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Ghosts

Ein kleines Mädchen, das das Leben zweier BO Agenten durcheinander bringt
von

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The Race Begins - Der Wettlauf beginnt

Als Conan und Ai bei Ayumis Haus ankamen, fanden sie zu ihrem Erstaunen die Haustür weit geöffnet und das Wohnzimmer in Unordnung vor, denn überall lagen umgekippte Möbelstücke und Geräte herum. Schnell rannten sie hinein, wohl wissend, dass dies nichts Gutes zu bedeuten hatte. Vielleicht, so dachten sie besorgt, war ihre Vermutung richtig gewesen und Ayumi war nicht alleine gewesen, als Conan sie angerufen hatte.
 

Conan zeigte auf die Stufen. „Es sieht nicht so aus, als wäre jemand zu Hause, aber wir sollten auf jeden Fall alles absuchen. Du schaust oben nach und ich werde mich hier mal umsehen“, wies er sie an, jedoch verstummte er, als er plötzlich ein Stöhnen hörte, das aus der Küche kam. Während Conan und Ai alarmiert aufblickten stolperte Frau Yoshida aus der Küche und lehnte sich mit einer Hand an den Türrahmen, mit der anderen hielt sie ihren Kopf.

„Yoshida-san!“ brachte Conan überrascht hervor. „Was ist passiert?“
 

Diese blinzelte, während sie versuchte sich auf die beiden scheinbaren Kinder vor ihr zu konzentrieren. „Ich… Ich weiß nicht“, gab sie zögerlich zu. „Ich bin heimgekommen und alles war ein einziges Chaos, und dann hab ich Ayumi gerufen…und dann hat mich etwas am Kopf getroffen.“ Sie schwankte leicht und Conan und Ai kamen ihr zu Hilfe, aber dann fing sie sich wieder. „Ist… Ist Ayumi da?“, fragte sie die beiden besorgt.
 

Conan schluckte hart. „Wir sind uns noch nicht sicher, Yoshida-san“, gab er zu, jedoch befürchtete er zunehmend, dass sie es nicht war, und dass sie von wem auch immer mitgenommen worden war, der hier eingebrochen und Frau Yoshida verletzt hatte. Vorsichtig bemühte er sich ihre Hand zu nehmen und sie zu einem Stuhl zu geleiten, den Ai vom Boden aufgehoben hatte. „Sie sollten sich hinsetzen, Yoshida-san“, wies er sie an.
 

Sie ließ sich auf das Möbelstück nieder und lehnte sich zurück, während sie sich weiterhin den Kopf rieb. „Ich kann mir nicht vorstellen, was passiert ist“, meinte sie verwirrt. Ai ging um einen Arzt zu verständigen und Conan blieb bei Frau Yoshida.
 

„Yoshida-san, ich weiß, es jetzt bestimmt nicht leicht für Sie, aber ich muss wissen, ob Sie sich noch an etwas anderes erinnern können“, sagte er nun. „Haben Sie irgendetwas gehört, bevor sie niedergeschlagen worden sind – ein seltsames Geräusch, eine Stimme?“
 

Frau Yoshida versuchte sich zu konzentrieren, aber es fiel ihr nicht leicht. „Ich…Ich glaube nicht“, meinte sie zögerlich, und schaute dann besorgt zu ihm herab. „Aber wo ist Ayumi? Ist sie da gewesen als das Haus verwüstet worden ist?“ Obwohl ihre Gedanken noch unklar waren, registrierte sie dennoch, dass sie Ayumi seit ihrer Ankunft zu Hause noch nicht gesehen hatte, geschweige denn irgendein Anzeichen von ihrer Anwesenheit bemerkt hatte. Dieser Gedanke beunruhigte sie sehr, jedoch war sie in ihrem derzeitigen Zustand noch nicht zu demselben Schluss gekommen wie Conan und Ai.
 

Bevor Conan antworten konnte kam Ai zurück in den Raum. Während sie mit dem Doktor telefoniert hatte, war sie im Haus mit dem schnurlosen Telefon herumgewandert, um nach einem Zeichen von Ayumi zu suchen. „Sie ist nicht hier“, meinte sie finsterer Miene. „Und sie hat das hier zurückgelassen.“ Sie hielt Ayumis Detektivabzeichen hoch, welches Conan erschrocken anstarrte. Das bedeutete, dass sie keine Möglichkeit hätten ihrer Spur zu folgen! Aber hatte sie es bewusst zurück gelassen oder war sie dazu gezwungen worden von ihrem Entführer? Oder hatte er es ihr einfach so abgenommen?
 

