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Finera - Dawn of the Dark

von

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Ein Sandsturm bringt Klarheit

2. Dezember
 

- Summer -
 

Summer kniff die Augen zusammen und schaute zum Horizont, wo sich eine große, orangebraune Wolke vom Boden bis zum Himmel erstreckte.

„Ein Sandsturm, das hat uns gerade noch gefehlt“, seufzte Bryce und konnte dabei die Besorgnis in seiner Stimme nicht verstecken. „Los, hilf mir hier, wir müssen uns beeilen.“

„Ist ein Sandsturm wirklich so schlimm?“

Sein Blick sprach Bände und Summer verkniff sich jeden weiteren Kommentar. Es war früher Abend und sie hatten sich einen Platz ausgesucht, an dem sie ihr Zelt aufschlagen wollten. Eigentlich war es egal, wo sie das taten, denn die weite Ebene sah überall gleich aus. Die Sonne stand tief am noch immer blauen Himmel, doch der Sandsturm, der von Minute zu Minute näher zu kommen schien, verursachte ihr eine Gänsehaut.

Zu zweit schafften sie es schließlich relativ schnell, das Zelt zu stabilisieren, doch die Verankerungen hielten in dem sandigen Boden nicht gut. „Onix, du musst heute Nacht draußen bleiben.“

Ihr Starter nickte begeistert und rollte sich in einem Halbkreis um das Zelt, direkt auf die Ankerpunkte der Halterungen. Damit wäre zumindest garantiert, dass das Zelt in dem Sandsturm keinen Abgang machte. Außerdem würde Onix kein Problem damit haben, bei dieser Witterung draußen zu bleiben.

Bryce runzelte noch ein letztes Mal die Stirn. Der Sandsturm war nur noch wenige hundert Meter von ihnen entfernt und sah wunderschön und gefährlich zugleich aus. Immer deutlicher traten die Verwirbelungen zutage, als die sandfarbene Wand lautlos auf sie zugerollt kam und dabei immer großer vor ihnen aufragte. „Komm endlich rein.“ Er hielt ihr den Zelteingang hoch.

Summer gehorchte.

Bryce folgte ihr, schloss hinter ihnen den Reißverschluss zu und harrte in der Hocke aus.

Keine halbe Minute später wurde das Zelt schlagartig von einem lauten Kreischen erfasst. Der Sandsturm prallte mit seiner ganzen Wucht auf den Stoff, beutelte ihn, rüttelte und versuchte, sie umzuwerfen, doch dank Onix blieben sie in ihrer Position.

Erschrocken riss Summer die Augen auf. „Ist das laut!“ Millionen von Sandkörnern prallten von allen Seiten gegen die Zeltwände und rieselten daran rauf und runter, was ein beständiges Kratzen und Schaben verursachte. Es drang kaum noch Licht nach drinnen, weil der Sturm den Himmel verdunkelte. Nun konnte sie verstehen, wieso Bryce dringend im Inneren des Zeltes sein wollte, wenn der Sandsturm sie erreichte.

„Wir müssen unsere Pokémon noch füttern“, rief Bryce gegen den Sturm an. „Keine Ahnung, wie lange das jetzt dauert.“

Sie nickte als Zeichen, dass sie ihn verstanden hatte. Aus dem Rucksack holten sie das Pokémonfutter – braune, feste Bällchen, denen diverse Bestandteile wie Beeren zugemischt waren. Eine Sorte für pflanzenfressende Pokémon, eine Sorte für fleischfressende.

Sie fingen mit Bryce‘ Pokémon an. Eines nach dem anderen wurde aus dem Pokéball entlassen – mit Ausnahme von Turtok, das zu groß war und sein Essen erst am nächsten Morgen bekommen würde. Im Anschluss daran begann Summer mit Jurob, gefolgt von Evoli, Mähikel und schließlich Glutexo.

Das Feuerpokémon schaute Summer missmutig an, dann drehte es sich einmal und stellte noch schlechter gelaunt fest, dass es in einem Zelt festsaß. „Texo …“, sagte es, verschränkte die Arme vor dem Körper und wartete ab.

Summer rollte mit den Augen und reicht Glutexo die Schale mit seiner Ration. „Hier, bitte. Gern geschehen.“ Und etwas leiser, sodass nur Bryce sie hören konnte: „Es ist so undankbar!“

Er schüttelte wortlos den Kopf. „Du musst dir mehr Mühe geben, das ist alles.“

Sie schmollte, während sie Glutexo dabei zusah, wie es eines der Futterbällchen mit der Kralle aufspießte und verschlang. Als würde es ums Prinzip gehen, verzog Glutexo das Gesicht und schob ihr die Schale wieder hin.

