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Solange du da bist

von

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Begegnung

Ein kleiner Trupp von jungen Spielleuten hatte sich auf dem Marktplatz einer Stadt am Meer eingefunden. Nach kurzer Absprache bezogen sie Aufstellung und einer von ihnen warf seine Mütze etwa einen halben Meter entfernt auf den Boden. Kurz sahen sie sich um, beobachteten die Leute auf dem Markt, bevor sie zu spielen begannen, ein langsames, schwermütiges Lied, zu welchem einer von ihnen mit wohlklingender Stimme sang.
 

Unweit des Marktplatzes in unmittelbarer Nähe des Strandes befand sich ein herrschaftliches Anwesen, welches dem Grafen und dessen Familie gehörte. Doch anstatt den herrlichen Tag genießen zu können, musste der Sohn des Grafen seinen Privatunterricht über sich ergehen lassen. Schließlich wollte der Adelige sich nicht vorwerfen lassen, dass er ungebildeten Nachwuchs habe. Nach einer gefühlten Ewigkeit verließ der junge Mann sichtlich gelangweilt den Unterrichtsraum, ehe er beschloss, sich in den Ort zu begeben, da er mit seiner Zeit nichts besseres anzufangen wusste. Die missgünstigen Blicke der Passanten ignorierte er geflissentlich welche ihn trafen, als er sich zum Marktplatz begab, war er doch nicht sonderlich beliebt. Doch da er sich noch nie um Andere geschert hatte, machte er sich nichts draus.
 

Nur einige wenige Leute waren stehen geblieben und lauschten dem Trupp der Spielleute. Zumindest bis jetzt. Der Sänger wandte den Blick einem seiner Kollegen zu, einem jungen Mann mit dunkelbraunem Haar. Dieser trat einen Schritt nach vorn und übernahm nun den Gesang mit einer höheren, aber sehr angenehmen Gesangsstimme. Der Spielmann sang, als gäbe es auf der ganzen Welt nichts Wichtigeres als dieses Lied.
 

Gemächlichen Schrittes ging er seines Weges, ehe er schließlich den Marktplatz erreichte. Wie jeden Tag herrschte dort geschäftiges Treiben, das einfache Volk tätigte dort seine Einkäufe. Mit ausdruckslosem Gesicht besah er sich die Menschen, ehe er sich die Waren besah. Nichts dabei, was ihn interessiert hätte... Doch was war das? Wer sang denn dort und noch dazu mit einer außerordentlich angenehmen Stimme? Dem musste er auf dem Grund gehen, da er Musik über alles liebte, auch wenn behauptet wurde, dass er zu so etwas wie Liebe nicht fähig sei, da er sich stets kühl und abweisend verhielte. Neugierig näherte er sich dem Gesang, erblickte dann die Gruppe Spielleute.
 

Der junge Spielmann trat noch einen Schritt vor, gab sich besonders Mühe mit seinem Gesang. Zum Einen wollte er, dass es den Leuten gefiel. Doch sie brauchten leider auch dringend das Geld... Der Sänger stand vor seinen Kameraden, blickte fast träumerisch auf einen unbestimmten Punkt irgendwo vor sich in der Luft.
 

Schließlich kam der Adelige namens Mael vor den Spielleuten zum Stehen und lauschte ganz verzückt dem wunderschönen Gesang. Aufmerksam beobachtete er den Sänger, sein Blick blieb gebannt an diesem haften, er hing wie hypnotisiert an dessen Lippen. Doch wie immer ließ er sich nichts von seiner Begeisterung anmerken, tat sich schwer, Gefühle zu zeigen. Wie gut es diese Leute doch hatten.. Sie konnten reisen wohin sie wollten und mussten keinerlei Verpflichtung nachgehen... Zumindest sah er das so.
 

Die Musikanten spielten konzentriert weiter, gaben sich sichtlich Mühe. Der Sänger hatte den Adeligen bemerkt und warf ihm einen kurzen Blick zu, lächelte ihn an. Vielleicht gab der junge Herr ihnen ja etwas. Sogleich aber fuhr er mit dem Lied fort. Schließlich stimmte der andere Spielmann wieder in den Gesang mit ein und sie sangen im Duett weiter. Als der letzte Ton verklungen war, verneigten sie sich vor ihrem Publikum. Sie wechselten einige wenige Worte und erneut sah der junge Sänger zu dem Fremden hinüber, wandte aber gleich wieder den Blick ab, da er nicht aufdringlich sein wollte.
 

Gebannt lauschte der Zuhörer weiter, wäre am Liebsten ewig so dagestanden.. Aber vielleicht spielten sie ja weiter? Als sie geendet hatten, kramte er in seinen Taschen, um dann einige Münzen in die Mütze zu werfen. Dies wurde von den übrigen Zuhörern mit Überraschung zur Kenntnis genommen, zeigte er sich sonst nie großzügig oder nur ganz selten. Wieder fiel sein Blick auf den jungen Mann mit der schönen Stimme. Warum er wohl zu ihm sah? Und worüber hatte er sich wohl mit seinem Kollegen gesprochen?
 

Das Klingeln der Münzen erregte die Aufmerksamkeit der Spielleute und sie blickten sich nach dem Spender um. "Vielen Dank, edler Herr!", meinte der Sänger und lächelte ihn wieder an, dieses Mal wirklich dankbar. So schmeichelhaft gebanntes Zuhören auch war, davon wurde man nur eben leider nicht satt. Die Spielleute bezogen wieder Aufstellung und setzten zu einem neuen etwas flotteren Lied an, wobei der der Spielmann mit der schönen Stimme abermals selbige erhob.
 

Als sich der Mann bei ihm bedankte, nickte er nur, ohne eine Gefühlsregung im Gesicht zu zeigen, machte aber keinerlei Anstalten, weiterzugehen, wollte noch mehr von den Spielleuten hören, insbesondere die schöne Stimme des jungen Spielmanns mit den unglaublich grünen Augen. Ja, diese Augen hatten ihn ebenso in ihren Bann gezogen wie die Stimme des Sängers. Und da er heute keinen weiteren Verpflichtungen nachzukommen hatte, beschloss er, noch etwas hier zu verweilen.
 