„Heißt das, jemand hat sie mitgenommen?“ rief Frau Yoshida aufgebracht, der Schock über diese Neuigkeit hatte sie fast gänzlich wieder in die Realität zurückgeholt. Sie schnappte sich das Abzeichen und drehte es in ihren zitternden Händen herum. Conan atmete tief ein. „Ich befürchte, dass es durchaus möglich ist, Yoshida-san“, erwiderte er finster und sah zu Ai herüber. „Du solltest besser auch die Polizei verständigen.“
 

„Hab ich schon“, antwortete sie, ihre blauen Augen verengten sich leicht dabei. „Sie schicken uns Inspektor Megure vorbei.“ Conan nickte zufrieden. „Alles klar. Währenddessen sollten wir das Haus nach möglichen Hinweisen durchsuchen“, meinte er entschieden. „Yoshida-san, ruhen Sie sich aus bis der Doktor da ist. Haibara-san und ich werden uns darum kümmern.“ Er blickte zu Frau Yoshida auf, die dennoch versuchte aufzustehen. Sanft hielt er sie zurück, denn er wusste, dass sie immer noch zu schwach war, um sich zu bewegen.
 

„Mir geht’s gut.“, antwortete sie. Als sie jedoch versuchte ein weiteres Mal aufzustehen überkam sie wieder ein Schwindel und sie musste sich zurück auf den Stuhl fallen lassen. „Anscheinend… geht’s mir doch nicht so gut“, meinte sie kleinlaut.
 

Nachdem der Arzt und die Polizei angekommen waren und das Haus erneut nach Hinweisen abgesucht worden war, fiel Frau Yoshida plötzlich etwas auf. „Das Bild von Ayumi, das auf dem Bücherregal gestanden hat ist weg.“, keuchte sie, und sie zeigte auf das große breite Bücherregal in der Ecke. Ein dritter Hausdurchsuch bestätigte, dass es in der Tat fehlte und dass es nicht einfach irgendwo herumlag. Diese Tatsache beunruhigte die Polizei genauso sehr wie Conan und Ai.
 

„Ich denke nicht, dass Ayumi hier war als das Haus verwüstet worden ist“, meinte Conan zu der Rothaarigen, während sie Megure´s Männern aus dem Weg gingen. „Ich nehme jedoch an, dass dieser jemand hinter ihr her ist. Er hat das Bild wahrscheinlich mitgenommen, um zu wissen, wie sie aussieht. Wenn er sie bereits hätte, hätte er vermutlich nicht das Bild mitgenommen.“
 

Ai verengte ihre Augen. „Wenn er sie noch nicht gefunden hat müssen wir verhindern, dass es passiert.“, erwiderte sie grimmig. Conan nickte zustimmend. „Und wir haben einen weiten Radius abzusuchen, vor allem da wir sie nicht mit dem Abzeichen ausfindig machen können. Lass uns also gleich damit anfangen. Er ging zur Tür und Ai folgte ihm. Mach dir keine Sorgen, Ayumi, sagte er sich schweigend. Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas passiert!
 

Gin warf gerade seine Zigarette aus dem Fenster, als er zufällig einen Blick in den Außenspiegel warf. „Ist dieses Auto nicht schon eine ganze Weile hinter uns?“, knurrte er und wies auf einen dunklen Chevrolet Convertible. Er war sich fast sicher, dass er ihn schon seit einigen Blocks hinter sich gesehen hatte, und er hatte den langsamen Verdacht, dass das kein Zufall war, vor allem als er bemerkte, dass er nicht in das Fahrzeug blicken konnte. Dessen Fenster waren nämlich getönt.
 

Wodka sah in den Rückspiegel. „Ich glaube schon.“ Er runzelte die Stirn. „Aber ich kann es nicht genau sagen.“ Ayumi versuchte ebenfalls etwas auszumachen, jedoch konnte sie von der Position am Boden aus nichts sehen. „Warum sollte uns jemand folgen?“, rief sie aus, und augenblicklich spürte sie eine neue Unruhe in sich. Was, wenn es Ushio war? Vielleicht hatte er nicht geglaubt, was Gin ihm gesagt hatte und jetzt war er hinter ihr her! Vermutlich würde er Gin und Wodka verletzen und sie mitnehmen!
 