„Was ist denn jetzt los? Das ist dasselbe Futter wie immer!“

„Glu!“ Es fuchtelte mit den Armen herum und deutete auf das gesamte Zelt, als wollte es sagen: „Das da ist los! Ich lasse mich von dir doch nicht in ein blödes Zelt sperren!“

Summer platzte der Kragen. „Ja und? Ich sitze hier genauso fest wie du, also stell dich nicht so an!“

Das quittierte Glutexo mit einem wütenden Knurren.

Summer konterte mit einem aufgebrachten Blick. Sie griff entnervt zu Glutexos Pokéball, doch das Pokémon wich dem roten Strahl mit einem Sprung nach hinten aus, sodass es gegen den Eingang des Zeltes prallte und dieses damit wackeln ließ. Draußen brummte Onix vor sich hin. Glutexo fauchte und noch ehe Summer oder Bryce reagieren konnten, schlitzte es mit einer Kralle geschickt den Reißverschluss auf und entschwand nach draußen in den Sandsturm.

Bryce schrie auf, als der Sand wie ein Faustschlag das Innere des Zelts füllte.

Summer schrie ebenfalls, allerdings eher aus Frustration. Sie sprang ihrem Pokémon hinterher, Bryce‘ Warnung zum Trotz. Sie hörte noch, wie er hinter ihr den Reißverschluss wieder zumachte, doch ob er ihr folgte oder sie einfach ziehen ließ, wusste sie nicht, denn dafür war sie bereits zu viele Schritte vom Zelt entfernt.

Sie hustete, als der feine Sand ihre Augen, ihre Nase und ihren Mund füllte. Irgendwo in ihrer Jackentasche war ein Tuch, das sie sich nun um den Kopf band und damit die untere Hälfte ihres Gesichts bedeckte. Die Sonnenbrille wanderte zurück auf ihre Augen. Zwar sah sie damit nicht besonders viel im Sturm, aber wenigstens musste sie nicht alle zwei Sekunden blinzeln. „Glutexo, komm zurück!“

Summer stapfte vorwärts, einen Arm gegen den Wind gestemmte, den Körper leicht nach vorne gekrümmt. Waren hier nicht gerade eben noch seine Fußspuren gewesen? „Glutexo!“ Sie kämpfte sich weiter vorwärts, hörte Onix‘ Grollen, das so leise an ihre Ohren drang. Lief sie überhaupt in die richtige Richtung?

Neben ihr erschien ein einzelner Felsbrocken, den sie nutzte, um kurz zu verschnaufen und sich zu orientieren. Wenn sie Pech hatte, verlor sie vollständig den Überblick. Aber Glutexo war alleine hier draußen und es war nicht immun gegen den Sandsturm, auch wenn es sich für unbesiegbar hielt. „Glutexo!“ Nach einigen Schritten fand sie seine Fußspur zum Glück wieder und folgte ihr immer weiter. Es wurde immer dunkler; die Sonne schien gerade unterzugehen.

Auf einmal ging es ein paar Meter berghoch, dann wieder runter – eine Sanddüne, die sich im Sturm gebildet hatte. Summer stolperte, fiel hin und kauerte sich zusammen.

Das hatte keinen Sinn.

Glutexo gehorchte ihr sowieso nicht und wenn sie noch weiter lief, würde sie nie wieder zurück zum Zelt finden. Aber irgendetwas tief in ihrem Herzen ließ sie wieder aufstehen und weiterlaufen. Ihre Mutter vertraute darauf, dass sie Glutexo eine gute Trainerin war und hier draußen in dem Sandsturm kam sie sich so winzig und bedeutungslos vor. Sie war hilflos, aber Glutexo war das auch.

Auf einmal sah sie inmitten des Sturms ein schwaches, unregelmäßiges Glühen. „Glutexo?“ Sie beschleunigte ihre Schritte, soweit es möglich war, erkannte einen Schatten, eine Form, etwas Rotes, das am Boden lag. „Glutexo!“

Sobald sie ihr Pokémon erreicht hatte, sank sie neben ihm zu Boden und bettete seinen Kopf in ihrem Schoß. Summer beugte sich über den geschwächten Körper und streichelte über Glutexos Kopf.

Es riss die Augen auf, fixierte sie, entspannte sich leicht. „Tex …“

„Ja, ich weiß, mir tut es auch leid. Ich hätte dich nicht anschreien dürfen, zu keinem Zeitpunkt. Ich …“ Ohne es zu merken, hatte sie angefangen zu weinen. Ihre Tränen hinterließen klebrige Spuren auf ihren Wangen und versickerten anschließend in dem Tuch. „Bryce hatte Recht, die ganze Zeit über.“ Der Anblick von Glutexos Schwanzspitze, an deren Ende nur noch eine schwache Flamme leuchtete, ließ sie schluchzen. Ihrem Pokémon ging es schlecht, weil sie die Wahrheit nicht akzeptieren konnte. Bis jetzt. „Ich bin nicht eine halb so gute Trainerin, wie ich immer dachte. Bitte verzeih mir, Glutexo. Ich hätte mehr auf dich eingehen müssen, anstatt zu ignorieren, dass du einen Trainer brauchst, der sich mit dir auseinandersetzt. Du trägst zu einem kleinen Teil Enteis Gene in dir, also ist es kein Wunder, dass du besonders bist. Besonders eigensinnig.“

Ihr Pokémon schnaubte leise.

