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Post Team Plasma

von

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Heimkehr

„Los geht’s – Pokedex-Tausch!“

Touko reichte ihren Pokedex an Bell weiter und bekam dafür den von Cheren in die Hand gedrückt.

Den Pokedex-Tausch hatte Bell schon vor Jahren einmal erfunden, um ihre Wissensstände zu vergleichen und um zu helfen, wenn jemand ein Pokemon nicht finden konnte. Typisch Bell, dachte Touko und musste lächeln, während sie Cherens Pokedex anschaltete.

Mittlerweile hatte es sich zu einer Tradition bei ihnen entwickelt, die sie auch nach Jahren noch pflegten.
 

Touko schob ihre Kappe tiefer in die Stirn, um den Bildschirm von der hellen Frühlingssonne abzuschrimen, und scrollte durch die lange Pokemon-Liste. Cheren war, wie nicht anders zu erwarten, in den letzten Jahren schnell voran gekommen und konnte inzwischen stolze 489 Einträge sein Eigen nennen.

„Das ist aber mal wirklich erbärmlich“, kommentierte Cheren trocken und winkte Bell mit ihrem Pokedex zu. „241 – du bist wohl viel beschäftigt, wie?“

Bell ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ich gehe eben alles gelassener an als du“, sagte sie schulterzuckend. „Außerdem gibt es in Einall nicht nur Pokemon zu entdecken – wir haben zum Beispiel Musicals und … äh … ganz viele andere Sachen!“

Cheren machte keinen überzeugten Eindruck, als er mit Expertenmiene seine Brille die Nase hochschob und auf den Pokedex in Bells Hand schielte. „Und, was hat Touko so geschafft?“

„350!“, rief Bell stolz.

„Natürlich nichts im Vergleich zu deinem“, fügte Touko rasch hinzu, als Cheren die Hand nach ihrem Pokedex ausstreckte und ihn eingehend untersuchte.

„Wie ich sehe, habt ihr beide noch kein Knacklion getroffen“, stellte er fachmännisch fest, während seine mitternachtsblauen Augen in rasender Geschwindigkeit über den Bildschirm huschten. „Und auch kein Vipitis … Ich kann euch sagen, wo –“

„Psst!“, machte auf einmal Bell mit alarmierter Miene und ließ den Blick suchend durch die Gegend streifen.
 

„Was ist los, Bell?“, fragte Touko und sah sich ebenfalls um; sie hatten sich im Schatten einer alten Eiche in Avenitia verdrückt, einem kleinen, stillen Dorf mitten im Nirgendwo. Die Eiche stand inmitten einer kleinen Wiese, deren Gras vom strahlenden Gelb der Löwenzahnblüten und nicht wenigen Rotomurf-Hügeln gesprenkelt wurde. Die Wiese führte wie ein grüngelber Pfad zu einem kleinen Teich, in dem die drei im Sommer, als sie noch klein gewesen waren, fast jeden Tag gebadet hatten; wenn man in die entgegengesetzte Richtung spähte und die Augen vor der Mittagssonne abschirmte, konnte man in einiger Entfernung schon die hohen Hecken erkennen, die das Laborgebäude Professor Esches säumten. Ansonsten herrschte hier gähnende Leere.

Touko und Cheren wandten die Köpfe hierhin und dahin und sahen sich anschließend ratlos an.

„Hört ihr das nicht?“, stieß Bell hopste ein wenig auf und ab, als wollte sie im Stand laufen. „Da ist so ein komisches Piepsen … Ich glaube, es kommt vom Teich da hinten …“

Ohne ein weiteres Wort rannte Bell los in Richtung Teich, Touko und Cheren im Schlepptau.
 

Bell bremste so knapp vor dem Teich ab, dass sie ins Straucheln geriet; Cheren griff mit der pokedexfreien Hand nach ihrer Schulter und zog sie zurück ans sichere Ufer.

Zunächst war nicht zu sehen, was das Geräusch verursachte, jedenfalls nicht für Touko; nach einigen verwirrten Augenblicken rief Cheren „Dort!“ und deutete auf ein kleines Dusselgurr, das verzweifelt mit seinen flaumigen Flügeln schlug, um sich auf der Wasseroberfläche zu halten und dabei ein klägliches Fiepen ausstieß, während seine Eltern mit hilflosem Gezwitscher über dem Wasser kreisten.
 

„Bell!“, rief Touko und ergriff den Arm ihrer Freundin. „Admurai!“

„W-was? Oh, ja“, stammelte Bell und ließ fahrig eine Hand über die Pokebälle an ihrem Gürtel gleiten, auf der Suche nach ihrem Starterpokemon, als –

Ein Platschen ertönte neben ihnen. Die drei Freunde zuckten zurück, als das Wasser kraftvoll zu ihnen hochspritzte.
 

Touko staunte nicht schlecht, als ein kurzer grüner Haarschopf aus dem Wasser auftauchte und der junge Mann, der eben in voller Bekleidung hineingesprungen war, mit geschmeidigen Schwimmzügen auf das strampelnde Dusselgurr zuhielt.

Der Grünhaarige formte unter Wasser die Hände zur Schale und hob sie vorsichtig unter das Küken, das nun sicher in seinen Händen saß. Er strampelte sich mit den Beinen in Richtung Ufer, wo er das kleine Pokemon unter den argwöhnischen Blicken seiner Eltern liebevoll auf dem Boden absetzte.

Das größere der beiden Navitaubs nahm das aufgeregt fiepsende Küken mit dem Schnabel hoch und legte es sich auf den Rücken. Dann erhoben sich die drei Vögel in die Lüfte und verschwanden.
 

Sobald sie von der Erde abgehoben waren, lief Touko auf den Grünhaarigen zu, um ihm beim Hochkommen zu helfen.

„Brauchen Sie Hilfe?“ Sie kniete sich ins weiche Ufergras und streckte eine Hand nach ihm aus.

Als er ihre Hand sah, zögerte er erst für einen kaum merklichen Augenblick, dann ergriff er sie lachend und schüttelte sie. „Ich wusste doch, dass ich dir früher oder später über den Weg laufen würde.“ Der junge Mann blickte zu ihr auf und lächelte: „Hallo, Touko.“

Und Touko wäre beinah zu ihm ins Wasser gefallen.
 

„N?“, ertönten zwei ungläubige Stimmen hinter ihr. Bell und Cheren stellten sich rechts und links neben Touko, deren Hand immer noch in der Ns lag, während in ihr das seltsame Gefühl aufstieg, sie dürfe ihn nie mehr loslassen.

„Bell und Cheren“, sagte N leise und sein Blick wanderte über Toukos Kopf und zwischen den beiden hin und her. „Ihr habt euch sehr verändert, seit wir uns das letzte Mal getroffen haben. Dasselbe gilt für dich, Touko.“

Und sein Blick ruhte wieder auf ihr, so wie damals, vor unendlich langer Zeit, als er besiegt vor ihr stand und sie mit seinen unergründlichen Augen anfunkelte, so als würde er ihr Innerstes durchleuchten; und Touko erinnerte sich, wie nackt und durchschaut sie sich damals gefühlt hatte, bevor er auf Reshiram davongeflogen war und sie mit ihren unerklärlichen Gefühlen allein gelassen hatte.
 

Touko fiel auf, dass sie immer noch seine Hand umklammert hielt wie eine Ertrinkende einen Rettungsring. Sanft löste N seine Hand aus ihrem Schraubstockgriff und stemmte sich aus dem Wasser.

Schweigend ergriff Bell ihre Hand und zog sie vom Ufer weg, um N Platz zu machen.

Haare und Kleidung klebten nass an seinem hageren Körper und ein kühler Wind ließ den seltsamen Würfel an seinem Oberschenkel hin und her schaukeln, doch ihn schien das alles nicht zu kümmern.

„Du hast dir die Haare geschnitten!“, stammelte Touko heiser, nachdem er sich aufgerichtet hatte und war ziemlich froh, dass Bell sie immer noch festhielt, sonst wäre sie wohl vor Scham im Erdboden versunken. Unglaublich! Drei Jahre hatten sie sich nicht gesehen, und das war das Erste, was ihr darauf einfiel?!

Sein Lächeln geriet ein wenig schief, als er sich mit einer Hand durch die durchnässten Haare fuhr. „Mir war es wichtig, nicht sofort erkannt zu werden“, erklärte er mit seiner angenehmen Stimme, die Touko immer wohlige Schauer über den Rücken gejagt hatte, obwohl er immer so schnell sprach. Sie unterdrückte das Gefühl und versuchte ein Pokerface.
 

„Obwohl das bei euch wohl nicht viel gebracht hat. Vielleicht hätte ich meine Kappe besser festhalten sollen …“ Er warf einen bedauernden Blick über die Schulter und als Touko seinen Augen folgte, entdeckte sie eine graue Kappe, die auf den sanften blauen Wogen langsam vom Ufer davon trieb.

Touko spurtete zum Ufer zurück, warf die eigene Kappe hinter sich und setzte, wie selbstverständlich, zum Sprung an.

„Hey, was tust du da?“, hörte sie Bells entgeisterte Stimme rufen, dann ein Lachen, und dann: „Touko, du musst doch nicht wegen der Mütze ins Wasser springen!“

Sie erstarrte in der Bewegung, was ihr gründlich misslang; sie hatte sich schon zu weit vornüber gebeugt.

Touko ruderte wie wild mit den Armen, um das Gleichgewicht wiederzufinden, aber die Schwerkraft hatte da andere Pläne mit ihr.

Sie schloss die Augen, verfluchte ihre Blödheit und wartete auf den Aufprall.
 

Der nie kam. Stattdessen spürte sie einen festen Griff um ihren Ellbogen, den Griff einer großen, feuchten Hand, die unmöglich Bell gehören konnte, und die sie kraftvoll vom Ufer wegzerrte.

