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Nightmare Angel

wings of ocean
von

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deep water

Amaya konnte das Zerren des Wassers spüren. Es fieberte dem Geschehen nur so entgegen. Ein Strudel formte sich um ihren Körper. Der Sturm hätte sie womöglich getötet, wäre sie menschlich gewesen. Doch sie war es nicht und würde es nie sein. Ein Fluch lastete auf der schönen Frau, den sie nicht zu brechen vermochte. Sie hatte getötet.

In diese Tiefe drang der Schein des Mondes nicht länger. Es war verständlich. Jegliches Licht hatte sich von ihr abgewandt. Ihr schwarzes Haar trieb im Wasser, umgab ihren Kopf gleich eines Fächers. Ihre Hand war zur Oberfläche ausgestreckt, gab damit ihrer Sehnsucht nach der Welt ein Gesicht. Wusste sie nicht was geschehen würde, wenn ihr wohl geformter Körper sich aus dem Wasser erheben würde oder war ihr egoistischer Wunsch ihrer überdrüssig geworden? Ihre roten Augen waren klar. In ihnen lag eine Unschuld, die es dort nicht hätte geben dürfen. Sie glitzerten selbst in dieser bodenlosen Dunkelheit noch, als wären sie nicht aus dieser Welt. Und eben dies war sie auch. Einer anderen Welt, als wäre sie einem Traum entstiegen. Ihre Gesichtszüge waren so fein, dass man ihnen keinen Glauben an die Wirklichkeit entlocken konnte. Sie war so überirdisch schön, dass ihre Existenz ein einziger Zweifel war. Die fließenden Bewegungen mit denen sie durch das Wasser schoss, trotzten der Vorstellung jedoch. Sie sah aus wie eine vollkommene Statue, die jeder Steinmetz beneidet hätte. Ihre Gesichtszüge waren wie aus Eis gemeißelt. Die junge Frau war kein Traum, sie war die bloße Verkörperung der Furcht. Von eben dieser Furcht wurde sie genährt. Der Durst nach Leben bäumte sich in ihr auf. Amaya wusste darum was sie war. Sie hatte Menschen getötet. So viele, das sie irgendwann aufgehört hatte zu zählen. Ohne sich dabei auch nur ein einziges Mal mit ihrem Blut zu besudeln. Dennoch war der Schrei derer, denen sie das Leben entzogen hatte, in ihre Seele eingedrungen, hatte sie in ewige Schwärze getaucht und ihr die Verdammnis beschert. Jetzt ruhte sie am Abgrund, verborgen vor Blicken. Nur um nach oben zu steigen und sich für ein paar Sekunden von ihrer schmerzlichen Einsamkeit zu befreien. Das Wasser liebte Amaya. Doch Amaya liebte es nicht. Sie verabscheute es für die Einsamkeit, die es ihr einbrachte und jeden Tag aufs Neue vor ihre Augen hielt. Die junge Frau bog den Rücken durch, als wollte sie sich winden um ihrem Schicksal zu entkommen. Es berührte sie längst nicht mehr zu töten. Es hatte ihr nur Schmerz gebracht zu bedauern. Irgendwann zwischen den Jahrzehnten, als sie ihre Gefühle abgestreift hatte, wollte es begonnen haben ihr zu gefallen. Ein paar Sekunden Freude wurden ihr vergönnt, wenn diese Wesen ihr gehorsam folgten, so lange bis sie ihren letzten Atemzug aushauchten. Das Meer tobte voller Erwartung, spornte sie an. Das Blut pulsierte durch ihre Adern. Jemand würde auch in dieser Nacht sterben um das Mädchen glücklich zu machen. Wie in Trance, gefesselt von ihrer Qual bewegte sie sich geschmeidig in Schrauben nach oben. Ihr Fischschwanz peitschte umher. Ihre Haare waren schwärzer als die Nacht selbst und ihre Augen zeugten von Tod. Sie hasste die Menschen. Hasste sie dafür nie allein zu sein. Die Nixe sah aus wie eine Kobra, die zu einem Schlag ausholte. Den Kopf bereits erhoben, ihre Beute fixierend, die Angst nutzend für ihre eigene Überzeugung. Es gab kein Entrinnen. Keine Waffe befand sich in ihren Händen. Auch dieses Mal würden ihre Hände nicht zur Verantwortung gezogen werden können. Sie konnte die Seelen fühlen, die ihr Begehren erreichten. Wie dumm waren die Menschen, die sich zu dieser Zeit in das Unwetter wagten, die ihre friedliche Ruhe störten. Sie waren selbst schuld an ihrem Tod und für dieses Vergehen würden sie mit ihrem Leben büßen müssen. „Ich werde euch erziehen.