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Blickwinkel

Taito
von

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Teil I

Musiker ist ein Traumberuf. Mein Traumberuf. Entgegen aller Erwartungen hatte ich es geschafft. Mich durchgesetzt, aus tausenden von Newcomern in diesem Jahr bin ich hervorgestochen. Die Konkurrenz haus hoch geschlagen. Nun beneideten sich mich, ich wusste es, denn ich war ihnen einen Schritt voraus. Man sagte mir ich habe Gefühl in meiner Stimme, lebe die Lieder, die ich schreibe. Als würde jedes einzelne meinen Erlebnissen entspringen. Fange die Menschen ein mit meinem Charme, meiner Sympathie, meinem Charisma. Ich strahle von Innen nach Außen und von außen nach innen.
 

Sie wissen nichts.
 

Ich bin hübsch, keine Frage. 20 Jahre jung, zwar nicht übermäßig groß, ich meine es sind fast 1,80, aber schlank, athletisch, obwohl ich Sport mehr verabscheue als alles andere auf der Welt, naturblonde Haare, helle Haut - eine Seltenheit in dieser Region, die Kälte und Winter so wenig kannte wie die Menschen um mich herum mich.

Meine Mitmenschen sind meist braungebrannt, solariumdressiert oder sonnengeküsst, haben diese dunklen Latinohaare und irgendeine Augenfarbe, die mir recht egal ist. Ich legte nie besonders wert auf meine Umgebung. Wie ich es hinauf auf mein Podest der Konzerte, Plattenfirmen, Werbeverträge und Fernsehauftritte geschafft hatte, war mir bis heute ein ungeklärtes Mysterium. Ich sah an mir selbst keine Besonderheit, nichts außergewöhnliches - eher andersartiges, abschreckendes. Aber meine Meinung hat wenig Gewicht auf dieser Goldwaage, die sich Musikbranche schimpfte.
 

Es begann wie es beginnen musste. Mit einer Band, denn als Solokünstler wird man nicht entdeckt. Überflüssig zu sagen, dass der Rest meiner damaligen Kameraden nicht denselben Weg einschlagen konnten, wie ich es mit Leichtigkeit tat. Der Sänger war das Herz der Gruppe. Riss man es heraus, gab es keinerlei Chance für Wiederbelebung. Auch künstliche Fremdkörper als Ersatz halfen nicht annähernd.
 

Wir nannten uns mit einer Menge an schlechten Geschmack und mangelndem Improvisationstalent: Crossover. Vermutlich, weil wir dies waren. Unterschiedlicher hätten wir nicht sein können. Unsere Interessen unterschieden sich wie Tag und Nacht. Unser einziges gemeinsames Leitstück war und blieb die Leidenschaft zur Musik. Recht passendes Motivationsmaterial, wenn man sich des Zieles besah. Trotzdessen gab es nur einen einzigen Grund warum ich dieser seltsamen Konstellation betrat: an unserer Schule war es Pflicht einer Art AG beizuwohnen. Da ich, wie bereits erwähnt zu Sport eine innige Hassbeziehung führte, Schachspiele meine geistige Zurechnungsfähigkeit ebenfalls weitestgehend überforderten und ich bereits jede Kochstelle in eine weiträumige Mondkraterlandschaft verwandelt hatte - blieb mir nur diese Alternative.
 

Wir - nun, eigentlich ich, wurde entdeckt auf einem unserer Pflichtkonzerte, bei denen wir unser können unter Beweis stellen sollten. Natürlich hätte ich beim Singen meiner übertrieben rockigen, aber peinlich simpel komponierten Songs (ich spiele übrigens auch Gitarre - was für ein Klischee), nicht den blassesten Schimmer, dass sich unter den Zuschauern - der gesamten Elternschaft unserer Schule, ein Manager befand. Bei späteren Nachforschungen stellte sich heraus, dieser Mann war der Vater eines Jungen aus unserem 2. Jahr. Wie dem auch sei, er fand mich.
 