Seine Berührung ließ Touko erschauern, ob vor freudiger Erregung oder Entsetzen, das wusste sie selbst nicht. Um ihre Schwäche zu überspielen, entzog sie N ihre Hand, drehte sich zu ihm um und stemmte sich unbewusst die Hände in die Seiten, um sich standfester zu fühlen, als sie war.
 

„Wo warst du eigentlich so lange?“, fragte ihn Touko direkt ins Gesicht.

Sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht. „Ich? Ich war auf Reisen“, sagte N nur.

„Ist das alles, was du nach drei Jahren zu sagen hast?“

N neigte den Kopf. „Ja.“

Touko schwieg kalt erwischt. Sie hatte alles erwartet, nur das nicht. Nur nicht so eine knappe, abweisende Antwort aus seinem Mund.
 

„So ist das also“, bemerkte sie schnell, um zu verhindern, dass er sich auf ihr Schweigen hin einfach umdrehte und ging und wieder aus ihrem Leben verschwand.

Sie suchte nach noch etwas zu sagen. „Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, da hast du –“

„Mich von dir verabschiedet“, beendete er den Satz für sie. „Mehr sollte dich nicht interessieren. Vergiss einfach alles, was ich vorher zu dir gesagt habe. Okay? Das ist jetzt alles Vergangenheit. Ich bin nach Einall zurückgekehrt, um noch einmal neu anzufangen, hier und jetzt. Das einzige, was mich jetzt noch interessiert, ist die Zukunft.“

Es war wie ein Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht; genau so benommen fühlte Touko sich jetzt. Für ihn war sie nur ein Teil seiner ungeliebten Vergangenheit, die er jetzt ein für alle Mal verdrängen wollte, das wurde ihr jetzt klar.
 

„Du hast Recht, N“, sagte Touko zittrig und machte einen Schritt auf ihn zu, sodass sie sich Nase an Nase gegenüberstanden. Seine Augen sagten ihr nichts, so wie die Augen der anderen Menschen, die sie kannte; N hatte schon immer etwas Mysteriöses, Unnahbares an sich gehabt, als wäre er trotz der körperlichen Nähe meilenweit von allen anderen Menschen entfernt. So starrte Touko ihm in die Augen, bis sie einsah, dass sie dort keine Auskunft über ihn entdecken würde und setzte sich ohne ein weiteres Wort in Bewegung.
 

Er hielt sie nicht zurück, rief ihr nicht nach, sagte nichts nach dem Schema „Warte, ich hab es nicht so gemeint! Bitte bleib doch bei mir!“ Nein, er ließ sie ziehen.

Und Touko zog; sie stapfte auf Bell und Cheren zu, die ihr nur betreten entgegensahen, und hakte die beiden entschlossen unter, um mit ihnen ohne einen Blick zurück von dannen zu ziehen.
 

Und N sah ihr mit leisem Bedauern nach. Dies würde nicht das letzte Mal sein, dass sie sich getroffen hatten.

Kuro

„Touko, bitte steh auf, ich weiß, dass du wach bist.“

Touko öffnete die Augen und tat so, als müsste sie gähnen.

„Morgen, Bell“, sagte sie, scheinbar noch ganz verschlafen. „Was verschafft mir diese frühe Ehre?“

„Sehr witzig, Touko“, erwiderte Bell streng und schritt hinüber zum Fenster neben ihrem Bett, um die Vorhänge aufzuschieben.

„Hey! Nicht!“, beschwerte sich Touko und hielt sich schützend eine Hand vor die Augen. „Zu hell!“

„Es ist schon halb eins, also raus aus den Federn!“ Bell schnappte sich einen Zipfel von Toukos Decke und zog sie ihr beschwingt vom Körper.
 

„Muss das sein?“, grollte Touko und zog sich das Nachthemd tiefer den Oberschenkel hinunter. „Ich will noch schlafen …“

„Denk bloß nicht, ich wüsste nicht, was in dir vorgeht“, ermahnte sie Bell und sah plötzlich besorgt aus. „Dir spukt immer noch diese Sache von gestern im Kopf rum, oder?“

„Wie kommst du denn darauf?“, entgegnete Touko hastig; ein wenig zu hastig.

Bell seufzte. „Glaub mir, bis in die Puppen im Bett zu liegen wird ihn dir auch kein Stück näher bringen.“

„Was redest du da?“, fauchte Touko und setzte sich abwehrend auf. Konnte Bell verdammt noch mal ihre Gedanken lesen?!

„Guten Morgen, Touko! Ich rede natürlich von N!“ Bell ließ ihre Decke auf das Fußende des Bettes fallen. Bevor Touko noch etwas erwidern konnte, sagte sie: „Komm schon, zieh dich an und iss was, sonst kommst du heute nicht mehr vom Fleck.“ Damit war sie schon aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

Touko ließ sich wieder auf ihre Kissen zurücksinken, obwohl sie sich jetzt hellwach fühlte. Warum nur musste Bell sie so gut kennen? Und dabei auch noch so mütterlich sein?
 

Als sich Touko fertig angezogen in die Küche begab, sprang Bell wie auf Zuruf von ihrem Stuhl auf und nahm ein Toast aus dem Toaster.

Touko setzte sich an ihren Platz und besah sich erstaunt den Esstisch, auf dem sich direkt vor ihr der halbe Kühlschrankinhalt stapelte.

„Hast du das alles hier hingelegt?“

Bell nickte und reichte ihr den Toast. „Ich war mir nicht ganz sicher, was du gerne isst, deshalb hab ich einfach mal ein paar Sachen rausgeholt …“

„Danke, Bell, du bist ein Engel.“ Touko biss in das Brot und gab sich ganz ihrem Hunger hin.

„Wo ist eigentlich meine Mutter?“, fragte sie dann mit vollem Mund.

„Sie ist eben einkaufen gegangen, nachdem sie mich reingelassen hatte.“

„Ach so.“

„Macht’s dir was aus, wenn ich den Fernseher anmache?“, fragte Bell nach einem kurzen Schweigen.

„Sei so frei“, erwiderte Touko schmatzend.
 

„Typisch, Sonntags um diese Zeit läuft überall nur Müll“, beschwerte sich Touko, während sie von einem Kanal zum nächsten schaltete.

„Was geht mich das an, wenn irgendein Spinner glaubt, sein Nagelotz könne in die Zukunft sehen, nachdem es einen Löffel verbogen hat?“

„Warte, schalt mal wieder zurück“, bat Bell sie plötzlich.

Touko tat wie geheißen. „Was? Du willst Nachrichten gucken?“

„Wieso nicht? Ansonsten läuft doch sowieso nur Müll.“

„Du wirst langsam immer mehr wie Cheren“, murrte Touko, gab sich aber geschlagen und sah zu, wie das Logo der Einall-Rundschau, das Profil eines Washakwil-Kopfes mit übergroßem Auge, über den Bildschirm flimmerte.

„Ihr Gedudel von einer Intro könnten die auch mal langsam ändern“, bemerkte Touko, bevor Bell sie mit einem „Sch!“ zum Schweigen brachte.
 

„Guten Tag, meine Damen und Herren. Wird er in den Ruhestand gehen oder wird er bleiben? Seit Tagen beschäftigt die Trainer in Einall nur diese eine Frage. Mehr über Lysander von Twindrake City erfahren Sie nach dem Themenüberblick.“

Nach und nach wurden Bilder und Video-Ausschnitte eingeblendet, und zu jedem hatte die Sprecherin ihr Sprüchlein parat: „Verletzte bei einem Transportflugzeug-Absturz über dem Weißen Wald: Ein Sprecher des Konzerns schließt menschliches Versagen als Ursache nicht aus. Vermehrte Algen-Konzentration: Die Ondula-Bucht wird auf dringende Warnung der heimischen Wissenschaftler hin gesperrt. Und seltsames Massensterben: Aprikoko-Bauern müssen mit niedrigen Erträgen rechnen.“

„Laangweilig“, kommentierte Touko gedehnt und steckte sich den Rest ihres Toasts in den Mund. Dann stand sie auf und nahm ihre Tasche vom Haken an der Haustür.

„Wollen wir gehen?“

„Ja, aber sollen wir nicht vorher aufräumen …?“ Bell schaltete den Fernseher aus und sah unsicher zum überquellenden Esstisch herüber.

„Ach was, meine Mutter macht das schon.“
 

Bell hatte gerade die Haustür hinter sich geschlossen, als Toukos Viso-Caster klingelte.

„Touko! Ich versuch schon seit Stunden, dich zu erreichen, aber du hast nie abgenommen! Was hast du denn die ganze Zeit gemacht?“

„Ich hab geschlafen, Kuro“, sagte Touko trocken zu dem braunhaarigen Jungen, dessen Gesicht den Schirm des Viso-Casters ausfüllte.

„Geschlafen? Wie kann man nur so lange schlafen? Oder halt, hast du gestern Nacht etwa Party gemacht? Und mich nicht eingeladen? Wenn, dann schuldest du mir aber einen Kampf, liebe Touko!“

„Deinen Kampf kannst du gern haben!“, rief Touko sogleich kampfeslustig. Bell ließ im Hintergrund einen Seufzer vernehmen.

„Na denn, wo treffen wir uns? Wie wär’s mit der Eiche?“

„Oh, nein, nicht da!“, sagte sie rasch. „Wir kämpfen unten am Strand, okay? Bis dann!“ Touko schaltete das Gerät aus, plötzlich am Schwitzen wie eine Leistungssportlerin.
 

Die Hände hinterm Rücken verschränkt, schlich sich Bell an sie heran.

„Du denkst immer noch an ihn, nicht wahr?“, wollte sie hinterhältig wissen.

