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So schnell

Eine Geschichte, in der alle Kapitel übertrieben lange Titel haben, die sogar noch länger sind als dieser Untertitel
von

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Epilog, den uns Raivis erzählt, weil die Autorin der Meinung war, auf dem letzten Stück noch inkonsequent sein zu müssen, was die Erzählperspektiven angeht

Ich hatte Angst in dieser einen Nacht. Doch, ziemlich. Ich meine, ich hab ja immer Angst. Weil das Zimmer, das ich in Ivans Haus habe, eben nicht meins ist und man nie wissen kann, wer oder was in fremden Zimmern nachts herum schleicht. Eduard sagt zwar, es ist völlig unlogisch, Angst im Dunkeln zu haben, aber ich habe welche. Dann bin ich eben unlogisch, habe ich ihm gesagt.

Ich sollte in Ivans Zimmer Staub wischen, aber da war gar keiner, weil Toris da am Tag davor erst gewesen war. Ich meine, es ist sonst immer Toris, der in Ivans Zimmer Staub wischt. Aber ich habe Alibi-mäßig ein bisschen herumgewischt, damit Ivan nicht böse wird. Er war ja sowieso gereizt, seitdem er am Abend davor wütend auf Toris gewesen war. Ich hoffe immer noch, dass es nicht meine Schuld war.

Irgendwann ist Ivan wiedergekommen, hat mir das Staubtuch weggenommen und mich in den Raum nebenan gesperrt. Das hat mir Angst gemacht. Ich wollte nicht gegen die Tür schlagen, weil ihn das beim Schlafen gestört hätte und er es hasst, beim Schlafen gestört zu werden. Dann wird er wütend. Er wird auch wütend, wenn ich versuche, aus Räumen heraus zu kommen, die er abgeschlossen hat. Also musste ich warten, bis er mich wieder rauslässt. Der andere Raum hatte ein kleines Fenster mit einem Sofa darunter, und ich habe mich hingelegt und die Sterne angesehen. Die Sterne haben mir gefallen, aber es war kalt, weil ich keine Decke hatte. Ich habe überhaupt nicht verstanden, was los war, und das hat mir Angst gemacht, obwohl es nicht richtig ungewöhnlich ist. Dass ich nicht verstehe, was los ist, meine ich.

Am nächsten Morgen bin ich aufgewacht, weil Ivan die Tür aufgeschlossen hat.

„Guten Morgen, kleiner Raivis.“

„Darf ich jetzt wieder raus?“

„Ja, das darfst du.“

„Warum war ich hier drinnen?“, habe ich gefragt.

„Das wüsstest du wohl gerne.“

„Ja, sehr.“

Dann bin ich gegangen und habe das Frühstück nachgeholt. Eduard war schon fertig, aber Toris war nicht da, weil er noch unten im Keller war, und Gilbert war auch nicht da. Eduard hat erzählt, Ivan hätte ihn früh morgens abholen lassen. Ich bin beinahe hysterisch geworden, weil es normalerweise nicht gut ist, wenn Ivan jemanden abholen lässt, schon gar nicht früh morgens oder um vier Uhr nachts. Aber dann ist Ivan dazu gekommen und hat gesagt, Gilbert würde jetzt nach Hause fahren, und das hat mich beruhigt. Ich habe gefragt, ob ich auch nach Hause fahren darf, aber ich durfte nicht.

Fünf Tage später haben wir Toris zurückbekommen, also war er alles in allem sieben Tage allein im Dunkeln. Das ist ziemlich lange, und deswegen hat Toris sehr lange nicht gesprochen und wenn, dann nur ohne Satzzeichen und ganz undeutlich, also hat Eduard ihm Tabletten gegeben, damit er ein bisschen schläft. Ich habe an seinem Bett gesessen, um zu warten, bis er wieder aufwacht und es ihm besser geht. Manchmal geht es schneller, wenn ich da sitze. Als es Abend war, schon fast dunkel, hat Toris sich plötzlich aufgesetzt und mich in den Arm genommen.