Gin fluchte und beschleunigte, er wollte sehen wie das andere Auto reagieren würde. Und wirklich, das andere Auto tat dasselbe, und als der Porsche auf die nächste Spur wechselte, um abzubiegen tat es ihm der Chevrolet nach. Nun wussten sie, dass das Auto ihnen wirklich folgte. Und Gin hatte das Gefühl, dass der Fahrer wusste, dass sie es wussten. „Was machen wir jetzt?“, fragte Ayumi ängstlich. Sie fing an sich aufzurichten, denn sie wollte wissen, was mit dem Auto, das sie verfolgte, passierte.
 

„Bleib unten!“, befahlt er barsch und bog scharf um die nächste Kurve. „Wir müssen ihn abschütteln, egal wer es ist. Andernfalls werden wir sie direkt zu dir nach Hause führen.“ Auch hatte er den aufkommenden Verdacht, dass Ushio oder jemand, der für ihn arbeitete, ihr Verfolger war. Das würde Sinn machen. Es war ihm von Anfang an seltsam vorgekommen, dass Ushio überhaupt erst ihr Auto angesteuert hatte. Und nun fragte er sich, ob die seltsame Frage des ungebetenen Besuchers über den Verbleib Ayumis, um ihr „den letzten Respekt zu erweisen“ eventuell drei Bedeutungen hatte anstatt nur zwei – die einfache Bedeutung, die wahre Absicht, warum Ushio das Grab besuchen wollte und… wahrscheinlich hatte er schon die ganze Zeit gewusst, dass Gin sie nicht getötet hatte, und dass es gar keine letzte Ruhestätte zu besuchen gab. Aber wie hätte er das rausfinden sollen? Konnte er Ayumi ins Auto steigen sehen?
 

Ayumi versuchte sich wieder zurück auf den Boden zu setzen, aber als der Porsche um eine weitere Ecke bog fiel sie stattdessen auf Gins Schoß. Der blonde Assassine war im Moment jedoch viel zu sehr darauf fokussiert, sich von dem Verfolger loszueisen, was fast unmöglich schien. „Denkst du, sie werden anfangen zu schießen?“, fragte nun Wodka. Vorsichtshalber zog er seine Pistole hervor.
 

Gin fuhr um die nächste Kurve und hielt auf ein Parkhaus zu. „Es ist möglich“, antwortete er, „aber ich denke nicht, dass sie schießen werden, außer es ist ihnen egal, ob sie uns tot oder lebendig kriegen.“ Und er hatte das Gefühl, dass man sie lebend wollte. Ushio würde wissen wollen was Gin mit dem Mädchen vorhatte, wenn er in der Tat wusste, dass er sie bei sich hatte. Außerdem würde er auch das Mädchen lebend haben wollen – jedoch, dachte Gin angewidert, würde es Ushio nicht gerade kümmern, ob sie tot oder am Leben war, solange er sie nur in die Finger bekam.
 

Ayumi hielt sich krampfhaft an Gins Mantel fest. Ihre Gedanken überschlugen sich, und sie spürte wie ihr aus Angst erneut die Tränen in die Augen kamen. Würden sie es überleben? Würde Gin-sama am Ende verletzt werden? Sie kniete auf dem Sitz und umklammerte ihn eisern als sie ein Stockwerk nach dem andern hinauffuhren. Das andere Auto war immer noch hinter ihnen. Es musste so sein, sonst würde Gin-sama nicht so rasend schnell fahren. Sie war schon in so vielen Leben- und Todsituationen gewesen seit sie Conan-kun getroffen hatte, und während jeder einzelnen hatte sie sich gefragt ob es ihre letzte sein würde. Und dieses Mal war keine Ausnahme.
 

Dann hörte sie wie etwas an der Seite ihres Wagens vorbeipfiff. Sie wurden angeschossen! Sie duckte sich und wühlte sich weiter in Gins Mantel. Gin fluchte wieder. „Schieß zurück!“, befahl er und Wodka lehnte sich aus dem Fenster, einige gut gezielte Schüsse auf das andere Auto abfeuernd. Eine traf auf die Windschutzscheibe, die zwar splitterte, aber nicht vollständig brach. Eine andere schoss einen der Seitenspiegel weg. Der Chevrolet wich aus als eine weitere Kugel auf die Reifen zielte, gab die Verfolgung aber nicht auf.
 