Zweifellos, Bell musste keine Löffel verbiegen, um Psychokräfte zu besitzen.

„Wir haben uns drei Jahre lang nicht mehr gesehen“, gab sie also zu. „Und alles, was er mir zu sagen hat, ist, dass er auf Reisen war. Das ist doch nicht zu fassen.“

„Arme Touko, er hat dir das Herz gebrochen“, sagte Bell und musterte sie mitfühlend.

Touko fiel aus allen Wolken. „Was redest du da?“, sagte sie laut. „Ich weiß ja nicht, was du denkst, aber mir geht er gewaltig auf den Keks mit seinem geheimnistuerischen Gehabe und überhaupt, was hat er hier eigentlich noch zu suchen? Er hat damals ein kolossales Verbrechen gegen Einall geplant, also wär ich an seiner Stelle ganz weit weg gegangen und da auch geblieben. Ach, guck mal, wer da steht.“

Inzwischen waren sie am Strand angekommen, der bis auf einen schlaksigen Jungen im Teenageralter leer war; für einen Aprilmorgen war es noch sehr kühl, was von dem immerwährenden Wind in Avenitia nur verstärkt wurde.

„Na los, ihr zwei Schnecken, macht mal ’n bisschen Dampf, ich warte hier schon seit ’ner Ewigkeit!“

„Klingt ganz nach Kuros Kampfruf“, sagte Touko grinsend.
 

Sie stellten sich einander gegenüber auf und Bell machte die Schiedsrichterin.

„Ein Einzelkampf zwischen Touko und Kuro“, kündigte sie achtungheischend an. „Jeder wählt ein Pokémon aus.“

„Hutsassa!“

„Washakwil!“

„Das ist unfair!“

„Dann schrei doch nicht so rum!“

„Möge der Bessere gewinnen“, sagte Bell fröhlich.
 

„Zeig diesen Angebern, was du drauf hast! Hutsassa, Giftschock!“

„Weich mit Fliegen aus, Geronimo!“, befahl Touko ihrem Pokémon, das folgsam in die Höhe schoss und damit dem gespritzten Gift entging.

Kuro knirschte mit den Zähnen. „Lock es mit Lockduft zurück!“

„Setz Freien Fall ein!“

„Sobald es bei dir ist, setzt du Gigasauger ein!“ Der Adler stürzte auf den Pilz zu, der mit offenen Armen wartete.

„Doppelteam!“, schrie Touko und mitten im Flug teilte sich Geronimo in dutzende Ebenbilder, die alle durcheinander auf das Hutsassa zuflogen.

„Weich aus!“, brüllte Kuro, aber es war zu spät: In der Verwirrung ließ es sich von Geronimo treffen, der es hart mit seinem Schnabel erwischte; seine Doppelgänger stürzten zu Boden und verschwanden.

„Synthese!“, rief Kuro verzweifelt.

„So nicht“, sagte Touko berauscht und befahl ihrem Washakwil: „Beende es mit Zermalm–“

„AUFHÖREN!“
 

Der Schrei ließ alle Beteiligten erstarren, so als hätte der junge Mann, der auf sie zurannte, auf den Pause-Knopf gedrückt.

„Was glaubt ihr eigentlich, was ihr hier macht?“, fauchte N und baute sich zornig vor den drei Trainern und ihren Pokémon auf, das Gesicht gerötet und die Augen zu Schlitzen verengt. Es war beängstigend; Touko hatte ihn noch nie so wütend erlebt.

„Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Wir sind mitten im Kampf!“, schoss Kuro ebenso aufgebracht zurück und ballte die Hände zu Fäusten.

N musterte ihn kühl. „Wo hast du denn die Witzfigur aufgegabelt?“, fragte er Touko. „Sieht aus wie eine dieser kümmerlichen Gestalten, wie man sie zuhauf in der Kampfmetro antrifft.“

„Kümmerliche Gestalten! Sag das noch mal, nachdem dir Hutsassa dein dürres Steckrübengesicht poliert hat.“

Sofort flackerte wieder der Zorn in Ns Augen auf. „Typisch Trainer“, sagte er mit bebender Stimme. „Um euch selber die Hände nicht schmutzig zu machen, schickt ihr einfach eure Pokémon raus, damit sie die ganze Drecksarbeit für euch erledigen. Ist es euch jemals in den Sinn gekommen, einmal innezuhalten und euch zu fragen, was eure Pokémon davon halten?“
 

Kuro blinzelte, als wäre ihm eben ein Licht aufgegangen. „Hey, du hörst dich ziemlich nach diesem Plasma-Heini N an.“

„Gratuliere, du Pfiffikus, ich bin N“, erwiderte er trocken.

„Ich dachte, du hättest dich verkrochen, nachdem Touko dir den aristokratischen Hintern versohlt hat“, höhnte Kuro.

„Wir schweifen ab“, sagte N, ohne auf Kuro einzugehen. „Ich wollte nur sagen, dass ihr hier unten nicht kämpfen sollt. Die Paarungszeit der Swaroness hat schon angefangen, ihr könntet sie stören.“
 

Ohne ein weiteres Wort machte er kehrt.

„Oh nein, so schnell machst du dich nicht davon!“, schrie zur Überraschung aller Touko.

„Geronimo, hol ihn dir!“

Ihr Washakwil, eben noch wie zu einer Statue erstarrt, hob ab und jagte N hinterher, der sich entsetzt umdrehte.

„Touko, was–“ Er schnappte nach Luft, als riesige Flügel sich in seine Kniekehlen rammten und ihn Geronimos Hals hinunter purzeln ließen.

Geronimo machte abrupt kehrt und steuerte auf Touko zu, die rasch auf seinen Rücken sprang und sich an Ns Taille festklammerte, während das Washakwil sich elegant in die Lüfte schwang.

„Was soll das, Touko?“, keuchte N atemlos.

„Ich entführe dich“, antwortete Touko gelassen.

Schatten der Vergangenheit

Touko schubste N unsanft in ihr Zimmer, wo er sich ganz verkrampft und unsicher umsah, wie ein wildes Pokémon, das zum ersten Mal eine Großstadt sah.

Es war ein großes, helles Zimmer, ganz in weichen Beige- und Lilatönen gehalten. Ein blumiges Aroma lag in der Luft – Lilie? Lavendel? – und die Wand über Toukos Bett war so dicht mit Postern behangen, dass man die Tapete dahinter kaum noch sehen konnte. Die hoenner Rockgruppe 'Die Tohaidos' gesellte sich zu einem rührseligen pastellblauen Plakat mit Felilou-Babys, dem lebensgroßen Abbild eines blonden Schönlings in Designerklamotten, und unzähligen weiteren Postern. Ein typisches Mädchenzimmer.

Touko schloss die Tür hinter sich; diesmal war ganz klar sie Herr der Lage.
 

Sie packte N an den Schultern und stieß ihn rücklings auf das Bett (Wie leicht er ist!, dachte Touko), auf dem er mit einem lauten Ächzen des Gestells landete und liegen blieb wie erschlagen.

„Du wehrst dich ja gar nicht“, schmollte Touko. „So macht das keinen Spaß.“

„Was hast du mit mir vor, Touko?“, krächzte N und starrte mit geweiteten Augen zu Touko auf, die vor dem Bett stand und auf ihn hinabblickte wie eine Katze auf eine Maus.

Touko seufzte bedauernd. „Na gut, wenn du nicht spielen willst, dann komme ich eben gleich zur Sache.“

Und sie kletterte mit geschmeidigen Bewegungen, die ein seltsames trockenes Gefühl in seiner Kehle verursachten, zu ihm aufs Bett und ließ sich neben ihm nieder.

Das Bett war eng; Touko musste nah an ihn heranrücken, so nah, dass sich ihre Oberschenkel leicht berührten. N schluckte hörbar.
 

Touko wandte ihm das Gesicht zu und lächelte. „Bequem so?“, erkundigte sie sich unschuldig.

Ns Kehle ließ nur ein undefinierbares Krächzen entweichen.

„Also dann, erzähl mal, N“, flüsterte sie geheimnisvoll. „Was hast du in den letzten drei Jahren so erlebt?“

Ns Blick blieb beharrlich an die Decke gerichtet. „Auf die Frage habe ich dir schon eine Antwort gegeben.“

„Jetzt sei doch nicht so dickköpfig.“ Touko rollte sich zur Seite, sodass ihr Mund direkt an seinem Ohr lag. „Was du eine Antwort nennst, nenne ich ein Ausweichmanöver, wie es billiger nicht geht.“ Sie streckte die rechte Hand nach ihm aus und ließ sanft ihre Fingerspitzen über die Knöpfe seines Hemdes gleiten.

„Du schuldest mir die Wahrheit“, hauchte sie, ihre Lippen nur Millimeter von seinem Ohr entfernt.
 

N musste tief durchatmen, um sein wild schlagendes Herz zu beruhigen.

Wie schaffte sie es nur, solche Reaktionen in ihm auszulösen? Damals, vor drei Jahren, war sie ja noch ein halbes Kind gewesen, doch jetzt gab es keinen Zweifel mehr: Noch nie hatte ein Mensch es geschafft, ihn so sehr in seinen Bann zu ziehen wie das Mädchen, das neben ihm lag und ihm mühelos den Kopf verdrehte. Nie hatte er gedacht, dass einmal ein Mensch solch eine Faszination auf ihn ausüben würde, dass er, N, seinen Menschenhass überwinden würde.
 

Im Haus war es still; weder Touko noch N machten eine Bewegung, und das hatte eine so beruhigende Wirkung auf ihn, dass er wieder zu Atem kam und anfangen konnte.
 

„Es war keine besondere Reise“, meinte N und ließ seinen Blick durch das Zimmer wandern, hierhin und dorthin, nur nicht zu Touko.

