Wo bist du?
2. Robin Wo bist du?
Es ist etwas passiert. Es muss etwas passiert sein, eine andere Erklärung gibt es nicht.
Seit zwei oder drei Stunden sitzen Chopper und ich nun schon in der Küche, doch von unseren Freunden fehlt jede Spur. Es ist zum verrückt werden! Zorro, wo bist du nur?
Ich habe Angst, Angst um ihn. Das hatte ich noch nie. Selbst mitten in einem Kampf, die Gegner stark und schier übermächtig, solange er in meiner Nähe war spürte ich keine Angst.
Ich kann fühlen ob es ihm gut oder schlecht geht, in welcher Stimmung er sich befindet, aber im Moment fühle ich nichts. Gar nichts. Es ist nicht so als ob er tot wäre, nein eher, als hätte er nie existiert, hätte die Verbindung zwischen uns nie existiert.
Das bereitet mir Angst.
Aber auch Nami und die anderen sorgen sich. Zwar ist es nicht ungewöhnlich, dass unsere drei Freunde ihre Zeit vertrödeln, aber so unzuverlässig, dass sie Weihnachten vergessen und statt dessen in einer verrauchten Kneipe landen, sind selbst sie nicht.
Es darf ihnen einfach nichts passiert sein!
Mir ist zum Heulen zumute und an Chopper’s besorgtem Gesicht erkenne ich, dass es ihm keinesfalls besser geht als mir. Aber um ihn aufzumuntern fehlt mir die nötige Energie und Zuversicht.
Als unser kleiner Arzt anfängt mit den Ohren zu zucken und schließlich zur Tür rennt, keimt doch noch so etwas wie Zuversicht in mir auf. Ob Lysop und Nami die Jungs gefunden haben?
Eilig stehe ich auf und folge Chopper nach draußen. Der Wind bläst kalt über das Deck, so dass ich meine Arme verschränke, um nicht augenblicklich durchgefroren zu sein. Das Kleid ist für winterliche Spaziergänge definitiv nicht geeignet.
Mein Blick schweift umher, bis ich zwei Personen über den schneebedeckten Hügel am Hafen rennen sehe. Nami und Lysop, wenn mich meine Augen nicht täuschen. Und gerade als ich mich selbst fragen möchte was der Grund für ihre Eile sein mag, erkenne ich eine Handvoll Männer die ihnen dicht auf den Fersen sind. Die Marine!
„Chopper, hol die Kanone an Deck!“
Für meine Teufelskräfte ist die Distanz noch zu groß, außerdem muss ich die Flying Lamb für unsere Flucht vorbereiten.
„Die Kanone?!“
„Ja, und jetzt beeil dich!“
Ohne Chopper’s Antwort abzuwarten eile ich in die Kombüse und entwende eines von Sanji’s Küchenmessern. Er wird mir hoffentlich verzeihen, sobald das hier ausgestanden ist, außerdem habe ich nicht vor es zu zerstören.
Geschwind kappe ich alle Seile die unsere Nussschale mit dem Festland verbinden, lasse nur das in der Nähe des Hecks bestehen, als mich mein Weg auch schon zum Anker führt. Ich kann bloß hoffen, dass ich diesen auch lichten kann, ist dies doch nicht umsonst die Aufgabe von Ruffy oder Zorro.
Wo die Jungs bloß abgeblieben sind?
Doch ich lenke mich ab, in dem ich kräftig an der Ankerkette ziehe. Nichts geschieht. Verdammt!
Erneut schließen sich meine inzwischen kalten Hände um die Kette, ziehe kräftig daran, bis sich zwei große braune Hände mir anschließen und wir es gemeinsam schaffen den schweren Anker zu heben.
„Kanone startklar?“ frage ich Chopper, während wir wieder zum Heck eilen.
„Ja! Schießpulver und Kugeln habe ich auch genügend mitgebracht.“
„Gut!“
Zwar bin ich nicht Lysop, aber meine Fähigkeiten als Schütze werden ausreichen, um die Marine auf Trapp zu halten.
Mit der kleinen Fackel, die normalerweise Lysop dafür verwendet, entzünde ich die erste Ladung und beobachte die Auswirkungen meiner Attacke. Zwar habe ich niemanden direkt getroffen, doch der Pulk an Soldaten muss nun um einen Krater laufen, was Nami und Lysop Zeit verschafft.
„Bereit!“ ruft Chopper und ich schieße erneut.
Diesmal erwische ich ein paar Soldaten, sehe mit Freude wie sie in die Luft geschleudert werden und als leblose Figuren im Schnee landen. Eben jeder wie er es verdient!
„Bereit!“
Wieder feuere ich, ziele mit meinen ungeübten Augen so gut es geht, um Lysop und Nami die Flucht zu erleichtern. Dass sie ohne unsere drei starken Jungs zurückgekehrt sind verdränge ich gekonnt. Jetzt zählt erst einmal die Flucht.
„Schnell, wir müssen abhauen!“ brüllt Nami vom Landungssteg aus, ehe sie an Bord klettert, unser Schütze ihr dicht auf den Fersen.
Kaum sind unsere beiden Freunde an Bord kappe ich das letzte Seil und Chopper setzt die Segel. Hoffentlich reicht der Wind aus, um uns genügend Vorsprung zu verschaffen.