„Du solltest besser schnell etwas unternehmen, Aniki!“, rief Wodka als sie das Dach des Parkhauses erreicht hatten. „Wir verlieren an Raum zum Ausweichen!“

Gin knurrte. Als sie sich dem Vorsprung näherten, begann er gedanklich die Distanz zum nächsten Gebäude auszurechnen, und die Geschwindigkeit die dafür nötig war. Dann fuhr er rückwärts, um Anlauf zu nehmen, während der Chevrolet immer noch etwas weiter hinter ihnen war.
 

Wodka riss erstaunt den Mund auf. „Du wirst doch nicht etwa genau das tun was ich denke das du tun wirst, oder?“ rief er daraufhin entsetzt. Ayumi sah alarmiert auf. „Ist zwar klischeehaft, aber im Moment ist das unsere beste Chance“, erwiderte er barsch, und nun realisierte er erst, dass Ayumi auf seinem Schoß saß. Das war äußerst gefährlich. Murmelnd sah er zu Wodka hinüber. „Halte sie fest.“, befahl er und Wodka nahm das Mädchen zu sich und hielt sie fest. Es war keine Zeit mehr sie zurück auf den Rücksitz zu setzen.
 

Das Gaspedal durchgedrückt fuhr er direkt über den Vorsprung und für einen wie es schien der längsten Momente in Ayumis Leben befanden sie sich von nichts weiter als Luft umgeben. Dann landeten sie glücklicherweise auf der anderen Seite, gerade als der Chevrolet das das Dach erreichte, das sie gerade verlassen hatten.
 

Wodka wagte es aufzublicken, er bebte innerlich immer noch von dem was sie eben getan hatten. Er atmete tief aus und ließ sich auf dem Sitz zurückfallen, während er immer noch Ayumi in den Armen hielt. „Denkst du sie werden versuchen uns zu folgen?“, fragte er schließlich. Er war froh, dass Gin am Steuer gesessen hatte und nicht er. Wodka bezweifelte nämlich, dass er solch einen Stunt erfolgreich zustande gebracht hätte. Höchstwahrscheinlich, so dachte er, hätte es bei ihm keine Überlebenden gegeben.
 

Gin war bereits dabei ins Innere des neuen Parkhauses zu fahren. „Wir können kein Risiko eingehen.“, antwortete er. Ayumi schauderte. „Gin-sama“, meinte sie schwach, als sie sich an Wodka anlehnte, „ich fühl mich nicht gut…“ Das war definitiv schlimmer und weitaus beängstigender gewesen als jede Achterbahn in einem Vergnügungspark. Zudem erinnerte es sie daran, als sie und die anderen Detective Boys mit dem Auto von einem explodierenden Gebäude in einen Swimmingpool von einem gegenüberliegenden Haus hatten fahren müssen, und das war nichts gewesen, was sie hatte wiederholen wollen.
 

Gin fühlte den Ärger in sich aufsteigen. „Du wirst dich aber nicht übergeben, oder?“ meinte er gereizt als er das Auto wieder die Stockwerke hinunterfuhr. Er wollte nicht die Verantwortung für sie übernehmen. Es war Jahre her, dass er auf ein Kind aufgepasst hatte und er wollte nicht wieder damit anfangen. Außerdem taugte er nicht für so etwas. Er war schließlich ein rücksichtsloser Killer und nicht jemand, den ein unschuldiges Kind wie Ayumi als Vorbild oder Idol betrachte sollte. Sogar er erkannte das.
 

„Ich hoffe nicht“, kam es leise von Ayumi, die sich wünschte, dass sie endlich anhalten würden. „Damit wären wir schon zu zweit“, knurrte er. „Vielleicht würdest du dich besser fühlen, wenn du versuchen würdest zu schlafen.“ Und wenn sie erst mal schlafen würde, dann wäre es Gin möglich, sich besser darauf zu konzentrieren was zu tun war. es machte ihn nämlich leicht nervös, wenn sie wach war und mit ihm redete, sich an ihn klammerte und ihn „Gin-sama“ nannte. Es gab ihm das Gefühl als erwartete sie das Unmögliche von ihm, dass sie glaubte jemanden in ihm zu sehen, der er niemals würde sein können.
 

Aber warum, dachte er, warum beunruhigte ihn das so sehr? Es war ja nicht so als fürchtete er sich davor nicht das erfüllen zu können was andere Menschen als sein Vorgesetzter von ihm erwarteten. Er war immer der Meinung, wenn sie ihn nicht leiden konnten, dann war das ihr Pech. Er würde sich nicht für jemand anderen ändern.

