältigend schönen Flügel.

Dann war ein Stöhnen zu hören, ein leises, aber deutliches Keuchen von Aodhans Lippen und er drückte Illium seine Schwingen entgegen.

Verblüfft wiederholte der blaue Engel die zuvor erprobte Bewegung, ließ seine Hände über den empfindsamen Flügelbogen gleiten und Aodhan stöhnte erneut.

Illium lächelte, nahm die zweite Hand zu Hilfe und öffnete einen der festen Knoten am Flügelansatz. Mit einem Klatschen fiel die schmutzige Bandage zu Boden und Aodhan seufzte erleichtert auf.

„Endlich.“, murmelte er und probierte, wie weit er seine Schwinge strecken konnte. Schmerz mischte sich unter die süße Lust.

„Tut es sehr weh?“, fragte Illium und legte seine warme Hand um den sensiblen Flügelansatz.

„Nein.“, antwortete Aodhan schlicht und war erstaunt, wie rau und kratzig seine Stimme klang. Sehnsucht floss zäh wie Wachs durch seinen Körper und verlangte nach so viel mehr Berührung. Nach suchenden Händen auf seinen Flügeln. Nach heißen Küssen auf Nacken und Rücken. Nach wissenden Lippen auf feuchter Haut und geschickten Fingern in weißem Haar.

„Weiter.“, bat er deshalb und bog seinen Rücken durch wie ein Tier, das sich nach Streicheleinheiten streckt.

Illium lächelte und nur zu gerne kam er der rauen Bitte nach. Mit nunmehr geübten Griffen lockerte er eine Schlinge nach der anderen, löste den schmutzigen Stoff von den strahlend weißen Flügeln und entknotete zu guter Letzt ihre Enden. Die zweite Bandage fiel in das warme Wasser zu Füßen der beiden Engel und endlich war Aodhan frei.

Mit einem Keuchen öffnete er seine Schwingen soweit die Duschkabine es erlaubte, ignorierte den bohrenden Schmerz in Schultern und Rücken und faltete sie dann anmutig an seinen Körper.

Bewundernd strich Illiums Blick über die schimmernden Federn. Folgte dem perlenden Wasser mit den Augen und konnte sich nicht sattsehen an diesen vollkommenen Kunstwerken.

Als Aodhan sich umwandte lag ein Lächeln auf seinen weichen Lippen.

„Danke.“, murmelte er und zog den hitzigen Körper des jungen Engels mit spielender Leichtigkeit zu sich heran. Erneut traf Haut auf Haut und ihre Münder einten sich zu einem zärtlichen Kuss.

Sanft lagen Illiums Lippen auf Aodhans, kosteten, übten leichten Druck aus und lösten sich wieder.

Aber der weiße Engel wollte mehr.

Und er nahm sich mehr.

Die Hand im Nacken des Jüngeren presste er seinen Mund auf Illiums und bat mit kitzelnder Zunge um Einlass. Zärtlich knabberte er an der vollen Unterlippe des blauen Engels, eroberte dessen Mund wie ein Husar und rang mit ihm bis die Atemnot sie auseinander trieb. Keuchend, Stirn an Stirn und die Hände in den langen Strähnen des jeweils Anderen vergraben, verharrten die beiden Engel in stummem Genuss und badeten in der feurigen Hitze ihrer beider Körper.

Süß und exotisch war der Kuss gewesen, hatte nach Schnee, nach Honig und Sommertagen geschmeckt und ihnen Verstand und Atem geraubt.

Lächelnd rieb Illium seine Nase an Aodhans und legte seine Hände auf dessen Hosenbund.

„Wir sollten nicht vergessen, wofür wir eigentlich hier sind.“, murmelte er und griff nach dem der cremigen Seife.

Aodhan nickte und folgte der stummen Aufforderung des blauen Engels mit einem Lächeln.
 

Es verging noch eine weitere halbe Stunde, ehe die beiden Engel sauber und trocken, in warme Decken gewickelt, vor dem Kamin zu sitzen kamen.

Das großzügige Sofa bot mehr Platz als nötig und war weich und gemütlich.

Aodhan ließ den Blick über die nachtdunkle Landschaft gleiten und strich dabei gedankenverloren durch Illiums schwarzes Haar. Dieser lag, eingerollt wie ein junger Hund und mit dem Kopf auf Aodhans breiter Brust, zur Rechten des weißen Engels und genoss die Liebkosungen. Seine Augen waren bereits halb geschlossen und er gähnte dann und wann herzhaft. Der Tag mit den Kindern und ihr nächtlicher Ausflug hatten ihm alles abverlangt und nun fühlte er sich herrlich erschöpft und zufrieden.

Auch Aodhans Körper war müde und sehnte sich nach ein paar Stunden erholsamen Schlafes. Träge ließ er seine Finger über Illiums Nacken tanzen, glitt die mitternachtsblauen Flügel hinauf und vergrub seine Hand in den weichen Federn. Dunkelblauer Staub rieselt glitzernd herab und verfing sich in Aodhans Haar.

„Hör auf mich zu bestäuben.“, warnte er lächelnd. „Gestern habe ich Stunden gebraucht, ehe ich alles entfernt hatte.“

Illium zuckte schläfrig die Schultern und schenkte ihm einen kecken Blick aus glühenden Augen dunklen Bernsteins.

„Selber Schuld.“, murmelte er und schlang seine Beine fester um Aodhans.

Das Lächeln des weißen Engels vertiefte sich und er vergrub seine Nase in dem pechschwarzen Schopf des Jüngeren. Sommertage und verglühendes Lagerfeuer. Sonne. Exotischer Honig.

„Du bist ganz schön frech.“, murmelte Aodhan und schloss die Augen mit einem Seufzen.

„Selber Schuld.“, wiederholte Illium und nach wenigen Minuten wurden beide Engel vom Schlaf übermannt.



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