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Engelstanz der Dunkelheit

"If people had wings...they'd be monsters"
von

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Der Himmel weint


 

Engelstanz der Dunkelheit

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D e r . H i m m e l . w e i n t
 


 

Sein Blick saugte sich an den Schattengestalten fest, die von der anderen Seite der Brücke auf sie zu schwappten, langsam nahmen sie eine neue, schreckliche Form an, wurden durch eine unheimliche Macht zum Leben erweckt, stöhnten zuerst klagend auf, ließen aber ihre Rufe in einem schrillen, überspitzten Dauerton enden.

Cay presste seine Hände fest gegen seine Ohrmuscheln und wartete, bis die höllische Sirene verstummte. Aber es endete nicht – vielleicht hatte es auch gerade erst richtig begonnen.

Die Konturen zuckten und wanden sich unentwegt, ihre Umrisse wurden zusehends deutlicher, Gliedmaßen wurden erkennbar, dann öffneten sich abertausende von gelben, eiterigen Augenpaaren, ihre schnappenden Mäuler zeigten eine doppelt gestaffelte Reihe spitzer, harter Zähne, dann – endlich – verlor sich die wabernde Schwärze. Die Verwandlung war nicht nur abgeschlossen, nein, das Grauen steuerte seinem Höhepunkt entgegen, nicht mehr lange, so dachte Cay, dann würde alles enden. Es musste enden. Heute. Und er konnte sich nicht dagegen wehren, er hatte es versucht – Ja! - aber er hatte verloren, kläglich verloren.

Die Schatten waren mit den schwarzen Wolkenmassen über die Brücke gespült worden, sie hatten hier unten auf sie gewartet, vielleicht Jahre, Jahrzehnte und schließlich Jahrhunderte und jetzt war der Tag gekommen, heute würden sie ihre Pflicht erfüllen und die Welt verändern. Für sie war die Ewigkeit nichts weiter als ein Lidzuck gewesen. Sie hatten geduldig gewartet und diesen Tag herbeigesehnt, nun war er gekommen, endlich gekommen.

„Das sind die unsterblichen Heilwirkenden“, stieß Mochi bibbernd hervor.

„Ich wusste nicht, dass es so viele von ihnen hier unten gibt...“, raunte Ren.

„Gibt es auch nicht, es ist nur eine Illusion, es gibt insgesamt vier Stück, für jedes Natur-Element einen“, unterbrach ihn Toxica wütend, „Feuer, Wasser, Erde und Luft – Sie werden daher auch 'Mondengel' genannt.“

„Interessant...“, sagte Cay gelangweilt, er gähnte demonstrativ, reckte und streckte seine Arme zu beiden Seiten seines Körpers weg, schloss seine Augen und schüttelte genervt den Kopf, „Es spielt keine Rolle, was sie wirklich sind...“, er fixierte die Flut aus Schatten, „Oder wie viele es sind...“, er beschwor eine gewaltige Axt herauf, „Ich werde aus ihnen allen Kleinholz machen!“

Er versuchte an dem Totenrichter vorbeizuhuschen, mit einer schnellen, drehenden Bewegung, wich er dem Kugelhagel aus, tauchte hinunter und sprintete an dem Lauf der Waffe und schlussendlich an seinem Kontrahenten vorbei, aber nicht ohne ihn zu streifen. Die Klinge seiner Axt durchschnitt sein Fleisch, ließ blutige, zerfetzte Fasern aus der Wunde platzen, dann – erlebte er eine Schreckenssekunde – das klaffende, schwarze Fleisch begann zu pulsieren, es reagierte auf etwas, dass er nicht sehen konnte. Das Blut kochte und waberte unaufhörlich, trieb eine gelbliche Flüssigkeit an die Hautoberfläche, zog und riss an dem Gewebe, bis sich die Verletzung geschlossen hatte. Das halb getrocknete Blut klebte an seinem Oberteil, die Wunde war jedoch verschwunden.

„Du entkommst mir nicht!“, fauchte der Totenrichter, er visierte Cay an, drückte noch in derselben Sekunde ab und traf den Dämon in die Schulter. Er taumelte zwei Schritte voran, er schmeckte den widerlichen, eigentümlichen Geschmack seines eigenen Blutes auf seiner Zunge. Er musste würgen.

Cay sah, wie es begann und es kam eher, als er gedacht hatte. Seit dem Aufeinandertreffen mit dem Totenrichter waren keine dreißig Minuten vergangen – wie er fälschlicherweise gedacht hatte – vielleicht, wenn es hochkam, höchstens drei Minuten. Er hatte eindeutig das Zeitgefühl verloren.

Die Legion Myras' traf auf die himmlische Schar des Totenführers - Der Kampf entbrannte. Die riesigen Schatten schnellten auf das Dämonenheer zu, sie hatten die Kluft zwischen ihnen mit nur einem Satz um die Hälfte reduziert, sie erhoben ihre gierigen Klauen, ließen sie durch die Luft tanzen, dann wuchsen sie auf das doppelte ihrer eigentlichen Größe heran und machten sich für den Angriff bereit.

Noch bevor die Schattengestalten ihnen wirklich schaden konnten, schlugen die Dämonen zurück. Sie ließen eine rasende Gewalt, die nicht nur den Erdboden erschütterte, sondern auch jeden ihrer Gegner im Handumdrehen in die Höhe riss und den festen Grund unter sich verlieren ließ, über die Brücke jagen. Es war ein 100 Punkte-Treffer gewesen, nicht tödlich, aber dennoch stark genug um sie ernsthaft zu verletzten.

Für eine endlose, halbe Minute stand Cay da und beobachtete den grotesken Tanz. Die schwarzen Kreaturen hatten sich weit nach hinten gebeugt, waren in ihrer Haltung förmlich erstarrt und das Heer der Dämonen befand sich vor ihnen, aufgerichtet, mit erhobenen Waffen und von einer übermenschlichen Wut gepackt.