Aber unser Scharfschütze scheint sich nicht auf den Wind verlassen zu wollen, denn er feuert mit der Präzision eines Uhrwerks in die Reihen unserer Feinde, dass diese kaum den Hauch einer Chance haben mit dem Leben davonzukommen, geschweige denn überhaupt Boden gut machen können. Zuletzt zerstört er die kleine Hafenanlage, dass die dort vor Anker gegangenen Schiffe entweder abdriften oder gar mit zerstört werden. Man weiß schließlich nie, ob nicht eines davon ein getarntes Marineschiff ist.
„Lysop, Ruder hart Steuerbord!“ höre ich Nami rufen, während ich selbst den Horizont mit dem Fernglas absuche. Alles ruhig.
„Du kommst jetzt mit mir in die Kombüse. Und keine Widerrede.“ Chopper’s warme Hand legt sich auf meine Schulter und erst jetzt spüre ich überdeutlich die Kälte des Winters. Ich war wohl einfach zu aufgeregt um zu merken, dass ich noch immer keine Jacke trage und mein Körper schutzlos der Witterung ausgesetzt ist. Wie unvernünftig, selbst in einer Situation wie dieser.
Stumm folge ich dem großen pelzigen Chopper, ehe er vor der Küchentür anhält, mir die Tür öffnet und sich wieder in seine kleine Gestalt zurückverwandelt.
Nami und Lysop lassen ebenfalls nicht lange auf sich warten, so dass man wohl getrost behaupten kann, die Stunde der Wahrheit ist gekommen. Und dass mir diese Wahrheit nicht gefallen wird, kann ich mir jetzt schon denken.
Wir sind Piraten, gesuchte Piraten. Jedem einzelnen von uns ist die Gefahr bewusst, der wir uns Tag für Tag aussetzen. Die Marine ist uns auf den Fersen, Kopfgeldjäger jagen uns aus Gier nach dem Profit und andere Piraten wollen verhindern, dass unser Captain allzu mächtig wird.
Aber etwas zu wissen oder der Tatsache ins Auge blicken zu müssen, sind zwei verschiedene Dinge.
Vielleicht ist auch das der Grund weshalb Nami nicht sofort Bericht erstattet wie sie es sonst gerne tut, sondern Lysop diesen Part überlässt. Aber im Grunde sind Worte auch überflüssig, nur eine Bestätigung von dem was ich mir durch die Ereignisse selbst denken kann.
„Sie wurden von der Marine gefangengenommen.“
Immer und immer wieder höre ich das Echo von Lysop’s Worten in meinen Ohren, aber ich will sie nicht hören. Tränen laufen über mein Gesicht, brennen wie Säure, doch ich finde keinen Trost in Schmerz. Zorro kann das, aber ich nicht.
Was soll ich bloß ohne ihn tun?!
„Wir brauchen einen Plan und zwar schnell! Soweit wir in Erfahrung bringen konnten wurden sie direkt nach ihrer Festnahme von der Insel geschafft. Leider wissen wir nicht wohin.“ erklärt Nami mit Tränen in den Augen. Sie versucht tapfer zu sein und in diesem Moment beneide ich sie um ihre mentale Stärke, denn ich fühle mich einfach nur hilflos der Situation ausgeliefert.
„Habt ihr denn nicht mal einen kleinen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort?“ möchte Chopper wissen, doch unsere beiden Gegenüber schütteln bloß mit dem Kopf.
„Na ja, nur eins und da sind wir uns auch nicht sicher, ob wir das richtig verstanden haben, aber Smoker scheint seine Finger hierbei im Spiel zu haben.“ ergänzt Lysop.
„Das gibt uns womöglich ein bisschen Zeit.“ erkläre ich und nehme dankend die Teetasse entgegen, die mir Chopper reicht. Ich muss mich unbedingt wieder aufwärmen, eine Erkältung oder gar schlimmeres kann ich nun überhaupt nicht gebrauchen.
„Wie meinst du das?“ fragt Nami interessiert, so dass ich fortfahre mit meinem Gedankengang: „Smoker ist dafür bekannt, dass er seine persönlichen Interessen schon mal über die der Marine stellt. Sollte wirklich er der Drahtzieher sein, könnte er versuchen die Drei als Lockvogel zu benutzen, um letztendlich auch uns zu schnappen. Er spielt gerne den Cowboy, d.h. er wird zuerst versuchen uns alle zu verhaften ehe er sie hinrichtet.“ Zwar bemerke ich die Blässe auf den Gesichtern meiner Freunde, aber wir müssen der Realität ins Auge sehen, auch wenn ich wünschte dem wäre nicht so.
„Er wird sich das gut überlegen, bevor er voreilig handelt. Jeder weiß, dass Ruffy ein Freund vom roten Shanks und der Bruder von Puma D. Ace ist. Smoker ist nicht dumm, deshalb nehme ich auch nicht an, dass die Verhaftung von Monkey D. Ruffy und seiner beiden stärksten Männer publik gemacht wird.“
„Was hat er mit ihnen vor?“ Fragend blicken mich Chopper’s dunkle Knopfaugen an, die auch ein wenig durch seine Tränen gerötet sind. Ich wünschte, ich könnte ihn trösten.
„Er wird sie verstecken in einem der Marinegefängnisse, bis er uns hat oder wir ihn erledigen.“
„Du meinst wir haben Glück und können Ruffy und die anderen retten?“
Ich weiß nicht ob man in so einem Fall von Glück reden kann. Smoker halte ich zwar nicht für einen Sadisten, aber die Geschichten aus den Marinegefängnissen über Folter und Tyrannei halte ich alles andere als für beruhigend. Aber soll ich das wirklich Chopper sagen?