Die Musikanten spielten noch einige Lieder, bis sich die Münzen in ihrer Sammelmütze noch etwas vermehrt hatten. Immerhin brauchten sie genug Geld, damit alle etwas zu Essen bekamen. Schließlich machten sie eine Pause. Einer von ihnen nahm die Mütze, zählte die Münzen und machte sich auf den Weg, ihnen etwas Brot zu besorgen und was er sonst noch so für das Geld bekommen konnte. Der Sänger entfernte sich ein paar Schritte von der Gruppe und ließ sich auf einen Heuballen fallen. Er nutzte die Pause um erst mal etwas zu trinken. Ihm war nicht entgangen, dass der Fremde die ganze Zeit über zugehört hatte.

Er lauschte den Spielleuten solange, bis diese zu musizieren aufhörten. Ob er nun nachhause zurückkehren sollte? Immerhin hatte er sich nicht abgemeldet und niemand wusste, wo er hingegangen war. Das würde wieder einen gewaltigen Vortrag seines Vaters nach sich ziehen, der es am Liebsten gehabt hätte, wenn er den ganzen Tag über lernen würde... Aber irgendwann musste man doch auch mal etwas Anderes tun, oder? Diese Meinung vertrat der junge Adelige jedenfalls. Wieder beobachtete er den Spielmann, konnte einfach den Blick nicht von diesem abwenden, fand ihn interessant. Doch er gab sich gleichgültig, sah weg, wenn der Andere zu ihm blickte.

Irgendetwas an dem Fremden kam ihm seltsam vor und das hatte nichts mit dessen äußerer Erscheinung zu tun. Er konnte sehen, dass dieser wohlhabend sein musste. Seine Kleider waren jedenfalls um einiges feiner als die der gewöhnlichen Leute hier. Aber wieso stand er die ganze Zeit da? Hatte ihm die Musik etwa so gefallen? Der junge Sänger hob den Blick zu dem Adligen und entschloss sich dazu, ihn anzusprechen. "Verzeiht, junger Herr... wenn Ihr darauf wartet, dass wir weiterspielen, so dauert dies noch ein wenig. Wir würden gerne etwas essen und trinken. Doch danach spielen wir gerne wieder für Euch." Er lächelte ihn höflich an und verneigte sich in dessen Richtung.

Etwas verwundert darüber, dass der Musiker, ihn ansprach, wandte er sich zu diesem, einen fragenden Ausdruck im ansonsten emotionslosen Gesicht. Bei dessen Worten nickte er leicht. "Gut, dann werde ich warten", erwiderte er, wandte sich aber zum Gehen, da er die Leute nicht die ganze Zeit anstarren wollte. Wie gerne wäre er freundlicher zu dem Mann gewesen, doch er war so erzogen worden, dass er stets sachlich und nicht emotional wirken sollte, so dass er damit schlichtweg überfordert war.

Verwundert sah er den Mann an. Dass Adlige dem Volk mit einer gewissen Arroganz begegneten kannte er ja. Aber dieser Mann war... seltsam... Wie Eis. "Ihr... müsst nicht gehen", meinte er völlig perplex. Erst dann merkte er, dass es sicher nicht angemessen war, dass er so mit dem jungen Herrn sprach. "Verzeiht, ich meinte... Ich wollte Euch sicher nicht vertreiben." Der Sänger versuchte die Situation ein wenig zu entspannen, indem er unbeschwert lächelte. Insgeheim hoffte er natürlich den Fremden dazu bewegen zu können, ihnen vielleicht noch die ein oder andere Münze zu geben.

Der Angesprochene machte eine abweisende Handbewegung, um zu signalisieren, dass der Spielmann sich nicht zu entschuldigen brauche. "Schon gut, ich wollte mich ohnehin noch etwas umsehen. Es gehört sich nicht, andere permanent zu beobachten"; erwiderte er. Sein Gegenüber faszinierte ihn auf eine Weise, die er sich nicht erklären konnte, wahrscheinlich weil dieser ein Leben führte, von dem er nur träumen konnte. Denn er konnte sich nicht einfach seinen Aufgaben entziehen und durch die Welt stromern denn dann würde er verbannt werden. So steckte er dem Anderen noch ein paar Münzen zu, ehe er sich zum Gehen wandte. Vielleicht hatte er ja was Interessantes bei den Ständen übersehen? Auch wenn er eigentlich gern geblieben wäre, doch wusste er auch, was sich gehörte.

Er wollte schon anmerken, dass sie es gewohnt waren, dass man sie ständig ansah, doch da hatte sich der Fremde schon wieder umgedreht. "Vielen Dank, junger Herr!", rief er ihm noch nach, bevor er die Münzen in ihre gemeinsame Kasse wandern ließ. Dieser Mann war wirklich großzügig. Er hätte nicht damit gerechnet, vor ihrem nächsten Auftritt noch was von ihm zu kriegen. Der losgeschickte Spielmann kehrte alsbald zurück und sie setzten sich zusammen, um zu essen und etwas zu trinken. Die anderen fragten ihren Sänger auch sogleich aus, was er denn mit diesem jungen Fremden beredet hatte. Sie beeilten sich, ihr schlichtes Mahl zu beenden und keine viertel Stunde später stellten sie sich wieder auf für den nächsten Auftritt. Ihre Anreise war nicht schön gewesen und hatte ihre Reisekasse erheblich geschmälert. Faulheit konnten sie sich jetzt nicht leisten.
 

Langsam drehte er seine Runde über den Markt, aber wie schon zuvor konnte er nichts Interessantes finden. Deshalb war er froh, als er sah, wie die Spielleute sich nach einer Weile wieder postierten, kehrte dann auch an seinen Platz zurück, um erneut zu lauschen.