„Ich war einfach überall, habe die ganze Welt bereist, aber nicht fürs Sightseeing oder sonst etwas, mit dem du oder jemand anders etwas anfangen könnte. Nein, ich war auf der Suche nach meiner Wahrheit.“ Er holte tief Luft, als fiele es ihm schwer, weiterzureden.

„Du weißt nichts über meine Kindheit“, fuhr N fort. „Du weißt nicht, wie mich – Geechisu –“ Beim Klang seines Namens schienen Schmerzen seinen Körper wie Messer zu durchzucken, „– erzogen hat, dass ich zu dem wurde, was ich jetzt bin.“

„Doch, ich weiß es“, widersprach Touko ihm fest, „Anthea und Concordia haben es mir erzählt.“

Ns Gesichtszüge schienen einzufrieren. „Was haben sie dir erzählt?“

„Concordia sagte, Geechisu hätte dich von anderen Menschen ferngehalten und dir nur den Kontakt mit Pokémon erlaubt, die von Menschen missbraucht, gequält und verletzt worden sind. Und Anthea sagte, dass … dass du längst begriffen haben sollst, dass Trainer ihre Pokémon nur gegeneinander antreten lassen, um erfahrener zu werden, doch nie, um sie zu verletzen … Nur hat dich deine Vergangenheit so sehr geprägt, dass du dir das selbst nicht eingestehen wolltest.“
 

„Das stimmt“, sagte N leise. „Du weißt weit mehr über mich, als ich dachte. Schon mein erster Kampf gegen dich hat meine innere Überzeugung, dass die Menschen den Pokémon nur Böses wollen, bis ins Mark erschüttert. Dein Pokémon hatte mir tatsächlich erzählt, dass es dich mochte und dass es gerne für dich kämpfte, etwas, das ich mein ganzes bisheriges Leben lang für ausgeschlossen gehalten habe.

Kannst du dir vorstellen, wie es ist, nur von einer einzigen Gewissheit am Leben gehalten zu werden, tief überzeugt, dass sie dein Leben ausfüllen wird und dass du mit ihr eine edle und ehrenhafte Lebensaufgabe verfolgst, nur um nach und nach festzustellen, dass diese Gewissheit nur ein Irrtum war, ein Floh, der dir ins Ohr gesetzt worden war, bevor du überhaupt denken konntest, und dass dein Lebenssinn nur eine Illusion war, die die ganze Zeit über in dir gewohnt und dich ausgesaugt hat wie ein Parasit, ohne dass du es je gemerkt hast? Ich werde es dir sagen. Es ist, als würde plötzlich der Boden, der immer vorgegeben hatte, felsenfest zu sein, unter deinen Füßen wegbröckeln. Und bei jedem Kampf mit dir ist ein Stück mehr dieses Bodens eingestürzt, bis Geechisu ihn ganz weggerissen hat.

Du befindest dich im freien Fall. Du weißt nicht, wofür du noch lebst. Du weißt, dass dein ganzes Leben eine Lüge war, geschickt von deinem … Vater in dein Gehirn eingepflanzt.

Und ich fühlte mich befleckt, für immer gebranntmarkt, wertlos. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wollte einfach nur weg.“ Darauf schwieg N mit einem Gesichtsausdruck, als wollte er nie wieder den Mund öffnen. Noch nie hatte er so viel von sich ihr, Touko, gegenüber preisgegeben.
 

„Du sagtest, du hättest nach der Wahrheit gesucht“, sagte sie sanft. „Hast du sie denn gefunden?“

„Die Wahrheit ist nichts, was endgültig und definitiv feststeht“, erklärte er ihr beinahe missbilligend. „Gewissermaßen gibt es für jeden seine eigene Wahrheit. So auch für mich. Noch nicht einmal ich weiß, ob ich einen Teil dieser Wahrheit nun für mich gefunden habe oder nicht, nur eines stand für mich am Ende meiner Reise fest: Ich wollte wieder nach Hause.“

„Zurück dorthin, wo du all diesen Schmerz erfahren hast?“, sagte Touko leise.

„Genau dorthin“, bestätigte er. „Ich habe eingesehen, dass nur hier meine Heimat ist, dass ich, wenn überhaupt, dann nur hier glücklich werden kann, so widrig es auch klingt. Also habe ich mich hierhin zurückbegeben in dem Wissen, dass ich dieses Land und seine Bewohner jetzt mit ganz anderen Augen sehen würde, mit klarem, unverfälschtem Blick, der nur das erfasst, was wirklich und beweisbar ist, genau wie in der Mathematik, und dieser eine Gedanke hat mich darin bestärkt, dass ich das Richtige tue.“
 

„Du wirst hier also ein neues Leben anfangen.“ Touko drehte sich wieder auf den Rücken und blickte verträumt zur Decke.

„Wo wohnst du eigentlich?“, fragte sie nach einer kurzen Pause.

„Hier, in Avenitia.“

„Wieso das denn?“, kicherte Touko. „Hier ist doch tote Hose!“

„Genau das mag ich doch an Avenitia.“ Mit einem schiefen Lächeln drehte er den Kopf zu ihr. „Wenn du erst mal mit der Schule fertig bist, heißt es wohl nichts wie raus aus diesem öden Nest, was? Wohin soll’s denn gehen, nach Stratos, vielleicht?“

Plötzlich war sie sich nicht mehr sicher.

„Sag mal, hast du eigentlich schon einen Job gefunden?“, fragte Touko, um das Thema zu wechseln.

N runzelte die Stirn. „Du willst mich wohl ganz genau durchleuchten, was?“ Touko schwieg. Er musste ja nicht unbedingt erfahren, dass sie die ganze vergangene Nacht lang wachgelegen, sich hin und hergewälzt und dabei ununterbrochen über ihn nachgedacht hatte.

Als er keine Antwort bekam, räumte er ein: „Ja, glaub es oder glaub es nicht, ich arbeite als Pfleger im Pokémon-Center.“

„Das ist bestimmt ein schöner Job“, sagte Touko vorsichtig, „aber mit deinem Grips könntest du doch locker was besser Bezahltes machen, sagen wir, irgendwas im Bereich Mathe oder so …“ Touko verstummte, als sie Ns Gesichtsausdruck sah.

„Du begreifst es wohl nicht, oder? Ihr Menschen immer mit eurem Geld … Mir geht es nicht um Reichtum. Ich suche nach einem neuen Lebenssinn, schon vergessen?“

„Ja, ’tschuldige, meine Fantasie ist mit mir durchgegangen.“ Dennoch, der Gedanke, dass N wieder nur mit verletzten Pokémon in Kontakt kam, bereitete ihr unweigerlich Kopfschmerzen.
 

„Ach ja, da fällt mir ein – wo sind eigentlich deine Pokémon? Wollen wir vielleicht dein neues Leben mit einem Kämpfchen einweihen?“

N reagierte kaum. „Du weißt, dass ich nicht viel von Pokémonkämpfen halte.“

„Komm schon, früher hat es dir auch nicht viel ausgemacht.“

Nun gut, irgendwann wäre es ja ohnehin noch rauskommen. „Ich habe mit dem Kämpfen aufgehört.“

Toukos meerblaue Augen blickten ungläubig. „Du hast was?“

„Ich kämpfe nicht mehr mit meinen Pokémon. Schon seit unserem Kampf damals. Ich hab’s aufgegeben.“

Er klang kalt und entschlossen. Touko war fast nach weinen zumute.

„Aber – aber –“, stotterte sie und wusste selbst nicht recht, was sie dazu sagen sollte.
 

Ohne Vorwarnung flog die Tür auf. „Touko, ich habe eine Überraschung für dich –“

Der stämmige Mann an der Tür verstummte schlagartig, als er N und Touko erblickte, und sein Lächeln wich einem Ausdruck des Entsetzens.

Wie von Ganovilen gebissen sprangen beide ungelenk vom Bett und stellten sich nebeneinander auf, Touko mit trotzig verschränkten Armen, N mit einem schuldbewussten Mienenspiel.

„Papa, ich hab dich gar nicht so früh hier erwartet“, sagte Touko und N bewunderte unverhohlen die Heiterkeit, die sie trotz der peinlichen Situation an den Tag legte.

„Das sieht man wohl“, sagte Toukos Vater und machte einen bedrohlichen Schritt auf N zu. „Wer sind Sie und was wollen Sie von meiner Tochter?“

„Ach, du kennst ihn ja noch gar nicht! Das ist ein Freund von mir, N.“

„Sie meint Nori“, korrigierte N sie rasch und machte eine Verbeugung vor ihrem Vater.

Der machte keine Anstalten, sie zu erwidern. „N“, wiederholte er und sah die beiden abwechselnd an. „So ist das also. Lügen tut er auch noch.“

Seine Miene nahm einen furchteinflößenden Ausdruck an, und N rechnete halb mit einer Faust im Gesicht; es war nicht einfach, sich den schützenden Reflex des Kopfeinziehens zu verkneifen.

„Du bist doch dieser größenwahnsinnige Spinner, der seine albern verkleideten Helfershelfer überall das Hirngespinst verbreiten ließ, die Pokémon müssten freigelassen werden.“ Er ließ ein verachtungsvolles Schnauben hören.

„Ich lasse nicht zu, dass meine Tochter sich mit solch einem Psychopathen abgibt. Verlassen Sie sofort dieses Haus.“

„Papa!“, rief Touko schockiert. „Wie kannst du nur so etwas sagen? Er ist kein Psychopath, er hat seine Meinung geändert, er –“

„Lass gut sein, Touko“, unterbrach er sie ruhig, den Blick auf die wutglimmenden Augen ihres Vaters fixiert. „Wenn Sie darauf bestehen, verlasse ich Ihr Haus. Aber Sie verfügen nicht über das Recht, zu bestimmen, wer mit Ihrer Tochter befreundet sein darf.“

„Ja ja, jetzt sehen Sie aber zu, dass Sie noch heute hier wegkommen!“ N nickte einmal steif, zwinkerte Touko zum Abschied zu und ließ sich von ihrem Vater aus dem Haus geleiten.
 

