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Der ewig dauergeile Ziegenbock

Oder Der aufgespießte Mistkäfer
von

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Verloren.


 

Der ewig dauergeile Ziegenbock

Oder

Der aufgespießte Mistkäfer
 

1. Kapitel – verloren
 

Zeros POV

Oh Gott, das konnte jetzt einfach nicht wahr sein. Mir war ganz flau im Magen, hätte ich nicht meinen Stolz, so würde ich zugeben, dass ich einfach etwas Angst hatte und eingeschüchtert war. Aber da ich ein gestandener Rockstar bin, nach wie vor, gebe ich gar nichts zu. Höchstens, dass ich überhaupt keine Ahnung hatte, wo ich gerade war. Da ich meine Gefühle aber im Griff habe und ein Profi bin, wirkte ich nach außen hin wie die Ruhe selbst und vor allem so, als hätte ich eine Ahnung, wo HIER war.

Gut, ich wusste welches Land und welche Stadt – aber was half mir das schon, wenn es nicht Tokyo war?! Da war ich leider aufgeschmissen. Und die Stadtkarte hatte natürlich Karyu, wie sollte es anders sein: der Kerl hatte von Tuten und Blasen keine Ahnung, na gut von Letzterem schon und das leider sehr gut, er konnte jedenfalls eine normale Stadt- oder wahlweise auch Landkarte nicht lesen, hielt sie im besten Falle noch falsch rum und hielt Westen für Norden, aber ER brauchte die Karte, wollte sie haben und steckte sie sich rechthaberisch in die Tasche, nachdem er sie mir liebevoll aus der Hand gerissen hatte.

Nun brauchte ich die Karte der deutschen Stadt wirklich dringend, denn ich rannte hier allein rum, dazu noch in sengender Hitze, aber nein, dieser Idiot hatte sie und hielt sie in diesem Moment, wahrscheinlich genau am anderen Ende der Großstadt, WIEDER falsch rum und wunderte sich, wieso er das Hotel nicht fand. Wirklich, dieser Vogel, der den Namen Karyu trug, hatte eine Orientierung wie eine Bratwurst mit Ketschup, warum hatte ich die Stadtkarte nicht zurück erobert?? Gut, vielleicht war ich davon ausgegangen, nicht von ihm getrennt durch die fremde Stadt zu gondeln…

Aber wo ich gerade bei Bratwurst war…ein angenehmer Geruch stieg in meine Nase, während ich auf dem Bahnsteig in irgendeinem mir unbekannten Stadtteil stand. Mein Magen knurrte verräterisch. Mich am Kopf kratzend sah ich mich um, woher der leckere Duft nach gebratenem Fleisch kommt, während mir weiterhin die Sonne unbarmherzig auf den Kopf schien. Oh wie verfluchte ich Karyu! Mein Basecap ist ebenfall in seiner verdammten Tasche! Einzig etwas Geld und meine Sonnenbrille, die auf meiner Nase thronte, waren mir geblieben. Vermutlich würde ich bald als Brathähnchen enden. Sollte Karyu mich jemals wiederfinden, wird er mit Vergnügen an mir knabbern…mit noch mehr Vergnügen eher…Spaß hatte er auch sonst schon immer dabei, sofern ich ihn gewähren ließ, was aufgrund seiner Tricks meistens der Fall war. Irgendwie kriegte er mich immer rum.

Schwitzende Japaner, deren Magen knurren und die doch leicht ratlos wirken, scheinen in dieser deutschen Stadt normal zu sein. Keiner hilft mir. Ich könnte heulen. Aber auf der anderen Seite war ich auch einfach zu stolz, um jemanden auf Englisch anzuquatschen, zumal sich meine Fähigkeiten auf wenige sinnvolle Phrasen wie ‚Good night!’ und ‚I’m cherry boy’ beschränken. Ein ‚Good bye’ bekam ich vielleicht auch noch hervor. Aber danach hörte der Spaß langsam auf. Karyu hatte da etwas mehr Ahnung, zumal seine Aussprache auch nicht ganz so zum Kotzen war wie meine. Sicher war ich mir da nicht, aber ich hatte schon oft genug miterlebt, wie mich Engländer oder Amerikaner mit angeekeltem Gesicht angeschaut hatten, wenn ich was von denen gewollt hatte. Karyu dagegen war immer angelächelt worden. Mit der Schönheit hatte das übrigens nichts zu tun, da waren die blonde Speiche und ich uns einig: ich war der hübschere von beiden.

