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Grenzgänger

change between light an dark
von

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Monolge im Schattentheater

7. Monologe im Schattentheater
 

„Eine Dusche könnte dir auch nicht schaden.“, sagte Kai und ließ den Autoschlüssel in seiner geschlossenen Faust verschwinden. Er zögerte einen Augenblick, dann nahm er auch die Fernbedienung für das Garagentor an sich und stieg wieder aus dem Auto aus.

Ray wartete einige Augenblick, bis er sicher war, dass Kai die Garage verlassen hatte und ließ dann erschöpft seinen Kopf auf das Lenkrad sinken. Das glatte Leder des Lenkrads kühlte seine Wange. Warum war er auf einmal so müde?

Kais Zurechtweisung war eigentlich noch nicht mal eine gewesen, wenn man es mit den Schimpftiraden verglich, die Kai manchmal vom Stapel ließ, wenn er sich nur einen kleinen Fehler geleistet hatte. Trotzdem fühlte er sich gedemütigt. Erschöpft und gedemütigt. Ray schloss die Augen.

Einige Ereignisse flammten gestochen scharf vor seinem inneren Auge auf.

Tyson, der ihm zu einem Sieg in der Beyarena gratulierte.

Tyson, der ihm lachend zum Abschied zuwinkte.

Tyson, wie er im Krankenhaus, an diese vielen Maschinen angeschlossen, reglos da lag.

Tyson, der freudestrahlend auf ein All-you-can-eat-Buffet zulief.

Tyson, der nach einem gewonnen Kampf, dem geschlagenen Gegner Mut zusprach.

Tyson, wie er im Krankenhaus, an diese vielen Maschinen angeschlossen, reglos da lag.

Rays Gedanken drifteten ab…
 

„Ray, wach auf. Ray!“ Etwas rüttelte sanft an seiner Schulter und holte Ray aus seinen Träumen. Er musste kurz eingenickt sein. Mühsam öffnete er die Augen und sah ein etwas verschwommenes Abbild von Kai wieder neben sich auf dem Beifahrersitz sitzen. Hatte der Russe die Garage nicht eben erst verlassen? Ray rieb sich die Augen und wischte Feuchtigkeit von seinem Wangen. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er geweint hatte. Hastig wischte er die Tränen weg, obwohl er sich sicher war, dass Kai sie längst bemerkt haben musste.
 

„Na endlich. Ich dachte schon, ich bekomm dich gar nicht mehr wach.“, sagte Kai und machte eine strenge Miene, klang aber irgendwie erleichtert. Kai beugte sich über Ray hinweg um die Autotür auf der Fahrerseite zu öffnen und schob Ray förmlich aus dem Auto. Kais Hand streifte seine eigene und es war als hätte etwas glühend heißes ihn berührt. Ray zuckte kurz zusammen und bemerkt dann dass ihm eiskalt war.
 

„Wie lange warst du weg?“, fragte er und schlang die Arme eng um seinen Körper. Ray fühlte sich steif und ungelenk dabei. Er war völlig ausgekühlt.
 

„Ich bin mir nicht ganz sicher. Ein halbe Stunde vielleicht.“, sagte Kai und kam um das Auto herum um Ray endlich zurück ins Haus zu bringen. Dem Schwarzhaarigen war das nur recht, er hatte das Gefühl im Moment keinen Schritt aus eigenem Antrieb heraus gehen zu können.

Wiederstandlos ließ er sich von Kai zum Haus befördern. Allerdings achtete er darauf seinen Kopf gesenkt zu halten, weil er wieder zu weinen begonnen hatte. Dabei wusste er noch nicht einmal genau warum. Aus Erschöpfung. Wegen Tysons Zustand. Aufgrund der Tatsache, dass er sich nicht mehr im Griff hatte. Sicherlich war es alles irgendwie zusammen.

Rays Atmung verflachte sich bei jedem Atemzug, den er tat. Seine Tränen verschlimmerten diesen Zustand nur noch. Plötzlich hatte er das Gefühl nicht mehr genügend Luft zu bekommen.

Er konnte sein Schluchzen nicht mehr unterdrücken und ließ sich erschöpft in das gefrorene Gras sinken.
 

„Scheiße Ray, steh wieder auf.“, fluchte Kai und versuchte Ray sofort wieder auf die Beine zu bringen, der jedoch verharrte wie festgefroren an Ort und Stelle.
 

„Ich kann nicht.“, hauchte er und versuchte die quälende Wahrheit, die er in den letzten paar Tagen so gut verdrängt hatte, wieder einmal von sich wegzuschieben. „Ich will nicht. Ich will es nicht wahrhaben.“, murmelte Ray kaum hörbar und Tränen rannen aus seinen Augen.

