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So schnell

Eine Geschichte, in der alle Kapitel übertrieben lange Titel haben, die sogar noch länger sind als dieser Untertitel
von

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Viertes Kapitel, in dem niemand Gilberts Durcheinander aufwischen will und fast alle Beteiligten auf dem armen Raivis herumtrampeln

Gilbert

Und Lorinaitis dreht sich um und geht! Wenn er wenigstens gesagt hätte, „klar kann ich das Ganze bei Ivan wiederholen“, dann wäre er mir beinahe sympathisch geworden. Aber so? Nein. Er ist und bleibt ein verdammter Fußabtreter, weil er es nicht anders will. Zumindest denke ich, dass es so ist. Er hat es nicht anders gewollt. Idiot.

Hinter mir öffnet sich eine Seitentür der Küche und jemand lugt heraus. Galante, stelle ich fest.

„Ist Toris weg?“

„Siehst du ihn hier irgendwo?“, frage ich.

„Nein.“

„Dann wird er wohl weg sein, oder was meinst du? Nein, warte, ich hab's! Er ist unsichtbar geworden, weil er eingesehen hat, dass er sowieso nichts zu melden hat.“

Galante blinzelt mich verwirrt an. „Toris ist nicht unsichtbar geworden“, sagt er.

„Ach, nicht? Nennst du mich einen Lügner?“

„Eduard sagt, Leute werden nicht unsichtbar. Das ist physalisch gar nicht möglich.“

Ich tue beeindruckt. „Du bist ja gar nicht so doof, wie du aussiehst, Galante.“

„Nicht?“

„Doch“, seufze ich und wende mich ab.

„Willst du nicht noch aufwischen?“, fragt Galante hinter mir.

„Was aufwischen?“

„Dein Frühstück.“

Ich sehe mich über die Schulter um. Das Durcheinander aus Scherben und Matsch auf dem Boden sieht alles andere als appetitlich aus. Nun ja, ich war's nicht. Schon in der Schüssel wäre ich kaum darauf gekommen, dass das mein Frühstück sein sollte, wenn Braginsky es nicht erwähnt hätte.

„Weißt du was, Galante?“

„Was?“, fragt er und blinzelt.

„Du siehst aus, als hättest du furchtbar große Lust, das aufzuwischen.“

„Habe ich aber nicht“, sagt er geknickt.

„Siehst aber so aus.“

Damit gehe ich. Ist mir doch egal, ob Galante den Mist wegmacht oder nicht. Wenn nicht, bleibt er halt liegen. Hoffentlich rutscht Braginsky darauf aus und bricht sich den Hals. Oder Lorinaitis. Wer wäre mir lieber? Braginsky. Mit Lorinaitis werde ich allein fertig.

Ich mache mich auf den Weg zu meinem Verschlag, weil ich nicht weiß, wo ich sonst hin sollte. Außerdem wartet Gilbird auf mich. Er hockt als flauschige Kugel auf meinem Kopfkissen, als ich herein komme, und schläft anscheinend noch. Ich schließe die Tür und setze mich neben ihn.

„Na, mein Vögelchen? Wie geht’s?“

Gilbird hebt den Kopf, blinzelt mich mit schwarzen Knopfaugen an und gibt ein trauriges Piepsen von sich.

„Was ist denn los?“, frage ich besorgt, bis mir einfällt, was los ist. Der Kleine hat seit gestern Nachmittag nichts mehr gefressen. Auf der Reise muss mir die Dose mit den Körnern abhanden gekommen sein.

„Ach du meine Güte“, sage ich mitfühlend und streiche über seine Federn. „Alles klar. Ich gehe schon und hole Futter für mein possierliches Tierchen.“

Gilbird zwitschert ein dankbares Zwitschern. Grinsend stehe ich auf. Der Kleine verlässt sich eben auf mich. Er weiß zu schätzen, wie großartig ich bin. Nur schade, dass er da momentan der Einzige zu sein scheint. Aber besser das als gar nichts.
 

Ivan

Es interessiert mich doch, ob Gilbert sein Durcheinander aufwischen wird oder nicht. Also gehe ich nach einigen Minuten wieder in die Küche, in der ich ihn allerdings nicht finde. Stattdessen stoße ich auf Raivis, der auf dem Boden kniet. Verwirrt bleibe ich stehen und sehe ihm zu.

„Was machst du da, kleiner Raivis?“

Er zuckt zusammen und hebt langsam den Kopf. „Ich mache sauber“, antwortet er leise.

Überrascht ziehe ich die Augenbrauen hoch. „Hast du wieder etwas fallen lassen, Raivis?“

„Nicht ich!“, sagt er hastig und rappelt sich auf. „G-gilbert doch. Wissen Sie nicht mehr?“

Ich runzle die Stirn. „Aber wenn Gilbert Unordnung gemacht hat, wieso räumst du es dann auf?“

„Weil er gesagt hat, ich soll es machen“, erklärt Raivis und fingert nervös an dem Putzlappen in seinen Händen herum.