Der Rest ging schneller als mir lieb war. Schule beendet. Es war sowieso mein letztes Jahr. Rausgerissen aus der gewohnten Umgebung, weit Weg von Familie und Freunden. Es sei nicht gut für meine Karriere. Ich glaubte ihnen, schließlich wollte ich es. Musik, Geld, Luxus, welcher Junge aus einfachen Arbeiterfamilienverhältnissen träumt nicht von einem Sprung in Welt der High Society?

Sie sollten es mir nicht übel nehmen.
 

Sie taten es dennoch.
 

Schon bald bemerkte ich, wie eintönig es war in dieser vorgefertigten Einsamkeit. Ich bekam Fanpost, jeden Tag zwei Postsäcke voll, warf sie weg ohne Elan sie je zu beantworten. Ich kannte die Fragen die in ihnen standen, jede einzelne, war mir bereits bekannt. Kaum eine hatte nicht mit zweitklassigen Anhimmelversuchen und somit Datingangeboten zu tun. Sogar Sex wurde mir angeboten, aber ich ignorierte sie alle, diese Macht- und Erfolgsgierigen Mitmenschen. Ich lag lieber vor dem Fernseher, High Definition, Dolby Surround, LCD Plasma Bildschirm.
 

Ich wohnte in einem dieser 1000 Apartments, im 8. Stock in schwindelerregender Höhe und ich fragte mich so oft, warum eigentlich, wo ich doch panische Höhenangst hatte. Es lag in Mitten dieser gigantischen Metropole mit dem Stand der Anonymität aller Menschen. Ich kannte keinen meiner Nachbarn persönlich. Es war groß, bereits fertig eingerichtet als ich einzog. Ein überdimensionales Wohnzimmer, große Ledercouch, ein Kamin, eine elegante Küche nebenan, die wahrscheinlich für immer unberührt bleiben sollte. Das Schlafzimmer mit gefühltem einem Quadratkilometer Spielwiese, das Badezimmer mit den braunmarmorierten Fliesen. Jeder zweitklassige Promi fand hier sein geheiligtes Land - nur ich nicht, für mich wirkte alles penibel steril, so dass ich, obwohl es mein eigenes Zuhause war, mich kaum traute irgendwo einen Fettfinger zu hinterlassen.

Manchmal hingegen gab ich dem Drang nach, drückte meine Hand direkt an eine der glänzenden Fliesen im Badezimmer. Ich hinterließ einen höchst schmierigen Abdruck. Am nächsten Tag war der unpassende Fleck verschwunden, als sei hier nie jemand gewesen. Zauberei? Nein, nur eine höchst zuverlässige Putzfrau die auftauchte, wenn ich das Haus verließ und verschwand bevor ich wieder kam. Ich bekam sie niemals zu Gesicht, nur durch den Hotelleiter wusste ich, dass es sich bei der Putzkolonne keinesfalls um fleißige Heinzelmännchen handelte.
 