Ich nickte mir selbst bei dem Gedanken zu und setzte mich in Bewegung. Was zu essen holen, nein erstmal nicht, so viel Geld hatte ich nicht, dass ich alles aus dem Fenster schmeißen wollte. Zumindest nicht, bis ich im Hotel angekommen war. Außerdem konnte man ein paar Tage ohne essen auskommen. Trinken war wichtiger. Nahe den Gleisen lief ich entlang, war froh, als über mir eine Überdachung auftauchte, weswegen die Sonne meine zarte Porzellanhaut nicht mehr erreichen konnte. Und da, in der Mitte des Bahnsteigs, fand sich auch gleich ein Getränkeautomat! Einmal im Leben hatte ich Glück! Na ja, eigentlich war es das zweite Mal, wenn ich beachtete, wie sehr ich Karyu ausgelacht hatte, als er einmal ausgeraubt worden war. Es war noch vor unserer gemeinsamen Beziehung gewesen; er war eines Tages nach Hause gekommen, hatte feststellen müssen, dass eingebrochen worden war und man hatte das wichtigste überhaupt gestohlen – seine heilige, fast alle DVDs, Videos und auf jeden Fall ALLE Cds umfassende Michael-Jackson-Sammlung!

Als er uns das einen Tag später erzählt hatte, war ich vor Lachen vom Stuhl gefallen. Er war zwar beleidigt gewesen, aber es wäre nicht Karyu, wenn ihm das schon einen Tag später wieder egal gewesen wäre. Freundlich wie immer war er um mich herum gesprungen, aber bis heute trauerte er seiner Sammlung hinterher. Lediglich einige Cds hatte er sich getraut wieder neu zu kaufen. Ansonsten, so war er der Meinung, würde er aber weiteres sein lassen, nicht, dass man noch mal einbrach. Ich für meinen Teil hielt den Einbrecher für total bekloppt. Da hatte in der Wohnung nicht nur eine teure E-Gitarre gestanden, sowie Laptop und PC, musikalisches Equipment. Der Kater. Hm okay, dass das Biest nicht geklaut worden war, ist für mich nachvollziehbar. Eigentlich war Ryûtarou sehr umgänglich, aber wenn da jemand war, den er nicht leiden konnte oder nicht kannte, musste dieser sterben, ginge es nach Ryû. Ich hatte befürchtet, der Kater wäre vom Einbrecher aus Notwehr erschlagen worden, aber dem Kater war glücklicherweise nichts passiert. Da war nicht nur Karyu ein Stein vom Herzen gefallen.

Wie auch immer, zurück zu meiner äußerst unglücklichen und beschämenden Situation. Mit einer einfallsreichen, kühlen Flasche Wasser in der Hand, suchte ich irgendeine Anzeige. Hm, so groß, wie auf der einen Tafel Ostkreuz drauf stand, musste die Station hier wohl so heißen. Sagte mir aber nichts. Hier fuhren 6 verschiedene Linien. Wenn ich wenigstens die Richtung wüsste. Ich musste zurück nach Stadtmitte…bevor ich mich entkräftet auf eine der Sitzbänke fallen lassen würde, suchte ich lieber nach einem Plan, wo die Linien abgebildet waren. Ich fand sogar einen auf Englisch. Was mir auch herzlich wenig brachte. Ich studierte ihn, zugegeben, sehr lange und einige Leute werfen mir schon komische Blicke zu, weil ich mit zusammen gezogenen Augenbrauen diesen Plan höchst konzentriert anstarre. Mir könnte ja auch einer helfen, anstatt nur zu gucken!! Aber natürlich erbarmt sich keiner. Dieses deutsche Pack ist echt das letzte. Die taten immer nur so nett, waren es aber gar nicht.

