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Harmonie

von

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Bittere Wahrheiten

Kapitel 7: Bittere Wahrheiten
 

Es dauerte eine ganze Weile. Hermine brauchte fast zwei Stunden, um ihrem Gehirn zu erlauben, das zu verarbeiten, was ihre Ohren zuvor gehört hatten. Ron ein Mörder? Das konnte nicht sein. Ron konnte Greyback nicht getötet haben. Oder doch?
 

Wie sollte sie sich bei diesem Gedanken fühlen? Im Moment fühlte sie einfach gar nichts. Nichts, außer vielleicht einem Brennen in ihrer Mundhöhle, das von der Magensäure kam, die ihr immer wieder die Speiseröhre stieg.
 

Während McGonagalls Verwandlungsstunde, die heute rein theoretisch gehalten wurde, hörte sie kaum zu. Starrte zwar die Lehrerin an, doch gelang es ihr noch nicht einmal, zwei Sätze hintereinander sinnvoll zu kombinieren.
 

Als Professor McGonagall nach der Stunde zu ihr kam, fürchtete sie schon, dass diese ihr einen Tadel erteilen würde, weil sie nicht so aufmerksam wie sonst mitgearbeitet hatte. Stattdessen legte ihr McGonagall die Hand auf die Schulter, zog sie etwas näher an sich heran und flüsterte: „Kommen Sie in einer halben Stunde mit Mr. Weasley und Mr. Potter in das Büro von Professor Shacklebolt. Sie werden doch sicher Fragen an uns haben, oder?“
 

McGonagall wartete nicht auf eine Antwort, sie machte auf dem Absatz kehrt und flüchtete regelrecht hinter ihr Pult, wo sie beflissen damit begann, sämtliche Aufzeichnungen und Notizen, die dort verstreut lagen, der Größe nach zu ordnen und zu stapeln.
 

Zurück blieb Hermine, die schon wieder das Gefühl hatte, würgen zu müssen.
 

Xxx
 

Professor McGonagall zeichnete mit ihrem Zauberstab weiße Lichtlinien in die Luft, die wie eingefrorene Blitze in der Luft schwebten und allmählich Form und Aussehen eines Stuhles gewannen. Die freien Flächen zwischen den Lichtlinien füllten sich mit dunklem Rauch, der sich innerhalb von Sekunden zu massivem Kastanienholz verdichtete.

McGonagall wartete mit gefalteten Händen geduldig, bis ihr Werk sich selbst komplettiert hatte, dann zog sie den Stuhl mit einem schleifenden Geräusch neben Kingsley, der dort, wie so oft bei Dumbledore gesehen, mit zusammengelegten Fingerkuppen saß und mit leerem Blick über das nachzudenken schien, was er sagen musste.
 

Harry, Ron mit Hermine in ihrer Mitte, saßen dicht aneinandergedrängt auf leicht wackeligen Stühlen. Harry sah mit verschränkten Armen zu der großen Standuhr, die hinter Kingsleys Stuhl stand und Ron trippelte nervös auf dem einzigen Zentimeter des Schreibtisches, der nicht mit Briefen, Büchern oder Notizen überwuchert war. Geistesabwesend betrachtete er einige der Bilder, die Hermine an Gemälde des Künstlers Dali erinnerten und für Hermine war klar, dass er lieber in der bizarren Welt dort als in der Wirklichkeit hier wäre.
 

Kingsley räusperte sich und faltete seine Hände vor sich auf dem Schreibtisch. Sein Blick war aufrichtig, seine Haltung gerade und seine Stimme so beruhigend und einnehmend wie eh und je, dennoch war vielleicht gerade dieser Umstand, seine Ruhe das, was Hermine in diesem Moment so falsch vorkam.
 

Ein Fehler im Bild. Ein Rätselbild… eine dargestellte Szene, die annähernd perfekt erscheint, und doch weist sie Fehler auf. Kleine Details, die nicht stimmen.
 

Hermines Hände krampften sich zusammen, entspannten sich wieder und verkrampften sich erneut. Nachdenklich musterte sie die Szene, deren in diesem Moment einziges vertrautes, berechenbares Detail sie selbst war.
 

Ihr gegenüber saßen die beiden Lehrer, die so unbehaglich auf ihren Stühlen herumrutschten und nervös wirkten, als seien sie Schüler, die hier einberufen worden waren, um eine Prüfung abzulegen, für die sie nicht gelernt hatten.
 

Die Ruhe, nein, dieses Wort klang zu positiv, die Stille hier im Raum war erdrückend und legte sich auf Hermines Brustkorb, als wolle man ihr die Möglichkeit zu atmen nehmen, um eine wirkliche „Totenstille“ zu erreichen.
 

Es war still, doch leise war es nicht. Am liebsten hätte sich Hermine die Ohren zugehalten bei all den Geräuschen, die gleichzeitig auf sie eindrangen und so stark an ihren Nerven rissen, dass sie meinte schreien zu müssen.
 

Da war das kaum wahrnehmbare Geräusch von Rons hin und her wippendem Stuhl. Das Ticken der Uhr, das laut wie Glockenschläge in einem Kirchturm hallte. Das Sirren einiger Fliegen, die es durch die Abwehrzauber hinein ins Schloss geschafft hatten. Das schmatzende Geräusch, das Kingsleys Mund erzeugte, als er sich wieder und wieder die Lippen benetzte und Harrys lauter Atem, der klang, als hätte dieser sich selbst in einen Dementor verwandelt.
 

Möglich, dachte Hermine, denn immerhin war die Kälte in diesem Raum sicherlich eingebildet, war es doch erst September. Zudem prasselte ein wärmendes Feuer im Kamin. Genau genommen sollte sie schwitzen, doch tat sie es nicht sondern fröstelte und schlang ihre Arme um sich.
 

McGonagalls Mund war schmaler als je zuvor. Hermine hatte so eine Ahnung, warum dieses Treffen nicht in ihrem Büro, sondern hier unten in den Kerkern, wo Kingsley sich einquartiert hatte, stattfinden sollte. Oben, oben war das Büro, in dem vorher Dumbledore all die Jahre geschaltet und gewaltet hatte. Dort, wo sein Porträt freundlich auf alle Besucher herablächelte. Dort wollte die neue Direktorin bestimmt nicht erklären, was Hermine mit Magengrimmen bereits erahnen konnte.
 

Dennoch war Kingsleys Stimme ruhig und das war der Fehler im Bild.
 

„Warst du in der Muggelschule gut im Rechnen?“ fragte er sie.
 

Hermine zuckte die Schultern, warf Harry und Ron Hilfe suchende Blicke zu, die jedoch nicht beantwortet wurden und antwortete leise, um nicht vor ihrer eigenen Stimme in der Stille zu erschrecken: „Ja, schon. Ich war ja in allem recht gut.“
 

„Schön, dann habe ich eine Aufgabe für dich.“ Kingsley lächelte auf eine Weise, die so bitter war, dass man das Wort „Lächeln“ eigentlich durch etwas anderes hätte ersetzen müssen.

Er zog die Augenbrauen hoch, kramte in seinem Schreibtisch nach einem Stück Pergament und kritzelte mit einer Feder, die lauter kratzte als alles, was Hermine bisher gehört hatte, schnell ein paar kaum leserliche Zeilen hin.
 

Er hob den Zettel an, prüfte ihn mit kritischem Blick und gab ihn an McGonagall weiter. Die Augen der Professorin verweilten nur Sekunden auf dem Pergament, ihre Finger hielten das Blatt kaum und sie legte es so hastig wieder weg, als habe die Angst davor. Dennoch nickte sie Kingsley bestätigend zu, der es daraufhin über den Schreibtisch hinweg in Hermines ausgestreckte Hand legte.
 

Sie spürte Rons Schulter, als er sich zu ihr herüberbeugte, um mitzulesen, als sie das Pergament vor sich hielt und leise die Worte, die dort standen, in ihrem Geist aufnahm.
 

„Zwei Scharfhirten führen ihre Herde durch ein von Wölfen besiedeltes Gebirge. Beide Schafhirten sind arm und können eigentlich keinen einzigen Knut entbehren, doch beiden ist klar, dass sie auf die Gefahr der Wölfe reagieren müssen.
 

Der erste Hirte beschließt, seine Schafe zu verstecken und abzuwarten, bis die Wölfe verschwunden sind. Er geht mit ihnen gemeinsam in eine Höhle und spart das Geld, das er hat für die Zeit, wenn sie wieder aus der Höhle herauskommen können. Dann will er sich mit seinen Schafen niederlassen. Bereits in der ersten Nacht nimmt die Meute Fährte auf und nacheinander reißen sie zuerst die Schafe und zuletzt den Schäfer, der sich nicht verteidigen konnte.
 

Der zweite Hirte gibt sein ganzes Geld für einen Hirtenhund aus. Es geht dem Schäfer sehr schlecht und manche seiner Schafe verhungern, weil er nicht genug Nahrung für sie besorgen kann. Er lebt von der Milch und dem Fleisch der Schafe. Es fällt ihm nicht leicht, doch diese Opfer helfen vorübergehend. Der Hirtenhund jagt währenddessen die Wölfe und tötet sie. Die Menschen, die in den Bergen leben, sind dem Schäfer sehr dankbar und beschenken ihn reich. Er lässt sich mit seiner Herde in einem Bergdorf nieder und lebt glücklich und zufrieden.“
 

Hermine wurde übel. Das Pergament glitt vor ihr auf den Boden. Statt Kingsley, McGonagall oder ihre Freunde anzusehen, beobachtete sie die ineinander verschnörkelten Windungen des Perserteppichs unter ihren Füßen.
 

„Nun, Hermine“, fragte Kingsley so sachlich, als würde er ein Kapitel aus einem Schulbuch erklären, „welcher Schäfer handelte ökonomischer?“
 

Hermine hob den Kopf und sah Kingsley an, der ebenso kalt wirkte wie seine Stimme klang.
 