Wieder legten sie ihre Mütze aus, geleert bis auf zwei, drei Münzen, und begannen ein neues Lied. Nun zeigte der junge Spielmann, dass er nicht nur singen konnte, sondern auch recht gut auf der Flöte war. Wenngleich der Gesang weiterhin sein Hauptpart war. Manche Passagen sangen sie auch alle zusammen, wobei sich ihre Stimmen zu Einer verbanden. Der Sänger bemerkte den Adligen wieder dort stehen und lauschen. Dieses Mal warf er ihm ganz bewusst hin und wieder Blicke zu damit er sah, dass man ihn nicht vergessen hatte.

Dieser war weiterhin sehr fasziniert von dem, was sich vor ihm abspielte, war zudem beeindruckt, dass das Objekt seines Interesses nicht nur singen, sondern auch spielen konnte. Ein wirklich begabter Musiker. Diesmal wich er den Blicken des Anderen nicht aus, sondern erwiderte diese, fragte sich, warum der Spielmann ihn dauernd ansah.

Die Musikanten spielten nun eine Reihe von fröhlichen, tanzbaren Liedern mit flottem Rhythmus, wozu sich Einige von ihnen schnell im Kreis drehten, dass ihre bunten Mäntel wehten. Auch der Sänger war unter den Tanzenden, blieb dann aber wieder stehen, da er seinen Atem für den Gesang benötigte. Nach diesen anstrengenden schnellen Stücken beschlossen sie, ein Lied zu singen, welches den Einheimischen sicher wohl bekannt sein durfte: Herr Mannelig, ein altes Stück über einen Ritter und einen Troll. Bestimmt nicht ganz akzentfrei, doch mit Freude an seinem Tun, sang der Spielmann das Volkslied für ihr Publikum.

Als die Spielleute zu den tanzbaren Stücken übergingen, blieb er weiterhin gefasst und neutral, wippte aber etwas mit dem linken Fuß im Takt mit, worauf sich schließen ließ, dass das Gespielte ihm zu gefallen schien. Bewundern sah er den Tanzenden zu, wunderte sich, dass diese das Ganze recht mühelos wegzustecken schienen. Als sie Herr Mannelig anstimmten, pfiff er die Melodie mit, mochte er dieses Lied doch sehr.

Die Spielleute hatten damit auch sicher einige Übung, immerhin traten sie nicht zum ersten Mal auf. Am Ende des Liedes verneigten sie sich wieder und machten eine kurze Pause um etwas zu trinken. Einer aus der Truppe deutete mit einem Kopfnicken in Richtung des jungen Adligen und murmelte den anderen etwas zu. Der Sänger drehte sich daraufhin zu ihm um, lächelte wieder höflich. Sie wechselten ein paar leise Worte mit einander, woraufhin der Sänger an ihn heran trat. "Wenn Ihr ein bestimmtes Lied hören möchtet, zögert nicht, es zu sagen", meinte er zu dem Fremden und verneigte sich abermals.

Er blieb weiterhin an seinem Platz stehen, rührte sich keinen Millimeter vom Fleck. Er spielte mit dem Gedanken, ob er den Spielmann, welcher ihn ab und an ansah, später vielleicht auf einen Becher Wein einladen solle, doch war dies bestimmt zu aufdringlich. Als dieser ihn ansprach schüttelte er verneinend den Kopf, abermals regungslos zu ihm sehend. "Ich habe keinen bestimmten Wunsch, doch danke!"

Der Sänger sah ihn nun ganz unverhohlen neugierig an. Einen Moment schwieg er. "Verzeiht mir bitte, wenn ich mich zu weit vor wage, doch Ihr steht die ganze Zeit nur da und schaut uns zu. Stimmt etwas nicht?" Innerlich bereitete er sich schon darauf vor, dass der junge Herr ihn nun beschimpfen und davonjagen würde. Aber er wollte zu gerne wissen, ob sich hinter diesem Puppengesicht nicht doch eine Regung verbarg. Die grünen Augen musterten ihn fast schon unverschämt genau.

Der Adelige musterte den Sänger mit der gleichen Neugier, konnte den Blick einfach nicht von diesem abwenden, doch wenn er ehrlich war, wollte er dies auch garnicht. Sichtlich irritiert war er dann allerdings von der Frage des Fremden. Durfte er dies etwa nicht? Es war doch ein öffentlicher Ort. "Ich bin ein sehr großer Musikliebhaber und ich muss sagen, Ihr habt eine sehr schöne Stimme, die mir einfach gefällt. Und da ich nichts weiter vorhabe, habe ich beschlossen zu lauschen", erklärte er.

Der junge Mann lächelte erneut, verneigte sich auch wieder. "Vielen Dank für das Kompliment. Es freut mich, dass Euch unser Spiel gefällt. Es kommt nicht so oft vor, dass wir so edles Publikum haben", plapperte er einfach drauf los. Er musste schon sagen, dass dieser Mann sehr interessante Augen hatte. So ein Blau hatte er noch bei keinem anderen Menschen gesehen. "Wir bleiben wohl eine Weile hier, sofern man uns lässt. In dem Fall habt Ihr noch öfter die Gelegenheit, uns zu lauschen, wenn es Euch beliebt." Da rief ihn einer der anderen Spielleute: "Korbinian, wir wollen weiter machen!" Der Sänger drehte sich um. "Ich komme ja gleich..."

Mael war es unangenehm, dass der Andere sich immer vor ihm verneigte, doch sagte er nichts dazu, verneigte sich dann ebenfalls. "Wenn Ihr noch bleibt, so werde ich nur zu gerne wieder eurer Musik zu lauschen", erwiderte er, horchte interessiert auf, als der Mann gerufen wurde. "Ihr heißt also Korbinian? Ein sehr schöner Name! Nun, wenn ihr nachher Zeit habt würde ich Euch gern auf einen Becher Wein einladen drüben in der Dorfschänke!"

Etwas erstaunt sah er den jungen Mann an, als dieser sich verneigte. Aber... Der andere Spielmann grinste sich eins und rief: "Du musst nicht kommen. Es reicht, wenn du erscheinst!" Korbinian verdrehte ob dieses flachen Witzes die Augen. Da unterhielt er sich lieber weiter mit ihrem Zuhörer. "Aber gern doch. Vielen Dank für die Einladung. Sagen wir in zwei Stunden? Wir müssen noch ein wenig arbeiten..." Langsam ging er rückwärts wieder zu seinen Leuten zurück, den Blick weiter auf den Fremden geheftet. Was er von dem Kompliment halten sollte, wusste er nicht so wirklich.