Schlussendlich ging mir ein Licht auf. ich wusste, wie meine Station hieß und ich wusste, wie die Station hieß, zu der ich musste. Perfekt. 3 Linien fuhren da auch hin.

Ich wartete, mit knurrendem Magen, auf eine der S-Bahnen und pustete mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Die anderen Leute um mich herum jammerten alle rum. Ich hätte das weniger offen gemacht. Mit seinem Leid musste man die Mitreisenden nicht auch noch lautstark belästigen, zumal es eh offensichtlich war, dass jeder normale Mensch unter dieser Affenhitze litt.

Es glich an Selbstkasteiung, gar an Selbstmord, dass ich Karyu zugestimmt hatte, mit ihm hinaus zu gehen und die Stadt zu erkunden. Warum hatte ich da nur zugestimmt? Nun, gemeinsam mit ihm in der Bude hocken, kam für mich nicht in Frage, das blonde Gehoppse musste beschäftigt werden, und zwar immer. Allerdings hatte ich ihn auch wieder nicht alleine gehen lassen wollen, denn zugegeben, ich hätte mir nur die ganze Zeit Sorgen um ihn gemacht. Dass er sich zum Beispiel verläuft. So wie es mir jetzt passiert war. Oder dass er weggefangen und zwangsprostituiert wurde. Ich wusste ja nicht, wie schlimm das in Deutschland war, aber so wie in vielen anderen Ländern war es sicherlich verbreitet. Die Prostitution. Ob das beim Von-der-Straße-wegfangen auch so war?

Ich bekam wieder so ein flaues Gefühl im Magen. Auch wenn es erst Nachmittag und deswegen noch sehr hell war, musste das ja nicht heißen, dass ich in Sicherheit war. Ich wollte zurück in unser Ferienhaus!

Sobald ich in der S7 saß, ließ ich mich auf einer der freien Plätze nieder und sah misstrauisch um mich, ob da nicht schon der nächste Mann wartete, der mich wegschnappte. Für die einen möge es vielleicht an bodenlose Paranoia grenzen, dass ich überall schon Gefahren witterte, und das als gestandener Kerl. Aber man wusste nie!

Innerlich verfluchte ich mich, Karyu stehen gelassen zu haben und abgehauen zu sein. So alleine in einer fremden Stadt war nicht gut… Da kam alte Unsicherheit in mir auf. Aber ich hatte gute Gründe gehabt, ohne ihn weiter zu gehen. Wir hatten ein bestimmtes Objekt gesucht zwecks Sightseeing. Karyu hatte ganz der Mann sein wollen und die Karte studiert. Und sie natürlich falsch rum gehalten, worauf ich ihn aufmerksam gemacht hatte. Besser geworden war, nachdem er sie richtig gehalten hatte, aber nichts. Wirklich durchgesehen hatte er da nicht. Nach über einer Stunde und gefühlten tausenden Kilometern, die ich ihm hinterher gelatscht war, hatte ich ihm die Karte abnehmen wollen um dem Elend ein Ende zu bereiten, aber der sture Bock hatte die Karte beleidigt und von sich selbst überzeugt festgehalten und sie weiter studiert. Als Höhepunkt kam dann noch so eine deutsche Tussi angekrochen und hatte ihm helfen wollen. Da war ich richtig eingeschnappt, als er auch noch zuckersüß gelächelt und genickt hatte. Von mir ließ er sich nicht helfen, aber von der billigen Blondine? Wutschnaubend war ich von dannen gezogen, und erst 2 Minuten später hatte ich noch ein verwirrtes, verständnisloses ‚Michioooo~??’ gehört, welches beinahe schon dümmlich geklungen hatte, was mich noch saurer gemacht hatte, da er damit meinen wunderschönen Namen in den Dreck gezogen hatte. Ein Michio, das dümmlich klang, so was bekam auch nur dieser sture Bock hin.