„Der zweite“, antworte sie mit tonloser Stimme.
 

„Wir sind die Schafhirten, Hermine, und wir haben gelernt, dass es nichts bringt, sich vor den Wölfen zu verstecken.“ Kingsley richtete sich auf, zog die Schultern nach oben und musterte Hermine einige Sekunden lang aufmerksam. Gerade als er anheben wollte etwas zu sagen, hob McGonagall gebieterisch die Hand und deutete ihm mit einem Kopfschütteln an, dass sie den nächsten Schritt der Gedankenkette erklären wollte.
 

„Sie haben die Zeitung heute Morgen gelesen?“, fragte sie sachlich und schob ihre leicht verrutschte Brille wieder den Nasenrücken hoch.
 

Hermine sah kurz zu ihren Freunden, da diese jedoch den Blick nicht erwiderten, wandte sie sich wieder den Professoren zu. „Ja, natürlich. Und Ron sagte…“, Hermine schluckte und griff nach Rons Hand, die sich starr um die Armlehne seines Stuhles verkrampft hatte, „er sagte, Greyback hätte für etwas bezahlen müssen. Aber ich verstehe nicht. Wieso haben das Muggel getan und…“
 

Hermine schwieg, als sie sah, wie McGonagall hinter ihrer Brille die grauen Augen rollte. „Sie glauben das, was in der Zeitung steht?“
 

Hermine antworte nicht, stattdessen beobachtete sie Kingsley, der das eben gelesene Pergament wie ein Origamikunstwerk zusammenfaltete und es dann mit freudlosem Lächeln hinüber in den Kamin segeln ließ.

Die Flammen loderten kurz auf, als der Papierflieger über ihnen war, rissen das Pergament an sich, das sich unter den gierigen Bissen des Feuers verkrümmte und dann zu einem Nichts zusammenschrumpfte. Dichte, grauschwarze Wolken erhoben sich über den Flammen, stiegen höher und schwebten durch den Abzug nach oben hinaus. Hinaus, weg von hier…
 

„Miss Granger!“
 

„Ja, Professor McGonagall?“ Hermine rutschte auf ihrem Stuhl ein bisschen weiter nach vorne. So weit, dass sie fast vorne vom Stuhl herunterfiel und mit den Knien an Kinsgleys Schreibtisch stieß. Eine unbequeme Position, aber solange sie sich darauf konzentrieren musste, nicht vom Stuhl zu fallen, bestand nicht die Gefahr, sich komplett aus dieser Furcht erregenden Situation herauszuträumen, zudem lenkte das unangenehme Ziehen in ihren Beinen ein klein wenig von dem ab, was gesagt wurde. Ein klein wenig, aber nicht zu sehr.
 

„Sie ahnen sicher, wer Fenrir Greyback wirklich umgebracht hat. Bitte sprechen Sie es aus.“ McGonagalls Stimme klang sanft, mitfühlend und doch schwang eine Eindringlichkeit mit, ein unterschwelliger Befehl, grausame Dinge zu tun, so dass Hermine erschauderte.
 

Sie schloss die Augen, verstärkte den Griff um Rons Hand und gehorchte. „Ron. Ich denke, es war Ron.“
 

Kingsley lachte leise und hielt die Hand vor den Mund, als ihn daraufhin McGonagalls strafender Blick traf. So unangemessen dieses Zeichen überraschter Belustigung auch war, Hermine half es. Sie schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Ihr Klammergriff um Rons gequetschte Finger lockerte sich. Kingsley kicherte immer noch und kein Geräusch auf der Welt hätte in diesem Moment schöner sein können.

Hermine öffnete die Augen wieder, als sie das Geräusch einer energisch auf den Tisch geschlagenen flachen Hand hörte.
 

McGonagall verschränkte die Arme wieder, seufzte genervt und deutet Kingsley an, endlich zu beginnen. Er hustete verlegen und vergrub sein Gesicht in seinen Handflächen. Er atmete ein paar Mal tief ein und aus bis er es geschafft hatte, sich wieder zu sammeln. „Nein, Ron war es nicht.“
 

„Aber er und Harry, irgendetwas war gestern. Das weiß ich, irgendetwas haben sie gestern Abend gemacht und ich sollte nicht mitgehen.“ Sie ließ Rons Hand los und begann ihre Hände zu kneten. „Ich bin nicht dumm, ich weiß, dass ihr davon wusstet und heute Morgen lese ich sowas in der Zeitung. Also, inwiefern seid ihr alle daran beteiligt?“
 

McGonagall legte die Beine übereinander und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, eine Hand lag auf Kingsleys Schreibtisch und trippelte nervös auf einem Stapel Bücher. „Sind Sie sicher, dass Sie es hören wollen? Ich meine die Frage ernst. Unwissenheit kann ein Segen sein, Miss Granger. Wenn Sie davon wissen, werden Sie damit leben müssen.“
 

Eine Gänsehaut überzog Hermines Glieder. Eiskalte Schauer wechselten sich mit heißen ab. Vor ihren Augen begann der Raum zu flimmern. Plötzlich wurde sie sich bewusst, wie schwer ihre Augenlider waren, wie trocken ihr Mund und wie feucht hingegen ihre Finger, die unter den zunehmend hektischer werdenden Bewegungen bei jedem neuen Kneten gefährlich knackten.
 

Aber nun war sie hier. Vielleicht hätte sie es lieber nicht wissen wollen, aber sie hatte die Zeitung gelesen, sie hatte Ron gehört und sie war mitgekommen. Die Grenze dessen, was sie zu ignorieren imstande war, war längst überschritten. Sie würde das Halbwissen nicht aushalten, sie nickte sie und wappnete sich für das, was kommen musste.
 

„Ich sagte bereits“, begann Kingsley, „es ist eine Rechenaufgabe. Sag mir Hermine, was ist mehr. Zwanzig oder eine Million?“ Er sah Hermine tief in die Augen, warf McGonagall einen fragenden Blick zu, den sie mit einem abgehackten Nicken bestätigte, dann rückte er nach hinten, kramte in seinem Schreibtisch herum und zog ein weiteres, leeres Pergament hervor, das er Hermine in die Hände drückte. „Also, welche Zahl ist größer?“
 

Das Pergament in ihren Händen zitterte, als sie leise antwortete. „Eine Million natürlich.“
 

„Richtig.“ Kingsley hob den Zauberstab und richtete ihn auf das Pergament in ihren Händen. Sie hörte, wie Harry seinen Stuhl zurückschob, sah aus den Augenwinkeln, wie er aufstand und hinüber zu einem Bild ging, auf das Ron zuvor auch schon gesehen hatte, um sich aus dem Raum hinauszuträumen.
 

Aber nicht jetzt, jetzt mussten sie alle hierbleiben. Sie sah wieder zu Kingsley, der das Pergament mit der Spitze seines Zauberstabes antippte. „Offenbare, was in dir steckt!“
 

Zuerst glaubte Hermine, dass es am Flimmern vor ihren Augen lag. Sie hob das Pergament etwas höher und stellte fest, dass die Oberfläche des Blattes tatsächlich verschwamm. Ein wenig sah es wie Kleistermasse aus, in die Kinder Acrylfarbe hineingegossen hatten, um marmorierte Bilder zu erzeugen. Ebenso breiten sich hier quer über dem Blatt hauchzarte Linien aus, tanzten in verschnörkelten Mustern über das Blatt. Striche teilten sich, kräuselten sich und schwammen über die Oberfläche, bis sie sich an anderer Stelle mit anderen Linien trafen und verschmolzen. Allmählich zeichnete sich ein Bild ab. Kein Gemälde, die Linien setzten sich zu Worten zusammen, die sich untereinander am linken Rand des Blattes zu einer nummerierten, tabellenartigen Reihe formten.
 

Namen, es waren Namen, die dort in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet waren. Sie legte das Pergament vor sich auf Kingsleys Schreibtisch ab und fuhr mit dem Finger der Reihe nach die Namen entlang. Vorsichtig, als habe sie Angst sich an der eben so gespenstisch erschienenen Tinte zu vergiften.
 

1. Avery, Artemius

2. Carrow, Alecto

3. Carrow, Amicus

4. Crabbe, Cherubim

5. Dolohow, Antonin (+)

6. Goyle, George

7. Greyback, Fenrir (+)

8. Jugson, Jeremias

9. Lestrange, Bellatrix

10. Lestrange, Rodolphus

11. ( Malfoy, Draco)

12. Malfoy, Lucius

13. Mcnair, Walden

14. Mulciber, Marcus

15. Nott, Julius

16. Pettigrew, Peter

17. Riddle, Tom (Lord Voldemort)

18. Rookwood, Augustus

19. Rowle, Thorfinn

20. Selwin, Septimus

21. Snape, Severus
 

Sie schob das Pergament noch etwas weiter von sich weg, rückte wieder auf ihrem Stuhl nach hinten und faltete die Hände in ihrem Schoß. Die Gedanken überschlugen sich in ihrem Geist. Kopfschmerz erzeugende Gedanken, die bedrückend und schmerzhaft klar waren. Sie wusste es, weder Kingsley noch irgendein anderer musste im Prinzip noch ein Wort sagen. Wehmütig dachte sie daran, dass sie die Zeitung am Morgen einfach hätte ignorieren können. Sie hätte es doch gar nicht lesen müssen. Wie tröstlich wäre das gewesen, aber nun? Sie spürte Rons Finger, die ihr sanft den Oberarm auf und ab streichelten. Ein klein wenig tröstend, vertraut, geliebt, und doch in diesem Moment so unerträglich, dass sie bei seiner Berührung fröstelte und den Arm ein bisschen wegzog, um seinen Fingern zu entgehen.
 