Da war ich nun, verbrachte die tristen Tage meines Daseins als super-mega-angesagter Rockstar, damit zu lächeln - Fotos von mir machen zu lassen, von diesen Menschen die sich Paparazzis, Journalisten oder Fans (Stalker) schimpften. Ich trat in Fernsehsendungen auf, gab dort meine vermeintlich tiefsten und dunkelsten Geheimnisse preis, flirtete mit der Moderatorin, so wie man es von einem Sternchen eben erwartete. Ich ließ mich hier und da für eine Werbesport breit schlagen, leckte lasziv an der neusten Eissorte - Milchreis-Pflaumen-Sorbe oder posierte in ‚cooler‘ Pose vor dem neusten Modell des Mercedes. Natürlich gab ich Konzerte mit einer nach dem Programmierbefehl Randomize zusammengewürfelten Band, die jedes Mal etliche Tonproben brauchten um meinen Stücken das nötige Einfühlvermögen zu gewähren. Vergebens, selbst wenn ich Gefühle mit meinen Liedern hätte verkörpern WOLLEN, wäre es mir durch diese Stümper nicht gelungen. Letztendlich gab es nur noch wenige Tätigkeiten bei denen ich mich entspannt fühlte, aber auch diese standen mit der Arbeit in Verbindung: Songs schreiben. Man sollte meinen meine Muse brodelte über, ein Song nach dem anderen ließ sich aus meinen Fingern saugen - nein, so war es nicht, auch wenn diese ganze Show hier mein Einkommen sicherte. Meine Inspiration war weg, vollkommen ausgebrannt, so dass jeder Song der zu Papier kam nicht nach mir klang, fremd, gepresst, gezwungen waren, diese Wörter, diese Noten aneinander gereiht. Ich wusste was mir fehlte, doch der Rest der Welt schien die Tatsache, dass sich meine Lieder unweigerlich wandelten nicht im Geringsten zu interessieren. Vielleicht, weil sie schon zu Beginn nicht mehr enthielten als Schall und Rauch. Auch bei mangelhaften Interesse am Rest der Welt, ließ sich meinerseits feststellen: auch die anderen Musiker waren wie ich. Es gab niemanden der mein Herz mit seiner Stimme erweichen konnte. Nicht in diesem Leben.
 

Aber auch diese Gedanken hielten mich nicht davon ab, es erneut und erneut zu versuchen, mit dem minimalen Gefühl an Hoffnung, dass etwas entstand, was mein Leben ungemein bereicherte. Meist war jedoch in meinen Songs nur die ernüchternde Wahrheit auf Papier gebracht, so dass auch andere Leute, falls Neugierde an dem Wesen hinter dem Schein und Sein bestand, in meine Welt hineinblicken könnten, denn solche Texte wurden nicht veröffentlicht.
 

Here you are on the top of the world

gained experience, success,

which is nothing worth.
 

You should know,

that your dream already passed by.

You should know,

that big cars and campaign aren’t enough.

You should know,

that there was someone before.

You should know…

You should know…
 

The time runs slower,

the space becomes lower,

under a constant speed.

You lost the constitution,

never knew, how to plan a revolution,

to stroke down the illusion.
 

You should know,

that your dream already passed by.

You should know,

that big cars and campaign aren’t enough.

You should know,

that there was someone before.

You should know…

You should know…
 

You are like a bird,

caught in a metallic cage.

Run, run , run

you won’t touch the edge.

Fail to use your wings -

‘cause only who believes can fly.
 

You should know,

that your dream already passed by.

You should know,

that big cars and campaign aren’t enough.

You should know,

that there was someone before.

You should know…

You should know…
 

You Social Links become zero,

no one come to visit,

the bitterest lifestyle in this century.

Look away, look away

your heart just charge:

You turn wrong,

while he stayed.
 

So entstanden Lieder. So entstanden Geschichten, eine Welt die ich niemanden erzählen durfte, weil es schlicht und ergreifend nicht in meine momentane Vermarktung passte. Stattdessen sang ich Texte, von deren Inhalt ich selbst alles andere als überzeugt war. Lieder wie ‚Scream me a love song‘.
 

Our cold story began,

Just a picture stole my heart,

Made it bleed without mercy!

Looking forward,

to hear your voice,

to see your smile,

and feel your touch!
 

Chorus:

Cry loud!

Scream it out!

This lovely song.

It makes my heartbeat faster...faster.
 

Finally we met,

It was the best thing I ever did!

And from the first moment,

I knew that this love was for real,

Don't think I didn't notice your view,

It'll never be like mine,

Never.
 

Chorus:

Cry loud

Scream it out!

This lovely song!

It makes my heartbeat faster...faster.
 

The time passed by,

I wonder why,

but we became closest friends,

We often stay together,

Learn to laugh together and cry together,

You told me everything and I remained silence.

This bond won't be cut!
 

Chorus
 

Cry loud!

Scream it out

This lovely song!

It makes my heartbeat faster...faster.
 

You dance to our song,

sang it all night long.

Did you scream a lovesong?

