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Caged's Dream

von

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Transzendenz

Genesis war von Dunkelheit umgeben. Oder auch nicht, er konnte es nicht wissen, seine Augen waren geschlossen. Er verharrte mit gesenktem Kopf und ausgebreiteten Armen und konnte sich nicht rühren, nicht einmal die Augen öffnen. Was ihn hielt, wusste er nicht und er hätte kopfüber hängen können und hätte es nicht bemerkt. Aber er wusste, könnte ihn jemand sehen, müsste er glauben, er sei tot oder schliefe. Er wusste selbst nicht, ob er überhaupt atmete. Auch seit wann er hier war konnte er nicht einschätzen, es hätten Minuten sein können, oder Jahrhunderte.

Deepground… Er wusste nicht, was sie mit ihm getan hatten und warum, er wusste nur, dass sich seine beiden Brüder mit ihrer Armee vor der Welt verborgen hielten. Und wenn diese Armee ihre Kämpfe ausgetragen hatte, würde er frei sein. …was auch immer das heißen würde. Es konnte heißen, wieder über die Berge und Ebenen fliegen zu können, aber auch Tod. Vielleicht sogar den Tod des Planeten. Ob sie dann auch sterben würde? Jene Göttin…? Ein kindliches Gesicht mit strengem, starkem Ausdruck, seltsame Kleidung mit reichen Verzierungen, an denen doch nichts überflüssig war, ein Bild an unvollkommener Vollkommenheit. Sie konnte über Leben und Tod verfügen. Doch warum hatte er nicht sterben sollen? Zu leben hatte es für ihn nichts mehr gegeben.

Hass… Dieses Gefühl, das ihn erfüllt und zerfressen hatte, war zum Grund seines Handelns geworden. Der Wunsch nach Rache ließ wen er befallen hatte niemals zur Ruhe kommen, bis das, was er hasste, ausgelöscht war. Doch er war sich von Anfang an bewusst gewesen, dass danach nichts bleiben würde.

Wie sehr war es sein Wunsch gewesen, nachdem er seine Rache bekommen hatte, an jenem Ort zu sterben und mit Angeal für immer durch den Strom zu ziehen. Doch die Göttin hatte ihm ihr Geschenk verwehrt. Gab es da noch etwas, dass er für sie tun musste? Musste er büßen für das, was er getan hatte? War es so falsch gewesen, Rache zu nehmen?
 

Ein Geräusch erregte seine Aufmerksamkeit. Es rumpelte und krachte über seinem Kopf. Weit über seinem Kopf, er hörte es nur gedämpft. Aber es war eindeutig das Geräusch von Verwüstung, und es war anhaltend und schien von allen Seiten zu kommen. Da draußen musste ein Sturm apokalyptischen Ausmaßes toben. Pfeifende Sturmwinde, Donnern, das Krachen zusammenstürzender Gebäude, schreiende Menschen, all das war da draußen und er konnte es hören obwohl es weit weg war. Eine unbestimmte Angst war auch in ihm. Würde nun die Welt sterben? Er war sich halb bewusst, dass es nun so kommen konnte.

Doch unter ihm regte sich etwas anderes. Er konnte es nicht definieren, doch es löste ein Gefühl aus, dass er kannte von jenem Tag. Eine gewaltige Kraft stieg herauf. Abertausende von Emotionen und Erinnerungen erfüllten sie, sacht verbunden mit den Präsenzen unendlich vieler Seelen, die den Strom des Lebens bildeten. Oder war der Strom ein Schleier, der ihre Welt von der Diesseitigen trennte und den man nach dem Tod passierte? Er wusste es nicht, doch er fühlte diese warme, traurige Hoffnung, die er auch empfunden hatte, als er ihr gegenübergestanden hatte. Sie war da, das wusste er genau.

Sein Körper verharrte unbewegt, aber sein Geist war hellwach. Er konnte den Strom spüren, er war auch physisch ganz nah, nah an seinem Körper. Eine starke Präsenz führte die Seelen, eine Frau, die von dem Wunsch zu heilen und zu schützen beseelt war. Entschlossenheit und Güte zeichneten sie aus und etwas an ihr war anders als an den anderen Seelen. Der Strom floss an ihm vorbei und vereinte sich mit einer Kraft, die er zuvor nicht wahrgenommen hatte. Sie umgab den Herd der Zerstörung über ihm und bestand aus reiner, heilender Kraft. Es gab nur ein Wort, diese Kraft zu beschreiben: Heilig. Und die Frau stand mit dieser Kraft in Verbindung.