„Wie Sie sehen“, begann nun wieder McGonagall, die selbst aussah, als würde sie am liebsten davonlaufen, „haben wir eine Liste hochrangiger Todesser erstellt. Lord Voldemort steht ebenfalls auf dieser Liste. Wir haben uns nach dem Angriff auf den Fuchsbau dazu entschlossen. Die endgültige Liste wurde nach dem Angriff auf die Winkelgasse fertiggestellt. Wir werden diese Menschen umbringen.“
 

Hermine war betäubt. Ihre Arme, Beine, sogar ihre Mundhöhle, aber vor allem ihr Geist befanden sich in einem eigenartigen Zustand des Nichtfühlens. Ein Zustand, der es zwar erlaubte wahrzunehmen, doch weder Schmerz noch Kälte oder Wärme zu spüren. Sie nickte ruhig und wandte sich Kingsley zu, der nun an McGonagalls Stelle weitersprach. „Die Idee kam eigentlich nicht von uns. Dumbledore hat uns Aufzeichnungen hinterlassen…“
 

Hermine drehte sich wie in Trance zu Harry um, der den Kopf gegen die steinerne Wand des Büros presste und einen erstickten Laut von sich gegeben hatte. Kingsley hob die Hand und deutete auf sich, als wolle er sagen, dass man Harry in diesem Zustand ignorieren sollte. Beruhigend und tief wie immer war seine Stimme, als er weiterhin bittere Wahrheiten offenbarte, „Wir wissen von den Horkruxen und von eurer Aufgabe. Aber wir wissen auch, dass es Jahre dauern kann, bis dies erledigt ist. Diese Jahre haben wir nicht. Wir können es weder uns noch den anderen Menschen gegenüber verantworten, nur herumzusitzen und abzuwarten, bis ein paar Teenager Voldemorts Vergangenheit ergründet und zerstört haben, während hier um uns herum gleichzeitig die Welt untergeht und er dabei auch noch stärker und, ja, leider auch beliebter wird.“
 

Er seufzte und sah nun selbst zu Harry, der sich wieder den anderen im Zimmer zugewandt hatte und mit traurigem Blick zu Ron sah. „Es ist nicht deine Schuld, Mann. Aber es dauert zu lange. Wir müssen vorher etwas unternehmen“, flüsterte Ron seinem Freund zu. Der nickte daraufhin und ging wieder zu seinem Platz neben Hermine. „Ich weiß ja. Nur, es fühlt sich nicht richtig an, es so zu tun.“
 

„Es mag sich anfühlen wie es will, es ist die einzige Möglichkeit“, entgegnete McGonagall kühl. „Wie Kingsley bereits gesagt hat. Es ist eine ökonomisch orientierte Rechenaufgabe. Diese Menschen auf der Liste sind das Herz der Todesserbewegung. Es reicht nicht aus, nur Voldemort zu töten, was, nebenbei bemerkt, im Moment ja auch nicht möglich ist. Selbst wenn der dunkle Lord nicht mehr ist, sind genug andere da, die sich wie die Hyänen darum reißen werden, seine Nachfolge anzutreten. Wir müssen das Herz als Ganzes herausreißen, damit dieses Untier, das sich Voldemort nennt, zu Fall gebracht werden kann.“
 

„Aber wie“, wandte Hermine mit hohler Stimme ein, „wie wollen Sie das denn machen? Wenn es so einfach wäre, die Todesser und Voldemort zu finden, warum wurden sie nicht schon viel früher alle verhaftet?“
 

„Es ist eine Frage dessen, was man zu tun bereit ist.“ Kingsley musterte sie misstrauisch, schien immer noch nicht wirklich davon überzeugt, dass es klug war, Hermine soviel zu offenbaren. Doch zu spät, alle wussten, dass es kein Zurück mehr gab. Selbst Hermine. Also sprach er weiter. „Wenn man bereit ist, den Preis zu zahlen, hat man mehr Möglichkeiten als man glaubt. So haben wir zum Beispiel Dolohow aus dem Ministerium entführt, bevor es die Todesser tun konnten.“
 

„Aber davon stand doch gar nichts im Propheten.“ Noch ehe sie es ausgesprochen hatte, wusste sie auch schon, wie albern dieser Einwand war. Ron grinste gequält. „Natürlich nicht, denkst du, eine Zeitung, die mittlerweile voll in Voldemorts Hand ist, wird irgendetwas drucken, was ihm nicht gefällt?“
 

„Wie dem auch sei“, ergriff nun wieder McGonagall das Wort, „er wurde zu einem uns bekannten Ort gebracht und verhört. Natürlich wollte er uns nichts erzählen. Natürlich hat Voldemort starke Zauber über seine Todesser gelegt, die das unmöglich machen, selbst, wenn die Todesser etwas erzählen wollten…“
 

„Doch hier kommt wieder der Preis, den man bereit ist zu zahlen, ins Spiel“, vollendete Kingsley den Satz. Er zog die Augenbrauen hoch, stemmte sich mit den Händen von der Stuhllehne ab und erhob sich. Seltsam, dass Hermine in diesem Augenblick auffiel, wie eigenartig gewunden doch das Muster auf seinem Umhang war. Wie unverhältnismäßig groß seine Hände im Vergleich zu seinem Körper waren und wie seine dunkle Gestalt im ohnehin schon schwachen Licht, das im Raum herrschte, sich bedrohlich wie ein Schatten vor ihr erhob. „Es gibt Mittel und Wege, die Zauber zu brechen. Die einen sind dunkle Magie, die anderen sind körperlich. Wir haben uns immer gescheut, so etwas zu tun, doch nun… es ist eine Frage des Preises, den man im Krieg zu zahlen bereit ist. Wir sind bereit, alles zu tun, um unsere Schafe zu schützen. Auf diese Art haben wir erfahren, wo Greyback wohnt. Er starb, als er auf der Toilette saß.“
 

Hermine zog die Schultern hoch und wandte ihre Aufmerksamkeit erneut dem Muster des Teppichs zu anstatt Kingsleys Umhang.
 

„In diesem Kampf gibt es keine Helden, Hermine. Wir werden weder fair noch mutig agieren. Wir bespitzeln sie und schlagen zu, wenn sie sich sicher fühlen. Wir finden sie, indem wir manche von ihnen vor ihrer Hinrichtung gefangen nehmen und befragen. Keiner von ihnen wird alles wissen, doch nach und nach kommen wir weiter. Schneller, als wenn wir auf die Horkruxe warten würden. Tut mir leid, Harry.“
 

Harry neben ihr versteifte sich und Hermine hörte seine Handknöchel knacken, als sich auch der Griff seiner gefalteten Hände versteifte.
 

McGonagall sprach weiter und hielt Hermine davon ab zu überlegen, wie schlecht sich Harry bei alledem doch fühlen musste. „Wir haben über die Namen abgestimmt und sie dann, wenn gute Argumente dafür sprachen, auf die Liste gesetzt. Wir gehen nach keiner bestimmten Reihenfolge vor. Wir töten den, den wir als nächsten finden. Wer das ist, wird erst im allerletzten Moment auch an die anderen Mitglieder des Kommandos bekannt gegeben. Wir können nicht riskieren, dass ein Spion im Orden ist wie…“
 

„Snape! “ Harry setzte sich wieder aufrecht hin und erklärte so kalt und geschäftsmäßig wie er sonst nie war: „Deswegen bin ich dabei. Er ist es, den ich will. Und Pettigrew.“
 

„Du willst Snape umbringen?“ Hermine wunderte sich, wie ruhig sie klang. Es musste daran liegen, dass das Teppichmuster so faszinierend war. Oder daran, dass es erst dann wehtun würde, wenn sie aus ihrer Trance erwachte und wieder klar denken konnte.
 

„Wir wissen noch nicht, wer es tun wird.“ Kingsley war zum Kamin gegangen und beobachtete die züngelnden Flammen. Vielleicht war das Thema selbst für ihn so unangenehm, dass er niemandem in die Augen sehen wollte bei dem was er zu sagen hatte. „Um ehrlich zu sein, wir ziehen Streichhölzer bevor es losgeht.“
 

„Was?“ Hermine lachte laut, falsch und verzweifelt. Kingsley zuckte die Achseln. „Wir tun das nicht aus persönlichen Gründen. Es ist eine reine Vernunftentscheidung. Deswegen darf niemand nur aus Rache handeln. Zudem wäre es dadurch berechenbar und unser einziger Vorteil ist, unentdeckt und unberechenbar zu sein. Deswegen dürfen auch wir so wenig wie möglich im Voraus wissen. Nun, jeder befragt der Reihe nach abwechselnd Gefangene. Wenn wir einen Namen herausfinden, werden die anderen innerhalb einer Stunde verständigt. Wir treffen uns, ziehen Streichhölzchen und gehen alle zusammen mit. Niemand geht alleine“, er seufzte schwer, „wir können nicht riskieren, dass eine Person Mitleid hat. Auf diese Art ist der Gruppendruck höher.“
 

Harry räusperte sich und schlug seine Beine übereinander. Als er Hermines fragenden Blick sah, hielt er ihm stand. „Moody hat Greyback umgebracht. Aber es hätte auch mich, Ron, Kingsley, Lupin oder vielleicht auch Bill treffen können. Wir sind es. Die anderen haben sich geweigert mitzumachen. Wir zwingen niemanden und ich will eigentlich auch nicht, aber“, er zuckte hilflos die Schultern, „die Idee ist von Dumbledore und ich verstehe, was er meint. Es ist ein Weg, den Krieg schnell und mit so wenigen Opfern wie möglich zu beenden. Wenn wir warten, bis wir alle Horkruxe, die wir selbstverständlich weitersuchen, gefunden haben, sterben zu viele weitere Menschen. Muggel und Zauberer.“ Er seufzte und runzelte die Stirn, als habe er Kopfschmerzen, dann fuhr er fort. „Die Todesser sind nichts ohne ihre Führung. Wir gehen schnell und rücksichtslos vor. Aber auf diese Art sind bald alle tot, die den Apparat am laufen halten könnten. Zudem wissen wir, dass Voldemort zur Zeit sein Hauptquartier in Malfoy Manor hat.“
 

Hermine atmete flach und grub die Fingernägel in ihren Handrücken. Ein Schmerz, der sie daran hinderte, wegen des Schrecks die Beherrschung zu verlieren. Sie grub die Fingernägel noch etwas tiefer in ihr Fleisch. Sie spürte, wie die scharfen Kanten kleine Kratzer in ihre Haut rissen. Sie verzog das Gesicht und versuchte sich auf ihre Hände zu konzentrieren, um ihren Geist genug zu bändigen, dass sie klare Gedanken fassen konnte.
 