Als die Tür hinter N zugeschlagen war, kam er mit einem Gesichtsausdruck zu ihr zurück, als hätte er sie bei einem Verbrechen erwischt.

„Ich glaube, wir müssen mal ein ernstes Wort miteinander wechseln, junges Fräulein –“

„Ich darf N nie wieder sehen, oder?“, fragte Touko sachlich.

Ihr Vater schien verblüfft. „Nun ja …“

„Also, wenn du es sagst, Papa“, meinte sie und sah ihn ein wenig geknickt an.

„Du wirst schon das Richtige für mich entschieden haben. Ach ja, du sagtest doch eben, du hättest eine Überraschung für mich.“

„Ähm, ja, stimmt. Es gibt heute Fisch zum Abendessen.“ So ganz schien er die Situation noch nicht erfasst zu haben. Warum, um alles in der Welt, war sie auf einmal so gelassen?, schien er sich zu fragen.

Touko lächelte. „Mmh, ich liebe Fisch.“ Damit hüpfte sie nach unten ins Wohnzimmer und wählte Bells Nummer.

Es soll ja tatsächlich Leute geben, die sich an Verbote halten.

„Bell Adachi“, meldete sich Bell nach einigen Sekunden.

Touko gehörte eher zu den Leuten, die ein Verbot als Einladung zum Weitermachen sahen.

„Hallo Bell, hier ist Touko. Hör mal, ich hab da eine Idee …“

Die Shopping-Hölle

Sorry, dass es mit dem letzten Kapitel so lange gedauert hat ... ich hatte irgendwie das Gefühl, dass es dieser Story an Interesse mangelt. Aber egal!

Danke übringens für die Reviews. ;)

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„Äh, Touko … bist du sicher, dass N noch kommt?“

„Natürlich wird er kommen“, versicherte sie und deutete auf ihre Pokébälle.

„Ich hab doch Geronimo mit einer Nachricht für ihn rumgeschickt, und als er zurückkam, hatte er sie nicht mehr, also muss er N gefunden haben.“
 

Bell, Cheren, Kuro und Touko hatten sich auf der Wiese vor dem Kaufhaus 9 versammelt und warteten auf den letzten im Bunde.

„Er hat aber nicht geantwortet, oder?“, ließ Cheren bestimmt schon zum zehnten Mal an diesem Tag fallen. „Du kannst dir nicht sicher sein, dass er wirklich kommen wollte. Und überhaupt, wie kommst du eigentlich auf die Idee, dass N nichts lieber tun würde, als mit uns zu shoppen?“

Kuro trat mit dem Fuß gegen die nächste Straßenlaterne und fluchte.

„Jetzt warten wir schon seit ’ner Viertelstunde! Mir hängt’s zum Hals raus. Es reicht nicht, dass wir uns mit diesem Pfosten abgeben müssen, nein, er lässt sich auch noch Zeit!“, knurrte er und die Laterne bekam noch einen Tritt ab. „Immer vorausgesetzt, dass er sich überhaupt noch blicken lässt, versteht sich.“

„Also mir reicht’s auch langsam“, schnappte Touko und ließ die drei anderen hoffnungsvoll aufblicken. „Wenn ihr keine Geduld habt, dann geht doch schon mal rein, ich werd hier weiter auf ihn warten.“

Cheren sah zu Bell herüber. „Gehen wir?“, fragte er sogleich.

Bell blickte unsicher abwechselnd Touko und Cheren an. „Ahm … also gut. Bis später, ihr zwei.“ Die beiden erklommen die Stufen, die sie vom größten Kaufhaus der Einall-Region trennten, und verschwanden hinter der mit Sonderangeboten beklebten Schiebetür.

Touko machte eine einladende Geste in Richtung Gebäude. „Worauf wartest du“, sagte sie zu Kuro.

„Nein, ich lass dich nicht im Stich. Ich werde dir Gesellschaft leisten, auch wenn N niemals kommt.“ Er stellte sich mit verschränkten Armen neben sie wie ein Bodyguard.

„Schön gesagt“, entgegnete Touko trocken und richtete den Blick wieder auf den Durchgang, der zur Zylinderbrücke führte.

Natürlich wusste sie, dass Cheren Recht hatte. Niemand konnte ihr garantieren, dass N tatsächlich kommen würde. Und doch hoffte sie, hoffte, hoffte … befahl ihm in Gedanken, sofort hier aufzutauchen … Ob man wohl tatsächlich Gedanken übertragen konnte, wie ein Morbitesse oder Zytomega? Komm hierher, N … Komm zum K 9 …
 

„Touko?“, riss sie Kuros Stimme aus ihrer inneren Litanei.

„Jaa?“ Die plötzliche Ablenkung verwirrte sie etwas. Sie sah zu Kuro auf, der sie interessiert musterte.

„Du siehst so konzentriert aus. Woran denkst du gerade?“

„Ich denke an N. Er soll endlich kommen.“

„An N also … Ich weiß ja nicht, was dich an ihm so interessiert. Wart ihr mal zusammen?“ Touko blinzelte ein paarmal, ziemlich überrumpelt, und wusste nicht, was sie sagen sollte. „W-wie bitte?“

„Ob du mit N zusammen warst. Bevor er abgehauen ist.“ Inzwischen war alles Beiläufige aus seiner Stimme verschwunden. Sein Blick war hart und ohne mit der Wimper zu zucken auf Touko gerichtet. Sie fasste sich.

„Nein, ich weiß gar nicht, wie du darauf kommst.“

Seine Gesichtszüge entspannten sich, er wirkte direkt fröhlich.

„Gut.“

„Was ist gut?“

„Ach, weißt du –“
 

„N!“, rief Touko plötzlich aus vollem Halse und lief auf Besagten zu, der gerade aus Richtung Zylinderbrücke zu ihnen gejoggt kam.

Kuros Worte erstarben ihm in der Kehle, als er die Freude in Toukos Stimme bemerkte.

„Mensch, ich dachte schon, du würdest nie kommen! Was hat dich aufgehalten?“

Ns dunkelgraue Augen weiteten sich in Erstaunen. „Nichts. Ich hab mich nur ein bisschen in der Zeit verschätzt.“ Er hätte sie jetzt gern auf ihren Vater angesprochen, war aber der Meinung, dass es Kuro nichts anging.

„Das kann man wohl sagen“, meldete der sich gehässig aus dem Hintergrund und tippte anklagend mit einem Finger auf seine Armbanduhr. „Wir waren um drei verabredet, und jetzt ist es schon 23 nach.“

„Das wundert mich nicht“, entgegnete N kühl. „Ich bin ja auch zu Fuß gekommen, im Gegensatz zu euch, wie ich annehme.“

Kuro prustete los. „Warum nimmst du nicht einfach ein Pokémon, Mann?“

„Weil ich nicht so ein Sklaventreiber bin wie du.“ N klang zunehmend gereizt.

Zeit für Touko, einzuschreiten.

„Wie wär’s, wenn wir das Gezicke auf später verschieben und jetzt einfach reingehen?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm sie die beiden Streithähne an den Armen und hievte sie mit sich in das Kaufhaus.
 

Das Erdgeschoss war in zwei Hälften eingeteilt; ein normaler Drogeriemarkt befand sich zu der Rechten des Besuchers, die linke Seite war ganz nach dem Bedarf von Trainern eingerichtet. Dort fanden sie auch Bell und Cheren, die ein deckenhohes Wandregal voller Tränke, Sprays und anderer Flüssigkeiten inspizierten.

„Ich bräuchte wohl noch ein paar Top-Genesungen … und Äther wäre auch nicht schlecht … ach, da seid ihr ja!“ Bell kehrte dem Regal den Rücken zu und winkte die drei Neuankömmlinge zu sich heran.

„Er ist also doch gekommen“, bemerkte Cheren und musterte N kühl.

Kuro stellte sich sofort neben Cheren und schloss sich seiner abschätzigen Betrachtung Ns an.

„Hallo, ihr zwei“, grüßte N höflich, als hätte er nichts davon mitbekommen.

Nur Bell erwiderte den Gruß, dann entstand eine peinliche Stille.

„Ich … muss das hier noch bezahlen“, sagte Bell hastig und flitzte mit ihren Tränken bepackt zur Kasse.

„Hm … wollt ihr hier noch irgendwas?“, fragte Touko fast ein wenig kleinlaut in die Runde; vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, Cheren und Kuro auch noch einzuladen …

„Weil, sonst könnten wir nämlich schon mal nach oben gehen, ein paar Klamotten kaufen und so …“

„Ja, gehen wir“, sagte Kuro, warf N noch einen letzten feindseligen Blick zu, und ging den anderen voran zur Kasse, wo sie auf Bell warten würden.
 

„Whoa!“, rief auf einmal N aus und blieb vor dem Pokéballregal stehen. „Seht euch das mal an!“

„Das nennt man Pokébälle, N“, erklärte Kuro ihm wie einem Dreijährigen. „Damit fängt man Pokémon …“

„Idiot. Sieh dir mal den Preis an!“

Alle drei senkten nahezu synchron den Blick auf das Preisschild, das unter den normalen roten Pokébällen angebracht war, um dort die üblichen 200 Pokédollar zu sehen.

Nur dass es keine 200 waren, sondern 450. „Das ist ja –“

„– Wucher!“, rief Kuro und vergaß dabei ganz, N zu verhöhnen.