Why can't I tell you those 3 words to be with you?!
 

Chorus:

Cry loud!

Scream it out!

This lovely song!

It makes my heartbeat faster...faster.
 

And until now, it was just a song.

In this world without words,

I screamed. But you had never listened!
 

Auch dieses Lied war von mir selbst verfasst, trotz der Tatsache, dass ich mir hier das Blaue vom Himmel erlog. Ideen geklaut aus irgendwelchen zweitklassigen Fernsehsoaps oder aus dem Leben fremder Leute.

So sang ich tag ein tag aus über unerwiderte Liebe, obwohl Liebe für mich heute ein Wort ohne Bedeutung ich. Ich kannte die Liebe zur Familie, die Liebe zu Gegenständen - neu gekauften Sachen, die noch glänzten, wenn man sie aus der Verpackung riss, ich kannte die Liebe zu Freunden, wenn man mit ihnen lachte, herumalberte, die Zeit genoss. Aber verliebt war ich nie gewesen. Zumindest nie so, wie ich es in meinen Werken des Öfteren besang. Oder ich hatte es schlicht und ergreifend vergessen, denn was heute zählte war die Lüge. Ich fragte mich sooft, ob mir auch nur ein einziger Mensch auf dieser Welt glauben konnte, was ich da von mir gab - aber vermutlich hatten sie es aufgegeben, jeder Popstar, jeder Rockstar, jede Band, jeder sang das was sich am besten vermarkten ließ und das war nun einmal die gescheiterte Liebe - denn diese verband Menschen über unvorstellbare Weiten.

So viel zu meiner Geschichte. Nun etwas zur genaueren Lagebeschreibung.
 

Ich sitze, nun vielmehr liege der Länge nach ausgestreckt auf meiner sündhaft teuren schwarzen Ledercouch, von keiner geringeren Firma als Prada hergestellt. Wie jedes Stück dieser Wohnung ein Unikat. Ich starrte direkt auf den vor mir stehenden flachen Bildschirm, fragte mich ob die kaum vorhandene Entfernung wohl schlecht für meine Gesundheit sei. Es liefen gerade die Nachrichten auf CNN über Gott und die Welt, naja vielmehr über die Welt und das Geld. Gerade besah man sich der Aktienkurse näher, da wandte ich meinen Blick bereits desinteressiert ab. Einige Millionen Aktienhaie werden gerade aufheulen, weil der Aktienindex irgendeines Landes mal wieder gefallen war, mich ließ das unbeeindruckt. Die einzigen Zahlen die mich interessierten waren die Millionenangaben der neuen verkauften Single oder die meines gerade erschienenes Album. Es war ein Abend wie ein jeder, ein Bier in meiner rechten und die Fernbedienung in der linken Hand platziert. Ich sah fern, nippte gegebenenfalls an der Flasche mit dem edlen Gebräu und wartete geduldig bis mein Manager mich durch ein Telefonat über die morgigen Pläne informierte. Meine absolute technische Neuheit – das Handy, was fiel mehr einem Minicomputer ähnelte, lag dazu griffbereit auf dem kleinen gläsernen Couchtisch vor mir - auch er ein Designerstück, darunter der weiße Teppich, der so weich war, dass man ohne Probleme auch auf diesem hätte nächtigen können. Mein Apartment war eine Fundgrube der Klischees. Ich langweilte mich schrecklich, jeden Abend dasselbe Spiel, eine endlose Wiederholungsschleife aus der ich nicht entkommen konnte. Ich war wie ein Computer, der immer und immer wieder denselben Prozess wiederholte - ohne Fremdeinwirkung oder Absturz des Systems: kein Entkommen. Wie bereits erwähnt, hatte ich in dieser Umgebung keine Freunde, war also allein, völlig auf mich gestellt. Raus durfte ich ebenfalls nicht, man hatte Angst jemand könnte den ach so berühmten Rockstar erkennen, Klatsch und Tratsch aufgreifen und üble Geschichten in irgendwelchen Boulevardmagazinen veröffentlichen. Alles nur zu meiner Sicherheit, sagte man mir fast täglich. Aber nach meiner Befindlichkeit hatte dabei natürlich niemand gefragt. Weiträumig umfahren. Auch zahlreiche neuartige Spielekonsolen hatten meinen Drang nach Beschäftigung nicht befriedigt. Xbox 360, PS3, Wii oder wie sie auch alle hießen, zerrten nur an meinen Nerven. Ich schien kein Konsolenfreak zu sein. Unnötig zu sagen, dass man mir sogar den Computer zwangsläufig entzog, hätte ich doch sonst was für einen Mist im Internet veröffentlichen können, da die Social Networks ja alles und jeden sofort ruinieren konnten. Selbstverständlich hätte ich da sofort meinen derzeitigen Wohnort angegeben, damit die verrückten Fans hier Schlange standen.
 