Sie hätte nun erzählen können, dass sie sehr wohl wusste, dass Voldemort bei den Malfoys war. Dass sie ihn dort gesehen hatte und dass sie noch dazu von Draco Malfoy selbst in das tödlichste Hornissennest gestoßen worden war, das sie je gesehen hatte. Andererseits war es Hermine noch nie leicht gefallen, über sich selbst zu reden. Sie wussten doch schon alles, wem würde es helfen, wenn sie hier und jetzt gestehen würde, dass sie Geheimnisse hatte?
 

Irgendwann würde sie es vielleicht sagen. Ganz sicher dann, wenn es nötig werden würde, um ihren Freunden zu helfen. Jetzt aber sah es so aus, als ob das, was sie zu sagen hatte, der Sache selbst nicht weiterhelfen würde. So zog sie mit ihren Fingernägeln rote Striemen über ihren Handrücken und ermöglichte es sich auf diese Weise halbwegs ruhig und gefasst zu fragen: „Es wäre natürlich sinnvoll, die Malfoys zu finden. Womöglich sind auch die Lestranges da. Nur verstehe ich nicht, wie das in Bezug auf Voldemort helfen sollte. Ist er nicht unsterblich solange es die Horkruxe gibt?“
 

„Wie man's nimmt“, schaltete Harry sich wieder ein. „Er ist nicht gestorben, als der Fluch, der mich töten sollte, auf ihn zurückprallte. Er wurde aber aus seinem Körper herausgerissen und wurde, ja, eine Art Geist. Nicht? Klar, er kam zurück, aber wenn wir das wieder erreichen würden…“ Er machte eine kurze Pause und strich die Haare aus dem Gesicht. Für einen kurzen Moment sah Hermine die Blitznarbe, die sich blassrosa über Harrys Stirn zog. Hermine legte den Kopf schief und dachte darüber nach, dass die Narbe sie an eine Rune erinnerte, die sie am Morgen in einem Buch gesehen hatte. Welche Rune war das nochmal? Leben, Krankheit oder war es ein Name gewesen?

Harry ließ seine Haare wieder los und die Blitznarbe war erneut von schwarzem Strubbelhaar bedeckt. „Er konnte als Gespenst nicht viel ausrichten. Er hat es in dieser Nacht auf dem Friedhof selbst gesagt. Er war auf die Hilfe seiner Todesser angewiesen. Wenn wir ihm die nehmen, hätten wir ihn zumindest eine gewisse Zeit lang unschädlich gemacht. Wir werden die Horkruxe finden. Moody und Lupin haben bereits einen Verdacht, wo der nächste sein könnte. Sobald wir alle zerstört haben, ist er entweder sterblich oder wirklich tot, falls wir in der Zwischenzeit seinen Körper zerstören konnten.“
 

Ron griff über Hermines Stuhllehne und hielt ihre Hand fest, um sie daran zu hindern, sich weiterhin selbst weh tun. Stattdessen legte er ihre aufgekratzte Hand auf seine und streichelte mit der anderen Hand über ihre Wunden. „Harry fühlt sich nicht so wohl damit. Er dachte, er könne alles alleine tun und nun denkt er, wir würden ihn für einen Versager halten, weil es ohne unsere Hilfe nicht geht.“
 

„Das ist nicht nur eine Frage verletzter Eitelkeit, Ron“, entgegnete Harry scharf. „Es geht nicht nur darum, dass ich sauer bin, weil ich Verantwortung abgeben muss. Man hat mir offenbart, dass ich nicht nur den einen Menschen, Voldemort, töten muss, sondern vielleicht auch zum Mörder mehrerer anderer werden könnte.“
 

„Wir hoffen, dass das nicht so kommt, Mr. Potter.“ McGonagall rückte auf ihrem Stuhl etwas weiter nach vorne und tätschelte Harry besänftigend das Knie. Eine Geste, die nicht gut aufgenommen wurde. Harry lehnte sich von ihr weg, drehte sich zu Ron und Hermine und beobachtete mit leerem Blick, wie Ron Hermines Hand hielt.
 

„In einem einzigen offenen Kampf würden viel mehr Menschen verletzt werden als auf diese Weise. Zumal es auch nicht bei einem einzigen offenen Kampf bleiben würde.“ Kingsley übernahm den nächsten Part. Hermine wurde langsam übel und vor ihren Augen bildete sich eine kreisförmige, schimmernde Aura, die ihr nur noch einen engen Tunnel klarer Sicht ermöglichte. Sichere Anzeichen einer kommenden Migräne.
 

Hermines Augen folgten weiter dem Muster des Teppichs. Rot, Braun, Gelb, durchwirkt von Blau. Eigentlich eine unmögliche Kombination, doch in diesem Fall sah es hübsch aus. Während Hermine darüber nachdachte, dass dieser Teppich in Persien gewebt worden war und das Wort „Paradies“ ebenfalls aus diesem Land stammte, zermarterte sie sich zur gleichen Zeit darüber den Kopf, was sie von alledem halten sollte. Wie sie sich dabei fühlen sollte hier im, oder besser „auf“ einem Stück Paradies zu sitzen und von Mord und Totschlag zu hören, den ihre Freunde an anderen verüben wollten.

„Also schön, ihr lauert ihnen in unvorhergesehenen Momenten auf. Aber warum könnt ihr sie nicht nach Askaban bringen?“
 

„Du meinst, so wie man Lucius Malfoy, Bellatrix Lestrange und ihren Mann Rodolphus, Macnair oder Rookwood nach Askaban gebracht hat?“ Kingsley lachte bitter und schüttelte entschlossen den Kopf. „Nein, sie wären sofort wieder draußen. So viel wir wissen, haben die Dementoren dort noch nicht einmal versucht, Voldemort aufzuhalten, als er die letzten Todesser aus Askaban befreit hat. Askaban ist keine Option mehr. Und wir können auch nicht riskieren, sie irgendwo anders hinzubringen, wo man sie auch wieder befreien könnte.

Wir können noch nicht einmal riskieren, sie nur zu verletzen. Wir haben nur eine Chance, wenn wir sie innerhalb von Sekunden kampfunfähig machen.“
 

McGonagall schnäuzte sich geräuschvoll die Nase und schniefte. Hermine sah ihre Professorin an, die daraufhin entschuldigend lächelte. „Pollen, ich bin etwas allergisch. Früher hat ja immer Severus, nun, aber jetzt…“
 

Kingsley wanderte unruhig im Zimmer auf und ab. Sie hörte seine Stimme mal näher, mal weiter weg, doch schaffte sie es nie länger als wenige Sekunden, den Kopf zu heben und irgendjemanden, der sprach, anzusehen. So hörte sie nur zu, als Kingsley die Überlegungen des Ordens weiter erläuterte: „Zudem spricht im Moment jeder von den angeblichen Verbrechen der Muggel. Die Auroren werden schlecht gemacht und die Muggel werden zum Feind abgestempelt. Noch ein Grund, warum wir nicht offen vorgehen können.“
 

Hermine überlegte, ob sie McGonagall darauf hinweisen sollte, dass im September kaum noch Pollen flogen, verwarf diese Idee aber wieder, da McGonagall das zweifellos selbst wusste. Hermine sah kurz zu ihrer Lehrerin hinüber, die ihr Gesicht hinter einem von Kingsley beschworenen Taschentuch versteckte. Sie wirkte nervös und schien etwas zu brauchen, womit sie ihre Hände beschäftigen konnte.

Hermine strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und widmete sich wieder ihrem Teppichmuster. McGonagall war eine intelligente, rational denkende Frau und Hermine musste schweren Herzens zugeben, dass Kingsleys Erklärungen vernünftig waren.
 

Sie griff nach dem Pergament auf dem Tisch und überflog es ein zweites Mal mit den Augen. Ihre Augen blieben bei einem in Klammer gesetzten Namen, etwa in der Mitte der Liste, hängen. „Draco?“
 

Sie hob den Kopf und sah nacheinander zu Ron, Harry, McGonagall und zuletzt zu Kingsley, der sich nun wieder vom Feuer abwandte, doch etwas wackelig auf den Knien schien und eine Hand auf dem Kaminsims hielt, um stehen zu können ohne zu wanken. „Ja, Draco. Aber wie du siehst steht der Name in Klammer. Es steht noch nicht fest.“
 

„Aber, aber warum?“ Hermine war fassungslos. Sie hob die Hände, als wolle sie Kingsley dazu bringen, ihr eine vernünftige Antwort in die Hände zu legen, die sie wortwörtlich begreifen könnte.
 

„Draco hat Dumbledore nicht getötet. Voldemort hat ihn erpresst, aber er hat seinen Zauberstab gesenkt…“, murmelte Harry leise.
 

„Wir haben darüber abgestimmt, Harry“, schnitt Kingsley ihm ungewohnt hart das Wort ab. „Der Junge ist eine Gefahr.“
 

Hermine konnte nicht anders, sie musste lachen. „Malfoy? Er ist ein feiger Angeber, der bei der ersten Gelegenheit, die sich ihm bietet, den Schwanz einzieht und wegrennt.“

Wieder dachte sie daran, dass er noch nicht einmal sie getötet hatte. Noch nicht einmal… wie seltsam das klang. Dennoch war es wahr. Warum eigentlich? Warum hatte er „noch nicht einmal sie“ umbringen können? Mehr noch, warum hatte er ihr noch dazu zur Flucht verholfen, ihr einen neuen Zauberstab besorgt und sie vor seiner mörderischen Familie samt ihrem noch mörderischeren Untermieter beschützt?
 