Ray blinzelte angestrengt, doch er konnte nicht verhindern, dass sich seine Augen erneut mit Tränen füllten. Er schluchzte, er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle.

Ray spürte wie sich Kais Arme um ihn legten und ihn in eine safte Umarmung zogen. Es war ihm nur recht sich im Moment bei einem Freund anlehnen zu können.
 

„Es ist okay.“, murmelte Kai und tätschelte Ray etwas unbeholfen den Kopf, der sich nun wie ein Kind an ihn schmiegte und hemmungslos weinte.

Kai mochte solche Art von Situationen eigentlich nicht. Es war ihm immer unangenehm wenn Menschen solche Emotionen vor ihm zeigten und dabei derart die Selbstbeherrschung verloren. Er machte sich gerne vorher schon aus dem Staub. Doch irgendetwas sagte ihm, wenn er den alten Ray zurück haben wollte, musste er dieses Mal wohl oder über eine Ausnahme machen.
 

***
 

Kai wachte am nächsten Morgen schon sehr früh auf. Er hatte schlecht geschlafen, weil sich Ray in der Nacht immer wieder unruhig umher gewälzt hatte. Schlechte Träume hatten den Chinesen verfolgt. Dennoch war es gut, dass Ray überhaupt einmal für längere Zeit geschlafen hatte.

Kai hatte Ray am Abend zuvor in dessen Bett gelegt, nachdem Rays Beine vor Erschöpfung einfach unter ihm nachgegeben hatten. Kai war geblieben, da er Ray in diesem Zustand nicht allein lassen wollte und konnte.

Ray hatte sich an ihn gekuschelt, als ob es das normalste der Welt gewesen wäre.

Kai war das unangenehm gewesen. Normalerweise zog er eine strickte Grenze, was solchen emotionalen körperlichen Kontakt betraf. Diese Grenze sagte bereits, dass er normalerweise Umarmungen nur in Notfällen in Betracht zog.

Rays Verhalten hatte diese Grenze nicht nur überschritten. Sie hatte sie in einem weiten Sprung hinter sich gelassen.

Normalerweise. Aber was war jetzt schon normal?

Kai setzte sich im Bett auf und fluchte heftig als er sich den Kopf an der Dachschräge über dem Bett stieß. Murrend rieb er sich den Schädel. Er sah zu Ray, der neben ihm, den Kopf in eine Armbeuge gelegt, schlief. Zumindest war Ray nicht aufgewacht.

Kai schwang sich vorsichtig aus dem Bett und betrachtete sich im Spiegel. Er sah ein wenig übernächtig aus und seine Kleidung war zerknittert, weil er darin geschlafen hatte. Er betrachtet seine Stirn konnte jedoch keine Beule erkennen. Kai entschied dass er sich auch duschen und umziehen konnte, nachdem er aus dem Krankenhaus zurück gekehrt war.
 

***
 

„Guten Morgen Kai. Der Zustand deines Stiefbruders ist leider immer noch unverändert. “, grüßte ihn die Schwester am Stationstresen, als er an ihr vorüber ging. Das war die Lüge gewesen, die er den Schwestern gestern aufgetischt hatte, damit er kommen und gehen konnte, wann immer er wollte. Tyson und er waren Stiefgeschwister. Seltsam wie schnell die Tatsache von den Schwestern ohne Nachfragen akzeptiert wurde. Mit einigen gezielten Nachforschungen hätten sie seine Täuschung allzu schnell durchschauen können, doch sie machten sich keineswegs die Mühe. Vielleicht erschien die Lüge auch plausibler, als er glauben mochte. Niemand hielt sich so lange in der Nähe von jemand auf, mit dem er ständig aneinander geriet, wenn er nicht mit ihm verwandt war. Kai murmelte einen guten Morgen und ging dann in Tysons Zimmer.

Irgendjemand hatte einen neuen Blumenstrauß geschickt, der sich jetzt neben den anderen auf dem viel zu kleinen Nachttisch drängte. Ansonsten hatte sich nichts verändert. Kai zog seinen Mantel aus und hängte ihn an einen Haken an der Wand.

Dann ließ er sich in den Sessel neben dem Krankenbett sinken und seufzte.
 