“ Ihre Stimme klang melancholisch, als wäre sie traurig. Die Worte schienen grausam. Ihr Mund stand leicht offen, voll gieriger Lust. Dann hob sich ihr Marmorleib empor. Amaya ähnelte einer Göttin. Sie konnte die Menschen nicht sehen, die sich hierher verirrt hatten. Doch die Nixe fühlte ihr Leben. Dieses Leben, was ihr mehr bedeutete als alles andere. Ich will nicht allein sein. Vielleicht hätte man ihr Handeln in einer anderen Situation verstehen können. Die Nixe schnellte aus dem Wasser. Nicht einmal der aufmerksamste Beobachter hätte den zierlichen Körper bemerkt. Aber es sah ohnehin niemand zu ihr. Sie konnte ihre Schreie hören. Die endlose Angst, dass sie sterben könnten. Dabei maßen sie der wahren Gefahr keine Beachtung bei. Das konnte die Schwarzhaarige nicht zu lassen. Sie wollte ihre Aufmerksamkeit und würde diese auch bekommen. Amaya duckte den Kopf unter dem Regen wie zischende Schwerter. Der Schmerz stachelte sie nur noch mehr an. Verlangen grub sich in ihre befleckte Seele. Die Wolken hingen unnatürlich tief und der Regen wirkte wie herabfallende Pfeile. Sie zwinkerte, dass die Regentropfen von ihren schweren Wimpern fielen. Wie lange sie in diesem Meer wandelte, wie lange sie ihre Einsamkeit fristete, wie lange sie die Sterblichen verfolgte um zu ihrer Mörderin zu werden? Sie wusste es nicht, sie wusste nur: zu lange. Sie war das namenlose Grauen, das niemand kannte und doch alle fürchteten, ähnlich einer Sirene. Dann fiel ihr Blick auf die Menschen. Ein Lachen erschütterte ihre Brust. Diese erbärmlichen Kreaturen klammerten sich an das Schiff voller Hoffnung auf Leben. Warum sollte sie nicht das Recht haben deren Hoffnung zu ihrer eigenen zu machen? Die Nixe glitt auf sie zu. Ein wohliges Kribbeln jagte über ihren Rücken. Sie würde diese Wesen in einen sanften Schlaf bringen, aus dem es kein Erwachen gab. Doch es würde ihre Kraft werden. Das Lächerlichste war: Die Männer waren froh und dankten ihr für diese unvergesslichen Erinnerungen. Sie lächelten gelassen während das Leben unaufhaltsam wich. Ein boshaftes Lachen durchflutete die Nacht. Kein irdisches Geschöpf wäre dazu fähig gewesen. Das war ihre Strafe an die Götter, die sie zu dem gemacht hatten was sie war. Für diese Sünde löschte sie Menschen aus. Diese Männer, auf dem Schiff, das in ihren Augen einem Papierboot nahekam, konnten nichts dafür. Sie hatten ihren Zorn nie auf sich gezogen. Dennoch würde diese Nacht ihr Ende sein. Diese Reise war allerdings erst der Anfang gewesen. Ein Strudel hob ihren Körper in die Höhe. Der Mond erhellte sie. Als sie den Blick auf diese Schönheit hefteten waren sie verloren. Der Wind legte an Stärke zu. „Ich werde euch erlösen.“ Ihre Stimme war voller Überzeugung. Sie glaubt ihren Worten. Ihre Lippen öffneten sich. Die Welt schien auf sie zu warten. Und dann erfüllte ihre Stimme die Nacht. Nichts war mehr zu hören außer diesem Klang. Macht lag darin, kristallklar und unverfälscht. Es klang süßlich, liebreizend. Die unterschwellige Gefahr wurde nur allzu gerne überhört. Die Nixe breitete ihre Arme aus, als wollte sie die Menschen begrüßen. Ein Mann mit kastanienbraunem Haar trat vor. Sein Blick war in die Ferne gerichtet und würde nie wieder in diese Welt zurückkehren. Ihre Stimme war bezaubernd, was bei ihr wortwörtlich zu nehmen war. „Komm mit mir. Sei mein Gefährte.“ Nur kurz unterbrach Amaya ihren Gesang. Nur einen Augenblick um diese verführerischen Worte aus ihrem Mund dringen zu lassen. Doch damit war es zu spät. Ihre eine Gesichtshälfte lag nach wie vor im Schatten. Aus der Dunkelheit glommen ihre roten Augen heimtückisch. Der Mann tat einen Schritt über den Rand des Bootes. Kein Zögern lag in seinem Blick. Es waren nur zwei Männer. Nur zwei Seelen, die das Loch würden füllen müssen, das ihre Einsamkeit gerissen hatte. Ihre Erwartungen waren hoch. Ein leises Lächeln umspielte ihre Lippe. Ihre Hand griff nach der seinen. Glücklich lachend ging er mit ihr, folgte ihr in die Tiefen, aus denen er nie wieder auftauchen würde. Doch sie wusste nicht, dass sich in dieser Nacht alles ändern sollte. Lieblich singend begleitete sie ihn in den Tod. Amaya wusste darum, das er einen schönen Traum hatte, denn sie zeigte ihm diesen. Sie war doch gütig, schließlich war es ein sanfter Schlaf. Die Nixe sah in seine Augen. Eine Freude, wie er sie nie zuvor gespürt hatte spiegelte sich in ihnen. Es war ein trügerischer Frieden, nur oberflächlich klang er nach Ruhe. Doch er konnte die Tiefe, in der die Wahrheit schlummerte nicht ausfindig machen. So glaubte er ihren Lügen. Beinahe zärtlich ließ sie ihn los. „Danke, dass du meine Einsamkeit linderst.