„Er ist ein Arschloch, aber ich glaube nicht, dass er ein kaltblütiger Killer ist.“

Bilder von Voldemort, der gemeinsam mit Draco im Salon der Malfoys stand, kamen ihr in den Sinn. Bilder und auch die Worte, die dabei gewechselt worden waren. Erinnerungen wurden deutlicher, sichtbar und ergaben einen anderen Einwand. „Zudem glaube ich auch nicht, dass Draco sonderlich hoch in der Todesserhierarchie steht. Ich denke nicht, dass es eine große Rolle spielt, ob er lebt oder nicht.“
 

Eiskalte Schauer übergossen ihren Körper, froren ihre Glieder ein und schmerzten. Wie hatte sie nur so etwas sagen können, wie konnte sie auch nur denken, dass es egal war, ob Malfoy starb oder nicht. Es war so… so…so gleichgültig.
 

„Draco ist ein Vollidiot und ein Arschkriecher. Vielleicht hat er Dumbledore nicht getötet, aber vor ihm hatte der Feigling auch Angst. Wenn er mehr Erfahrung hat, wird er genauso kalt werden wie der Rest seiner Familie.“
 

Ron ließ ihre Hand los und verschränkte trotzig die Arme. Er musste es nicht sagen, so sicher wie sie wusste, dass Harry Snape auf die Todesliste hatte setzen lassen, wusste sie auch, dass Ron Malfoy und Greyback genannt hatte. Vermutlich noch reichlich Überzeugungsarbeit geleistet hatte, um Draco auf diese Liste zu bekommen.

Sie beobachtet Ron neugierig interessiert. Nicht so, wie sie es sonst getan hatte. Eher, als sei er etwas Fremdes, das sie noch nie zuvor gesehen hatte und das sie nun genau in Augenschein nahm, um darüber nachzudenken, was von ihm zu halten sei.
 

„Draco ist ein Todesser, Hermine. Bei seiner Familiengeschichte ist es nur eine Frage der Zeit, bis er das Töten lieben wird. Dich“, Ron deutete mit dem Zeigefinger auf sie und erklärte im Brustton der Überzeugung, „dich würde er sofort töten.“
 

Nein, würde er nicht. Er würde sie retten und sie noch dazu mit einem Zauberstab und Wissen ausstatten, das für ihn selbst tödlich sein konnte. Hermine krallte sich wieder in die Hand und diesmal beachtete Ron ihre Selbstverletzung nicht.
 

Kingsley schon. Er beobachtete mit kritischer Miene Hermines Hände. Röntgte sie mit seinen Augen und nicht zum ersten Mal überlegte sie, für wie vertrauenswürdig er sie hielt. „Wie gesagt, im Moment steht sein Name noch in Klammern. Draco Malfoy mag ein feiger Angeber sein, aber Ron hat recht. Sein dunkler Weg ist vorherbestimmt. Die Frage ist ja noch nicht einmal, ob er sich das selbst wünscht oder nicht. Er ist Todesser, warum auch immer, und er wird seinem Herren dienen. Und sei es nur aus Angst.“
 

Seine Worte hallten durch den Raum und nahmen Hermines Gedanken erneut in Besitz. Was würde Draco tun, nach der Drohung, die sie selbst Voldemort gegen ihn hatte aussprechen hören? Alles? Vermutlich. Sie seufzte schwer und ließ von ihrer Hand ab, nahm stattdessen erneut das Pergament in die Hand und starrte auf Dracos Namen, als könne dieser ihr sagen, wie gefährlich er wirklich werden würde.
 

„Wir dürfen nicht vergessen“, erklärte nun wieder McGonagall, „dass er Todesser in die Schule geschleust hat. Wir hielten es für unmöglich, doch er hat es fertiggebracht. Draco ist immer noch an dieser Schule und er könnte es wieder schaffen. Wer weiß schon, was er sich noch alles einfallen lässt, wenn man ihn unter Druck setzt. Der Junge ist leicht zu beeinflussen.“
 

„Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen“, übernahm nun wieder Kingsley, der sich erneut auf seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch niedergelassen hatte und Hermine eindringlich ansah. „Wir haben einen Gefolgsmann Voldemorts an der Schule, der versucht hat, den Direktor umzubringen. Der aus reiner Unvorsichtigkeit fast zwei Schüler getötet hätte.“ Er warf einen Blick zu Ron, der bestätigend nickte. Hermine fühlte sich unter Druck gesetzt. Was sollte sie dazu auch sagen? Wenn sie Kingsley jetzt widersprach, würde es aussehen, als wolle sie Rons Beinahe-Tod herunterspielen.
 

Kingsley setzte ein untypisch kaltes, zufriedenes Lächeln auf und fuhr fort: „Wir sind so verblieben: Ich überwache ihn, so gut es geht. Sollte ich das Gefühl haben, dass er wieder versucht, Todesser in die Schule zu bringen oder dass er wieder versucht, etwas auszuhecken, dann… nun, dann muss er sterben.“
 

Hermine nickte zuerst, schüttelte dann aber sofort den Kopf und presste sich die Hände und die Schläfen. „Ich glaube, ich kriege Migräne. Ich möchte gerne jetzt gehen.“
 

Ron und Harry nickten gleichzeitig und sprangen so schnell aus ihren Stühlen auf, dass Hermine sich fühlte, als seien sie zu Dritt auf der Flucht.
 

„Einen Moment noch, Miss Granger.“
 

„Ja, Professor McGonagall?“
 

„Werden Sie uns unterstützen? Sie müssen nichts tun, was Sie nicht tun wollen. Mr. Longbottom zum Beispiel überlegt auch noch…“
 

„Neville?“ Hermine klappte der Unterkiefer herunter. Sie starrte ihre Professorin an, als habe ihr die gerade eröffnet, dass sie selbst heimlich Todesserin sei. McGonagall nickte zustimmend und erklärte: „Er hat sich von sich aus an Kingsley gewandt. Es geht um seine Eltern, wissen Sie. Er hat sehr gut argumentiert und nun ja, er ist volljährig. Aber er zögert noch, wir erwarten seine Antwort im Laufe des Tages.“
 

Hermine schüttelte ungläubig den Kopf und hielt sich die Augen zu. Sie musste nachdenken. Jedes reale Bild vor ihren Augen wäre nur hinderlich bei der morbid-bizarren Szene, die sich gerade vor ihrem Geist abspielte. Eine Sequenz, in der Neville, bewaffnet mit einer giftigen Pflanze, Bellatrix Lestrange angriff.
 

„Nun?“
 

Hermine nahm die Hände vom Gesicht, faltete sie in ihrem Schoss und sah in die gespannten Gesichter von Kingsley und McGonagall. „Nein.“ Sie lächelte und schüttelte den Kopf, in Gedanken sekundenschnell von Neville weg, zurück zu Draco, der ihr im Manor einen Zauberstab in die Hand drückte und sie zum Grimmauldplatz schickte. „Nein, ich will das nicht tun. Ich verstehe, was sie sagen. Es ist auf eine grausame Art wahr. Aber ich will dabei nicht mitmachen. Ich werde niemals im Weg stehen und bewundere sie dafür, dass Sie eine Lösung gefunden haben, die ein Massensterben verhindern kann. Aber nein, ich will es nicht tun.“
 

Sie hörte jemanden hinter sich erleichtert ausatmen. Mit Sicherheit Ron. Auch Harry, den sie aus den Augenwinkeln sehen konnte, wirkte erleichtert. Kingsley hingegen musterte Hermine so nachdenklich wie zuvor. McGonagall schenkte ihr das erste, ehrliche Lächeln, seit sie den Raum betreten hatte. „Wir dachten uns das bereits, Miss Granger. Wir wussten, dass Sie es nicht mit ihrem Gewissen würden vereinbaren können, so etwas zu tun. Ich kann es auch nicht. Dennoch, man tut was man kann, nicht? Sie werden alles in ihrer Macht Stehende tun, um uns trotzdem zu unterstützen?“
 

Hermine nickte gehorsam. Dankbar für die Worte, die man ihr in den Mund gelegt hatte. „Natürlich, alles was ich kann.“
 

Sobald sie im Flur waren, erklärte Hermine, dass sie sich auf diese Enthüllung hin etwas ausruhen müsse. Sie schickte ihre beiden Freunde in die Bücherei, einen Ort, den sie seit Greyback nicht mehr betreten konnte, um ihr Bücher zu besorgen, und ging die letzten Stufen alleine zurück in den Gryffindorturm, wo sie nichts anderes tat, als sich auf den Sessel vor dem Kamin zu setzen, die verkohlte Rückwand zu betrachten und zu wünschen, dass Krummbein hier wäre und sie ihn streicheln könnte.
 

Sie dachte darüber nach, wie sie sich wohl fühlen würde, wenn Ron oder Harry tatsächlich jemanden umgebracht hätten. Wie sie sich fühlen würde, wenn Ron Greyback tatsächlich aus Rache getötet hätte.
 

Dankbar? Immerhin hatte er sie beschützen wollen. Zweifellos. Zweifelllos hatte auch Kingsley Recht, dass dies zwar ein unschöner Weg war, dafür aber weniger Menschenleben kosten würde als es in einem offenen Krieg der Fall wäre. Zudem, würde Voldemort überhaupt einen offenen Krieg wollen, wo er doch so große Erfolge damit hatte, die Muggel auf seine Art schlecht und unbeliebt zu machen?
 

Es war sinnvoll, was der Orden tun wollte. Dennoch, warum wollte sie es nicht einsehen? Warum war ihr Verstand, nicht aber ihr Herz dafür? Würde sie noch Rons Freundin sein wollen, wenn sie so etwas je erfuhr? Würde sie ihn noch anfassen können? Wie würden die Jungs damit zurechtkommen? Und Neville? Sie lachte und schüttelte den Kopf. Neville!
 