Ich hatte mich in die nächstbeste S-Bahn gesetzt in der felsenfesten Überzeugung, dass die schon richtig fahren würde. Na, offensichtlich hatte ich mich getäuscht.

Ich wurde aus meinen Grübeleien gerissen, als der mir noch bekannte Stationsname verkündet wurde. Von hier durfte es nicht mehr weit bis zum Hotel sein. Und wenn Karyu dann auch irgendwann mal wieder kam, würde ihn eine ordentliche Abreibung erwarten, und das sicher nicht auf irgendeine ‚doch noch nette Art’. Nein, wenn ich wollte, konnte ich knallhart sein. Kurz bevor Karyu und ich zusammen gekommen waren, hatte er mich unvermittelt so offensichtlich angegraben, dass es mich nicht nur überrascht, sondern auch verstört hatte. Unter anderem war Fanservice plötzlich wieder in gewesen. Seine Avancen jedenfalls hatte ich nicht einfach so hinnehmen können. Wenn er es zu weit getrieben hatte, war ich immer kurz davor gewesen, ihm eine zu scheuern, aber es war jedes Mal nur dabei geblieben, dass ich ihn angeschrien hatte. Karyus Kulleraugen waren immer so groß und wässrig geworden, dass man doch etwas Mitleid bekommen hatte. Sein reumütiger Blick hatte mich besänftigt. Doch schon mindestens 2 Tage später hatte er weiter gemacht und sich wieder an mich rangemacht. Irgendwann hatte ich ein klärendes Gespräch mit ihm geführt. Seinetwegen war ich immer völlig durch den Wind gewesen, das hatte nicht so weitergehen dürfen.

Mittlerweile hatte ich die S-Bahnhofstation verlassen und stand ratlos davor. War ich hier richtig oder hätte ich doch lieber nach rechts statt nach links gehen müssen? Immer diese vielen Ausgänge. War ja nicht zum Aushalten. Blinzelnd sah mich um und strich mir den Schweiß von der Stirn. Sollte mir Karyu demnächst über den Weg laufen, müsste die Abreibung für die kleine Kröte warten, bis ich eine erfrischende Dusche genommen haben würde. Jetzt hatte ich wirklich keine Nerven mehr. Die waren alle in der sengenden Hitze nach und nach weg geschmolzen. Als nächstes war mein komplettes Gehirn dran, das spürte ich schon.

Nachdem ich die letzten Schlucke des Wassers genommen hatte, lief ich einfach blind drauf los. Es konnte nur richtig oder falsch sein, und außerdem kannte ich mich hier ja sowieso nicht aus. Es kam mir hier nicht wirklich bekannt vor. Verdammt, hätte ich vorhin doch nur besser aufgepasst, anstatt Karyu wie ein treudoofer Hund hinterherzurennen. Viel zu oft hörte ich in seiner Gegenwart auf zu denken, das war eine ganz schlechte Angewohnheit von mir. Ich lief eng an den Wänden der Häuser entlang, um etwas Schatten abzufassen. Für den heutigen Tag würde ich keinen Fuß mehr aus dem Hotel setzen, sollte ich es je wieder finden. Da musste das blonde Gehoppse durch, aber wahrscheinlich vergnügte sich diese vorlaute Giraffe sowieso grad mit der blonden Tussi. Sie waren sicher das perfekte Traumpaar. Beide blond, dünn, dumm wie Stroh. Und heucheln konnten beide bestimmt auch ganz wunderbar. So wie ich Karyu kannte, steigerte er sich da jetzt hinein und würde in Deutschland bleiben wollen, heiratete und bekam viele, viele dumme, blonde Kinder. Ich wünschte ihnen alle die Krätze an den Hals.

Unvermittelt blieb ich stehen und blinzelte. Die Straße wurde mittlerweile von Bäumen gesäumt, es kam mir bekannt vor. Oh mein Gott, hatte endlich jemand Erbarmen mit einem armen Japaner? Etwas schneller laufe ich weiter und werde mir immer sicherer, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Nur noch um die Ecke und ich war in meinem – zugegeben vorläufigen – trauten Heim!