„Und seit wann interessiert es dich, was Gilbert dir sagt?“, frage ich amüsiert. „Du sollst auf mich hören. Nicht auf Gilbert.“

Er senkt den Blick. „Ich habe... ein bisschen Angst vor Gilbert.“

„So so, Angst hast du?“ Beinahe muss ich lachen. „Das brauchst du nicht. Gilbert hat keine höhere Stellung als du, hörst du, kleiner Raivis? Vielleicht bildet er sich ein, er sei mehr wert als du, aber das stimmt nicht. Lass dir von ihm nichts befehlen. Der einzige, auf den du hören musst, bin und bleibe ich.“

„Aber wenn Gilbert nicht mehr wert ist als ich“, sagt Raivis und blinzelt mich nachdenklich an, „warum haben Sie ihn nicht bestraft dafür, dass er Unordnung gemacht hat? Mich hätten Sie jedenfalls bestraft. Unordnung machen ist verboten.“

Ich starre ihn an und hasse ihn dafür, immer die falschen Fragen zu stellen. Die Fragen, die offensichtlich sind, sind immer genau die falschen.

„Das kannst du nicht verstehen, kleiner Raivis, weil du zu klein bist. Und jetzt halt den Mund.“

„Aber...“, beginnt er. Mir rutscht die Hand aus. Er kreischt auf und hält sich die Wange.

„Ich sagte, halt den Mund! Hörst du jetzt etwa nur noch auf Gilbert und nicht mehr auf mich?“

„Es tut mir Leid!“, bringt Raivis hervor, zieht den Kopf ein und zittert am ganzen Körper. „I-ich wollte das nicht! Es tut mir Leid!“

Ich will etwas sagen, weiß aber nicht, was. Es macht mich traurig, ihn so zu sehen. Bevor Gilbert gekommen ist, hatte ich Raivis beinahe soweit, dass er sich von allein benommen hat. Gilbert bringt alles durcheinander. Mich selbst eingeschlossen.

„Geh und tu, was du zu tun hast, kleiner Raivis“, sage ich, als sei nichts passiert. Das ist das einzige, was mir zu tun einfällt: Weitermachen, als wäre nichts passiert.

Raivis bringt nicht einmal ein „ja“ hervor. Er lässt den Lappen einfach fallen, dreht sich um und flieht praktisch aus der Küche. Ich sehe ihm nach und weiß noch immer nicht, was ich tun soll. Was soll ich mit Gilbert anstellen? Was?

Heute Abend brauche ich Toris. Egal, was er dazu sagt. Ich brauche ihn einfach.
 

Toris

Ich bin eigentlich gerade auf dem Weg zum Kamin, um nach dem Feuer zu sehen, als Raivis an mir vorbei rennt. Bevor ich ihn fragen kann, was passiert ist, ist er auch schon wieder verschwunden. In letzter Zeit macht er mir wirklich Sorgen. Als ob ich nicht schon genug eigene Sorgen hätte.

„Toris?“, erklingt Ivans Stimme aus der Küche. Ich runzle leicht die Stirn und frage mich, woher er weiß, dass ich gerade in der Nähe bin. Vielleicht hat er mich gespürt. Ein grusliger Gedanke.

„Ja?“, antworte ich und öffne die Tür. Ivan sitzt auf einem Stuhl am leeren Tisch, hat die Beine ausgestreckt und betrachtet gedankenverloren seine wippenden Füße. Wie ein kleines Kind, denke ich. Vielleicht wäre der Umgang mit Ivan einfacher, wenn er sich endlich entscheiden könnte, ob er kindisch oder tyrannisch sein möchte. Mit seinen ständig schwankenden Launen kann man unmöglich fertig werden, auch nach Jahrhunderten noch nicht.

„Toris?“, fragt Ivan noch einmal, ohne den Blick von seinen Füßen zu nehmen.

„Ich bin hier. Kann ich etwas für Sie tun?“

Er nickt langsam und deutet mit der Hand ein Stück weiter auf den Boden, ohne aufzusehen. „Wisch das auf.“

Ich blinzle und trete ein paar Schritte vor, um neben den Tisch sehen zu können. Immer noch liegen ein paar Scherben auf dem Boden, vermischt mit dem Haferbrei, den Gilbert zum Frühstück hatte. Ich rümpfe die Nase.

„Mach es weg, bevor es schlecht wird“, murmelt Ivan.

„Ich dachte, Gilbert sollte es aufwischen.“

„Ja, das habe ich ihm gesagt. Aber er hat es nicht getan.“

„Dann sagen Sie es ihm deutlicher“, rutscht es mir heraus.

Ivan hebt den Kopf und sieht mich einen Moment lang stumm an. „Du hast gehört, was ich dir gesagt habe, Toris“, sagt er dann leise und sehr ernst. Ich beiße mir auf die Lippe, trete hastig vor und bücke mich nach dem Lappen, der neben dem Durcheinander liegt. Wie kommt der hierhin? Hat Gilbert etwa angefangen, aufzuwischen, und das Ganze dann doch liegen gelassen?