Und noch ein Gedanke quälte sie. Der Gedanke an einen schmalen Jungen mit weißblondem Haar und dunklen Ringen unter den Augen, der sein Leben für jemanden riskiert hatte, den er nicht einmal ansatzweise mochte.
 

Denn das war ihr während ihrer Überlegungen klar geworden. Malfoy wäre ohne jede Diskussion mit ihr gestorben, wenn jemand herausgefunden hätte, dass er ihr geholfen hatte. Allein dass er es zuließ, dass sie Voldemort im Salon der Malfoys sitzen sah. Ganz zu schweigen von allem anderen. Und so wenig sie ihn auch mochte, der Gedanke, dass Kingsley ihn belauerte um zu entscheiden, ob er weiterleben sollte oder nicht, war mehr als ihr Verstand zu fassen imstande war. Überwältigend unerträglich.
 

Und sie selbst hatte gesagt, dass es egal wäre, ob er lebte oder starb. Egal, ob ein Mensch starb. Weil es womöglich vernünftiger wäre, ihn sterben zu lassen.
 

Ron würde dem sicher zustimmen. Harry vielleicht nicht. Sie hatte Widerwillen gegen Malfoys Namen auf der Liste gespürt. Der gleiche Widerwillen war jedoch nicht festzustellen gewesen, als über Snape geredet worden war.
 

Und sie? Wie fühlte sie sich bei alledem? Immer noch betäubt. Hoffentlich würde dieser segensreiche Zustand noch lange anhalten, denn der Kater beim bösen Erwachen würde mörderisch sein.
 

Als Ron und Harry zurückkamen, wurde die Sache nicht weiter erwähnt. Es wurde so viel geschwiegen in letzter Zeit. Doch sie hatte nicht die Kraft, es alleine anzusprechen. Nicht, bis sie wusste, was sie von alledem halten sollte. Es würde wohl noch einige schlaflose Nächte dauern, bis sie soweit war.
 

Xxx
 

Man musste es McGonagall schon lassen, sie war eine kreative Frau. Der aktuell aufgeheizten, muggelfeindlichen Stimmung im Schloss, begegnete sie geschickt mit „Muggel-Wochen“. Sie hatte es wohl bereits während ihrer Begrüßungsrede erwähnt, aber Hermine war zu diesem Zeitpunkt von anderen Dingen abgelenkt gewesen und hatte deswegen nicht genau verstanden, was dort über Verständigung und Harmonie in der Gesellschaft gesagt worden war.
 

Im Schloss gab es jetzt jedenfalls neuerdings Fernseher. Nicht dass man tatsächlich fernsehen konnte, doch da diese Geräte wohl als besonders „muggeltypisch“ galten, wurden sie in zahlreichen Gängen ausgestellt.
 

Die Fernseher waren nicht ihr einziger Einfall, um den Schülern jetzt, da Muggel-Kunde verboten war, das Leben der Muggel näherzubringen. Die Bücherei hatte ihren Bestand um zahlreiche klassische Muggelwerke aufgestockt. Eine Schülerband probte nachmittags Muggellieder, die ab und zu abends in der großen Halle vorgetragen wurden. Zudem gab es zu jedem Abendessen typische Muggelgerichte. Oder zumindest das, was man für muggeltypisch hielt.
 

In der großen Halle selbst waren Bilder berühmter Muggel aufgehängt worden, die so verhext waren, dass sie, zwar starr und mit unbewegter Miene, erzählen konnten, was sie für die Welt geleistet hatte.
 

Als Hermine an diesem Tag zum Abendessen kam, konnte sie bereits das unverwechselbare raspelnde Geräusch von Malfoys falschem Lachen hören, der sich mit seinen Spießgesellen vor dem Bild von Johannes Gutenberg aufgebaut hatte. Aufgebaut war vielleicht das falsche Wort, zumindest für Malfoy, der hing eher zwischen Crabbe und Goyle.
 

Hermine rollte die Augen und ging weiter. Sie kannte das Spiel bereits. Bei jeder Mahlzeit, die Malfoy in der großen Halle einnahm, wanderten Malfoy und sein Gefolge zu einem anderen Gemälde und verbrachten die ersten zehn bis zwanzig Minuten damit, alles zu verspotten, was sie über Muggel hätten lernen können.
 

Wie dumm er war, wie dumm und unglaublich naiv. Hermine warf ihm über die Schulter einen verstohlenen Blick zu. Gerade lang genug um zu sehen, wie er dem vorbeigehenden Hagrid irgendetwas nachrief und sich dann, als dieser sich umdrehte, schnell hinter Crabbe und Goyle versteckte.
 

Lächerlicher Feigling. Hermine schüttelte den Kopf und ging weiter. Andererseits, Malfoy mochte noch so ein Volltrottel sein, sie hielt ihn nicht für gefährlich und der Gedanke daran, dass Ron, Harry, eventuell sogar Neville in ein paar Tagen vor den Toren von Malfoy Manor stehen und Streichhölzchen ziehen könnten, ließ sie erschauern.
 

Und doch, doch war es wahr. Warum wohl wollte man sie gestern Abend nicht dabei haben? Weil Ron und Harry „Streichhölzer ziehen“ spielen gegangen waren. Hermine schlang die Arme um sich und zog die Schultern hoch. Machte sich so schmal wie nur möglich, als sie durch von Menschen überfüllten Gang zwischen dem Gryffindor- und dem Slytherintisch ging, um zu ihrem Platz zu gelangen. Nervös zuckte sie jedes Mal zusammen, wenn irgendjemand knapp davor war, sie aus Unachtsamkeit im Vorbeigehen zu berühren.
 

Harry und Ron warteten bereits auf sie. Das Quidditch-Training war offensichtlich schneller zu Ende gewesen als erwartet. Verschwitzt und mit strubbeligen Haaren saßen die Jungs immer noch in ihrer Trainingskleidung am Gryffindortisch und beobachteten mit deutlichem Missbehagen die johlenden Slytherins am anderen Ende der Halle.

„Er ist so dumm“, murmelte Harry leise. „Wenn er ein bisschen Verstand in seinem Kopf hätte, würde er doch merken, dass er sich in Gegenwart von Kingsley besser nehmen sollte.“
 

Hermine wagte einen kurzen Blick, runzelte die Stirn und fragte, nun wieder zu ihren Freunden gewandt: „Denkst du, dass Kingsley ihn wirklich als Gefahr ansieht?“
 

„Er ist eine Gefahr!“ Ron, der Malfoy über die Schulter beobachtet hatte, drehte sich zu Hermine um und murmelte, während er seinen Teller mit Hackfleischeintopf füllte: „Ehrlich gesagt wundere ich mich, dass er bis jetzt immer noch nicht zu seinem neuen Boss gerannt ist, um McGonagalls Muggel-Projekt zu petzen.“
 

Hermine sah Ron kurz in die Augen, dann nickte sie. „Vielleicht hat er das ja schon, vielleicht wartet Voldemort einfach auf den passenden Zeitpunkt, um etwas dagegen zu unternehmen.“

Harry beugte sich über den Tisch und rührte mit dem Löffel in der Eintopfschüssel herum, als würde er das Gericht des heutigen Tages inspizieren. „Vielleicht wartet er ja auch darauf, dass noch etwas anderes geschieht. Es ist doch nur eine Frage der Zeit, bis Kingsley gehen muss. Voldemort wird schon einen Grund finden, um ihn rauszuwerfen. Mit McGonagall wird er es ebenfalls so machen.“
 

Er zog die Augenbrauen hoch und verzog das Gesicht. Offenbar endlich sicher, dass das Gericht ihn nicht beißen oder anspringen würde, füllte er seinen Teller mit schwerem, pampigem Brei. Schicksalsergeben sah er zu Ron, der seinen Teller bereits zur Hälfte geleert hatte und schüttelte frustriert den Kopf. Ob es am Eintopf oder an Malfoy lag war unklar, doch offenbar war ihm der Appetit vergangen.
 

Hermine grinste und kaute betont zufrieden vor sich hin, während Harry immer noch lieber sie als den Löffel in seinen Händen beachtete. „Habt ihr übrigens mitbekommen, dass Snape nur beurlaubt ist?“
 

„Denkst du etwa, er kommt wieder? Nach alledem?“, fragte Hermine ungläubig. Harry zuckte die Achseln. „Kann schon sein. Relativ wahrscheinlich. Jetzt, wo Dumbledore weg ist, wird Voldemort die Schule ja wohl kaum aufgeben, oder?“ Er unterbrach sich selbst, biss sich auf die Lippen und spähte durch die Lücke zwischen Hermines und Rons Kopf hinüber zum Slytherintisch, wo Pansy Draco mit ausgebreiteten Armen willkommen hieß.