„Hier spielt die Musik!“, fauchte der Totenrichter, er hatte Cay aus seinen Gedanken gerissen. Erst jetzt merkte er, dass er einen verhängnisvollen Fehler begangen hatte. Er sah einen Schatten aus den Augenwinkeln, riss schützend die Arme in die Höhe und spürte noch während der Bewegung, dass sie zu spät kam. Der Lauf der Waffe prallte mit voller Wucht gegen seinen Brustkorb und schleuderte ihn erneut zu Boden. Er kippte nach hinten, der Himmel vollführte einen blitzartigen Salto über ihm, dann lag er auf dem Rücken, er spürte noch im gleichen Herzschlag, wie die Mündung der Waffe seines Gegners fest gegen sein Kinn gepresst wurde.

„Du solltest achtsamer sein, Dämon des Zorns!“, säuselte der Totenführer zufrieden und beugte sich weit zu Cay hinunter, sodass er den heißen Atem des Jungen auf seiner Haut brennen spürte. Er zitterte.

Stöhnend wälzte sich Cay zur Seite, versuchte benommen die Augen zu öffnen und im ersten Augenblick wollte es ihm nicht gelingen – erst als er sich in Gedanken ermahnte und seinen Körper regelrecht dazu zwang gegen die Müdigkeit, vielleicht sogar gegen die bevorstehende Ohnmacht anzukämpfen, gelang es ihm die zentnerschweren Lider zu öffnen. Mit großem Erschaudern stellte er fest, dass er auf etwas Weichem, Feuchtem lag, aber was auch immer es war – Es hatte seinen Aufprall deutlich abgefangen.

Dafne schrie. In ihrem Laut war kein Schmerz, aber ein abgrundtiefes Entsetzen, das vielleicht noch schlimmer war, als es jede körperliche Qual je sein konnte, aber ihm blieb keine Zeit sich mit dem Mädchen zu beschäftigen.

Das Blut begann in seinen Adern zu gerinnen, als er aufblickte. Er schrie erstickt auf, wich kauernd zurück und prallte gegen den Totenrichter. Es war einer seiner ehemaligen Mitschüler. Sein Gesicht war fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt, die Bestien hatte ganze Arbeit geleistet, so stellte Cay angewidert fest. Seine Augen waren von einer unendlich tiefen Überraschung aufgerissen, sein Mund war leicht geöffnet, als wollte er gerade zum Schrei ansetzen, doch bevor nur ein Laut über seine Lippen dringen konnte, war er gestorben. Der Feind hatte ihn überrumpelt und dann getötet, ohne dass er sich hatte wehren können. Die Steine unter ihm hatten sich dunkelrot gefärbt und die Lache wuchs in einem erschreckenden Tempo. Der Blutgestank machte ihn fast wahnsinnig, er spürte, wie die Ohnmacht zurückkroch und mit einladenden Händen nach ihm griff. Er zwang sich – mehr gegen seinen Willen – sein Unterbewusstsein nicht gewinnen zu lassen und richtete sich schwankend und mit zitternden Knien auf.

„Lass es uns zu Ende bringen, Richter!“, zischte er, aber schon anhand der Reaktion des Totenführers, wusste er, dass es ein lächerlicher Versuch gewesen war, seine Selbstsicherheit im Anbetracht seiner schleichenden – und allmählich zunehmenden – Schwäche zu demonstrieren.

Der braunhaarige Junge lachte schrill auf, richtete seine Waffe mit einer schnellen, drehenden Bewegung auf Cay und sagte dann, mehr zu sich, als an ihn gewandt, „Nimm deinen Mund bloß nicht zu voll!“

Sein Gesicht verzerrte sich. Das, was er in seinen Augen zu lesen glaubte, war nicht nur einfacher Ärger, es war eine mörderische, kochende Wut.

Cays Finger zuckten, er wollte nichts mehr, als auf seinen Gegner loszustürmen um erbarmungslos auf ihn einzuprügeln, bis er keine Regung mehr zeigte – Sein Zorn explodierte, aber seine Glieder rührten sich nicht. Er besaß kaum noch die Kraft um seine Waffe zielgerichtet auf seinen Gegner zu halten, wie sollte er dann einen Kampf auf Leben und Tod für sich entscheiden?! Zum ersten Mal spürte er so etwas wie die Angst vor dem Sterben in sich aufflackern, noch war seine Furcht eine schwach glimmende Glut, aber schon bald – und da war er sich sicher – , würde sie sich in ein loderndes Flammenmeer verwandelt haben.

„Halt deine Fresse! Ich werde dir zeigen, zu was ich fähig bin!“, keifte er, seine Stimme bebte vor Anstrengung, er war kalkweiß, trotzdem schimmerten Schweißperlen auf seiner Stirn.

Dann rannte er los, seine Beine trugen sein Gewicht kaum noch. Unendlich langsam und schwerfällig schlug er zu. Die Reaktion seines Gegners war nicht nur unerwartet schnell gewesen, mehr noch, er schaffte es noch in der gleichen Sekunde, in der er dem Schlag auswich, seine Waffe zu entsichern und Cay eine Feuerfaust entgegen zu schleudern.

Im letzten Augenblick hechtete der rothaarige Dämon kraftlos zur Seite, fing seinen Sturz mit einer rollenden Bewegung ab, dann riss er seine Waffe mit seiner letzten verbliebenen Kraft hoch, und hielt sie sich schützend vor den Kopf.

Mit einem Mal erkannte er den schemenhaften Umriss Toxicas. Der Dämon war blindlings über das Schlachtfeld gehastet, wich den Angriffen seiner Kontrahenten mit einer spielenden Leichtigkeit aus und besaß obendrein noch die Kraft, um zurückzuschlagen. Er tauchte in die Dunkelheit hinein, er hatte sich in ein Versteck jenseits der Wirklichkeit zurückgezogen, dann – mit einem entsetzlichen, lautlosen, aber schnellen Satz – war er aus den Schatten gesprungen. Die Ungeheuer konnten ihm nichts mehr anhaben, er hatte einen Punkt erreicht, der jenseits der Furcht lag.