Doch im nächsten Moment kam genau um jene Ecke irgendein Idiot gelaufen und kollidierte mit mir. Ächzend landete ich auf meinem Hintern, stützte mich noch gerade rechtzeitig mit den Händen ab, welche ich mir allerdings aufscheuerte. Leise knurrend sah ich auf, das würde mir dieser Bauerntrampel büßen!

„Michio!“

Überrascht riss ich die Augen auf und erwiderte den entgeisterten Blick, der mir aus Karyus Glubschaugen zugeworfen wurde. Wie bei einem Fisch auf trockenem Land öffnete sich mein Mund und schloss sich wieder, ohne dass ich einen Laut von mir gab.

„Oh mein Gott, hast du dir weh getan?!“ Aus seiner Starre entkommen hockte das lange Gestänge sich zu mir und legte die Hände auf meine Schultern. „Es tut mir so leid, ich war in Eile-…“

„Ist dir deine blonde Schönheit weg gewatschelt?“, stichelte ich, hatte ebenso meine Sprache wieder gefunden. Verwirrt sah er mich an, während ich mit schmerzverzerrtem Gesicht versuchte, aufzustehen.

„Jetzt mach langsam“, bat er mich und hielt mich am Arm fest, so dass ich erstmal auf dem Boden sitzen blieb. „Du hast dich verletzt…“, stellte er fest, während er meine Hände in die seine nahm und meine aufgeschürften Handflächen betrachtete.

„Es geht schon.“, murmelte ich und funkelte ihn an. „Dein deutsches Freudenmädchen hat vielleicht ein paar Schamanenkräfte“, murrte ich, woraufhin er die Augen verdrehte.

„Schamanen kannst du in Afrika suchen, Michio. Und jetzt hör auf, so eifersüchtig zu sein. Die Blondine hab ich schon durchgenommen, ist kein Thema mehr.“

Ich stutzte und blinzelte ihn etwas verwirrt an. Für ein paar klamme Sekunden erwiderte er meinen Blick eiskalt und genoss wahrscheinlich, wie geschockt ich aus der Wäsche schaute. Doch dann legte sich ein unverschämt breites Grinsen auf sein Gesicht. Es sollte für die nächste Zeit leider auch dort kleben bleiben. Grummelnd boxte ich ihm gegen die Schulter, wovon er sich aber nicht beeindrucken ließ. Es war ja nicht das erste Mal, dass ich ihm gegenüber handgreiflich werde. Allerdings bin ich etwas sanfter geworden beim Zuschlagen. Ich konnte Karyus wehleidiges Gequietsche und Gewinsel nicht mehr ertragen. Vor allem war das beleidigte Schmollen unerträglich. Vor den Anderen behauptete ich immer, dass es mich schlicht nerven würde, die Wahrheit allerdings war, dass ich ihn so nicht sehen mochte, weil ich sofort Mitleid mit ihm hatte und mir dann verdammt schlecht vorkam, ihm weh getan zu haben.

„Na komm“, sagte er lieb und half mir auf die Beine, bevor er wieder meine geschundenen Hände nahm und vorsichtig darüber pustete. „Wir sollten uns besser um deine Hände kümmern, hm? Danach kannst du mich immer noch ausschimpfen.“

„Darauf kannst du Gift nehmen!“, murrte ich und ließ mich von Karyu in Richtung des Hotels ziehen, der nur fröhlich vor sich hinpfiff, was mich gleich noch mehr ärgerte. So ist es doch immer. Ständig treibt Karyu mich zur Weißglut. Dann flippe ich aus und tue ihm weh, ob nun körperlich, seelisch oder gleich beides. Nach einer Weile bekomme ich ein schlechtes Gewissen und versuche mich bei ihm zu entschuldigen, ohne das Wort an sich zu benutzen. Und am Ende läuft alles auf Versöhnungssex aus. Verdammt tollen, wie ich zugeben muss.