Harry seufzte und tauschte Blicke mit Ron, bei denen Hermine am liebsten sofort losgeschrieen hätte. Ron zuckte ratlos die Achseln und zog seinen Teller näher an sich heran, als könne der Anblick von Nahrung den Anblick von Malfoy vergessen machen. „Er wird sich nicht auf Malfoy verlassen. So dumm ist… Du-weißt-schon-wer nicht. Aber, um es offen zu sagen, dass Malfoy überhaupt noch lebt und hier in der Schule ist, ist kein gutes Zeichen. Es ist doch nur eine Frage der Zeit bis…“
 

„Ron!“ Hermine knallte empört ihren Löffel auf den Tisch, beugte sich etwas näher zu ihrem Freund hinüber und zischte wütend. „Bist du wohl still. Und ich will diese Diskussion nie wieder hören, verstanden? Das ist ein feiges Arschloch, aber keine Killermaschine.“
 

„Darauf kommt es nicht an“, schaltete Harry sich wieder ein. „Er ist ein Todesser und er weiß nicht, dass wir es wissen. Wenn Voldemort ihn nicht umgebracht hat, hat er sicher etwas dabei gedacht. Draco selbst ist so harmlos wie… wie dieser Löffel hier.“ Er fuchtelte mit seinem unbenutzten Löffel unangenehm nahe vor Hermines Gesicht herum. Sie drehte den Kopf leicht zur Seite, um nicht ihr eigenes verzerrtes Spiegelbild zu sehen und sah stattdessen Malfoy winzig klein und krumm hinter sich mit Crabbe und Goyle tuscheln. Genervt schnappte sie sich Harrys Löffel und knallte auch diesen energisch auf den Tisch. Harry seufzte, nahm den Löffel wieder und hob ihn abermals hoch, diesmal jedoch etwas weiter von Hermine weg, so dass sie ihn nicht wieder an sich nehmen konnte. „Ein Löffel ist harmlos. Aber er ist tödlich, wenn du ihn jemanden ins Auge rammst oder er“, er warf dem immer noch friedlich dampfenden Eintopf in der Schüssel einen kritischen Blick zu, „mit Gift gefüllt ist. Es ist nicht Malfoy selbst, aber seine Nähe zu Voldemort und seine gleichzeitige Anwesenheit hier in der Schule werden irgendwann nicht mehr tragbar sein. Ich denke, dass Voldemort ihn wieder zwingen wird, Dinge zu tun. Er wird ihn wieder erpressen und Draco wird gehorchen.“ Er legte den Löffel beiseite, beugte sich vor und flüsterte eindringlich: „Wir dürfen nicht wieder so naiv sein, wie wir es bei Snape waren.“
 

Hermine schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme. „Trotzdem, könntest du dir vorstellen, im Zweifelsfalle… Streichhölzer zu ziehen? Könntet ihr damit zurechtkommen?“

Ron und Harry tauschten fragende Blicke, zuckten die Achseln und warfen erneut fragende Blicke hinüber zum Slytherintisch. „Ich weiß nicht“, begann Ron zögerlich, „eventuell. Aber es gibt noch eine andere Frage, nicht?“
 

„Welche?“ Hermine hob neugierig die Augenbrauen und beugte sich zu Ron hinüber, der traurig lächelte und ihr eine Strähne, die ihn an der Nase kitzelte, über ihr Ohr strich. „Könntest du damit zurecht kommen, wenn wir bei ihm… oder bei irgendjemand anderem?“
 

Hermine wurde kalt, nicht nur, weil Ron das ungesagte Gesetz übertreten und sie ohne ihre Erlaubnis berührt hatte, sondern auch, weil seine Worte so qualvoll und klar das ausdrückten, was sie sich selbst fragte, seit sie an diesem Morgen die Zeitung gelesen hatte.
 

Sie öffnete den Mund, doch zu einer Antwort kam es nicht mehr, denn in diesem Moment durchbrach eine laute, träge Stimme das gesellige Geschnatter an den Haustischen.
 

„Oh Mann, das stinkt ja schrecklich.“
 

Hermine hob im gleichen Moment wie Harry und Ron den Kopf und spähte hinüber zum Slytherintisch, wo Malfoy sich wie ein Prediger vor seinen Jüngern aufgebaut hatte, voll diabolischen Vergnügen zu ihnen hinüber grinste, anklagend den mit Eintopf gefüllten Teller hochhob und voll bösem Vergnügen lästerte: „Das sieht ja aus wie Schweinefutter. Ich wusste ja, dass ich von dieser Schule nichts mehr erwarten kann, aber dass wir jetzt schon mit Küchenabfällen gefüttert werden, ist das Allerletzte. Ich denke, ich werde…“
 

„Hackfleischeintopf, du Idiot. Lies halt mal auf dem Essensplan nach!“, brummte Ron genervt, der diese Verunglimpfung seines schmackhaften Abendessens als persönliche Bekleidung aufgefasst hatte. Draco, der ihn offensichtlich gehört hatte, senkte seinen Teller und drehte sich um. Er grinste boshaft, hob fragend die Augenbrauen und rief: „Hey, Weasley, danke für die Erklärung. Schön, dass du zumindest einmal im Leben irgendwas richtig gewusst hast.“
 

Rons Brustkorb hob und senkte sich, seine Lippen wurden schmäler und an der Hand, die seinen Löffel umklammerte, traten die Fingerknöchel deutlich hervor. Dennoch sagte er nichts, warf stattdessen Hermine und Harry vielsagende Blicke zu, die sich daraufhin ebenfalls von Malfoy ab und ihrem Essen zuwandten.
 

So wenig Aufmerksamkeit konnte Draco aber wohl nicht ertragen. So schlenderte er gemächlich zum Gryffindortisch und drückte Ron seinen Teller gegen die Brust. „Du solltest das essen, Weasley, du kennst es doch. Ich wette, es ist Schweinefutter, das sie bei deiner Mutter aus dem Trog gekratzt haben.“
 

Noch ehe Hermine Ron festhalten konnte, war der auch schon aufgesprungen, herumgewirbelt und hatte Malfoy seinen Teller aus den Händen gerissen und ihm auf den Kopf gekippt.
 

Statt zurückzuschlagen wich Malfoy vor Ron zurück und nahm unter dem plötzlich einsetzenden, wilden Gelächter im Saal den Teller von seinem weißblonden Schopf. Vollkommen verstört wirkte er, als er mit beiden Händen in den Eintopf auf seinem Kopf griff und danach voll stummem Entsetzen auf seine verschmierten Hände sah.
 

Draco hatte die letzten sechs Jahre ganze Arbeit darin geleistet, einer der mit Abstand unbeliebtesten Schüler zu werden, die je einen Fuß über die Schwelle von Hogwarts gesetzt hatten. Abgesehen von ein paar Slytherins, die an ihm vor allem das viele Geld seiner Familie schätzten, konnte ihn niemand, noch nicht einmal die meisten Lehrer, leiden.
 

Das Gelächter hätte nicht lauter sein können. Ein Chor aus hunderten von Stimmen. Mal glockenhell, mal tief und hallend. Alle gemeinsam in dasselbe Lied des Spotts und der Schadenfreude einstimmend. Rings um Hermine, Ron und Harry sprangen Schüler auf und klatschten enthusiastisch Beifall.
 

Durch das Lachen, die Jubelrufe und das Gejohle hindurch hörte Hermine ein Geräusch, obwohl so vielfach vom Spott überlagert, das ihr das Blut gefrieren ließ.

Als wäre durch ein offenes Fenster ein eisiger Windhauch hereingeweht, der jeden, der ihn zu spüren bekam, erschauern ließ und das Lachen der Schüler, eines nach dem anderen, zum Verstummen brachte.
 

Draco stand in der Mitte eines Kreises ratlos dreinblickender Slytherins, die unbehagliche Blicke tauschten und allesamt nicht zu wissen schienen, was sie mit ihren auf einmal viel zu langen Armen anfangen sollten. Nervös kratzten sie sich, verschränkten die Arme abwechselnd einen Arm übereinander, rutschten schleppend mal weiter von ihm weg, mal näher an Draco heran und der eine oder andere wagte sogar, das Wort an ihn zu richten.
 

Draco hatte die Arme ausgebreitet, die Handflächen zu seinem Gesicht gedreht und die Finger so weit abgespreizt, als fürchte er sich zu verbrennen, wenn er in Kontakt mit seiner eigenen Haut käme.
 

Hackfleisch, Tomatensoße sowie allerlei anderer Eintopfzutaten tropften von seinen soßendurchnässten Haarsträhnen über sein Gesicht auf seinen Umhang. Fassungslos starrte er auf seine rot gefärbten Hände als würden sie gar nicht zu ihm gehören.
 

Nichts von allem was hier in der Halle geschah, schien Draco in diesem Moment zu erreichen. Statt sich an Ron zu rächen oder Crabbe und Goyle anzuweisen, dies zu tun, stand er inmitten seiner Hauskameraden und schrie, und schrie, und schrie, als ginge es um sein Leben.
 

Hermine schob sich an Ron vorbei, der sie zuerst zurückhalten wollte, dann aber doch passieren ließ. Wie eine Voyeurin stahl sie sich durch die Reihen der Schüler durch, um einen besseren Blick auf Draco zu erhaschen.
 

Schwer zu sagen, was sie bei Malfoys Anblick fühlte. Der pure Terror in seiner Stimme, der Ausdruck panischer Angst in seinen Augen, das Gesicht, das nicht nur von Tränen nass war, verfärbte sich von rosa über rot langsam zu blau. Fraglich, ob er während der Schreiattacke überhaupt schon ein einziges Mal Luft geholt hatte.
 

Er hob Hände zum Himmel als wolle er beten doch noch immer hörte er nicht auf zu brüllen. Er begann zu taumeln, torkelte im Kreis um seine eigene Achse, als wäre er vollkommen betrunken. Und immer noch, immer noch schrie er aus Leibeskräften.

Ein Geräusch, das Magenschmerzen verursachte. Magenschmerzen, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen - eigentlich tat Hermine bei diesem Geräusch jede einzelne Faser ihres Körpers weh.
 

Auch die anderen im Saal wirkten zunehmend nervöser, die geschockte Stille schlug langsam in erregtes Geflüster um. Doch nicht einmal McGonagall, die vom Lehrertisch herunter zu den Schülern geeilt war, konnte etwas anderes tun als hilflos dastehen und zusehen wie Malfoy um sein Leben schrie, seine mit Soße befleckten Hände in den blonden, mit Eintopf verschmierten Schopf krallte und vor ihr in die Knie brach.
 

Er riss an seinen Haaren, als wolle er sie mit aller Gewalt herausreißen, schwitzte , ließ die Haare wieder los, um seine ihm so fremd erscheinenden Hände anzustarren, nur um diese danach wieder in seine Haare zu krallen und noch fester daran zu zerren.
 