„Der Preis hat sich mehr als verdoppelt!“, rief Cheren entsetzt und näherte sich dem Preisschild, wie um es als Fälschung zu entlarven. „Wie kann denn das sein?“

„Wartet, Leute, da klingelt was bei mir …“ Als sie gestern die Nachrichten mit Bell gesehen hatte … war da nicht irgendwas mit den Aprikokos gewesen?

„Ach ja“, murmelte sie undeutlich. „Die haben uns im Einall-Report eine ganz miserable Aprikokoernte versprochen. Bestimmt müssen die teuer eingeflogen werden.“

Cheren war inzwischen dabei, sich ganze Berge verschiedener Pokéballsorten auf die Arme zu laden.

„Ähm … Cheren? Was soll das werden, wenn’s fertig ist?“

„Ich decke mich ein“, antwortete er, ohne aufzusehen. „Wenn eine Pokéballknappheit droht, will ich vorbereitet sein. Sobald die Vorräte zu einem Großteil aufgebraucht sind, werden die Preise bestimmt noch mehr in die Höhe schießen, seht euch nur vor.“

Inzwischen war Cheren so beladen, dass er kaum noch aufstehen konnte; mit den Armen immer noch auf den Oberschenkeln hob er ein wenig das Becken, sodass er nun in einer unfreiwillig komischen gebückten Haltung in Richtung Kasse schlurfen konnte.

Einige Mädchen in ihrem Alter, die gerade vorbeikamen, zeigten auf ihn und brachen in wildes Gekicher aus.

„Oh Mann, hoffentlich geben sie dem armen Kerl ein paar reißfeste Tüten“, sagte Kuro laut, damit die Mädchen es hörten, und schielte in ihre Richtung, um ihre Reaktion mitzubekommen.

Stillschweigend schnappte sich Touko seinen Arm und schleifte ihn mit sich zur Kasse.
 

Nach einer kurzen Fahrt mit den Rolltreppen kamen sie im 2. Stockwerk an, das, wie nicht anders zu erwarten, von Geschäftigkeit erfüllt war: Menschen hier, Menschen da, Menschen überall. Aus dem Augenwinkel beobachtete Touko N, der seit der Entdeckung bei den Pokébällen geschwiegen hatte, und wartete auf erste Zeichen des Unmuts in seinem Gesicht; und doch sah er so beherrscht, fast empfindungslos aus, dass es ein Gefühl des Unbehagens in Touko auslöste. Sie hoffte schon fast, Kuro würde sich wieder über ihn lustig machen, nur damit diese beklemmende Steifheit aus seinem Blick verschwand.

Cheren, der mit drei Tüten bepackt war und so glücklich aussah, als hätte er das Geschäft seines Lebens abgeschlossen, erzählte Kuro etwas von wegen, er brauche noch ein paar neue Hosen, und steuerte mit ihm die Herrenabteilung an.
 

Langsam begann in N die Frage aufzusteigen, warum er überhaupt hierher gekommen war; knapp bei Kasse, um nicht zu sagen abgebrannt, wie er war, konnte er es sich ohnehin nicht leisten, neue Kleidung zu kaufen, auch wenn er neue gut hätte gebrauchen können; er blickte hinunter auf sein graues Hemd, das einmal vor langer Zeit weiß gewesen sein musste, und überschlug noch einmal sein Einkommen und die Kosten der neuen Möbel; er würde einen höheren Kredit aufnehmen müssen …

N sah nachdenklich vor sich hin und schlenderte dabei vor der Rolltreppe auf und ab.

Touko warf Bell, die hinter ihr stand, einen unsicheren Blick zu; sie lächelte aufmunternd zurück.

Touko stupste N zaghaft an. „N?“

„Hm? Worauf wartet ihr denn noch? Das ganze Kaufhaus steht euch frei“, sagte er, ohne stehen zubleiben.

„Also, ich hab mir mit Bell was überlegt … Mein Vater war ja ziemlich sauer, als er dich gesehen hat, und ich denke mal, dass nicht wenige in Einall seine Meinung von dir teilen. Deshalb dachten wir uns, dass es bestimmt das Beste wäre, wenn wir dich ... neu einkleiden.“ Touko hatte hastig gesprochen und wartete nun gespannt auf seine Antwort.

N sah aus, als hätte sie ihm vorgeschlagen, seine Haare knallrosa zu färben. „Neu einkleiden? Wie meint ihr das …?“
 

Die nächste Viertelstunde verbrachten Bell und Touko damit, in der Herrenabteilung umherzulaufen und hier und da ein paar brauchbare Kleidungsstücke von ihren Ständern zu fischen, um sie sich dann unter die Arme zu klemmen und weiterzulaufen; sie erinnerten N ein wenig an Arbeitsbienen, die von Blüte zu Blüte schwirrten. Er hatte sich auf einen Sessel vor den Umkleiden gesetzt und starrte sein Spiegelbild in dem Spiegel an, der zwischen zwei Kabinen angebracht war.

Es war ja schon ein eigenartiges Gefühl, sich mit kurzgeschorenen Haaren zu sehen, wenn man, seit man denken kann, lange Haare hatte; jetzt wollten sie ihm auch noch ganz neue Kleidung verpassen. Er raufte sich durch die kurzen Haare und wechselte einen finsteren Blick mit seinem Spiegel-Ich; das konnte noch heiter werden.

Die beiden schienen sich jedoch königlich zu amüsieren; Touko jedenfalls grinste von Ohr zu Ohr und winkte ihm beschwingt zu, wann immer sie an ihm vorbeikam. Er hob zur Antwort nur matt die Hand.
 

„Hier, die kannst du schon mal anprobieren!“

Er hatte gerade die Stimme neben sich als die Bells erkannt, als er sich schon mit einem unförmigen Haufen Baumwolle, Polyester, Polyamid und weiß der Himmel noch was überschüttet wurde.

Mit jedem Oberteil, das er auseinanderpflückte, wuchs sein Entsetzen; das konnte doch nur ein Scherz sein … bitte, lass es ein Scherz sein …

„Äh, Bell …“ Er sah sich um. Sie war schon zwischen den Kleiderständern verschwunden.

Er hob noch einmal eines der Oberteile hoch, ein ziemlich knalliges, tintenblaues T-Shirt mit dem blutroten Schriftzug der Tohaidos, einer Band, die in Hoenn schon zur Kultur gehörte wie der Pyroberg und die Wettbewerbshallen. So hatte er es jedenfalls wahrgenommen. Dann ein schwarzes, auf dem in weiß ‚I ♥ SC’ stand (was für eine Lüge!) und ein dunkelgrünes Poloshirt mit roten Streifen. Nie in seinem ganzen Leben hätte er ein derartiges Machwerk freiwillig angezogen. Natürlich, das war auch der Zweck des Ganzen: Tarnung. Trotzdem, ein wenig Eitelkeit konnte er sich doch wohl noch erlauben?

Er ging in eine Kabine und zog sie sich an, eins nach dem anderen. Sie passten. Würde er sie sich tatsächlich anziehen?
 

Er verließ seine Kabine wieder in seinem normalen Hemd und sah sich plötzlich Touko gegenüber.

„Hast du die Sachen schon anprobiert?“, fragte sie nur.

„Ja, aber sie –“

„Gut, dann nimm doch die hier.“ Sie entzog Ns Griff die Oberteile und streckte ihm einen Stoß neuer Sachen entgegen.

N schloss den Mund wieder und verzog ihn zu einer Grimasse. Was nutzte es noch, es länger zu verheimlichen? Die Wahrheit würde so oder so herauskommen.

„Ich habe kein Geld“, sagte er schlicht und sah Touko dabei offen in die Augen.

„Wie, überhaupt keins?“ Sie zog die Kleider wieder an sich und sah zweifelnd zurück.

„Nein, aber nicht genug für …“ Er machte eine Geste in Richtung der Kleider.

„Was soll’s, ich werde dir aushelfen“, sagte Touko unbetrübt, „ich hab genug Geld. Deine alten Sachen kannst du nicht mehr anziehen. Immer dieses Grau, Weiß, Beige. Das ist inzwischen zu deinem Markenzeichen geworden. Und Bell kommt hoffentlich gleich mit den Kontaktlinsen.“

„Kontakt–?“ Sie drückte ihm die Kleider in die Hand und bugsierte ihn zurück in die Kabine.

Zweifellos, das Ganze fing an, aus dem Ruder zu laufen. Ns Hände tasteten suchend die Wand ab, hoben den Spiegel von der Wand, wie in der kindischen Hoffnung, dahinter einen Notausgang zu finden.

Feigling.
 

Touko stand vor den Vorhängen der Umkleide und wartete. Inzwischen hatte sich auch Bell mit zwei Packungen Monatslinsen, deren Kartons ‚50ml Aufbewahrungsflüssigkeit gratis!!’ versprachen, zu ihr gesellt.

„Bist du dir sicher, dass er braun mögen wird?“, fragte sie ihre Freundin unsicher.

„Mögen oder nicht, es ist die beste Tarnung“, antwortete sie gedämpft.

Die Vorhänge wurden zur Seite geschoben und heraus kam N mit einer Miene, als hätte er sich das Gesicht gerade blankgeputzt.

„Und?“, fragten Bell und Touko im Chor.

N nahm eine Sonnenbrille mit runden Gläsern aus seiner Tasche, setzte sie auf, und sagte: „Ich nehm sie alle.“
 

Touko seufzte vor Erleichterung. „Gut, wie gesagt, ich werde sie dir bezahlen. Ach ja, noch etwas –“

„Ich weiß, die Kontaktlinsen“, sagte N und tippte auf seine Sonnenbrille, „brauch ich nicht.“

„Was hab ich dir gesagt?“, fragte Bell Touko theatralisch und schaute auf zur Decke.