Und heute wird es sicher genauso sein. Dass ich mich aber auch nie dagegen wehren kann. Aber ein Weilchen werde ich noch eifersüchtig und sauer auf mein blondes Gestänge sein. Das beruhigt meine Seele und es zehrt nicht ganz so an meinen Nerven, wenn ich ihm dann später wie so oft nachgebe, damit er endlich ruhig ist. Wenn er etwas kann, dann ist es nerven. Er kann mir unsäglich auf den Keks gehen. Ich mache auch keinen Hehl daraus und zeige ihm offen, was ich von ihm halte, gifte ordentlich rum, schmeiße manchmal auch mit Sachen nach ihm und schreie, wenn es mir passt.

In jeder anderen Beziehung kann schon die kleinste Beleidigung einen Sturm auslösen, alles kann an ein paar falsch gewählten Worten zerbrechen. Es kommt sicher in jeder Beziehung vor, dass man sich streitet, über kleines, über großes, was auch immer. Es wird unerträgliche Situationen geben, manchmal verzweifelt man vielleicht vor Wut, Enttäuschung, Schuldgefühlen oder Ohnmacht. Das ist normal. 9 von 10 Beziehungen gehen dann auseinander. Der feine Unterschied ist eben, wie man mit den Problemen umgeht. Karyu hat sich an mein Gemecker mittlerweile gewöhnt. Er macht sich nicht mehr viel aus meinem Geschrei, er weiß, dass das meine Art ist und er kommt damit klar. Ich für meinen Teil weiß, dass Karyu nerven kann, was das Zeug hält. Allerdings macht er es ja auch nicht umsonst, mir fällt durchaus auf, was er dann eigentlich immer will. Ich ertrage es und nehme auch seine anderen Macken hin. Ich akzeptiere, dass er es beim Trinken oft übertreibt, bis er völlig blau über der nächsten Toilette hängt und ich ihm die blonden Haare aus dem Gesicht halten darf, während ich darüber nachdenke, wie ich ihn nun diesmal nach Hause bekomme.

Ich akzeptiere es, wenn er mir die Fernbedienung klaut, weil er lieber seine geschmacklosen Comedyserien gucken wollte anstatt mir mal einen Gefallen zu tun und mit mir Fußball zu schauen.

Ich akzeptiere es, dass ich 7 Tage die Woche für ihn kochen muss, anstatt dass er das mal übernimmt, aber er kann nun mal nicht kochen. Er sieht es auch nicht ein, für mich kochen zu lernen, schließlich ist das nicht so schwer, aber da hat er seine Prinzipien. Ich hab auch seinen bissigen Kater akzeptiert, den er in meine Wohnung geschleppt hat, als wir zusammen gezogen sind. Und das, wo ich doch eine leichte Katzenhaarallergie habe.

Jeder von uns bringt Opfer. Wir haben uns dran gewöhnt. Und das läuft, nicht nur weil wir uns einfach lieben. Wir haben es schon durch, eine Weile voneinander getrennt zu leben. Zuerst habe ich das Gefühl gehabt, meine Freiheit und meine Ruhe wiederzuhaben. Endlich konnte ich wieder etwas früher schlafen gehen, wann ich wollte, ohne vom viel zu lauten Fernseher gestört zu werden. Karyu war halt etwas schwerhörig…

Ich musste nicht mehr werktags mit in die Bar rennen und auf ihn aufpassen (wobei ich sowieso regelmäßig versagte), niemand futterte mir mehr meinen Jogurt ungefragt weg, das Bad war nie besetzt und ich konnte jederzeit rein, ich musste nicht mehr das Sofa absammeln, weil Karyu am Abend zuvor wieder Chips wie ein Idiot gefuttert hatte, und dabei wie ein Krümelmonster sondergleichen alles auf den Polstern verteilt hat, anstatt die Chips anständig und nicht wie ein Baby in seinen Mund zu befördern und zu essen.

Diese Liste könnte ich ewig weiterführen.