„Hier, nimm das!“, brüllte Toxica, er warf ihm das braune Lederbündel zu, „Schnell, schluck' die Substanz! Sie heilt deine Wunden!“

Mit einer hektischen Bewegung langte Cay in den Beutel, tastete panisch das Innere ab, spürte, wie er von einer Welle der Angst ergriffen wurde und fingerte, mit feuchten, verschwitzten Fingern die letzte verbliebene Murmel hinaus. Sie leuchtete in einem schwachen, milchigen Weißton – Er würgte sie, ohne über die Konsequenzen nachzudenken, hinunter, ihm blieb aber keine Zeit die Wirkung abzuwarten. Der Richter hatte seine Waffe erhoben und ließ einen Lichtblitz später einen zweiten und dritten Flammenstrahl aus seinem Gewehr schießen. Ob er nun durch die Einwirkung der Materie starb, oder aber durch den Totenrichter, machte für ihn keinen sonderlich großen Unterschied mehr.

Die Hitzewelle raste an ihm vorbei, er taumelte zurück, aber etwas war anders, es hatte eine Veränderung in ihm gegeben, die er zwar nicht sofort spürte, vielleicht würde sie auch erst im Angesicht des Todes deutlich werden, aber sie war da. Diesmal fielen ihm die Bewegungen fühlbar leichter, als noch einen Herzschlag zuvor, er raste zur Seite, erhob sofort seine Waffe, der Zorn flackerte in seinen Augen und dann geschah es.

Der Totenrichter spannte die Waffe erneut, visierte ihn an und ließ eine kerzengerade Feuerspur auf ihn losjagen. Sie traf zuerst den Leichnam seines Mitschülers, ließ ihn lichterloh brennen und sauste dann weiter – immer weiter, bis sie ihn knapp verfehlte.

Wütend stöhnte sein Widersacher auf, vergeudete aber keine Zeit, schwang seinen Waffenarm herum und feuerte abermals ein Flammenmeer auf Cay nieder.

Die Hitze raubte ihm den Atem, er bekam keine Luft mehr, er japste erstickt auf – In seinen Lungen schien plötzlich nur noch flüssiges Feuer zu sein. Er nutze die letzte verbliebene Atemluft für einen kurzen, aber grellen Schrei, er wich einige Schritte zurück, riss seine Waffe in die Höhe und tat endlich das einzig Richtige. Ohne auf die widersinnige Stimme hinter seiner Stirn zu hören, wirbelte er herum und stürmte auf seinen Gegner zu. Das scharfe Metall traf berstend auf den Lauf des Flammenwerfers, ein kreischendes Geräusch schnitt sich schmerzhaft in seine Gehörgänge, aber statt seinen Griff zu lockern, verhärteten sich seine Finger um den Stiel seiner Axt, bis die Klinge endgültig seinen Halt auf der glatten Oberfläche verlor und abrutschte. Sofort holte Cay aus, hieb zu, durchschlug Fleisch und schließlich Knochen, rammte seine Waffe tiefer in den Körper, seine Klinge wühlte sich tief in die Organe des Totenrichters, Blut, Unmengen tiefrotes, fast schwarzes Blut rann aus der tödlichen Verletzung, aber noch immer schaffte er es nicht seine Hände von dem Griff zu lösen. Als ob seine Finger an dem Stiel festgewachsen wären, umklammerte er das dunkle Holz mit zitternden Händen. Seine Nägel gruben sich tief in sein eigenes Fleisch, aber würde er jetzt von seinem Gegner ablassen und ihm so die Möglichkeit geben sich durch die Mobilisierung seiner eigenen, himmlischen Kräfte zu heilen, stünde er vermutlich wieder am Anfang.

Der Totenführer lebte noch, er hatte sich zu einem tobenden, zuckenden Bündel aus Schwärze verwandelt, er stieß ein unglaublich qualvolles, kreischendes Wimmern aus, es war ein Laut, der aus der tiefsten Grube der Hölle entsprungen sein musste und der sich mit der gleichen Grausamkeit in seinen Verstand grub.

Das Ding begann sich zu verzerren, es verlor seine Form – aber Cay ließ nicht von ihm ab – es warf Blasen, schrie erzürnt auf – Cay drückte fester zu – es wand und krümmte sich unaufhörlich – Cay wuchtete seine Waffe mit aller Kraft aus dem Leib des Totenrichters und stieß abermals zu – Es war ein fataler Fehler gewesen. Der Totenrichter-Wechselbalg war ihm entkommen. Noch war genug Leben in ihm um sie alle zu töten.

Die Schatten waren nicht nur subjektiv näher gekommen – Nein! – er konnte ihre bösen, drohenden Konturen hinter sich spüren, aber würde jetzt seinen Fehler von eben wiederholen und sich erneut umdrehen, so würde er nicht nur seine Deckung einbüßen, da konnte er sich seiner sein. Der Totenrichter würde diesmal keine Gnade walten lassen und seinen Körper mit nur einem Angriff in tausend Stücke zerschmettern – Wenn sich ihm die Möglichkeit dazu böte.

Plötzlich wusste er es, sie befanden sich immer noch im Wirbel des Chaos, sie hatten ihn nie wirklich verlassen. Die Brücke endete zwar in der Totenhalle, sie bildete sozusagen die unsichtbare Grenze zwischen der Sonnenscheibe und der Mondscheibe, aber noch hatten sie die Schwelle nicht überschritten. Die Schattenwesen waren gestaltgewordener Hass, die Materialisierung ihrer Ängste und Alpträume, die keine andere Bestimmung kannten, als sie zu zerstören und zu töten. Die Mondengel hatten diesen Umstand wissentlich ausgenutzt und eine Armee des Grauens auferstehen lassen. Wieso hatte er die Augen vor diesem Gedanken nur so lange verschlossen und sich eingeredet, dass er immun gegen die Gefahr aus dem Unterbewusstem sei?! Er ärgerte sich über sich selbst.