Ich war zwar Blond, aber nicht irre. Vielleicht sollte ich diesen entscheidenden Fakt irgendwann einmal darlegen. Wie auf Kommando, begann mein modernes Smartphone vor mir zu vibrieren, ich vermied es einen Klingelton zu wählen, da ich die Musik anderer Interpreten nur schlecht verkraftete - ich hatte zu oft den Drang sie mit der meinigen zu vergleichen, nicht erstrebenswert für ein angekratztes Selbstwertgefühl. Ich ließ mit gehörig Zeit mich aufzurichten und an das mittlerweile beinahe rotierende Gerät zu gehen, er sollte ja nicht denken ich hätte auf diesen Anruf gewartet. Obwohl natürlich genau dies der Fall war. Ich meldete wie üblich seriös.
 

„Hallo?“, hörte ich meine eigene Stimme in dem tristen Zimmer wiederhallen. Sie klang definitiv anders, als wenn ich sang. Viel fremder.

„Matt?“, war die sofortige Antwort in Form der rauen Stimme meines Managers.
 

Daraufhin hätte ich normalerweise am liebsten ein sarkastisches: Wer sonst?, erwidert, hingegen sollte ich es mir mit diesem Mann nicht unbedingt verscherzen, schließlich hat er meine Freiheiten jetzt schon genug eingeengt.

Ich räusperte mich unweigerlich, schluckte die scharfen Worte die meine Lippen überkommen wollten einfach runter und antwortete stattdessen mit einem knappen: „Ja, was gibt’s?“. Wie heuchlerisch, als ob ich das nicht ebenfalls wusste.
 

„Okay, ich war mir nicht sicher deine Stimme klingt am Telefon immer so anders…egal. Ich rufe wegen morgen an, also gegen 10 Uhr sollst du in einer dieser Vormittagssendungen auftreten, toll oder?“, ich ließ mir bildlich vor Augen führen, wie seine Brust im Moment vor Stolz anschwoll, verkniff mir aber auch hierzu jegliche Erwiderung. Ja, super. Hinreißend. Hatte ich bereits erwähnt, dass ich das Fernsehen hasse? Überall diese überschminkten Gesichter und keiner weiß so recht was er eigentlich machen soll, wenn er da auf einer dieser neonfarbenen Plüschcouchen vor einem sogenannten Bluescreen, der ja eigentlich grün ist, sitzt. Wohin mit den Händen? Soll ich in die Kamera sehen oder höflich sein und meinem Gesprächspartner ins Gesicht blicken? Ich entschied mich für gewöhnlich für die Kamera, ich mochte es schlichtweg nicht den Menschen direkt in die Augen zu schauen. Wie dem auch sei, ich gab ein aufmunterndes Lachen zum Besten. Ich finde es klingt hysterisch und nicht mal im Ansatz glaubwürdig, mein Manager namentlich übrigens Jerry Hobbs, erkannte mich als die Mogelpackung schlechthin - nicht.
 