„Ich glaube nicht, dass ich schlafen kann.“, antwortete Ayumi nun. Es fiel ihr immer schwer, einzuschlafen, wenn es ihr schlecht ging, aber wenn sie einfach mal anhalten würden konnte sie es versuchen.
 

„Nun, versuch´s trotzdem“, erwiderte Gin als sie endlich das Parkhaus verließen und um die nächste Ecke bogen. Mit einem Seufzer kuschelte Ayumi sich an Wodka und versuchte einzuschlafen. Dass sich der Wagen weiter bewegte machte es nicht einfach, aber sie versuchte nicht daran zu denken. Nach einer Weile verschwamm die Umgebung zu angenehmen vagen Schemen und sie verfiel in einen dämmernden Zustand, in dem man nicht mehr sagen konnte ob man schlief oder bei Bewusstsein war.
 

Nachdem sie mehrere Blocks hinter sich gelassen hatten, indem Gin in hohem Tempo durch die Straßen gefahren war um sicher zu gehen, dass sie so viel Abstand wie möglich zwischen sich und das Verfolgerauto gebracht hatten, parkte er schließlich auf der anderen Seite einer verlassenen Lagerhalle. Nachdenklich lehnte er sich im Sitz zurück und sah zu Wodka hinüber. „Wenigstens haben wir sie jetzt für eine Weile vom Hals, denke ich“, befand er schließlich und verengte die Augen. „Aber so kann es nicht weitergehen. Das ist lächerlich!“ Wodka konnte dazu nur nervös nicken. „Denkst du, sie waren hinter uns her oder dem Kind?“, wunderte er sich, während er einen Blick auf Ayumi warf, die nun zwischen ihnen war und wieder weiter zu Gin rüber gerückt war, ihr Kopf auf seinem Schoß.
 

Anscheinend war sie zum Schluss doch noch eingeschlafen, und der Anblick des unschuldigen Kindes, welches auf dem Schoß des kaltherzigen Assassinen döste, gab ihm Anlass kurz innezuhalten. Als Wodka sah, dass Gin seinem Blick gefolgt war und sich auf seinem Gesicht ein Ausdruck von Verwirrung wiederspiegelte, hatte Wodka Mühe ernst zu bleiben.
 

„Ich weiß es nicht“, knurrte der Blonde daraufhin. „Vielleicht hinter uns beiden. Ich nehme an, es war wahrscheinlich Ushio oder jemand den er angeheuert hat. Du weißt, er hasst es angelogen zu werden. Ich frage mich, wen er wohl gerade lieber in die Finger kriegen will, sie oder mich.“ Er griff nach einer Zigarette, aber bevor er eine nahm, schien er noch einmal umzudenken, als er sich daran erinnerte, dass es Aymui gestört hatte. Und so blickte er stattdessen einfach zu Wodka hinüber, nur um verärgert festzustellen, dass sein Partner sich vergeblich bemühte nicht zu Lachen. „Was?“ meinte er nur verärgert.
 

Wodka grinste nur verschmitzt. „Ich finde es nur irgendwie lustig, Aniki“, gab er zu. „Im Moment sitzt du hier mit einem schlafenden Kind auf deinem Schoß, obwohl du eigentlich ein rücksichtloser Killer sein solltest, einer der besten der Organisation.“ Ein Knurren war von Gin zu hören, als er in seine Manteltasche griff, seine Pistole herauszog und auf Wodka richtete. „Sollte?“, wiederholte er finster.
 

Wodka schluckte. „Ich… ich meine, du bist, natürlich“, stammelte er, während er auf den Lauf der Waffe starrte. Er dachte zwar nicht, dass Gin ihn erschießen würde, aber es macht ihn dennoch immer noch nervös, wenn die Waffe auf ihn gerichtet war und Gin ihn zugleich mit eiskalten smaragdgrünen Augen anfunkelte. Wodka wusste, dass diejenigen, auf die der blonde Assassine angesetzt worden war, immer äußerst erschrocken waren, wenn sie erfuhren, dass er es war, den man auf sie angesetzt hatte. Wodka konnte nur zu gut verstehen warum. Gin wirkte sehr einschüchternd auf andere.
 