Nach einigen Tagen dann aber verflog meine Freude über meine Ruhe und Freiheit. Es fehlte etwas zum Glücklich sein. Ich war allein und mir war langweilig. Und egal wohin ich sah, es erinnerte mich an Erlebnisse, die ich mit Karyu gehabt hatte. Alles erinnerte mich an ihn. Ich vermisste ihn und seine Macken. Es fehlte mir, dass ich morgens beim Aufwachen nicht mehr in sein Gesicht sehen konnte. Kurz bevor er aufwachte, wackelte er immer mit der Nase. Wenn er die Augen öffnete, waren sie so dunkel und glänzten, dass ich glaubte, auf den Grund seiner Seele sehen zu können. Mir fehlte der warme Schauer, der mir dann immer über den Rücken jagte. Mir fehlte Karyus sanftes Lächeln, die Wärme seines Körpers.

Ich vermisste unsere Neckereien, unsere kleinen Wasserschlachten in der Küche, wenn wir das Geschirr mal zusammen abwuschen. Keine gemeinsamen Duschen mehr, keine Spaziergänge. Den widerspenstigen Kater, der mir so ähnelte, bekam ich natürlich auch nicht mehr zu sehen.

In dieser Zeit hatte es so vieles gegeben, was mir Stück für Stück immer mehr gefehlt hatte. Und Karyu war es genauso ergangen. Wir kamen nicht mehr ohne einander aus. Und auch wenn es oft schwer war, zusammen zu leben und miteinander auszukommen, so wog die Last einer Trennung viel schwerer. Alleine waren wir einfach nicht glücklich, wir brauchten einander.
 

„…woran denkst du?“, fragte er mich spätabends leise, während ich in seinen Armen lag und er sanft über meine nackte Haut streichelte.

Leicht lächelnd zeichnete ich mit dem Finger Muster auf seine Brust. „Ich liebe dich.“

Ich hörte Karyus leises Glucksen, spürte das sachte Beben seines Brustkorbs.
 

Für Karyu war es immer wieder faszinierend, wie handzahm und zärtlich ich wurde, wenn ich zutiefst zufrieden war. Die widerspenstige Kratzbürste verwandelte sich in eine schnurrende Katze.
 

Nur Karyu konnte das schaffen. Dafür liebte ich ihn.
 

*~+*~+*~+*~+*
 

~OWARI~
 

Da ich immer und überall an D'espairsRay denke, ist mir letztes Jahr, während ich im Sommer mit der S-Bahn durch das brütend heiße Berlin fuhr, diese FF-Idee gekommen. Es hat dann nur für eine One-Shot gereicht, und es hat leider über ein Jahr gedauert, sie fertig zu stellen, aber ich bin froh, sie letztendlich fertig gestellt zu haben ^____^

Ich hoffe, sie hat ein bisschen Freude bereitet :) ...ich mag es, wenn Zero die Zicke raushängen lässt >D



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  tayo
2013-10-13T08:44:11+00:00 13.10.2013 10:44
Hier hab ich so Tränen gelacht ;D
Naja...die sind eben auch nur Menschen xD
Von: abgemeldet
2012-07-26T20:04:45+00:00 26.07.2012 22:04
wow... Zero hat sich in Berlin verlaufen?? XDDD
und mit der S7 fahr ich doch auch XDDD
(wenn auch in die andere richtung.. ^^")
...wieso hab ich ihn da bloß nich gesehen??? X'DDDD

ach und mensch.. Zero is ja mal so schnell so krass eifersüchtig XDD
..und handgreiflich is er auch noch... aber nett, dass er sich zurückhält *losprust* XDD

und der schluss.. *glücklich seufz* ^///^
*auch will* >__<
Von:  ZERITA
2012-07-26T16:56:19+00:00 26.07.2012 18:56
Dafür, dass die FF ein Jahr für die Fertigstellung gebraucht hat, ist sie wirklich gut geworden ^.^
Ich fand es wirklich gut beschrieben. War voll süß wie Zero sich über Karyu aufregt und rummotzt. Wir wissen ja, die Leute die wir mögen werden am meisten beschimpft. ;)
*knuddel*


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