Aus keinem anderen Grund war diese Schlacht entstanden, es war Myras ganz persönlicher Alptraum. Etwas in ihm, ein siamesischer Zwilling des Bösen hatte Besitz von ihm ergriffen, er hatte genau gewusst, zu was sich diese gottlose Welt wandeln würde, hätte er sie nur erst betreten – Aber dieser Umstand hatte ihn nicht abgeschreckt. Nicht im geringsten. Er war bereit dazu dem Terror mutig in die Augen zu blicken und die Dämonenwelt zu verändern, hatte er erst einmal die Schwelle der Furcht überschritten und war zu der Erkenntnis gekommen, dass das infame Grauen lediglich in seinem Kopf existierte. Es war die Spieglung des himmlischen Krieges von vor so vielen Jahren, doch heute würde er die Geschichte neu schreiben, einzig und allein durch die Kontrolle seiner Gedanken.

Von nun an würde sich das Blatt zu seinen Gunsten wenden, einfach weil er es wollte – Er blieb abrupt stehen und grinste.

Der Himmel senkte sich rapide ab, die Lebenslichter tanzten nervös unter dem Firmament auf und ab, vier nebulöse, von reinem Licht und Bewegung erfüllte Schemen hoben sich aus dem Meer der Dunkelheit ab und steuerten auf Myras und sein Dämonenheer zu.

Die Doppelgänger lösten sich wie schwarze Säure in der Dunkelheit auf, stießen blubbernde und würgende Geräusche aus ihren Kehlen, rissen ein Quader aus Schwärze in den Himmel, ihre Augen waren mit Furcht getränkt, ihre entsetzlichen, klaffenden Mäuler verzogen sich zu einem Schrei, dann schlug die Finsternis unnachgiebig nach ihnen und riss sie in den Tod. Zehntausend Gegner, zerschlagen innerhalb von wenigen Minuten.

„Das kann nicht sein!“, würgte der Totenrichter hervor, „Wie habt ihr...?!“

„Sagen wir es so -“, begann Myras gelangweilt, „Wenn man euren Plan einmal durchschaut hat, war es erschreckend einfach.“

„Aber noch habt ihr nicht gewonnen... und ihr werdet auch nicht gewinnen“, sagte er scharf, „Ihr werdet es nie wieder in die Oberwelt schaffen, das sind längst vergangene Tage, die ihr herbeisehnt – Gott wollte es so, sein Wille geschehe und ihr werdet bin in alle Ewigkeit in euren Löchern verrotten, ihr widerlichen Kakerlaken.“

„Hallelujah!“, kam es spottend von Myras, er faltete die Hände ineinander und richtete ein Stoßgebet an den Himmel, „Guter Gott, mach dich gefasst auf die Rebellion des Teufels, heute Nacht wird der Himmel erlischen und der neue König wird deinen Thron besteigen.“

„Mach dich nicht lächerlich, du dreckiger Dämon“, fauchte der Totenrichter, „Denkst du nicht, dass dein Plan zu offensichtlich ist, als dass es mir nicht möglich wäre, ihn zu verhindern?!“, er schnippte mit den Fingern, „Und das werde ich dir jetzt beweisen“, die vier Kolosse traten hinter den Mann, „Gott wird ohne Gnade über euch richten!“

Mit einer Macht, die Cay nicht erahnen mochte, schoss ein kaltes, steriles Licht auf die Dämonenarmee zu, sie hatten versucht dem Glanz zu widerstehen, nur einen Sekundenbruchteil, nachdem die Flut aus Licht auf sie hereingebrochen war, schlugen die Dämonen in rasender Agonie wild um sich – und verloren. Sie hatten gegen die übermächtige Gewalt, der Mondengel nicht den Hauch einer Chance gehabt, einer nach dem Anderen starb vor seinen Augen, sie wurden wie leblose Spielfiguren weggeknickt, lagen auf den Trümmern der Brücke und schrien und schrien, bis sie sich nicht mehr rührten. Ihre Rufe vermengten sich mit dem höhnischen Gelächter des Totenrichters, sie wurden zu einem irrsinnigen Geheul, einem Szenario des Todes.

Cay hatte geglaubt, dass der vermeidliche Herrscher über die Unterwelt toben würde, dass er den Tod seiner Legion nicht nur rächen, sondern von einer wilden, überschäumenden Wut in den Wahnsinn getrieben werden würde, die die ganze Menschheit zu vernichten bereit war – Aber nichts davon geschah. Myras stand teilnahmslos am Rand, beobachtete das Geschehen, rührte sich aber nicht, er starrte mit seinen ausdruckslosen, kalten Augen den Totenführer an, dann schloss er seine Augen und lachte geisteskrank. Die Laute klangen so bizarr, als ob sie nicht aus einer menschlichen Kehle stammten, sondern aus einem Ding, dass ein Stadium irgendwo zwischen Menschsein und Maschine erreicht hatte. Es erinnerte ihn an ein schrilles, fräsendes Geräusch eines Bohrers, das seine Nervenstränge mit jeder Rotation freizulegen drohte. Er bekam eine fürchterliche Gänsehaut, jedes Nackenhaar stellte sich ihm einzeln auf – dann war es vorbei, endlich verstummte das Geräusch.

Alles war genauso eingetroffen, wie Myras es sich gewünscht hatte, vielleicht sogar noch besser – Er legte seinen Kopf schief und fixierte Cay mit einem wahnsinnigen Ausdruck in den Augen.