Manchmal fragte er sich, ob Gin sich überhaupt um ihn kümmerte oder ob es ihm wirklich nichts ausmachen würde, wenn er, Wodka, getötet werden würde. Gin war die meiste Zeit über schwer einzuschätzen. Wodka hatte gedacht, dass er seinen unangepassten Gefährten irgendwann einmal durschaut hatte, aber dann hatte der grünäugige Assassine wieder eine andere Richtung eingeschlagen und ihn überrascht. Wodka wusste, dass Gins Besessenheit die Verräterin Sherry zu beseitigen, darauf zurück zu der engen Beziehung zu führen war, die sie einmal gehabt hatten, und welche Gin nie überwunden hatte.
 

Er liebte sie immer noch und fühlte sich von ihr betrogen. Manchmal machte Wodka sich Sorgen darüber, wie das Ende dieser Fehde wohl aussehen würde, da er oft das Gefühl hatte, dass weder Sherry noch Gin lebend aus dieser Sache herauskommen würden. Und er hoffte, dass dies nicht allzu bald geschehen würde.
 

Gin nahm die Waffe runter und sah wieder zu Ayumi herunter. Nun, da sich die Dinge wieder beruhigt hatten, fragte er sich warum zum Henker er nichts unternommen hatte, als sie sich an ihn geklammert hatte, als er den Wagen gesteuert hatte. Es war ziemlich gefährlich, und er wusste, dass er es niemals erlaubt hätte, wenn er wirklich bewusst bemerkt hätte. Aber er war zu sehr damit beschäftigt gewesen von den Verfolgern loszukommen, um es zu registrieren, und Wodka hatte sich darauf konzentrieren müssen, das Auto im Auge zu behalten und darauf zu feuern.
 

Sie hatten Glück gehabt, dass sie nicht getötet oder schwer verletzt worden waren. Leute wie er und Wodka gingen solche Risiken fast jeden Tag ein, aber Gin wollte nicht, dass das Kind diese einging. Sie sah so friedlich aus in diesem Moment, als wäre sie in kindliche Träume voller Unschuld und Spiele spielend vertieft. Er starrte sie einfach nur an für eine Weile, versunken in seine eigenen Gedanken über seine Vergangenheit. Sie war nicht das erste kleine Mädchen, das zu ihm aufblickte und ihn verehrte.
 

In seinen Gedanken sah und hörte er immer noch den ernsten Rotschopf, mit dem er aufgewachsen war. Er war älter als sie und hatte immer den Drang verspürt sie beschützen zu müssen. Es hatte ihn wütend gemacht, wenn man sie drangsaliert hatte, weil sie anders war. Allein die Tatsache, dass sie anders war, hatte sein Interesse geweckt. Er nahm an, dass er sie anfangs als kleine Schwester gesehen hatte. Aber sie waren in keinster Weise blutsverwandt, und als sie älter geworden war hatten sich seine Gefühle für sie verändert.
 

Aber im Moment wollte er nicht daran denken. Während er das schlafende Kind betrachtete, erinnerte er an die Zeit als der Rotschopf gerade mal sechs Jahre alt war, und er vierzehn. Es war gegen Ende ihrer ersten Schulwoche an der Grundschule gewesen, und sie hasste die Schule bereits.
 

Er war gekommen um sie nach der Schule abzuholen. Er hatte am Tor gewartet und beobachtete die herausströmende Schülerschar. Sie war unter den letzten, die das Schulgebäude verließen, langsam spazierend als ob sie entweder tief in Gedanken versunken oder deprimiert war, oder beides. Er rief ihr zu und sie blickte auf, ein Ausdruck der Erleichterung zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, als sie ihn erkannte. Sofort rannte sie zu ihm, erpicht darauf bei jemandem zu sein, der sich um sie sorgte.
 

„Schon wieder ein schlechter Tag?“ fragte er, als sie das Schulgelände verließen. Sie nickte. Beide galten als ruhige Personen, und sie redeten auch nicht notwendigerweise viel miteinander, aber sie standen sich sehr nahe und genossen die Präsenz des jeweils anderen. „Warum werden wir hier nicht gemocht?“ fragte sie schließlich und sah ihn mit traurigen blauen Augen an. „Wir sind doch keine schlechten Menschen, oder?“
 

Er blinzelte kurz überrascht, obwohl er eigentlich erwartet hatte, dass sie so etwas in der Art irgendwann einmal fragen würde. Seine Gesichtszüge verfinsterten sich, als er es ihr erklärte. „Wir sind keine schlechten Menschen, Shiho“, antwortete er. „Sie hassen uns, weil wir nicht so sind wie sie. Wir sehen anders aus. Wir haben andere Sitten gelernt. Wir interessieren uns nicht für dieselben Dinge wie sie. Wir werden immer Außenseiter für sie sein.“ Er strich sich einige seiner Strähnen aus dem Gesicht. Selbst als Teenager hatte er es vorgezogen seine Haare lang zu tragen, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt nur ein paar Zentimeter über seine Schulter reichten und er sie normalerweise nach hinten gebunden hatte.
 