„Du fragst dich sicherlich, warum ich so abgerissen aussehe.“, begann Kai und zog demonstrativ sein T-Shirt zurecht. „Du würdest auch so aussehen, wenn du in deinen Klamotten geschlafen hättest. Ich weiß, ich wie, ich hätte mich ja umziehen können bevor ich her gefahren bin. Aber es interessiert dich wahrscheinlich eh nicht, was ich anhabe, sonst hättest du ja zur Begrüßung die Augen öffnen können.“

Kai machte eine kurze Pause und fuhr sich mit den Händen durch das Haar.

„Ray hatte gestern einen Zusammenbruch. Er hat sich endlich selbst eingestanden, dass du im Koma liegst und wir nichts für dich tun können ... Ich habe noch nie jemanden so weinen sehen.“

Kai schüttelte nachdenklich den Kopf und stand auf um im Zimmer auf und ab zu gehen. Er fühlte sich als hätte sich zu viel Energie in ihm aufgestaut, die er auf irgendeine Weise abbauen musste.

„Ich denke Ray vermisst dich schrecklich und kann mit der ganzen Situation nicht umgehen. Ich habe mich so hilflos gefühlt als er sich an meiner Schulter ausgeheult hat. Normalerweise bin ich doch nicht der Mensch, der für andere da ist. Eigentlich könnte ich ja jetzt sagen, dass du daran schuld bist, oder Ray daran schuld ist, dass ich in eine solche Situation geraten bin, die ich sonst immer meide. Aber ich hätte ja Ray nicht so weit bringen müssen. Ich hätte ja Rays was-geht-dich-das-an-?-Einstellung noch ein paar Tage mit ansehen können….“

Kai brach ab und durchquerte zweimal das Zimmer bevor er weitersprach.

„ … aber Ray hat mir Angst gemacht.“

Kai schwieg. Er war selbst davon überrascht von dem, was er gerade gesagt hatte.

„Ich hoffe er wird jetzt wieder annähernd der Alte sein. Er hat noch geschlafen als ich gegangen bin. Es würde mich nicht wundern, wenn er den ganzen Tag verschläft so fertig wie er war. Deshalb bin ich auch in zerknitterten Klamotten hier. Ray wollte mich gestern nicht gehen lassen. Hat sich an mich geklammert, wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring. Ray ist praktisch in meinen Armen eingeschlafen. Und ihn in sein Bett zu legen war nicht gerade leicht. Ray mag zwar schmächtig aussehen, aber er ist auch nicht gerade eine Elfe …“

Kai hielt an Tysons Bett inne und strich abwesend eine Falte in der Bettdecke glatt.

„Mariah hätte gestern für ihn da sein sollen. Schließlich sind die beiden sowas wie ein Paar. Aber Ray bekommt es ja nicht mal auf die Reihe fünf Minuten mit ihr zu telefonieren. Ich hoffe wirklich, dass er sich wieder fängt. Ich bin für so etwas nicht geschaffen. Du bist der, der das ganze Team zusammen hält.“

Die Tür zu Tysons Krankenzimmer ging auf und die Stationsschwester kam mit einem Infusionsbeutel in der Hand herein.

Das war Kais Zeichen zu gehen.
 

„Bis Morgen, alter Freund.“, sagte Kai bevor das Zimmer verließ.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Chimi-mimi
2014-01-22T08:22:25+00:00 22.01.2014 09:22
Das ist wirklich eine wunderbare (na ja, wie man es nimmt) Beyblade-Fanfiction. Sie sticht richtig positiv hervor und ich hoffe, dass du doch noch weiterschreibst!

Sehr bewegend und die Darstellungen der Charaktere gefallen mir richtig gut. Extremsituationen und für mich sind sie trotz allem noch wirklich IC.
Von:  Minerva_Noctua
2013-04-24T21:37:29+00:00 24.04.2013 23:37
Hallo!

Ich freue mich sehr über das neue Kapitel!
Es ist sehr emotional und mitreißend.
Rei tut mir so leid!
Aber wahrscheinlich war es in der Tat das Beste für ihn sich mal gehen lassen zu können.
Schön, dass Kai nicht einfach gegangen ist, sondern sich um ihn gekümmert hat.
Ich kann mir gut vorstellen, dass das auch für Kai eine enorme zusätzliche Belastung ist.
Kais Gespräche mit Tyson sind sehr bewegend.
Als meine Mutter im Koma lag haben mein Vater und ich auch mit ihr gesprochen. Ich muss sagen, das meiste hab ich jedoch gedanklich "gesagt", während mein Vater eher laut gesprochen hat. Das tut man einfach. Ein Produkt der Hoffnung und Hilflosigkeit.
Bisher ist die Geschichte sehr fesselnd und nimmt mich ziemlich mit.
Ich hoffe so sehr, dass es gut ausgeht.

Bye

Minerva


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