Der junge Adelige schüttelte leicht den Kopf aufgrund des Kommentars von Korbinians Kollegen, nahm aber dafür mit großer Genugtuung zur Kenntnis, dass sein Gesprächspartner die Einladung annahm. Er nickte,um zu signalisieren, dass er verstanden hatte, würde aber wohl ohnehin solang bleiben, bis die Musiker endgültig zu spielen aufhörten. Irgendwie konnte und wollte er nicht weg, auch wenn er sich nicht erklären konnte, warum.

Korbinian drehte sich nun um und nahm seinen Platz zwischen den Spielleuten wieder ein. Die nächsten zwei Stunden spielten sie Lieder aus verschiedenen Ländern in verschiedenen Sprachen, immer wieder mit kleinen Pausen dazwischen.
 

Schließlich leerte sich der Markt und auch die Spielleute packten langsam ihre Sachen zusammen. Der junge Spielmann streckte die Arme über den Kopf und setzte sich kurz neben seine Tasche. Jetzt freute er sich richtig, dass er die Einladung angenommen hatte.

Mael war die ganze Zeit über geblieben und hatte gebannt gelauscht, nach wie vor angetan von der Musik. Schließlich wartete er geduldig auf den Spielmann, um mit ihm in die nahegelegene Taverne zu gehen.

Schließlich hatten sie alles zusammengepackt. Korbinian stand auf, schulterte seine Tasche und verabschiedete sich von seinen Kameraden. Diese ließen ihn nach kurzem Wortwechsel zwar gehen, beobachteten ihn jedoch mit nachdenklichen Blicken, als er auf den jungen Fremden zuging. "Ihr habt die ganze Zeit zugehört?"

Ruhig wartete er darauf, dass der junge Spielmann seine Sachen zusammensuchen und zu ihm treten würde, ehe er sich langsam in Bewegung setzte Richtung Taverne. "Ja das habe ich! Ihr seid wirklich sehr talentiert, Korbinian!" Die nachdenklichen Blicke der restlichen Spielleute ignorierte er einfach.

"Ich danke Euch. Aber es ist wohl mehr Übung als Talent." Er bildete sich da nicht viel drauf ein. Es war eben Arbeit, die er machte. Auch wenn er einen gewissen Spaß bei der Sache hatte. Kurz musterte er den jungen Herrn von der Seite her. Er hatte etwas Geheimnisvolles an sich. Als Ortsfremder wusste der Spielmann natürlich nicht, wen er da eigentlich vor sich hatte.

Er nickte abermals und damit war das Thema für ihn erledigt. Auch er musterte den Spielmann wieder und musste sich eingestehen, dass er außerordentlich attraktiv war. Er war bestimmt ziemlich begehrt bei den Frauen... Gedankenverloren strich er sich eine Strähne seines langen weißen Haares hinter das Ohr, ehe er die Tavernentür öffnete und eintrat. Man sah ihn verwundert an, denn was suchte sein Mitglied der Adelsfamilie in Begleitung eines Spielmannes, die ja bekanntlich zur niederen Gesellschaftsschicht gehörten, in einer öffentlichen Taverne? Doch da sich niemand Ärger einhandeln wollte, schwiegen sie.

Den Blicken der Leute nach zu urteilen wussten sie alle sehr wohl, wer der junge Mann mit dem weißen Haar war. Korbinian beschloss, die Blicke zu ignorieren und suchte nach einem ruhigen Eckchen mit einem leeren Tisch, wo er auch sogleich Platz nahm. Ob es zu frech war ihn zu fragen, wer er war? "Ihr scheint hier ja sehr bekannt zu sein", meinte der Spielmann erst mal vorsichtig.

Er folgte dem Blick des Spielmannes, welcher recht schnell einen Tisch ausfindig gemacht hatte, an welchem er ebenfalls Platz nahm, nachdem er Wein für sie bestellt hatte. Ruhig faltete er seine Hände auf dem Tisch ineinander, nickte leicht. "Ja das bin ich wohl... Ich entstamme einer alten, hier ansässigen Adelsfamilie, weshalb mich so ziemlich jeder hier kennen dürfte..."

Also wirklich ein Adliger.,, Der Spielmann nickte allerdings nur dazu und sparte sich jeden Kommentar. Mit dem Adel hatte er ja sonst eher weniger zu tun und war sich nicht so ganz sicher, was er da sagen durfte und worüber er lieber schwieg. Aber hier sitzen und vor sich hin zu starren war irgendwie auch blöd... "Wie kommt es, dass jemand mit so vornehmer Herkunft wie Ihr sich Stunden lang Zeit nimmt, einfachen Spielleuten zuzuhören?"

Er fand es sehr angenehm, dass sein Gegenüber keine weiteren Fragen stellte, denn dies empfand er immer als ziemlich lästig, wenn er über seine Familie sprechen musste. Meistens hatten die Leute nach kurzer Zeit das Gesagte doch ohnehin wieder vergessen, also lohnte es sich garnicht erst darüber zu sprechen. Er zuckte bei Korbinians Frage mit den Schultern. "Wie ich schon sagte, liebe ich Musik und wenn ich Gelegenheit haben, schöne zu hören, ergreife ich sie. Darf ich fragen, warum Ihr mich vorhin so oft angesehen habt?"

Ehrlich oder höflich? Korbinian überlegte kurz. "Ihr habt so regungslos dagestanden, da habe ich mich gefragt, was Ihr wohl denken mögt. Wie gesagt, unser Publikum ist meist von weniger gehobenem Klientel." Der Spielmann lächelte höflich und machte eine vage Geste mit der linken Hand.