„Komm zu mir, kleiner Bruder“, sagte er leise, „Du bist der einzige Mensch, der mir noch geblieben ist, Vater und Mutter sind tot, unsere Verbündeten sind nicht mehr und das alles ist meine Schuld...“, er schlug beide Hände vor sein Gesicht, „Ich habe sie sterben lassen...“, dann zog er die Luft scharf in seine Lungen, „Und genau das sollten sie auch – SIE SOLLTEN ALLE STERBEN!“

Der Wahn hatte ihn befallen, seine Gesichtszüge waren bizarr verzerrt, er stand da, eingehüllt in eine Säule aus pulsierender Dunkelheit, die ihn wie ein schwarz, leuchtender Nebel durchflutete und dann streckte er seine Hand gierig nach Cay aus und winkte. Er winkte ihn herbei, wie eine Marionette führte er ihn an unsichtbaren Fäden, er hatte ihn bis hierher laufen lassen und er hatte für ihn getanzt, über viele Jahre hinweg – Auch jetzt noch, er konnte sich nicht dagegen wehren – Vielleicht hatte er es auch nicht einmal richtig versucht.

Und auch jetzt tat er genau das, was Myras von ihm erwartete. Er steuerte mit langsamen Schritten auf den schwarzhaarigen Dämon zu, unterschwellig, irgendwo in einem anderen Teil seines Bewusstsein, wurde er von etwas weitaus Größeren, Verzerrendem beherrscht, es füllte die Leere in seinem Herzen und ließ etwas Neues entstehen, dass ihm die Tränen in die Augen trieb. Erst jetzt – und mit tagelanger Verspätung – kehrten seine Gefühle mit aller Wucht zurück, sie fochten den Kampf mit seiner Innenwelt aus und gewannen die Oberhand, dann überschwemmten sie seine Gedanken mit einer Heftigkeit, die ihn bis ins Mark erschauderte.

„Genauso ist es richtig“, zischte Myras benommen, „Komm zu mir~ Komm zu mir~“

Myras schien mit der Kraft seines Geistes seine Gedanken zu beherrschen, ohne dass er überhaupt mit seinem Körper verbunden war.

„Tu es nicht!“, jemand schrie.

Aber er hörte nicht.

„Verdammt! Du sollst stehen bleiben, Cay!“, es war die Stimme Rens, er zerrte an seinem Arm, aber der Rothaarige blieb weder stehen, noch schien er sich für seine Worte sensibilisieren zu können.

Er schlug den Arm seines Partners weg und brüllte: „Du hast es gewusst, nicht wahr?! – Gib es wenigstens zu, du feige Ratte!“

„Wovon sprichst du bitte?! Hast du jetzt vollkommen den Verstand verloren?!“, aber schon an der Art, wie Ren seiner Frage auswich, verriet er sich.

„Du hast gewusst, dass Myras mein Bruder ist – Ist es nicht so?! Warum hast du mir nichts gesagt, warum hast du mich belogen?!“, keifte er.

„Weil ich dich vor dir selbst beschützen wollte, du Trottel!“, gab Ren mit immer leiser werdender Stimme zurück, „Du wärst ausgetickt, wenn du es gewusst hättest...“

„Mit recht!“, unterbrach ihn Cay gereizt.

„Du nimmst dir ganz schön viel raus, du Idiot“, raunte Toxica, er war hinter Ren getreten und beinahe schien es so, als ob nicht sein Rivale derjenige war, der die Seiten gewechselt hätte, sondern er selbst. Diese Vorstellung war absurd, mehr als das.

„IHR BEGREIFT DOCH GAR NICHTS!“, schrie er in wilder Manie.

„Aber du tust es, nicht wahr?!“, Toxica blieb erschreckend ruhig, seine Augen huschten abwechselnd zwischen dem Totenrichter, Myras und den Mondengeln hin und her. Es war die Ruhe vor dem Sturm, und er – nein, sie alle – befanden sich mitten im Auge des Unwetters, das jeden Augenblick über sie hinein zu brechen bereit war.

„Und selbst, wenn du es gewusst hättest... Cay... Macht dich das zu einem anderen Menschen?! Hätte es irgendwas an deiner Situation geändert? Du hättest dich verrückt gemacht und wärst mir noch mehr auf die Nerven gegangen, als eh schon“, sagte Toxica hart, aber er wurde zusehends nervöser, „Aber du wärst mit Sicherheit glücklicher gewesen, das willst du dir doch liebend gerne einreden, ist es nicht so? – Mit einem neuen Bruder an deiner Seite, den du ums Verrecken nicht ausstehen kannst“, höhnte er und verzog gehässig das Gesicht, „Du bemitleidest dich nur selbst, aber darin warst du schon immer gut, du Spinner.“

„Ja.. aber...“

„Nein, Cay hat vollkommen recht“, zischte Myras ungehalten, seine Augen waren erfüllt von einer Selbstzufriedenheit, die ihn Toxica eine blanke, rohe Wut emporsteigen ließ, „Cay soll es wissen, bevor er stirbt“, er legte seine rechte Hand sanft auf das Kinn des Dämons, drückte seinen Kopf nach hinten und zwang ihn so ihm in die Augen blicken zu müssen, „Unsere Mutter wollte dich schützen, ausgerechnet dich“, er blickte ihm mit voller Abneigung in die roten Augen, „Sie wollte nicht, dass du in einer gottlosen Welt aufwächst, die von der himmlischen Armee unterjocht wird und was hat es ihr schlussendlich gebracht?!“, er verzog seine Mundwinkel zu einem absurden, falschen Lachen, „Du bist doch hier unten gelandet und sie konnte es nicht verhindern. Nicht im Geringsten. Und deinen Tod kann sie ebenso wenig verhindern... Es ist zu spät...“, die letzten Worte hatte er nur noch flüsternd über seine Lippen gebracht. Es lag etwas abgrundtief Böses, Hassendes, wenn nicht sogar Verachtendes in seiner Stimme.