Sie schmollte und starrte auf den Gehweg. „Das ist nicht fair.“, meinte sie leise. „Wir sind immer noch Menschen genau wie sie.“ Er schaute nach vorne, wo sie sich langsam einem Zebrastreifen näherten. „Es ist so wie es ist.“ antwortete er einfach. „Aber wir brauchen sie nicht. Jeder, der dich grundlos abweist ohne dich jemals richtig kennen zu lernen, ist es nicht wert, dass man sich darüber Gedanken macht.“ Sie sprachen auf Japanisch, wie sie es immer taten, wenn sie außerhalb der Schule waren.
 

Sie bevorzugten es auf diese Weise, denn somit konnten ihre Gespräche nicht so einfach belauscht und verstanden werden. Sie für einen langen Moment still, als sie die Straße überquerten. „Dann… schätze ich mal, dass fast keiner es wert ist“, bemerkte sie daraufhin, während sie einem Riss auf der Straße auswich. Dieser war schon seit Monaten dort, und niemand hatte sich bis jetzt darum bemüht ihn zu entfernen. Sie hatte sich daran gewöhnt, ihn an jedem Wochentag zu sehen. Es war eine Unterbrechung der sonst so glatten Oberfläche, aber niemand störte sich daran.
 

Wie sehr, dachte sie, glich es ihr und ihm in ihren Schulen. Sie waren da, aber unbemerkt und unbeachtet, nichts weiter als ein Ärgernis, genau wie dieser Riss. Oder, wenn sie wollte, so mutmaßte sie, konnte sie den Riss als die unerwünschten Leute sehen. Das Problem war jedoch, dass es sie eben doch kümmerte nicht akzeptiert zu werden. Ihm schien es gleichgültig zu sein, dass er nie beliebt sein würde, aber ihr war es nicht egal. Sie war immer noch zu jung, und sie war in einem Alter, wo sie diese Tatsache noch nicht akzeptiert hatte.
 

Sie wollte von den anderen in der Schule und in der Nachbarschaft gemocht werden. Er knurrte. „Du begreifst schnell.“ Aber es machte ihn wütend, dass sie es erfahren musste. Ihre Kindheit war nicht normal und er fragte sich, ob sie jemals glücklich war. Manchmal ärgerte er sich darüber, dass sie beide hierher gebracht worden waren. Er hatte die meiste Zeit seines jungen Lebens in Japan verbracht, aber ein Jahr bevor sie bei ihm und ihrem Mentor zurückgelassen worden war, waren sie zurück in die USA umgezogen. Er vermutete, dass er eigentlich an gar keinen von beiden Orten passte; er war weder in Japan noch in den USA geboren, und er war sich sicher, dass man oft in beiden Ländern auf ihn herabblickte.
 

Aber er hatte gelernt, damit umzugehen und sich nichts daraus zu machen was andere über ihn dachten. Er lebte seine Leben wie dachte, dass es ihm passte, und das war alles was ihn kümmerte. Dennoch hatte er sich gewünscht, dass sie ein besseres Leben als er führen würde. Ihre Schwester hatte es auch so gewollt. Sie hatte es mit ihm besprochen, als sie gehört hatte, dass Shiho nach Amerika geschickt werden würde um bei ihm zu leben.
 

„Ich frage mich, ob wir in Japan glücklicher wären.“, sagte sie leise. „Es hört sich nach einem großartigen Ort an…“ Er zuckte nur mit den Schultern. „In einigen Dingen würden wir dort besser hin passen“, gab er zu. „Aber in anderen Dingen wäre es wohl dasselbe, oder sogar schlimmer.“ Sie biss sich auf die Lippe. „Aber… wo gehören wir dann hin?“, flüsterte sie, verloren klingend.
 

„Menschen wie wir… gehören nirgendwo hin“, antwortete er. Vielleicht, dachte er zurückblickend, war es ein zu deprimierendes Thema gewesen, das ihr in so jungem Alter erklärt worden war, aber andererseits hatte sie es ja schon von anderen mitbekommen. Wenn sie die Kindheit gehabt hätte, die er und Akemi für sie gewollt hatten, dann hätte er nicht diese Worte zu ihr sagen müssen. Stattdessen hätte er ihr ihre kindliche Naivität gelassen solange wie sie gedauert hätte.
 