„Bryce, Rocco, sogar Rain wäre dafür besser geeignet gewesen. Ich bin nur wie ein Blöde von Arena zu Arena gerannt und hatte mehr Glück als Verstand, wenn ich gewonnen habe. Onix und die anderen haben das nie in Frage gestellt, aber dir konnte ich nie etwas vormachen, nicht wahr? Und jetzt … sieh dich an. Ich hätte nie zulassen dürfen, dass es soweit kommt. Oh, Glutexo, ich …“

Glutexo beugte sich hoch und tätschelte Summer mit einer Pranke unbeholfen gegen den Oberarm. „Pat, pat, das wird schon wieder, du blöde Nuss.“

Summer schluchzte noch immer vor sich hin. Immer mehr Tränen bahnten sich ihren Weg. Die Erkenntnis, dass sie bislang keine gute Trainerin gewesen war, traf sie wie ein Schlag in die Magengrube und brachte ihre ganze Welt ins Wanken. „Kannst du … kannst du mir noch eine Chance geben? Ich … ich würde gerne deine Trainerin sein und lernen, was nötig ist, um mir deinen Respekt vollständig zu verdienen. Ich werde mir alle Zeit der Welt für dich und die anderen nehmen.“ Sie wischte sich über die Augen, verteilte den feinen Sandstaub und die Tränen dabei aber nur noch mehr. „Kannst du mir verzeihen?“

Glutexo schien einen kurzen Moment zu überlegen, dann wurde sein Blick weicher und es nickte leicht.

Sie lächelte erleichtert, auch wenn Glutexo das dank des Tuches nicht sehen konnte.

Ein letztes Mal wurde ihr Körper von dem Sandsturm durchgeschüttelt, dann war alles vorbei.

Stille.

Leuchtende Sterne am Nachthimmel.

Der Sandsturm war vorbei gezogen und zurück blieb ein Gefühl von Klarheit, wie Summer es noch nie in ihrem Leben gefühlt hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Yurippe
2017-04-25T11:38:52+00:00 25.04.2017 13:38
Ich bin froh, dass Summer es endlich begriffen hat, das hat auch lange genug gedauert.
Jetzt muss ich aber dringend wissen, wie es bei Rain weitergeht!
Antwort von:  Kalliope
25.04.2017 14:06
Geplant ist, dass es jetzt einen Zeitsprung von etwa einem Monat gibt, weil in der Weihnachtszeit sowieso nichts Interessantes passiert. Dann soll es wieder ein paar Kapitel mit Rain geben :) Ich wollte das Weihnachtstreffen dann nur kurz als Rückblende von Rain erwähnen.
Antwort von:  Yurippe
25.04.2017 14:11
Darauf freue ich mich schon!
Von:  Wolfsfeuer
2017-04-25T04:24:21+00:00 25.04.2017 06:24
Einsicht ist der erste Weg zur Besserung. Summer hat zwar gefühlt noch einen langen Weg vor ihr, aber sie ist sicher stur genug um das zu schaffen, obwohl ihre Ungeduld sie sicher behindern würde.
Antwort von:  Kalliope
25.04.2017 09:40
Zumindest weiß sie jetzt, dass sie an sich arbeiten muss :) Wie schnell sie damit Erfolg haben wird, werden wir sehen.
Von:  yazumi-chan
2017-04-24T14:24:02+00:00 24.04.2017 16:24
Na, ob Summer und Glutexo einen ausgewachsenen Sandsturm wirklich so glimpflich überstehen würden, weiß ich nicht, aber vielleicht sind die dort nicht suuuuper extrem. Und dass Summer dem kleinen Racker nach draußen folgt und ihn beschützt, war dann doch ziemlich rührend. Ganz umgänglich wird Glutexo wahrscheinlich nie werden, aber wenn es Summer zu 50% der Zeit gehorcht, ist ja schon einiges gewonnen xD
Antwort von:  Kalliope
24.04.2017 21:04
Ich dachte an einen Sandsturm wie auch bei der Attacke Sandsturm, nur in ganz groß :D Beide sind verletzt, aber unterm Strich sind sie gar nicht so weit weg gelaufen :)
Antwort von:  yazumi-chan
24.04.2017 21:16
Kommt einem im Sturm wahrscheinlich weiter vor, weil man sich so vorankämpfen muss.
Antwort von:  Kalliope
24.04.2017 21:56
Ja, denke ich auch. In meinem Kopf waren es vielleicht 10 Minuten, die sie suchen musste. Lass es 200 Meter gewesen sein, aber so ganz ohne Orientierung dauert es.


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