Der Wein wurde gebracht und Mael schenkte ihnen ein, reichte einen der Becher Korbinian, um dann an seinem Wein zu nippen, ehe er sein Gegenüber erneut ansah. "Ich hab nichts Besonderes gedacht, sondern nur der Musik gelauscht. Und es ist doch gleich, ob man von Adel ist oder nicht. Musik ist etwas für jeden Menschen", erklärte er, wobei diese eigentlich sehr freundlichen Worte bei ihm wieder sehr gleichgültig rüberkamen.

Er bedankte sich für den Wein und nahm den Becher gerne an. Bei den folgenden Worten des jungen Adligen blickte er etwas erstaunt drein, allerdings positiv überrascht. Die Einstellung gefiel ihm. "Da habt Ihr wohl Recht. Musik ist etwas Besonderes, da sie sich nicht örtlichen Beschränkungen unterwerfen lässt. Bücher, Skulpturen, Bilder lassen sich einsperren, nur zugänglich für bestimmte Personen. Aber Musik ist frei, da sie körperlos ist..." Korbinian lachte plötzlich auf. "Ach, verzeiht bitte, ich wollte Euch nicht mit meinen Gedanken langweilen!"

Interessiert lauschte er Korbinians Worten, nickte immer wieder leicht zustimmend. Als dieser sich entschuldigte, hob er beschwichtigend die Hände, dabei fest in die grünen Augen Korbinians blickend. "Ach was, Ihr langweilt mich nicht, im Gegenteil! Ich finde, dass Ihr völlig Recht habt, aber leider sieht das nicht jeder so... Ich konnte noch nie so offen über das Thema sprechen wie jetzt gerade mit Euch! Denn zuhause wird mir pausenlos eingetrichtert, dass unsereins es nichht würdig ist, einem Spielmann zu lauschen, seien wir doch mehr Wert!" Und zum ersten Mal schwang so etwas wie leichtes Bedauern in seiner Stimme mit, was ihn irritierte.

Der Spielmann erwiderte den Blick und fragte sich, was sich hinter diesen blauen Augen wohl alles verbergen mochte. Sicherlich viel mehr, als der Andere zeigen wollte. Und er war sich sicher, dass diese abweisende, kühle Art nur Fassade war. Er nahm einen kleinen Schluck aus seinem Becher und seufzte leise. "Damit steht Eure Familie nicht allein. Für die höhere Gesellschaft sind wir oft nicht mehr als dressierte Straßenratten. Man gewöhnt sich daran..." Wieder dieses überaus höfliche Lächeln.

Nur zu gerne hätte er mal so richtig gezeigt, was in ihm vorging, doch wusste er nicht wie. Aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass die Fassade einen winzigen Riss bekommen hatte und er fragte sich, warum dies ausgerechnet dem Spielmann zu verdanken war. Was hatte das denn zu bedeuten? Abermals schüttelte er den Kopf. "Manchmal denke ich mir, dass es doch interessant sein muss so frei zu sein, auch wenn man nicht immer gut behandelt wird..."

Das Lächeln wurde zu einem amüsierten Grinsen. "Man kommt auf jeden Fall viel herum und trifft viele verschiedene Leute." Der Spielmann stützte den Kopf in die linke Hand, auch wenn das nicht unbedingt die besten Tischmanieren waren. "Wenn man sich nicht daran stört, was die Leute denken, kann man viel erleben. Aber für die Freiheit gibt man eben die Sicherheit auf. Und sei es nur die auf regelmäßige Mahlzeiten."

Wieder betrachtete er den Anderen ganz genau, konnte sich irgendwie an ihm garnicht sattsehen. Dessen Worte aber stimmten ihn nachdenklich. "Aber es ist doch stets so, dass es positive und negative Aspekte gibt, egal welches Leben man wählt. Auch im Adel kommt das vor... Man hat zwar ein sehr angenehmes Leben, kann aber nicht tun und lassen was man will, muss stets mitteilen wohin man sich begibt und dergleichen! Und man kann sich auch beispielsweise nicht immer seine Partner aussuchen, sondern wird unter Umständen sogar einer wildfremden Person versprochen..."

Wie er das so sagte, hörte es sich beinah so an, als klage er sein eigenes Leid. Etwas traurig sah der Spielmann ihn an. Bis ihm etwas einfiel. Der junge Mann trieb sich nun schon geraume Zeit hier im Ort herum. Musste er nicht irgendwann wieder zuhause vorstellig werden? "Das tut mir Leid zu hören", meinte Korbinian etwas unschlüssig. Sein Gegenüber kam ihm mehr und mehr wie ein Treibhauspflänzchen vor, das unbedingt die Welt sehen wollte. "Wem auch immer Ihr versprochen seid, kann sich sicher glücklich schätzen." Gut, das war jetzt auch kein Trost...

"Verzeiht, ich wollte euch nicht mit meinen Problemen behelligen. Das ist eigentlich garnicht meine Art, ich weiß auch nicht, was mit mir los ist...", erklärte er, nun wieder etwas gefasster als zuvor. Heute war es ihm gleich, ob er Ärger bekommen würde, das Gespräch mit Korbinian war einfach zu angenehm. "Nun zum Glück bin ich niemandem versprochen, dieser Kelch ist an mir vorübergegangen. Aber dies tut ja auch nichts zur Sache. Ich wollte Euch nicht langweilen!"

Der Spielmann winkte ab. "Ihr langweilt mich nicht. Jeder braucht eben manchmal einen anderen zum Reden." Inzwischen fand er den jungen Adligen sogar äußerst interessant. Dennoch war ihm klar, dass auch dies mit Sicherheit keine langfristige Freundschaft werden würde. Immerhin waren sie bestimmt nur einige Tage hier. "Wie darf ich Euch eigentlich nennen?", fragte Korbinian da. Bisher hatte der Fremde ihm ja schließlich seinen Namen nicht genannt.

Abermals nickte er, erleichtert darüber, dass Korbinian dies so sah. Aber man wusste ja nie, wie jemand auf so eine "Lebensbeichte" reagierte. Sein Interesse an dem Spielmann steigerte sich immer mehr, auch wenn ihm ebenfalls klar war, dass sie vielleicht nur ein paar Tage zum reden hatten, weil der Andere dann weiterziehen würde.. Aber besser als gar nichts. "Stimmt, ich hatte vollkommen vergessen, mich vorzustellen... Ich bin Mael!"