“ Er trieb nach unten, dort wo es kein Zurück gab. Amaya sah ihm hinterher und hielt den Traum aufrecht. Ein Traum, der von Hoffnung zeugte, die allerdings vergebens war. Das Letzte was er sah waren ihre glühenden roten Augen. Dann kehrte sie um. Dort oben wartete noch einer auf sein Schicksal. Erneut hatte sie jemand den Tod beschert, ohne ihn auch nur berühren zu müssen. Es gefiel ihr aber sie zu fühlen, schließlich war es der einzige zwischenmenschliche Kontakt, den sie hatte. Vielleicht, wenn sie geahnt hätte was sie erwartete, hätte sie ihn in Frieden gelassen. Das Unwissen schütze sie nicht vor den Folgen. Wider Erwartens traf sie auf Entsetzen „Du hast meinen Bruder getötet.“ Der Mann sah sie anklagend an. Seine Angst ließ ihn zurückweichen. Das blonde Haar reichte ihm bis zum Kinn. Dann veränderten sich seine Gesichtszüge. In seinen Augen lag unverhohlener Zorn. Die Nixe schrak zurück. Er dürfte dergleichen nicht empfinden. Er sollte benebelt sein von ihrem Gesang. „Deine Stimme kann mich nicht erreichen.“ Zum ersten Mal in all der Zeit war sie überrascht. Noch nie hatte sich jemand ihrem Befehl widersetzen können. Dieses Wesen faszinierte Amaya wie nie eines zuvor. Ihr Begehren stieg ins Unermessliche. Vielleicht könnte er bei ihr bleiben, für immer. Ihr fielen drei Worte ein, die Menschen benutzten wenn sie jemand bei sich haben wollten. „Ich liebe dich.“ Ihre Stimme war angereichert mit glühender Liebe. „Wie kannst du von Liebe reden? Du, die jedem nimmst was er liebt.“ Das Lächeln verblasste, als wäre es nie da gewesen. Der Wind hatte es davon getragen. Enttäuschung machte sich in ihr breit. „Dennoch“, fuhr er fort. „Du hast mir alles genommen, was von Bedeutung für mich war. So nimm mich mit. Dort wo du auch ihn hingebracht hast. Zeige mir deinen sanften Tod.“ Die Nixe gehorchte sofort. Wie ein Geliebter nahm sie ihn in Empfang. Der Blonde ließ sich ruhig in das Wasser fallen. Sie zog ihn in eine Umarmung und schwamm dann kopfüber nach unten. Das Meer liebkoste die beiden. Die Sehnsucht nach Zuneigung brannte in ihr, sodass es schmerzte. Die Schwarzhaarige wollte, dass er ihrem Verlangen ein Ende setzte. Sie sang wie sie es nie zuvor getan hatte. Vorsichtig, als hätte sie Angst das er zerbrechen könnte zog sie ihn in die Tiefe. Sein Blick ruhte auf der Frau. Umso glücklicher sie wurde umso mehr ging ihm der Sauerstoff aus. Dennoch blieb er ruhig, als erwartete er seinen Tod bereits. Ihr Gesang füllte das Meer aus, drang in jeden auch noch so dunklen Winkel. In ihrer Stimme schwang eine bisher unbekannte Liebe mit. Die Nixe strich ihm, mit einer für sie seltsamen Sanftheit, die Haare aus dem Gesicht. Dann gab sie ihm einen zärtlich, kühlen Kuss. Trotz ihrem Wunsch, dass er für immer bei ihr bleiben würde tat er das natürlich nicht. Er konnte auch nicht. Aber das wusste sie nicht. So starb er n ihren Armen, hauchte seinen letzten Atemzug in ihrer Umarmung aus. Als sie das bemerkte schrie sie voller Schmerz. Es war ein Schrei, der nie in Vergessenheit geraten würde. Es war der erste und letzte, der je ihre Kehle verlassen sollte. Amaya löste sich behutsam von ihm. Der Mann trieb in die Tiefe. Vielleicht konnte nicht einmal sie sagen, ob ihre Liebe echt war oder nur eine Sehnsucht danach ihre Einsamkeit zu befriedigen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Shizuo
2014-05-07T21:40:34+00:00 07.05.2014 23:40
Also mir gefällt diese Geschichte, aber sie ist so traurig. Dieser Zwiespalt zwischen Sehnsucht und Einsamkeit. Sie möchte nur jemanden haben, der bei ihr ist, ihr aber nicht in den Abgrund folgt und sich von ihr bezaubern lässt. Eben jemanden, der nicht unter ihr steht, sondern auf gleicher Ebene.
Doch darf man sie überhaupt für ihre Taten verurteilen? Sie schenkt den Männern sozusagen einen "schönen" Tod und leidet dabei selbst so sehr.