„Heute Abend“, beginnt Ivan und klingt, als wolle er noch etwas hinzufügen, tut es aber nicht. Ich sage nichts, sondern wische über den Boden. Das Kehrblech liegt nur ein Stück weiter auf den Steinen. Wer hat es geholt? Nun, gut, dass es schon einmal da ist. Sorgfältig sammle ich die Scherben auf und kehre alles zusammen. Was für ein Durcheinander.

„Heute Abend“, sagt Ivan noch einmal.

„Wie bitte?“, frage ich höflich und stehe auf. Er sieht mich direkt an, ohne zu blinzeln.

„Glaubst du, heute hast du mal wieder... ist dir mal wieder danach, Toris?“

Ich hätte mir denken sollen, dass es nicht gut ist, mir zu oft eine Auszeit zu nehmen, schießt es mir durch den Kopf. Hoffentlich ist er nicht wütend. Nein, danach sieht er zum Glück nicht aus.

„Ich werde da sein“, sage ich und ringe mir ein Lächeln ab.

Er betrachtet mich unverändert ernst. „Das war nicht meine Frage, Toris.“

Nein, natürlich nicht. Es ist, als würde der Boden unter meinen Füßen zu heiß werden, um länger darauf zu stehen. Ich schlucke möglichst unauffällig und überlege fieberhaft, was ich tun soll. Es gibt nichts zu sagen. Keine Worte für eine solche Situation. Der einzige Gedanke, der mir kommt, ist so lächerlich dumm, dass ich beinahe die Augen verdrehe. Aber einen anderen habe ich nicht.

Nach einem letzten Blick in Richtung Tür, in der niemand zu sehen ist, gehe ich auf Ivan zu und gebe ihm einen sanften Kuss auf die Wange. Er blinzelt mich überrascht an und errötet.

„Ist das deine Antwort?“

Ich trete wieder zurück und nicke. Er beginnt langsam zu lächeln und tastet mit einer Hand nach seiner Wange, verlegen, fast noch ungläubig. Wie ein kleines Kind, denke ich. Manchmal glaube ich, ich verliere den Verstand bei ihm. Er kann im einen Moment so herrisch und im nächsten so unsicher auftreten, dass ich das Gefühl habe, ihm helfen zu müssen. Eduard hat einmal gesagt, Ivan sei nicht mehr als ein Kind, das man schwer traumatisiert und dann mit zu viel Macht ausgestattet habe, und im Grunde wisse er gar nicht, wie er mit all der Macht umgehen soll.

„Danke“, sagt Ivan leise und steht auf. „Mein Toris.“

Er geht und lässt die Tür offen stehen. Ich sehe ihm nach und fühle mich plötzlich, als müsste ich an Ort und Stelle in Tränen ausbrechen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Edhasi
2012-02-23T09:15:02+00:00 23.02.2012 10:15
"Hab die Vorstellung im Kopf,
wie Raivis,Toris und Eduard in O-zone Klamotten Dragostea din tei singen und dazu tanzen D: "

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Danke, jetzt hab ich das Bild in meinem Kopf xD

Um auf das Kapitel, oder die FF im ganzen, zu kommen:
Ich liebe deinen Schreibstil! Bei dir sind die Personen so verdammt IC, dass es fast schon gruselig ist! Aber das ist gut...auf eine verrückte Art xD
Weiter so =3
Von:  Gokiburi
2012-02-22T19:03:34+00:00 22.02.2012 20:03
Du hetzt mich gegen Gilbert auf :DD
Ivan muss dem mal richtig den Arsch versohlen, damit der Trottel kapiert,wie der Hase läuft !

Sorry , kann mich nicht konzentrieren ;
Hab die Vorstellung im Kopf,
wie Raivis,Toris und Eduard in O-zone Klamotten Dragostea din tei singen und dazu tanzen D:

Aber du weißt,wie ich zu deinen FFs stehe und was ich mit dem obrigen Hirnfurz ausdrücken wollte xD

Na dann, bis zum nächsten Kapitel !
*nu ma ,nu ma iei,nu ma ,nu ma,nu ma iei*

Von:  arsidoas
2012-02-22T17:22:21+00:00 22.02.2012 18:22
Das Kapitel hat mir nun besonders gut gefallen.
Ich mein, dein Schreibstil, deine Charakterdarstellungen sind genial wie immer. :)
Ich mochte die Stelle sehr mit Raivis, so naiv. Wie Gilbert mit ihm umgeht finde ich sehr passend für ihn, also ich kanns mir super vorstellen. :O Armer Raivis. In deinen FFs muss er immer leiden. |D
(Muss er ja sowieso xD)
Und Eduards Beschreibung von Ivan ist doch auch sehr passend. Süß, wie er auf den Kuss reagiert. <3



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