Mael also... Kein Familienname? Kein Titel? Gut, dann wollte er da auch nicht weiter fragen. "Freut mich sehr, Mael. Das ist ein schöner Name." Inzwischen hatte er einige Scheu verloren, schien der Andere ihm doch sehr umgänglich und aufgeschlossen gegenüber einem Fremden aus der Unterschicht. "Aber ich hab mich ja auch nicht wirklich vorgestellt... Das macht also nichts." Irgendwie gefiel es ihm, wie sie hier saßen, als gäbe es keinen Standesunterschied zwischen ihnen.

Er hatte bewusst den Rest weggelassen, wollte sich weder mit seinem Nachnamen noch dem Adeltitel rühmen, es erschien ihm einfach unpassend, weshalb er es lieber sein ließ. Auch er fand es sehr angenehm so mit dem Spielmann beisammen zusitzen und zu reden. Daran, welch Skandal es für seine Familie sein würde, wenn diese herausfand, dass er mit jemandem aus der Unterschicht zu tun hatte, wollte er gerade nicht denken... "Wie steht es eigentlich mit Euch? Habt Ihr eine Partnerin?"

Korbinian schüttelte den Kopf, milde lächelnd. "Nein, habe ich nicht. Mit Frauen habe ich kein Glück... Und bevor Ihr fragt: es gibt auch keinen Mann in meinem Leben." Spielleuten traute man ja oftmals alles zu, dem wollte er vorgreifen. "Und Ihr? Habt Ihr jemanden, den Ihr gern habt?" Für einen jungen Mann seines Standes war das sicher nicht so einfach, konnte er sich denken. Wenn man auf Schritt und Tritt überwacht wurde...

Das wunderte ihn aber nun doch sehr, dass er mit dem schönen Geschlecht kein Glück hatte, ebenso wenig mit den Männern... Immerhin sah er doch ziemlich gut aus. Wieder nahm er einen Schluck aus seinem Becher, ehe er auf Korbinians Frage einging. "Nein, ich habe niemanden. Sie sagen, ich sei zu gefühlskalt, was wohl auch stimmen mag", erklärte er sachlich, wollte sich jedoch nicht beklagen. Schließlich wollte er nicht als verweichlichter Jammerlappen gelten...

Er musterte Mael eingehend und etwas nachdenklich. "Den Eindruck habe ich nicht", widersprach er dann, "Ohne Euch zu nahe treten zu wollen, aber mir scheint es eher so, als wolltet Ihr Eure Gefühle verbergen. Wenn sich von diesen Leuten keiner die Mühe macht, unter die Oberfläche schauen zu wollen, so solltet Ihr auch keinen Gedanken an sie verschwenden." Inzwischen war er sich ziemlich sicher, dass sich hinter der kühlen Fassade ein empfindsamer und wohl auch sehr einsamer Mensch verbarg.

Verblüfft lauschte er dem, was der Spielmann zu sagen hatte. Wie es schien hatte dieser wirklich ein Händchen dafür, Dinge anders als gemeint zu interpretieren. "So habe ich das noch nie betrachtet.. Aber ich denke sogar, dass Ihr Recht damit habt... Ich kenne es aber auch nicht anders. Mir ist stets eingebläut worden, keine Gefühle zu zeigen, sondern stets sachlich und distanziert zu bleiben...", erzählte er, dabei den Becher gedankenverloren in seinen Händen drehend.

Das hörte sich für den Sänger sehr langweilig und vor allem anstrengend an. "Das bedeutet ja nicht, dass Ihr keine Gefühle hättet. Sachlich zu bleiben ist in manchen Situationen bestimmt angebracht, aber sicher jederzeit so unter Kontrolle haben zu müssen..." Korbinian schüttelte den Kopf. "Das kann dem Herzen doch nicht gut tun." Gern hätte er Mael einen guten Rat gegeben, wie er dem entfliehen konnte, aber ihm fiel nichts ein, was vernünftig und umsetzbar war.

Es war wirklich merkwürdig, mit jemandem über seine Situation und vor allem über seine Gefühle zu sprechen. Das hatte er noch nie zuvor mit jemandem tun können, aber es tat ihm unheimlich gut. "Das mag sein, aber wenn ich es nicht tue, gefährde ich meine Position in der Familie und laufe Gefahr, enterbt und verstoßen zu werden..." Er hielt in seinem Monolog inne und widmete sich schnell seinem Wein, wollte dem Fremden nicht sein Herz ausschütten. Das war ihm nicht geheuer.

Korbinian lachte freudlos auf. Der Adel war schon sonderbar... "Das ist wirklich seltsam. Dabei sollte die Familie doch Halt und Sicherheit bedeuten!" Der Spielmann schwieg, trank noch etwas Wein und blickte nachdenklich in seinen Becher. "Es steht mir sicher nicht zu, Euch Ratschläge zu geben, doch wie ich Euch so reden höre, braucht Ihr dringend jemanden an Eurer Seite. Jemanden, der Euch um Eurer Selbst Willen liebt."

"Nun, in gewisser Weise gibt sie Sicherheit, nur eben leider nicht im üblichen Sinne, aber ich habe mich daran gewöhnt. Doch ich bin froh, das Ihr mir zuhört, obwohl Ihr mich noch gar nicht wirklich kennt!", erwiderte er, beim Ratschlag des Spielmanns mit den Schultern zuckend. "Das mag sein, "Ihr habt mir doch auch den ganzen Tag zugehört", erwiderte er, obwohl das ja gewiss nicht dasselbe war, "Außerdem habt Ihr mich eingeladen, da ist es ja wohl das Mindeste. Und ich höre Euch gerne zu." Korbinian lehnte sich leicht auf seinem Platz zurück. "Ihr werdet die Liebe nicht finden. Sie findet Euch. So ist das immer... Es kommt unerwartet und oft anders, als man es sich vorgestellt hat."