„Raivis“, hat er geflüstert. „Geht es dir gut?“

„Ja.“

„Hat Ivan...“

Er hat nicht weitergesprochen, aber geantwortet habe ich trotzdem. „Er hat mich eine Nacht lang irgendwo oben in einem Zimmer eingesperrt. Als ich wieder rauskam, war Gilbert schon weg.“

Toris hat geseufzt und mich etwas fester gedrückt. „Und mehr ist nicht passiert?“

„Nein“, habe ich gesagt. „Aber ich konnte mich nicht von Gilbert verabschieden. Meinst du, das war Absicht, damit ich ihn nicht mehr sehe?“

„Vielleicht eher, damit er dich nicht mehr sieht.“

„Warum denn?“

Toris hat seinen Griff gelockert und mich angesehen, und dann hat er sich in sein Kissen zurück sinken lassen und gelächelt. „Ach, es ist nichts“, hat er in diesem komischen Ton gesagt, als würde er lügen. „Mach dir keine Gedanken um Gilbert. Er kommt zurecht.“

„Ja“, habe ich gesagt und genickt. „Gilbert ist groß. Er kommt zurecht.“

Und das denke ich wirklich, weil Gilbert ein kleines Vögelchen hat, das ihm Gesellschaft leisten kann, also ist er nicht allein. Und Toris ist jetzt auch nicht mehr allein, weil Ivan ihn wieder aus dem Keller geholt hat, und bald werden Ivan und Toris sich wieder furchtbar lieb haben, weil es das ist, was sie (nicht immer, aber immer öfter) tun, wenn es Abend wird – in Ivans Zimmer gehen und sich furchtbar lieb haben. Aber darüber soll ich gar nicht sprechen, sagt Eduard, weil sich das nicht gehört, obwohl ich das nicht verstehe. Ivan macht schließlich auch kein Geheimnis daraus, weil er Toris mal vor meinen Augen geküsst hat, abends im Wohnzimmer vor dem Kamin, als er sehr betrunken war, mit Zunge, und Toris hat ihn weggestoßen und ist weggerannt. Aber ich glaube, es hat Ivan später Leid getan, jedenfalls haben sie kurz darauf angefangen, sich lieb zu haben.

Also hat Toris Ivan und Gilbert hat sein kleines Vögelchen, und ich habe Eduard, und vielleicht auch ein bisschen Toris und ein bisschen Gilbert. Das finde ich toll. Toris ist übrigens zwei Tage lang im Bett geblieben und hat viel geschlafen und warme Suppe gegessen und ich habe ihm Geschichten erzählt, und danach ist er wieder aufgestanden und jetzt ist er wieder ganz in Ordnung. Gilbert wohnt jetzt nicht mehr bei uns, sagt Ivan, was ich schade finde. Aber ich habe Ivan gefragt, und er hat gesagt, vielleicht kommt er mal zu Besuch. Das finde ich toll.

Ich glaube, ich werde Gilbert demnächst mal schreiben. Wenn Ivan sagt, dass es okay ist, mache ich das. Gilbert wird sich freuen, glaube ich. Ich werde ihm schreiben, er soll sein Vögelchen von mir grüßen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2012-03-18T20:18:05+00:00 18.03.2012 21:18
Oh je, wie göttlich genial Raivis mit seiner Naivität böse Sachen noch viel böser und gleichzeitig doch viel angenehmer beschreiben kann. Ich glaube, der Epilog ist das Tüpfelchen auf dem i der ganzen Geschichte.
Und dass man erfährt, wie Ivan seinen ersten guten Vorsatz zunichte macht, jaja.
Ich glaube, man kann hier wirklich ohne zu übertreiben von einem Meisterwerk sprechen, das ist mein voller Ernst.



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