Es wirkt auch so, als ob jedes Wort genau passt und wohl überlegt ist, das gefällt mir immer besonders an deinem Schreibstil. =) Nur weiter so, ich würde mich freuen bald mal wieder etwas von dir lesen zu können. :3


Von:  Lydra
2012-01-27T16:24:09+00:00 27.01.2012 17:24
Hallo, hallo :)
Also du machst den zweiten Platz bie meimen WB :)
Und das zurecht! Du hast einen verdammt geilen Schreibstil!
Also:
- Der Beginn deiner Story ist einfach klasse !!
- verdammmt gut beschrieben, man sieht es wie in einem Film vor den Augen *_____________*
- du konntest ihre Bewegründe so gut erklären, dass ich wirklich nachvollziehen konnte weshalb sie das macht!
- was mich persönlich gestört hat: Keine Absätze. Ich finde das nmlich ziemlich anstrengend. Ich kann zwar verstehen, dass du damit einen gewissen Gedankenfluss zeigen wolltest, aber nja... ^^
- aso was mir net so gut gefällt - und das muss ich wirklich bemängeln: Der TITEL!!!! Der passt (aus meiner Sicht) gar nicht. Ich hätte eher ein Titel wie... 'Einsame Finsternis' oder so... aber so was soll man einem Künstler ja nicht vorschreiben xD

So das wärs.
Weiter so, bekommst ein favo ^^
Lydra


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