"Aber das kann man doch garnicht vergleichen, das ist etwas komplett Anderes... Und nur weil ich Euch eingeladen habe, muss es nicht zwangsläufig heißen, dass Ihr mir freiwillig zuhört, sondern Ihr könntet Euch rein theoretisch ja auch beschweren, dass ich euch die Ohren vollsülze.. Dennoch bin ich natürlich dankbar, dass Ihr mir zuhört. Aber das mit der Liebe ist schon kompliziert manchmal...."

"Jetzt hört schon auf, ich unterhalte mich wirklich gerne mit Euch." Korbinian musterte Mael erneut. Wenn er nur ein wenig sicherer wäre mit seinen eigenen Gefühlen, hätte der junge Mann sicher kein Problem, einen Partner zu finden. "Das ist allerdings wahr. Nichts ist so schön und zugleich so grausam wie die Liebe..." Er grinste knapp. "Aber ich darf da eigentlich gar nicht reden, viel Erfahrung habe ich da ja selbst nicht..."

"Gut, ich bin ruhig", erwiderte er zwinkernd, lehnte sich wohlig ein wenig zurück. Doch dann zog er erstaunt eine Augenbraue in die Höhe. Er hätte nicht gedacht, dass sein Gegenüber recht unerfahren zu sein schien. Er hatte nämlich gehört, dass Spielleute regelrechte Schwerenöter seien, doch traf dies offensichtlich nicht auf alle zu...

Korbinian erwiderte den Blick fragend, dabei aber ununterbrochen lächelnd. "Stimmt etwas nicht?", hakte er nach und nahm noch einen Schluck aus seinem Becher. Bedauernd stellte er fest, dass der Wein langsam zur Neige ging und sich damit wohl auch ihre Unterhaltung dem Ende näherte. Er hätte nichts dagegen gehabt, den restlichen Abend hier zu sitzen, doch irgendwann musste Mael sicher auch nach Hause...

Mael schüttelte den Kopf, den Blick des Anderen dabei erwidernd. "Nein nein, es ist alles in Ordnung.. Aber es ist schade, dass ich jetzt dann leider gehen muss... Am Liebsten würe ich ewig hierbleiben, aber das geht leider nicht", erklärte er bedauernd.

Er hatte es geahnt... Der Spielmann nickte, wenn auch nicht sehr begeistert, doch das wollte er nicht zeigen. "Hmm... Bis morgen?", meinte er probehalber und sah Mael fragend an. Aus irgendeinem ihm selbst nicht bekannten Grund hätte Korbinian gerne mehr Zeit mit dem jungen Adligen verbracht. Dabei kam ihm eine wahnwitzige, sicher nicht ganz ungefährliche Idee....

Auch Mael war alles Andere als angetan davon, nun gehen zu müssen, doch es ging nicht anders... Zögerlich nickte er bei Korbinians Frage. Wenigstens konnte er sich auf den nächsten Tag freuen, auch wenn es noch lange dauern würde, da er ja noch den Unterricht über sich ergehen lassen musste und das zögerte sich immer ewig hinaus. Doch dann blickte er fragend zu dem Spielmann. "Ihr seht nachdenklich aus..."

Doch Korbinian winkte ab. Wenn er das jetzt erzählte, hielt Mael ihn für völlig verrückt. "Ach, ich habe nur über morgen nachgedacht." Er stand auf und nahm seine Tasche, würde jetzt ebenfalls zu seinen Leuten zurück gehen. "Vielen Dank für den Wein und die nette Gesellschaft. Ich hoffe doch, Ihr bekommt keine Schwierigkeiten, weil ich Euch so lange hier festgehalten habe..."

Mael gab sich wohl oder übel damit zufrieden und erhob sich langsam, um zu zahlen und sich zum Gehen zu wenden. "Nichts zu danken, ich habe Euch gern eingeladen. Vielen Dank, dass Ihr mir zugehört habt. Und macht Euch keine Gedanken, ich komme schon nicht in Schwierigkeiten", erklärte er und wollte die Taverne verlassen.

Der Spielmann nickte ihm zu und verabschiedete sich höflich von Mael. Hier trennten sich wohl ihre Wege, denn das Lager der Spielleute war, wie schon in der letzten Nacht, ein alter Schuppen am Ortsrand. Korbinian blieb vor der Tür der Taverne stehen und überlegte. Sollte er...? Nein, das war dämlich und sicher gefährlich. Außerdem kannten sie sich ja eigentlich kaum. Aber... ein bisschen Kundschaften konnte er ja wohl, oder?
 

Auch Mael verabschiedete sich, wenn auch sehr ungern, wandte sich dann zum Gehen. So führte sein Weg schließlich zu dem Anwesen seiner Eltern, welches er betrat, wenn auch ungern. Da alles bereits schlief, gelang es ihm, unbemerkt sein Zimmer zu betreten. Er zündete eine Kerze an und setzte sich auf den Balkon der zu seinem Zimmer gehörte, nachdenklich in den Nachthimmel blickend.

So wartete er ein paar Minuten hinter der nächsten Ecke und schlich dann dem jungen Herrn nach bis zum Anwesen der Familie. Ja, das war wirklich ein ansehnliches Gebäude... Der Spielmann versteckte seine Tasche zwischen ein paar Büschen und Birken und drehte seinen bunten Mantel auf links. Der dunkle Futterstoff war besser zum Anschleichen geeignet als die grellen Farben der anderen Seite. Korbinian huschte von Schatten zu Schatten und horchte immer wieder, ob auch niemand in der Nähe war, der ihn möglicherweise sehen oder hören konnte.

Von alledem bekam Mael nichts mit, hatte sich wie so oft das das breite Gerüst des Balkons gesetzt und starrte in die Dunkelheit hinaus, ohne ein bestimmtes Ziel anzuvisieren. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund ging ihm Korbinian ihm nicht mehr aus dem Kopf, doch andererseits wusste er, dass es große Schwierigkeiten geben würde, wenn man herausfand, dass er sich mit einem Spielmann abgegeben hatte. Warum musste alles so kompliziert und ungerecht sein?