Ganz sicher hatte Hermine noch nie einen Menschen gesehen, der so viel Angst hatte wie Draco in diesem Moment, nachdem Ron ihm sein Abendessen übergekippt hatte.
 

„Was… was ist denn?“ Ron schob sich an Parvati vorbei zu Hermine. Ratlos, hilflos und, zu ihrem größten Erstaunen, voll schlechtem Gewissen fragte er: „Das war doch nur Eintopf. Was hat er denn?“

Hermine zuckte ratlos mit den Achseln und hielt sich die Hände vor die Augen, als sie sah, dass Dracos Hände ein Büschel weißblonden Haares umklammerten.
 

Nicht nur Hermine und Ron, auch Harry konnte es nicht mehr ertragen, doch im Gegensatz zu seinen Freunden und den Slytherins war er geistesgegenwärtig genug, um zumindest irgendeinen hilfreichen Gedanken fassen zu können.
 

Entschlossenen Schrittes marschierte er auf Malfoy zu, packte ihn am Kragen und zog ihn mit einem kraftvollen Ruck auf die Beine, holte aus und gab ihm zwei schallende Ohrfeigen.
 

Falls er damit bezweckt hatte, den Schreikrampf zu stoppen, so hatte er damit Erfolg. Draco verstummte so abrupt, als hätte man ihm gewaltsam die Stimmbänder durchschnitten. Statt zu schreien erstarrte er wie zu Eis gefroren und sein Gesicht verlor innerhalb von Sekunden jegliche Farbe. Stumm starrte er Harry an, mit Augen, die vor Grauen soweit aufgerissen waren, als wollten sie aus seinem Kopf herausspringen und ihn mit sich reißen. Weg, weg von Harry, der so bedrohlich wie der Tod selbst schien.

Als Malfoy zu hyperventilieren begann, lockerte Harry seinen Griff und drehte sich mit offen zur Schau gestellter Hilflosigkeit zu den Lehrern um, die jedoch auch nichts anderes tun konnten als ratlos die Hände zu heben.
 

Kingsley kam vom Lehrertisch herunter, um Harry, oder Draco, oder beiden zu helfen. Noch näher, immer näher kam er, die Hände beschwichtigend erhoben und murmelte mit seiner tiefen, stets Sicherheit vermittelnden Stimme beruhigende Worte. „Sie sind nur schmutzig, Mr. Malfoy. Es ist nichts passiert. Das ist nur Soße.“
 

Draco kippte zur Seite weg, landete auf seinen Knien und krabbelte wie ein gejagtes und nun endgültig in die Enge getriebenes Tier nach hinten, bis er gegen einen Stuhl stieß. Pansy, die neben ihm stand, ging neben ihm im die Knie und legte ihm die Hände auf die Schultern. Eine Geste, die eigentlich Fürsorge und Schutz hätte vermitteln sollen, doch bei Pansy einfach nur steril wirkte. Ihre Hände lagen auf seinen Schultern, doch berührten sie ihn kaum. Zutiefst verunsichert sah sie an ihm vorbei, wirkte unaufrichtig und nicht mitfühlend, sondern eher nervös, wenn nicht gar peinlich berührt. „Es ist doch nur ein Umhang, du musst doch nicht…“
 

Kingsley trat näher, die Hände immer noch beschwichtigend erhoben, wirkte er wie ein Prediger. „Beruhigen Sie sich, es ist nur Eintopf.“
 

Der nächste Schritt war einer zu viel. Kingsley streckte eine seiner großen, schwarzen Hände aus und streckte sie Malfoy entgegen, vermutlich, um ihm aufzuhelfen.
 

Der jedoch sprang wie von der Tarantel gestochen auf, beachtete weder den Stuhl, den er dabei umwarf, noch Pansy, die vom Stuhl getroffen wurde, und rannte, so schnell er konnte, durch die Gasse von Schülern hindurch, die vor ihm hastig zur Seite sprangen.
 

Xxx
 

Pansy, Crabbe und Goyle fanden Draco wie vermutet im Slytherinkeller. Was sie nicht erwartet hatten war ihn vollkommen nackt im Gang, vor einem Wasserspeier stehen zu sehen.
 

Seine Hände zitterten so heftig, als wäre er ein Alkoholiker auf Entzug. Die sonst so bleichen Finger hatten sich um etwas verkrampft, was wie das weiße Hemd der Schuluniform aussah. Nicht mehr bleich, sondern blau vom eiskalten Wasser waren die Finger, die das Hemd so fest umklammerten, als wäre Draco nicht mehr willentlich dazu in der Lage, von seinem Besitz abzulassen. Doch er wollte ja auch nicht. Immer wieder hielt er das Hemd unter den kalten Strahl des Wasserspeiers und rubbelte danach wie ein Besessener an jeder Stelle seines Körpers herum, die er nur finden konnte. Kratzspuren, Abschürfungen und Striemen zogen sich über Brust, Beine und Bauch, doch vor allem über das Gesicht.
 

Eine Stimme, die einfach unmöglich zu ihm gehören konnte, weil sie viel zu schnell, hoch und gehetzt für ihn klang, betete in rasender Geschwindigkeit das immer gleiche Mantra herunter: „Alles voller Blut, alles voller Blut. Ich muss das abwaschen.“
 

Pansy Parkinson standen die Tränen in den Augen, als sie als erste wagte, dem offensichtlich komplett wahnsinnig gewordenen Draco näherzukommen. „Draco…“ Sie rief ihn nicht, sondern sie flehte, bettelte um ein Zeichen, das ihr zeigen würde, dass er zumindest wusste, wo er war oder wer die Menschen um ihn herum waren. „Was ist denn los mit dir?“
 

Draco quietschte in der gleichen hohen Stimme, in der er sich selbst zuvor Befehle erteilt hatte: „Muss mich abwaschen. Alles voller Blut. Muss mich abwaschen.“
 

Pansy schlug die Hände vors Gesicht und krümmte sich zusammen, unfähig zu diesem Irrsinn auch nur etwas annähernd Hilfreiches beizutragen. Crabbe und Goyle waren ebenso ratlos. Wenn Pansy schon am Ende war, so sie erst recht. Was waren sie denn schon, wenn nicht Dracos Handlanger? Doch wenn er ihnen nichts sagte… sollten sie ihm helfen, sich zu waschen? Aber er war doch gar nicht mehr dreckig.

Dracos Kopf schnellte wie von einem Gummiband losgeschnellt herum. Crabbe und Goyle warfen sich ängstliche Blicke zu, als Dracos Wahnsinn ihnen aus seinen grauen Augen entgegenstarrte und Angst machte. Er mochte verrückt sein, doch er war schnell. Mit nur zwei, drei Sprüngen war er bei ihnen, packte Goyles Schultern und presste ihn mit seinem eigenen Körper hart gegen die Wand. „Du musst sofort hochgehen!“, zischte er. „Da oben liegt noch mein Gehirn auf dem Boden. Geh‘ sofort und hol es mir, sonst kann ich nicht mehr denken.“
 

Goyle, der gewohnt war, immer auf jeden Befehl sofort zu reagieren, sputete augenblicklich los und erst auf der Mitte des Weges wurde ihm klar, wie absolut unvernünftig doch Dracos Anweisung gewesen war.
 

So ging er zurück zu seinem Anführer. Aber nicht allein, vorher holte er noch Blaise aus dem Gemeinschaftsraum zur Verstärkung. Zu dritt, Pansy war zu keiner Hilfe mehr fähig, gelang es Crabbe, Zabini und Goyle dann, Malfoy zu packen und ihn in die Slytherindusche zu tragen, wo eiskaltes Wasser schmerzhaft auf ihn trommelte, bis die Schreie erstarben und sich nur noch ein zusammengekauerter, armseliger Haufen Mensch am Boden wiegte.
 

Etwa eine halbe Stunde saß er so da. Murmelnd, sich wiegend, verrückt. Danach wurde es besser. Er erlaubte Pansy, ihn anzuziehen und ins Bett zu bringen.
 

Als er am nächsten Morgen aufwachte, war seine erste Tat, Morddrohungen gegen Weasley auszustoßen. Da er darüber hinaus kein Blut mehr abwaschen wollte wo keins war, sein Gehirn sicher in seinem Schädel wusste und sich arrogant wie eh und je gab, beschloss man, die Sache auf sich beruhen zu lassen.
 

Pansy zögerte noch nicht einmal damit, überall zu verkünden, dass Draco ihr erzählt habe, dass Snape selbst ihm Drogen zusammengemischt hätte. Eventuell habe er auf den so gering wie immer in letzter Zeit gefüllten Magen etwas zu viel abbekommen.
 

Eine haarsträubende Geschichte, der Draco jedoch nicht widersprach. Es machte die Sache nicht nur für ihn, sondern auch für Pansy leichter zu ertragen und nicht ganz so demütigend.
 

Jedenfalls bekam er für die Einnahme gesundheitsschädlicher Substanzen eine Woche Nachsitzen bei Slughorn, wie passend. Ansonsten verschonte man ihn aber, weil er sich durch seine eigene Bloßstellung selbst schon fast genug bestraft hätte.
 

Auf eine Eule nach Hause verzichtete man… glücklicherweise.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Omama63
2012-06-19T12:41:22+00:00 19.06.2012 14:41
Ein klasse Kapitel.
Armer Draco. Da tut er mir dann doch leid, denn man sieht, dass er das Ganze doch nicht verkraften und verarbeiten kann. Wenn er auch ein noch größeres A...... geworden ist, aber wer weiß, vielleicht auch nur weil es ein Schutzmantel ist, damit ihm nicht bewusst wird, was er alles verbrochen hat und er somit nichts an sich heran lässt.
Hermine kann ich auch verstehen, dass sie nicht mit morden will.
Ich habe mal einen Spruch gelesen, der hier gut rein passt.
" Für den Frieden zu Töten ist wie für die Keuschheit zu F......"
Danke für deine ENS.


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