„Schon bald wirst du Nero wiedersehen, aber vorher werde ich die schwarze Materie aus deinem Körper extrahieren. Du bist – ausgenommen mir natürlich – der letzte Nachfahre der königlichen Familie und in dir schlummert eine enorme Kraft...“, er fuhr sich gedankenverloren über die Lippen, „Mit ihr und all den Seelen, die ihr für mich gesammelt habt, werde ich Ragnarök einleiten...“

Er befand sich im Spinnennetz. Alles andere war Teil des Spiels gewesen: Die unnötigen Stunden, die er in der Schule Myras verbrachte, sie hatten nicht dazu gedient ihn zu einem richtigen Dämon zu erziehen oder aber ihn auch nur annähernd an sein Ziel zu bringen, nein, er war lediglich ein Wirt gewesen – Ein abscheulicher Wirt, dessen einzige Aufgabe darin bestand die Boshaftigkeit in seinem Herzen zu schüren und dabei ein Seelenwesen von absonderlicher Niedertracht und Infamie in sich zu erschaffen.

Es war nicht unglaublich gewesen, dass er Toxica hatte töten sollen, es gehörte mit zu Myras perfidem Plan, er sollte über sich hinauswachsen, den Hass mit jeder Faser seines Körpers aufnehmen und eine Abneigung gegen alle lebenden und empfindsamen Wesen auf diesem Planeten entwickeln. Myras hatte ihn für den Terror sensibilisiert, ihn förmlich über ihn einbrechen lassen - Und fast wäre es ihm auch geglückt, er hatte gelitten, er stand Toxica im Kampf auf Leben und Tod gegenüber, aber der Kampf war anders verlaufen, als Myras es eingeplant hatte. Cay sollte ihn töten, er sollte glauben, dass er keine andere Wahl hatte, als diesen – von ihm vorbestimmten – Weg einzuschlagen und dann wollte er ihm alles nehmen. Den Glauben an sich selbst, an die Hoffnung, nur um ihn am Ende noch härter treffen zu können.

Ren, Toxica und Mochi waren nichts weiter als Figuren gewesen, an deren Fäden Myras und Dafne zogen. Er sollte heute Nacht hier sein, er alleine und jetzt, da er hier war, schien ihr teuflischer Plan aufzugehen.

Aber etwas fehlte noch – er musste sterben, erst durch seinen Tod war es Myras möglich seine Seele zu extrahieren, sie würde sich dem Strom anschließen und zu einer Macht werden, die jenseits seiner Vorstellungskraft lag. Ob er vor zwei Jahren, oder heute Nacht sterben würde, sollte keinen großen Unterschied machen, Myras war längst zum Alleinherrscher aufgestiegen. Sein Tod war lediglich eine reine Formsache, nicht mehr und nicht weniger. Aber diesen allerletzten Triumph würde er ihm nicht gewähren. Er umklammerte den Griff seiner Waffe entschlossen und endlich schaffte er es die Hand seines Bruders wegzuschlagen. Der Bann war gebrochen.

Jemand war hinter sie getreten. Ein Mann, eingehüllt in einen Mantel aus klebrigen, geronnenem Blut erschien einen halben Meter von ihnen entfernt und hinterließ mit jedem weiteren Schritt, den er voran tat, blutrote Abdrücke auf dem Untergrund. Zwei rötliche Kugeln, doppelt so groß wie gewöhnliche Augen, füllten die grotesk, verschrobenen Augenhöhlen in einem Gesicht, das irgendwie neu geformt worden war, dann erkannte er mit Schrecken, dass das Ding der Totenrichter war.

Seine Beine, Arme, Brust, Bauch, Hals und Gesicht waren dicht von aufgequollenen Blutgefäßen durchzogen, die direkt unter seiner Haut lagen und bis zum Bersten prall gefüllt zu sein schienen. In einigen dieser Gefäße mochte tatsächlich sein eigenes, menschliches Blut pulsieren, aber der Großteil war von einer anderen, gelb- bis grünlich schimmernden Flüssigkeit verpestet. Zu was auch immer der Totenrichter mutiert war, er hatte seine menschlichen Zügen für sein neues Ich einbüßen müssen. Aus seiner Stirn klaffte eine wurmähnliche Sonde, die etwa so dick wie ein Bleistift war, sie brach aus seinem Knochen hervor, als wäre sie mit einer Pistole geschossen worden und streckte sich Cay entgegen. Sie überwand die drei Meter, die zwischen ihnen lagen binnen von Sekunden, und traf den Dämon. Die Sonde spürte Fleisch und fraß sich unter seine Haut. Er schrie gepeinigt auf, versuchte das Ding aus seinem Bauch zu reißen, aber es gelang ihm nicht – die rotierenden Fräsen hatten sich schon zu tief in seinen Leib gefressen. Die Welt begann vor seinen Augen zu verschwimmen, es wurde hell, dann wieder dunkel und wieder hell, in dem gleichen Rhythmus, wie sich seine Lider hoben und senkten. Nicht mehr lange und er würde das Bewusstsein endgültig verlieren und womöglich sogar sterben.

„MEIIIISTER!“, kreischte Mochi, er sauste auf den Totenrichter zu, er stieß mit aller Kraft zu, prallte aber noch in der gleichen Sekunde, ohne seinem Gegner wirklich schaden zu können, taumelnd und stolpernd zurück. Der Kürbisgeist stieß einen langen, erstickten Schrei aus. Es war kein körperlicher Schmerz, das wusste Cay sofort, es waren Rufe unmenschlicher, körperloser Qualen, die unermüdlich an seinem Verstand nagten und ihn fast verrückt machten.