Immer noch wusste er nicht, was dort geschah, doch da regte Jenova sich in ihm. Er spürte grenzenlose Wut in ihr. Und plötzlich nahm er im Strom eine Präsenz war, die von den anderen einfach mitgerissen wurde und nichts als blanken Hass empfand: Sephiroth.

Hass, ein Gefühl, das er so gut kannte. Und doch war es Jenova, die ihm erlaubte, sich mit seinem einstigen Freund zu vernetzen.

Sephiroth war wütend. Er war nach fünf Jahren zurückgekehrt und hatte mit seiner Mutter Meteor beschworen, doch diese Frau hatte Heilig gerufen und auch sie zu töten hatte nichts genutzt. Und dann hatte Cloud ihn getötet, jener Mann, der ihn fünf Jahre zuvor schon einmal getötet hatte. Genesis konnte das Bild des jungen Mannes, den Sephiroth nun über alles andere hasste, einen Augenblick lang deutlich vor sich sehen. Es war der Junge, dem Hojo die letzten S-Zellen eingesetzt hatte und der Zack so wichtig war. Doch von dem bunten Haufen hinter ihm kannte er niemanden.

Hilflos trieb Sephiroth zwischen den anderen Seelen, die ihn kaum wahrnahmen. Er wollte Rache für seine Niederlage und konnte nur zusehen, wie der Lebensstrom im Einklang mit Heilig den Meteor zerstückelte. Der Strom raste durch Midgar und zerstörte, was ihm im Weg war. Die Welt würde nie mehr dieselbe sein. Viele Menschen würden entwurzelt und verzweifelt sein. Da kam Sephiroth eine Idee. Er würde jenen, die verzweifelt waren und nicht mehr weiterwussten, sein Stigma hinterlassen, dass sie zerfressen würde. Damit würde er seine Rückkehr vorbereiten. Doch zunächst musste er dafür sorgen, nicht vom Lebensstrom fortgespült zu werden. Er würde seine Erinnerung an Cloud zum Zentrum seines Selbst machen. Alles andere war gleichgültig, solange er an Cloud dachte, würde er bestehen bleiben und solange Cloud sich an ihn erinnerte würde er vervollständigt werden können. Cloud würde ihn vervollständigen. Dann zog seine Präsenz davon und Genesis konnte seine Gedanken nicht mehr wahrnehmen.

Doch er hatte verstanden, was geschehen war. Wie er vermutet hatte, hatte Sephiroth einen Weg gefunden, zurückzukehren. Sein Wille war inzwischen eins geworden mit Jenovas und sie wollten den Planeten mit ihrem ultimativen destruktiven Zauber Meteor vernichten. Diese Frau hatte davon erfahren und Heilig aktiviert, darum hatten sie sie getötet, doch sie agierte vom Lebensstrom aus weiter. Um ihr die Rettung des Planeten möglich zu machen, hatten Cloud und seine Freunde, die Genesis nicht kannte, ihn getötet. Nun schwebte Meteor über Midgar, Heilig hatte sich ihm entgegengestellt und der Lebensstrom brach aus der Tiefe hervor um Heilig zu unterstützen. So wurde der Meteor zerstört, Midgar aber auch. Und er selbst befand sich unter Midgar. Doch er hatte keine Angst. Im Gegensatz zu dem Meteor würde die Stadt nicht vollständig ausradiert werden. Nur Sephiroth machte ihm Sorgen. Während seine Erinnerungen verloren gingen, mit seinem alten Ich durch den Schleier traten, blieb er bestehen, bestehend aus Hass und somit noch enger mit Jenova verbunden als je zuvor. Und er verfluchte die Welt mit seinem Hass.

War er denn anders? Hatte er nicht Jenova, den personifizierten Hass in sich? Hatte er nicht seiner Rache viele Unschuldige, all seinen Stolz und seine früheren Träume geopfert? Bereute er irgendetwas? Hatte er nicht Hollander mit seinem Hass verflucht? Hatte er nicht den gutherzigen, hoffnungsvollen Zack wie einen Esel verhöhnt?