Da alles still war, lief der Spielmann weiter, näherte sich dem Gebäude so weit er sich traute und nahm alles ganz genau in Augenschein. Solche Anwesen hatte er bisher immer nur aus der Ferne gesehen. Zwar war es dunkel, doch die wesentlichen Sachen konnte er erkennen. Korbinian schlich sich weiter, bis er plötzlich Licht sah. Schnell duckte er sich hinter einen Busch und spähte hinauf. Aha... Jetzt wusste er zumindest mal, wo wohl Maels Schlafzimmer war.

Ein Weilchen beobachtete er ihn, wie er so dort saß und gen Himmel blickte. Und der Spielmann musste zugeben, dass Mael ein wirklich hübscher junger Mann war... Aber er war ja nicht zum Spannen hier, sondern um zu Kundschaften! Korbinian blickte über seinen Busch hinweg und inspizierte das Gelände, insbesondere, ob es irgendeine Möglichkeit gab, von außen da hoch zu kommen. Und nach Möglichkeit auch heil wieder runter...

Einen Moment lang überlegte Mael, ob er sich nicht vielleicht nochmal davonstehlen solle um zu sehen, wo Korbinian nächtigte, doch wäre dies wohl zu aufdringlich gewesen. Und außerdem wusste er nicht, ob er dann unbemerkt nochmal ins Haus käme. So blickte er weiter gen Himmel, sich dabei wünschend, dass das Treffen mit Korbinian schnell nahen würde.

Sein Blick fiel auf einen Baum, der beim Erklimmen des Balkons sicher gute Dienste leisten würde. Allerdings zögerte der Spielmann, hinaufzuklettern. Am ersten Abend war das sicher mehr als nur vorwitzig. Erneut blickte er zu Mael hinauf. Irgendwie tat er ihm unheimlich Leid, wie er so allein dort saß mit diesem sehnsüchtigen Blick. Doch der Anblick faszinierte ihn auch irgendwie... Aber die Anderen machten sich sicher schon Gedanken. So stand Korbinian auf und schlich sich rückwärts durch die Büsche wieder weiter von dem Anwesen fort. Er würde seine Tasche holen und dann abhauen. Als er aber mit dem Mantel an den Zweigen hängen blieb und es laut raschelte, hockte er sich schnell nieder.

Er wollte langsam wieder in sein Zimmer zurückkehren, weil es langsam recht zugig wurde, als er plötzlich ein Rascheln vernahm. Neugierig geworden, kletterte er am Baum herunter, um dem Ganzen auf den Grund zu gehen. So schlich er langsam an den Busch heran, um zu sehen, was sich dort bewegt hatte. Umso erstaunter war er, als er den Spielmann erblickte. "Was macht Ihr denn hier?", flüsterte er überrascht, auch wenn diese von recht angenehmer Natur war..

Ertappt blickte er zu Mael hoch. Jetzt musste eine gute Erklärung her. Er konnte ja schlecht sagen, dass er nach einem Weg ins Haus gesucht hatte für künftige Besuche. "Ähm... Ich... Ich wollte..." Der Spielmann setzte sich erst mal hin und befreite sich aus dem Gebüsch. Hoffentlich hörte sie keiner hier draußen... "Ich wollte nur schauen, dass Ihr sicher nach Hause kommt", meinte er dann. Korbinian war sich bewusst, dass das eine fadenscheinige Ausrede war.

Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte er den Spielmann an, glaubte ihm diese Worte nicht wirklich, doch sagte er dies nicht, wollte ihn nicht noch mehr in Verlegenheit bringen. "Oh.. Nun, wie ihr seht, bin ich gut angekommen..." Er wusste gerade nicht so recht, was er hätte sagen oder tun sollen...

Verlegen lächelnd nickte der Spielmann. Am Besten ging er einfach wieder, sonst wurde das hier sicher noch viel peinlicher... Es musste ja beinah so aussehen, als habe er etwas ganz anderes gewollt. Der junge Spielmann sah zu Mael hoch. Er war wirklich bildschön... Aber was dachte er da eigentlich? Ein roter Schimmer legte sich auf seine Wangen. Wie gut, dass es so dunkel war...

Auch Mael wusste gerade nicht so Recht, was er hätte tun oder sagen sollen, so verschränkte er nervös die Hände ineinander und sah ihn verlegen an. "Vielleicht sollte ich wieder gehen... Wir sehen uns morgen?" Er war in Begriff, sich umzudrehen und zu gehen.

Nun kam der Spielmann wieder auf die Beine. "Mael...", setzte er an und fragte sich im gleichen Moment noch, warum er ihn aufhielt. Unschlüssig stand er da und kam sich reichlich blöd vor. Warum lief er diesem Mann nach wie ein kleiner Hund? So hatte er sich schon ewig nicht mehr gefühlt... "Schlaft gut", sagte er dann schließlich, auch weil ihm nichts Besseres einfiel, "Bis morgen auf dem Markt..." Korbinian drehte sich um und ergriff schon beinah die Flucht.

Gespannt sah er den Spielmann an, was dieser zu sagen hatte, doch als dieser ihm lediglich eine gute Nacht wünschte, war er irgendwie enttäuscht. "Ja...Schlaft gut...Bis morgen!", verabschiedete er sich ebenfalls, ehe er sich wieder in sein Zimmer begab. Warum war er denn jetzt so geknickt? Er war furchtbar irritiert.. Gefühle waren schon was Seltsames...

Korbinian schnappte sich seine Tasche und lief eilig den Weg zurück, durch den Ort bis zum Lager der Spielleute. Diese schliefen schon längst, als er sich in den Schuppen schlich und sich auf das notdürftige Bett aus Stroh fallen ließ. 'Ich bin ein Idiot...!', schalt er sich selbst in Gedanken. Wieso ließ er sich darauf nur ein? Er wusste doch, dass es völlig unmöglich war und doch gab er dieser fixen Idee nach! Er musste sich dringend etwas zusammenreißen... Mit diesem Gedanken schlief er schließlich ein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  alateya
2011-12-07T09:15:00+00:00 07.12.2011 10:15
hach, wunderbar romantisch... bin gespannt wie es weitergeht.

Alateya


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