Er fuhr unbeirrt, mit fester Stimme, wie ich es von ihm gewohnt war, fort: „Danach hast du noch ein Fotoshooting für das neue Cover, dann ein Essen mit Mr. Backer von der Plattenfirma…und du hast es schon geschafft!“ Er erwartete selbstverständlich keinen Widerspruch meinerseits. Stattdessen ein übliches zuversichtliches: „Klingt gut.“
 

„Wir holen dich dann gegen 9 Uhr ab, also mach‘ heute nicht solange. Bis Dann!“, ehe ich etwas auf diese netten Worte entgegnen konnte, hatte er auch schon aufgelegt und das Einzige was mir außer dem übergroßen Fernseher nun noch blieb, war dieses stetige monotone Tuten an meiner Ohrmuschel. Ein typisches Geräusch, welches alle Male die Einsamkeit einläutete. Ich betätigte ebenfalls den roten Hörer auf dem sensiblen Touchscreen und beförderte das Handy lieblos zurück auf den Tisch, wo es sich mit sicherer Wahrscheinlichkeit heute nicht mehr rühren würde. Gott, was war das für ein Leben. Ich erinnerte mich zurück an die letzten Worte und mein Blick suchte automatisch eine Uhr. Gesucht, gefunden. Es war gerade mal halb 9. Die Zeit verging einfach nicht, wenn man denn keine Möglichkeit zur Beschäftigung hatte. Also tat ich wie mir geheißen und entschied, dass es an der Zeit war zu Bett zu gehen. Gut es erscheint etwas lächerlich, denn ich war weder erschöpft noch überkam mich ein plötzlicher Anfall von Müdigkeit, es war bloß diese grausame Langeweile, der ich auszuweichen versuchte – jeden Abend vergebens, sollte man an vielleicht nochmals eindringlich erwähnen.
 

Normalerweise wäre ich jetzt an dem Punkt angelangt, wo ich mich vor meinen schönen weißen Designerschreibtisch niederlassen würde und damit beginnen würde einen neuen Song zuschreiben und eventuell gleich danach nach meiner Les Paul zu greifen und eine passende Melodie dazu zu komponieren. Heute allerdings nicht, denn mein sonst so verblüffender Einfallsreichtum in Sachen umsetzbarer Texte war heute innerhalb einiger Stunden von einem Binnensee auf einen Tümpel geschrumpft.

Irgendwann gingen auch dem Superstar überhaupt, die Ideen für schlechte Songtexte aus. Ich stellte aus Resektion mein halbleeres, wie der Pessimist so schön betonte, Bier auf den Couchtisch. Ich bemühte mich nicht um Ordnung, morgen war es sowieso verschwunden. Ich richtete mich nun endgültig auf und ging mit schleppenden Schritten in mein Schlafzimmer.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Anuri
2011-08-30T08:49:43+00:00 30.08.2011 10:49
Hier nun endlich das vor einiger Zeit versprochene Kommi. Da du so lange warten musstest mach ich mir in den nächsten Tagen die Mühe. Alle vier Kapitel zu kommentieren.
Dein Schreibstil ist sehr schön und angenehm zu lesen.

Wie schon gesagt finde ich Matt sehr gut getroffen. Seine Gedanken sind sehr gut und passend formuliert.

Den ersten Liedtext finde ich sehr schön :)

Schon der Titel des zweiten Liedes ist … interessant? Schreie mir ein Liebeslied. Darüber würde ich mich ja freuen ;)

>„Okay, ich war mir nicht sicher deine Stimme klingt am Telefon immer so anders…egal.
Weil, wenn man auf den Handy anruft immer so viele verschiedene Personen rangehen xP

Soo, ich kenn mich der Musikbranche ja nicht so aus. Aber man sagt doch immer es gibt keine schlechte Presse. Man muss ja im Gespräch bleiben.
Aber du hast die Situation sehr gut und detailreich dargestellt ohne das es langweilig wird.

Aber warum meldet sich nicht einmal seine Family bei ihm? Das er sie nicht anruft oder etwas gegen seine Einsamkeit unternimmt ist typisch Matt würde ich sagen :)

Also ein schön gelungenes Kapitel :)


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