„Sei nicht albern, die kannst du doch nicht überall tragen, zum Beispiel in Gebäuden oder wenn es draußen dunkel ist, das fällt doch auf.“

N verzog den Mund und nahm seine Brille ab. „Welche Farbe?“

„Ich hab die dunkelsten ausgesucht“, entgegnete Bell und hielt ihm die Packungen entgegen.

„Braun mag ich nicht“, sagte er sofort.

„Tja, dein Pech, dass du helle Augen hast“, warf Touko schnippisch ein und griff nach den Kleidern unter seinem Arm, Jeans, Shorts und einem Kapuzenpullover.

„Ich geh jetzt bezahlen, wenn’s dir nichts ausmacht.“ Damit steuerte sie entschlossenen Schrittes die Kasse an.

„Ich werd dir alles zurückzahlen. Mit Zinsen!“, rief er ihr noch hinterher. Bald, wenn er genug Geld zusammenhatte. Touko drehte sich kurz um und winkte ihm zu.

„Sie ist wohl ganz schön reich, was“, bemerkte er und sah Bell fragend an.

Sie zuckte die Schultern. „Ihr Vater arbeitet als Journalist für den Stratos-Boten, ich denke, er verdient ganz ordentlich.“ Sie zögerte kurz. „Was ist jetzt eigentlich mit den Kontaktlinsen? Soll ich sie zurückgeben?“

Er nickte, überlegte es sich anders, schüttelte den Kopf, zuckte die Achseln. „Wenn schon, denn schon, ich nehme einfach alles. Du bekommst dein Geld natürlich auch wieder.“

Bell nickte und folgte Touko rasch an die Kasse. Während er auf die beiden wartete, ließ N den Blick schweifen, und entdeckte einen Ständer, an dem Mützen und Hüte in allen Formen und Farben hingen.

„Ein bisschen Geld hab ich dabei“, überlegte er laut. „Für eine Kappe wird es vielleicht noch reichen …“
 

„Das gibt’s doch nicht!“, klagte Cheren und sah sich voller Verzweiflung in der ganzen Etage um. „Nichts in meiner Größe … Was für ein Drecksladen.“

„Was kann denn der Laden dafür, dass du Hosen in XXS brauchst?“ Die Hände in den Hosentaschen vergraben, lehnte sich Kuro neben Cheren an eine Kleiderstange für reduzierte Jeanshosen und war so damit beschäftigt, sein Missfallen zum Ausdruck zu bringen, dass er nicht einmal N bemerkte, als der sich vor den anliegenden Hutständer stellte und die Auslagen musterte: Dunkle Fedora-Hüte, die an schlechte Cowboyfilme erinnerten, karierte Schiebermützen wie aus Uropas Zeiten und diese bescheuerten Marken-Basecaps mit den geraden Schirmen. N entschied sich für eine normale blaue Kappe mit weißem Stirnteil und suchte nach einem Spiegel.

Den nächsten fand er in der angrenzenden Damen-Abteilung. Während er sein Spiegelbild betrachtete, zog eine Schar Mädchen an ihm vorüber – die von der Pokémon-Abteilung, wie er vermutete –, die sich auf das Unterwäscheregal links von ihm stürzten; ein Wettrennen, wie es aussah. N sah sich die Augen verdrehen. Gleich darauf tauchte Kuro im Spiegel auf, der wie zufällig an ihm vorbeispazierte, den Blick auf die Mädchen gerichtet, die sich inzwischen an dem Regal abstützten, um vor lachen nicht umzukippen.

„Guckt mal!“ Eine von ihnen deutete auf einen Slip mit Leopardmuster, was die anderen noch heftiger kichern ließ. „Das wär doch was für dich, Lea, oder?“ Sie bückte sich danach; N sah im Spiegel, wie ihr Rock immer höher rutschte, bis –
 

SCHEPPER. Es war nichts als ein metallisches Poltern zu hören, als plötzlich eine Kaskade aus Unterwäsche über ihn hereinbrach und er kurz darauf hinterrücks von einem kalten, harten Gegenstand niedergeknüppelt wurde.

Als er mal in seiner Kindheit einen Comic gelesen hatte, in dem die Figuren immer Sternchen sahen, nachdem sie einen Schlag auf den Schädel erhielten, hatte er nur humorlos den Kopf geschüttelt: wie unrealistisch.

Jetzt jedoch funkelte und blitzte es vor seinen geschlossenen Augen. Mit einem Gefühl, als wäre sein Kopf entzwei gespalten, kroch er halbwegs unter dem Kleiderständer hervor und sah verschwommen den Grund, warum er nicht weiterkam: Kuro lag bäuchlings auf dem Ständer und stöhnte: „Aua, mein Knie ...“

„Dein Knie? Mein Schädel! Runter von mir!“

Gelächter wie aus tausend Hälsen, aufgeregtes Fußgetrappel, Toukos Stimme („Jungs? Was macht ihr da?“) und ein Bikini, der von seiner Kappe rutschte und ihm die Sicht verdeckte; dann wurde ihm wieder schwarz vor Augen.
 

Als er sie wieder öffnete, lag er auf dem Rücken, immer noch mit Dessous überschüttet, aber wenigstens von dem Kleiderständer befreit. Seine Augenlider öffneten sich und gaben den Blick auf das Gesicht einer Frau frei, die sich über ihn beugte und ihn fassungslos anstarrte.

„Ich glaub, ich spinne … N? Bist du das etwa?“
 

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AN: Wie ihr sicher schon gemerkt habt, habe ich das Kaufhaus 9 ein bisschen umgestaltet, weil es im Spiel irgendwie … primitiv aussieht, wie ich finde. Und vor allem klein. Aber das dürfte kein Problem sein, oder? ;)

Trautes Heim, Glück allein

N schloss die Augen. Öffnete sie wieder. Sie war immer noch da.

„Concordia“, murmelte er und auf dem Gesicht der Frau breitete sich ein zärtliches Lächeln aus.

„Ihr seid es tatsächlich, König N … mein N.“ Eine Hand berührte sein Gesicht, weich und kühl, und streichelte seine Wange, sanft wie ein Windhauch. Wieder schloss N die Augen; ihre Berührung ließ ihn vergessen, wo er war, was er fühlte, was eben passiert war; stattdessen füllten Erinnerungen seine Gedanken, Erinnerungen an ein junges Zorua, das er mit Concordias und Antheas Hilfe gepflegt hatte, an die Pirsifkuchen, die sie ihm immer zum Geburtstag gebacken hatte, an sein altes Spielzimmer mit der Halfpipe, dem Basketball, der Eisenbahn, an Geechisu, der vor ihm kniete und –

N riss die Augen wieder auf, rutschte so weit von der blonden Frau weg wie er konnte, und hob schützend eine Hand vor die Augen, als blendete ihn ihr Anblick.

„Was tust du hier?“ N zwang seine Stimme, so abweisend wie möglich zu klingen, während sich seine Augen nicht von ihr wenden wollten. Sie war immer noch genauso schön, wie er sie in Erinnerung hatte.

„Ich arbeite hier“, sagte Concordia leise; ein trauriger Schimmer legte sich auf ihre Augen, und N wusste nicht, ob es wegen ihrer Arbeit war oder wegen seiner Zurückweisung.

„Nachdem Ihr und Euer Vater uns verlassen hattet und das Schloss zerstört worden war, hatten Anthea und ich keine Arbeit mehr, also ging sie in ein Pokémoncenter, während … mir nur das Einkaufszentrum blieb.“

N nickte langsam und erhob sich behutsam vom Boden; sein Kopf brummte zwar immer noch, aber jedenfalls hatte er keine Gehirnerschütterung davongetragen.

„Zuerst einmal“, sagte N zu Concordia, die sich ebenfalls aufgerichtet hatte, „hörst du bitte auf, mich N zu nennen, die Leute sind immer noch schlecht auf mich zu sprechen. Man kennt mich hier jetzt als Shin. Zweitens kann ich dieses ‚Ihr’ und ‚Euch’ nicht mehr hören, also sag einfach Du zu mir. Und drittens bin ich kein König.“

Concordia neigte den Kopf und verbeugte sich. „Alles, was du wünschst. Shin.“

N blickte über ihre Schulter und sah Touko und Bell, die in einiger Entfernung hinter ihr standen und bedeutungsschwer zu ihm herüberschauten. Anscheinend hatte Concordia um ein Gespräch unter vier Augen gebeten.

Er wandte sich wieder Concordia zu. Die Hände vor dem Schoß verschränkt und den Blick demütig nach unten gerichtet, stand sie immer noch vor ihm und kaute auf den Lippen, als läge ihr etwas schwer auf der Zunge, etwas, was sie nicht in Worte zu kleiden wusste.

N fasste einen Entschluss, griff in seine Hosentasche und holte sein Portmonee hervor. Heraus zog er den nächst besten Kassenbon und legte ihn auf seine Handfläche.

„Hast du zufällig einen Stift dabei?“

Concordia nickte stumm und gab ihm einen Kugelschreiber, auf dem das Logo des Kaufhaus 9 prangte, mit dem er etwas rasch auf den Zettel kritzelte. Schließlich gab er ihr den Bon mitsamt Kugelschreiber und sagte: „Meine Nummer. Ruf mich an, wenn du dich einsam fühlst.“ Damit hob er zum Abschied die Hand und wandte zu Touko um, die inzwischen alleine dort stand.

„Ich habe gehört, unser Team würde sich wieder zusammenfinden“, platzte Concordia endlich heraus. N drehte sich um, und er war nicht der einzige; etwa ein dutzend Menschen standen in ihrem näheren Umkreis, darunter auch Kuro und das Mädchen mit dem Rock, das ihm half, die Unterwäsche wieder auf den Ständer zu hängen; alle sahen die Verkäuferin und den Kunden an, die offenbar zu einem ‚Team’ gehörten, und warteten gespannt auf dessen Antwort.