„Ihr dürft nicht kämpfen...“, flehte der Kürbis, „Ihr seid doch alles Gottes Schöpfung, egal ob Engel, oder Dämon, warum kämpft ihr dann?! … Ihr müsst aufhören...“

Der Totenführer spürte, wie die Kralle des Hasses langsam seinen Griff zu lockern begann, sie zog ihre gierige Klauen aus seinem Verstand zurück und hinterließ ein abscheuliches Gefühl der Verwirrung, das nicht nur sein gesamtes Leben infrage stellte, sondern auch hinterfragte, was er gerade bereit war zu tun – Und zu welchem Preis. Sein Herz hämmerte schmerzhaft gegen seine entstellte Brust.

Aber die Erkenntnis, was diese Worte wirklich bedeuteten, kam zu spät. Er riss den Sondenarm zurück, schlug ein klaffendes, gut fünfzehn Zentimeter tiefes Loch in Cays Körper und ließ seine Haut regelrecht zerplatzen, als das blutverschmierte Ding aus seinen Organen austrat. Ein Gemisch aus dünnen, schwarzen Fäden und splitterndem Metall trat aus der tödlichen Wunde, Cay öffnete seinen Mund zu einem letzten stummen Schrei, seine Augen drangen sichtbar aus den Höhlen, dann kippte er nach vorne weg. Sein Körper schlug ungebremst auf der steinernen Brücke auf, er war nicht auf der Stelle tot gewesen – Vielmehr war es ein Tanz, ein makaberer Tanz in den Tod. Noch immer kämpfte er um sein Leben, weigerte sich seinen Tod als diesen zu akzeptieren und krampfte seine Gliedmaßen zusammen, er zog seine Beine schlagartig zum Körper hin, schlang seine Arme um seine Knie und streckte sie einen Herzschlag später schmerzerfüllt, so weit es ihm eben möglich war, vom Körper weg. Der Schmerz explodierte in seinem Inneren, zuckte unnachgiebig vor seinem geistigen Auge und dann wurde es endlich still. Die Rufe um ihn herum verstummten, sein Herzschlag verlangsamte sich, anschließend wurde es vollkommen schwarz.

Myras wich von dem gestürzten Leichnam zurück, der endlich aufgehört hatte zu zucken, und richtete die Waffe auf den Richter.

Die Lichter am Himmel kündigten das Chaos an. Sie flackerten unruhig auf, vermochten aber nicht die Kluft, die zwischen ihnen und dem Niemandsland, das irgendwo hinter der Brücke lag, zu überwinden – Nicht jetzt, da der Totenführer ihnen noch keinen Einlass gewährt hatte.

Unwirkliche Bilder materialisierten sich vor Myras geistigem Auge, schafften es aber nicht an sein Bewusstsein zu treten. Sie hatten ihren Grauen schon vor einer gefühlten Ewigkeit eingebüßt, der Schrecken hatte sich für immer von ihm gelöst – Der Orkan des Entsetzens war zu einer lauen Sommerbrise geworden. Nun war es an der Zeit, um endgültig zurückzuschlagen.

Fast hatte er sie vergessen – stellte Myras bestürzt fest. Er fuhr herum, dann sah er sie. Den Zug aus vier großgewachsenen, hünenhaften Gestalten, die durch die grauen Schatten warteten. Die Männer bewegten sich vollkommen lautlos, selbst als sie die Münder öffneten und sich ihre Lippen deutlich erkennbar kräuselten, drang kein Ton aus ihren Kehlen. Ohne, dass er es wollte, jagte ihm diese stille Prozession einen Schauer der Ehrfurcht über den Rücken, er schaffte es nicht die Augen von diesem Bild zu lösen, starrte wie hypnotisiert die Mondengel an und beobachtete wie sie binnen von Sekunden die Wirklichkeit überwanden, Lücken in das Universum rissen und fast spielend die Distanz zwischen ihnen zu reduzieren schienen.

„Das Ende hat also begonnen!“, säuselte Myras kalt.

Mit einem Mal wurde alles unwirklich. Ein rotes Licht schoss über sie hinweg, es riss seinen dürstenden Schlund gierig auf und bildete ein symmetrisches Muster, das die Umrisse der Brücke lodernd nachzeichnete, dann zog und zerrte es unnachgiebig an dem Seelenstrom. Es trieb die umherschwirrenden Seelen in sein Zentrum, schloss sie in seinem Kern ein und entfachte eine Gewalt, die mit jedem Aufblitzen zu explodierten drohte. Weiße und schwarze Funken lösten sich von dem wuchtigen Koloss, wurden sofort von der Dunkelheit verschluckt und hatten keine Chance zu entkommen.

„Was ist passiert?!“, hauchte Ren, er klammerte sich an Toxica, grub seine Finger durch den Stoff seiner Jacke, bis er die Haut darunter erreichte.

Toxica stöhnte, „Auf diesen Augenblick hat Myras hingearbeitet... Im Inneren dieses Feuerballs befinden sich alle Seelen, die jemals gesammelt wurden – Einschließlich die von Cay... natürlich.“

„Und wenn er diese Kraft wirklich entfesselt, zerspringt die gesamte Welt, nicht nur die der Dämonen“, murmelte Ren.

Aus dem Hintergrund wehte ein wehleidiger, tränenvoller Laut, es war die Stimme Dafnes: „Ich habe das alles nicht gewollt... Ich wollte nicht, dass er stirbt... Ich habe gedacht, dass ich es schaffen würde... dass ich nicht nur seinen Tod, sondern euer aller Tod problemlos verkraften könnte... Aber ich kann es nicht... Es soll aufhören... Bitte macht, dass es aufhört! Ich flehe euch an...“

Der Anblick der sinnlos, rasenden Gewalt, die gnadenlos über sie hinwegfegte, war mehr als sie ertragen konnte. Wahrscheinlich war es mehr, als sie alle ertragen konnten. Sie brach in sich zusammen, Tränen stiegen in ihre Augen und vermischten sich mit einem tiefen Schluchzen. Sie warf den Kopf in ihre Hände, verbarg ihr von Tränen gezeichnetes Gesicht vor den Blicken der anderen und zitterte am ganzen Leib. Je stärker sie versucht hatte sich zu beruhigen, umso schwerer war es ihr schlussendlich gefallen.