Nun hatte sie aufgehört weiter zu gehen und schaute ihn einfach nur an, und versuchte zu verdauen, was er gesagt hatte. Er hielt ebenfalls an und betrachtete sie, und sah die Emotionen, die sich in ihren Augen widerspiegelten – Fassungslosigkeit, Schock, Traurigkeit, und dann Verständnis und Resignation. Sie wusste, dass es wahr war, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte. Aber dann schien ihr etwas anderes einzufallen, und eine neue Entschlossenheit leuchtete in ihren blauen Augen auf.
 

Langsam bewegte sie sich vorwärts und sah zu ihm auf, und in diesem Blick sah er keine sechsjährige mehr, sondern jemand viel älteren. „Ich glaube nicht, dass das wahr ist“, meinte sie leise und griff nach seiner Hand. Er sah sie überrascht an, als sie seine Hand nahm. „Menschen wie wir… gehören zusammen.“ Ein sanftes Lächeln erschien daraufhin auf ihren Lippen, als hätte sie eben herausgefunden, dass sie die Lösung für dieses Dilemma entdeckt hatte und zufrieden mit ihrer Schlussfolgerung war. Und höchstwahrscheinlich war sie es, dachte er.
 

Er schenkte ihr einen sanften Blick, auch wenn er nicht zurücklächelte. Vielleicht, so dachte er, lag sie ja richtig.


 

Gin fuhr aus seinen Gedanken zurück in die Realität, als Ayumi sich bewegte. Er konzentrierte seinen Blick auf sie und realisierte mit einem Mal, dass er sie einfach nur angestarrt hatte ohne sie wirklich zu sehen. Auch fiel ihm plötzlich auf, dass er irgendwann seine Hand auf ihren Kopf gelegt haben musste, während er in Gedanken versunken gewesen war. Seufzend zog er die Hand zurück und sah zu Wodka hinüber, wahrscheinlich hatte er seine Freude an dieser Szene. Aber der andere Agent sah er so aus als wäre er im Halbschlaf, obwohl er verzweifelt versuchte wach zu bleiben.
 

Gin lehnte sich zurück und starrte an die Decke. Sich hinlegen und die Augen schließen hörte sich zwar nach keiner schlechten Idee an, aber er wusste, dass es nicht sicher wäre, wenn beide zur selben Zeit schlafen würden. Einer musste Wache schieben. Und da Wodka bereits auf halbem Weg ins Traumland war, entschied Gin, dass es sinnlos wäre ihn die erste Wache schieben zu lassen.
 

Er fragte sich, was um Himmels willen sollten sie mit dem Kind machen. Im Moment schien es zu gefährlich etwas zu unternehmen solange sie nicht wussten wer hinter ihnen her gewesen war und warum. Diese Tatsache ärgerte ihn gewaltig. Ihm gefiel es nicht, wie sie ihn unwissend dazu brachte sich wieder an vergangenen Zeiten zu erinnern, Zeiten die für immer vorbei waren. Er war nicht länger der Teenager, mit dem Shiho an diesem Herbsttag zusammen gewesen war, und sie war nicht mehr dasselbe Mädchen von damals. Sie waren erwachsen geworden, hatten sich voneinander entfernt, zum Guten oder zum Schlechten.
 

Er wurde abrupt aus seiner erneuten Tagträumerei gerissen, als Wodkas Handy klingelte, welches auch ihn aus seinem Schlummer holte. Er suchte das Gerät hervor, öffnete es und murmelte so etwas wie ein „Hallo“. Gin blickte darauf zu Ayumi hinunter und stellte fest, dass sie immer noch schlief. Er schüttelte den Kopf. Es schien, dass sie bei fast allem, was um sie herum geschah, schlafen konnte.
 

Der Anruf dauerte nicht lange. Nach kurzer Zeit nahm Wodka das Handy wieder vom Ohr weg und starrte es an als wären dem Gerät Hörner gewachsen. Gin sah es und blickte ihn fragend an. „Was ist?“, verlangte er zu wissen.
 

Wodka warf ihm einen grimmigen Blick zu. „Es war Ushio“, erklärte er ihm. „Er sagt, er weiß, dass wir das Mädchen haben.“



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