Zack. Was war eigentlich mit ihm? Hätte er nicht dabei sein sollen, als sein Freund Sephiroth besiegte? Und warum hatte dieser sein Schwert gehabt? Da spürte er ihn: Ein helle, warme Präsenz im Lebensstrom, nahe der Frau, die alles lenkte. Er war also tot. Warum, seit wann? Seit wann war er eigentlich hier, was war inzwischen alles passiert? Dass es Cloud noch gab, war der einzige Hinweis den er hatte. Es konnte nicht länger als zwanzig Jahre sein, aber das half ihm nicht viel weiter. Resigniert gab er es auf, darüber nachzudenken. Wer konnte schon wissen, wohin das alles führen würde. So begnügte er sich damit, das gewaltige Schauspiel vor seinem inneren Auge weiterzuverfolgen.

Ein seltsames Gefühl überkam ihn, warm, vergebend, schützend. Es ging von einer Präsenz aus, die ganz in seiner Nähe war und ihn einen Moment lang mit diesem Gefühl umgab. Ein Gruß von Angeal. Er konnte ihn vor sich sehen, wie er ihn sanft anlächelte. Sein Geist war in hellem Aufruhr, er wollte die Hand ausstrecken und ihn berühren, er wollte den Mund öffnen und nach seinem Freund rufen. Doch sein Körper rührte sich nicht.

‚Angeal! Angeal!’, schrie er in Gedanken, er wollte weinen, doch nicht mal seine Mundwinkel bewegten sich. Alles an ihm war starr wie in Stein gemeißelt, seine Gesichtszüge blieben glatt und unbeweglich. ‚Angeal…’ Er glaubte zu spüren, wie Angeal ihm übers Haar strich und zu sehen, wie er ihm zum Abschied aufmunternd zulächelte, bevor er mit den anderen Seelen davonzog.

Bald zog sich der Lebensstrom zurück und mit ihm verschwand für Genesis die Möglichkeit, etwas außerhalb seines Gefängnisses wahrzunehmen. Er war wieder allein in der Dunkelheit. Und doch mischte sich in seine Trauer und Verzweiflung bald Dankbarkeit. Angeal hatte ihm vergeben. Angeal, der dasselbe Schicksal wie er erlitten hatte und doch an dem festgehalten hatte, was ihm so wichtig war. Angeal, der ihn hatte töten wollen, ihm dann aber Zack und Lazard zu seiner Rettung geschickt hatte.

War es möglich, auch als Verratener der Welt ohne Hass zu begegnen? War es möglich, dass er für die Vergebung, die er unverdient erhalten hatte, etwas zurückgeben konnte? Oder war am Ende alles umsonst, was Angeal für ihn getan hatte? War er nicht doch wie Sephiroth, dem die Vergeltung das Wichtigste war und der dafür sein ganzes Selbst geopfert hatte?

Oder hatte er gar die Wahl? Angeal hatte seine Ehre nicht loslassen können, er wäre nie fähig gewesen, ernsthaft Rache zu nehmen. Nicht, dass Genesis ihm das übelgenommen hätte, das war es schließlich, was seinen alten Freund auszeichnete, doch er hatte nie wirklich die Wahl gehabt. Und Sephiroth hatte sich so tief in seine Rache und in seine Verbindung mit Jenova verstrickt, dass es jetzt endgültig kein zurück mehr für ihn gab. Aber er, er hatte keine direkten Befehle von Jenova angenommen, und niemals hatte er seine Träume und seine Freundschaft ganz losgelassen. Aber er hatte auch Rache genommen.

Was wollte er tun, wenn er diesem Gefängnis entkam? Einerseits wollte er Angeal nicht enttäuschen, andererseits schmerzte der Verrat, der mit seinem Leben begonnen hatte, noch immer im Innersten seines Herzens.

Er sehnte sich nach Angeal. Es hatte in seinem Leben niemals jemand wichtigeren gegeben. Einsamkeit und Ratlosigkeit bildeten eine Hülle um ihn, die ihn frieren ließ, obwohl es an dem Ort, an dem er sich hier befand, weder kalt noch heiß war. Immerhin wusste er nun, dass Deepground ihn nicht weit weg geschafft hatte, sondern dass er sich immer noch irgendwo unter Midgar befand. Obwohl er es sich in gewisser Weise selbst ausgesucht hatte, hier zu sein, fühlte er sich nun schwach und müde. Seine Gedanken drifteten fort, er schlief ein.



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