„Sie... Sie bringen sich gegenseitig um“, stammelte Mochi angsterfüllt, als er die gebündelte Energie der Mondengel auf Myras zuschnellen sah.

„Nein, uns alle“, berichtigte ihn Toxica, gerade als er seine Mundwinkel zu einer spöttischen Grimasse verziehen wollte, platze sein Schädel auseinander, seine Augäpfel wurden brutal aus den Höhlen gedrückt, baumelten lediglich an den dünnen, von pulsierenden Strängen durchzogenen Nervenenden, schwarze und rote Fasern explodierten aus seinen Eingeweiden, dann ergoss sich ein Schwall aus feuerrotem Blut auf dem Boden.

Er hatte es nicht mehr geschafft sich zu wehren. Er hatte das Böse bedingungslos in sein Leben gelassen, das Böse eigendünklerischer Verzweiflung, das mit dem flammenden Lichtkegel transportiert wurde und nicht nur sein – sondern ihrer aller Leben – mit nur einem erbarmungslosen Fingerschnippen ausradierte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Farbwolke
2013-12-23T21:21:41+00:00 23.12.2013 22:21
Abschnitt 5:
Der Abschnitt ist leider doch kürzer geworden, als ich erhofft habe :( Das war wirklich ekelhaft mit dem Schädel und den Augen, weißt du das? Ich meine ich bin manchmal echt hart im nehmen, aber orr das war hart! Trotzdem ist es ein wirklich tolles Ende für das Kapitel gewesen. Jetzt sind als Ren, Toxica, Myras, Dafne und der Torenrichter tod? Alle hin? Das ist irgendwie blöd.... Das darfst du nicht machen! Wieso lässt du alle sterben? Voll gemein von dir!
Von:  Farbwolke
2013-12-23T21:18:56+00:00 23.12.2013 22:18
Abschnitt 4:
Ganz schön dreist was Myras sich da erlaubt So was macht man nicht mit seinen Geschwistern! Kack Myras, wirklich jetzt.Die Beschreibung vom Totenrichter war unheimlich... Ich musste bisschen schlucken, als ich die Beschreibung gelesen habe, wenn ich ehrlich sein soll. Der Totenrichter wird immer unheimlicher. Woran liegt das? Cay ist jetzt tod? Im ernst? Das finde ich scheiße! Wieso ist Cay jetzt tot? Wieso stirbt Myras nicht einfach? Mann ehi! Dafne lebt ja auch noch *ironie* Jetzt Jammert sie rum. Kann mal jemand das gejammer ausschalten? Wäre super. Danke!

Weiter gehts!
Von:  Farbwolke
2013-12-23T21:04:43+00:00 23.12.2013 22:04
Abschnitt 3:
Myras macht sich voll über den Torenrichter lustig. Ich konnte gar nicht aufhören zu lachen, weil das so lustig war, während der Totenrichter so ernst war haha. Es hätte mich irgendwie gewundert, wenn die Mondengel nicht gewonnen hätten, wenn ich ehrlich sein soll. Also Moment... Myras und Cay sind Geschwister? Verstehe ich das jetzt richtig? Gab es dieAnzeichen dafür schon in den anderen Kapiteln, dann habe ich das wohl nicht ganz mitbekommen, obwohl ich aufmerksam lese :( Okay Frage hat sich erledigt. In den anderen Kapitel kam davon wohl nichts vor. Wie gemein das Ren davon wusste und nichts gesagt hat, so was nennt sich Freund tzzzz. Myras wird echt noch verrückt... Ich sag ja er ist ein Freak, finde ich aber gut, ehrlich :) Ich mag Freaks. Anscheinend hat Myras aber Recht. Cays Mutter konnte Cay nicht retten. Armer Cay :(

Auf in den nächsten Abschnitt...
Von:  Farbwolke
2013-12-23T20:55:22+00:00 23.12.2013 21:55
Abschnitt 2:
Ohhhhh das kam Toxica aber wirklich Rechtzeitig, als Cay die Murmel bekommen hat. Erinnert mich an DBZs Magiesche Bonen lol. Scheind wohl doch nur ein Kampf zwischen Cay und den Totenrichter zu sein, nun gut. Ich finde die Beschreibung soooo toll. Die Idee das der Totenrichter sich "regenerieren" kann, finde ich super cool, weil so wird das Kapitel richtig spannend. Sind die anderen Gestalten auch hinter Cay her? Fragen über Fragen :/ Ich werde jetzt erstmal weiter schauen :)

Bis gleich :)
Von:  Farbwolke
2013-12-23T20:32:26+00:00 23.12.2013 21:32
Hi :)
Abschnitt 1:
Was für ein Anfang für das Kapitel. Ich finde das der Anfang schon sehr sehr spannend war. Wieso hat Dafne denn nun geschrieen? Cay ist der einzige der Kämpft habe ich das Gefühl, oder täusche ich mich da? Die Idee mit den Monster ist super, wobei ich es vielleicht besser gefunden wäre, wenn es wirklich mehr als 4 gewesen wären :/ Dann hätten die anderen nämlich auch was zu tun gehabt. Ist der Totenrichter immer noch hinter Cay her? (Erinnerung aus dem Bonuskapitel, wo es um den Totenrichter ging) Cay scheint irgendwie häufig Ohnmächtig zu werden, habe ich das Gefühl. Trotzdem war der Anfang schon mal richtig gut :) Ich bin gespannt, was in den nächsten Abschnitt auf mich wartet :)


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