N funkelte Concordia an, sah das Hoffen und Bangen, das Bitten und Flehen in ihren alabasterfarbenen Augen, und er zögerte für einen ganz kurzen Moment.

„Nein“, sagte er. „Nein.“ Damit kehrte er ihr den Rücken zu und begleitete Touko hinaus an die frische Luft.
 

Beide schwiegen genau bis zu dem Moment, als N die Schwelle zum Kaufhaus übertreten hatte. „Was wollte Concordia von dir?“, legte Touko los, als hätte sie bis zu diesem Moment ein Knebel daran gehindert. N antwortete nicht, er war ganz in seine eigenen Gedanken vertieft. Wer konnte Concordia gesagt haben, dass ein neues Team Plasma entstehen würde? N selbst hatte jedenfalls nichts dergleichen mitbekommen, und er hatte auch nicht das geringste Interesse, Team Plasma wieder auferstehen zu lassen. Doch was, wenn es einen neuen Anführer geben würde …?

„N, hörst du mir überhaupt zu?“ Toukos gekränkte Stimme riss ihn in die Wirklichkeit zurück, und er musste rasch überlegen, was sie ihn gefragt hatte.

„Du hast es doch gehört“, sagte er nach einer kurzen Pause. „Sie wollte wissen, ob es ein neues Team Plasma geben wird.“

„Und davor?“ N drehte erstaunt den Kopf; Toukos Blick war in die Ferne gerichtet. „Was habt ihr davor besprochen?“

N war drauf und dran, ihr zu sagen, dass es sie nichts anginge. Einen Moment später überlegte er es sich jedoch anders. „Wir haben kaum geredet. Nur ein bisschen über ihre Arbeit.“ Sie waren inzwischen an der Bushaltestelle kurz vor dem Eingang zur Zylinderbrücke angekommen. Sie hatten in stummem Einverständnis beschlossen, den Bus zu nehmen. N blieb stehen und sah auf seine Uhr. Die Busse kamen hier immer stündlich um 17 nach an. Es war zwölf nach vier.

„Wo ist eigentlich Bell?“

„Noch im Laden, sie meinte, ich solle nicht auf sie warten.

Aber du hast ihr etwas auf einen Zettel geschrieben“, fuhr Touko hastig fort.

N begann sich langsam zu fragen, wo sie dieses Gespräch wohl noch hinführen mochte. „Es war meine Handynummer. Wieso fragst du?“

„Wieso hast du ihr denn deine Nummer gegeben?“ Es klang flapsig, beinahe unverschämt. Touko bemerkte ihren Fehler selbst und fügte entschuldigend hinzu: „Weißt du, ich traue dem Braten nicht ganz. Vielleicht steckt Concordia mit irgendwelchen Typen unter der Decke, die dich dazu benutzen wollen, ein neues Team zu gründen …“ Touko stockte, als sie Ns Gesichtsausdruck sah.

„Völlig ausgeschlossen“, sagte er kurz angebunden. „Concordia kann ich blind vertrauen.“ Etwas an seiner Stimme, vielleicht auch nur die Betonung auf dem ersten Wort, beendete das Gespräch.
 

Als sie in Avenitia aus dem Bus stiegen, verabschiedete N sich nach einigen Worten des Danks und dem erneuten Versprechen, er werde ihr alles zurückzahlen, von Touko und steuerte seine Wohnung an.

„Hey, warte mal!“, rief Touko und lief ihm hinterher. „Ich will sehen, wo du wohnst.“

N riss vor Schreck die Augen auf. „Keine Chance“, stammelte er und blieb wie angewurzelt stehen. „Es ist eine Baustelle. Das willst du nicht sehen. Warte erst mal, bis es fertig ist.“ Aber Touko nahm seinen Ellbogen und zog ihn vorwärts.

„Ich hasse es, dir das sagen zu müssen, N, aber … dafür bin ich zu ungeduldig. Du wirst dich schon noch dran gewöhnen.“
 

Touko blieb vor dem Gebäude stehen und starrte.

Es war ein großes, kastenförmiges Mehrfamilienhaus, dessen Fensterfront auf einen verwahrlosten Spielplatz ausgerichtet war. Die Wände waren in einem unangenehmen Gelbton gestrichen, auf dem sich ein grünlichbrauner Belag aus Schimmel gebildet hatte, und auf den braunen Dachpfannen gediehen Moos und Flechten.

„Und hier wohnst du?“ Der Gedanke, dass N in diesem dreckigen Loch vor sich hin vegetieren sollte, war einfach … unerträglich.

„Tja, nicht gerade fürstlich“, bemerkte N mit einem plötzlichen Anflug von Verwegenheit. „Natürlich nichts im Vergleich zu dem, was du so gewohnt bist …“

„N, was hast du dir da nur eingebrockt?“, rief Touko fassungslos. „Mit deinem Vermieter musst du aber mal ein Wörtchen reden, das ist doch nicht mehr menschenwürdig, was er dir da vermietet …“

N nickte beifällig. „Ich weiß, ich weiß. Aber irgendwo muss ich ja wohnen, wenn ich nicht in einem Ohrdoch-Bau nächtigen will, und das hier war das Billigste, was ich finden konnte.“

„Das wundert mich nicht“, stellte Touko aufgebracht fest.

„Willst du es dir immer noch von innen ansehen?“

„… Ich bin inzwischen auf alles gefasst, N.“

„Das sagst du jetzt noch.“
 

N ging voraus durch den engen Flur und stellte die Tüten mit den Einkäufen in dem Zimmer ab, das Touko schon von der Tür aus als Küche erkannte.

Sie folgte ihm; der Flur war leer bis auf einige Schrauben, behelfsmäßigen Kleiderhaken, die neben einer geschlossenen Tür in die Wand gedreht worden waren. Einige Schritte weiter führte zu ihrer Rechten ein türloser Durchgang in ein Zimmer, in dem nur ein Bett und eine Kleiderstange wie vorübergehend abgestellt herumstanden.

„Du wohnst wohl noch nicht sehr lange hier, oder?“, bemerkte Touko, während sie N dabei zusah, wie er aus einem Küchenschrank zwei Gläser holte und sie sorgfältig sauberwischte, bevor er in beide Leitungswasser hineingoss.

„Anderthalb Wochen, um genau zu sein“, sagte N und stellte die Gläser auf den Tisch, vor dem nur ein einziger, altmodisch verzierter Stuhl stand, der nicht so recht zu dem schlichten runden Tisch passen wollte.

„Setz dich doch.“

„Aber da ist nur ein Stuhl.“

„Ich weiß, ich kann auch zählen.“ Touko blickte ihn finster an.

„Verzeih, ich konnte nicht widerstehen.“

Touko setzte sich und sah ihn von unten mit flatternden Augenliedern an. „Warum nimmst du mich nicht auf den Schoß?“

Und Ns Kehle wurde auf einmal sehr trocken.
 

„Sag, wie kommt es eigentlich, dass du nur so wenig Möbel hast?“, erkundigte sie sich, als er nicht antwortete.

N räusperte sich. „Ich habe kein Geld“, wiederholte er ruhig; beim zweiten Mal war es gar nicht mehr so schlimm, das zuzugeben.

„Und mein Schloss ist ja freundlicherweise zerstört worden, also blieb mir nichts anderes übrig, einen Kredit aufzunehmen, um fürs Erste wenigstens die Miete bezahlen zu können. Küche und Kühlschrank standen hier schon, die übrigen Möbel habe ich aus dem Sperrmüll gerettet.“ Er klang nüchtern, leierte nur Fakten hinunter.

Plötzlich war Touko heilfroh, ihm wenigstens neue Kleidung gekauft zu haben.

„Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte sie zaghaft, obwohl die Antwort schon absehbar war.

„Helfen? Mit noch mehr Geld, oder wie? Nein, das kann ich nicht annehmen. Nimm’s nicht persönlich, ich hasse es einfach, bei anderen in der Kreide zu stehen.“

Touko lächelte. „Ich auch.“ Dann wurde sie wieder ernst.

„Was ich dich noch fragen wollte … Wie kommt es eigentlich, dass dich bei der Arbeit noch niemand erkannt hat?“, fragte sie mit einem nachdenklichen Blick auf eine Stelle neben der Spüle, an der die weiße Tapete sich von der Wand gelöst hatte.

„Sie haben mich erkannt“, widersprach N ihr unvermittelt. „Aber es ist ihnen gleichgültig, wer ich bin. Hauptsache, ich pflege die Pokémon gut und laufe nicht dort herum, wo sich die Besucher aufhalten.“ Er zuckte die Schultern.

Im Stillen fragte sich Touko, ob er sich diese stoische Haltung während seiner Reisen angeeignet oder ob er diesen Charakterzug schon immer gehabt hatte.

„Schäbig, was? Ich muss echt mal neu tapezieren.“ N war ihrem Blick gefolgt und rieb sich nachdenklich den Nacken.
 

„Du, N?“, sagte Touko hastig.

„Ja?“

„Wo sind eigentlich deine Pokémon?“, fragte sie und senkte den Blick kurz zu seinem Gürtel; keine Pokébälle verdeckten ihn.

„Ich habe sie in den Wald gebracht. Das mache ich jeden Tag so.“

Touko starrte ihn an. „Wieso das denn?“

N lachte ohne Freude. „Sieh dich doch mal um. Ist das hier der richtige Ort für Pokémon?“ Er wurde plötzlich ernst. „Du glaubst doch nicht, ich stecke sie immer noch in Pokébälle? Das mache ich nur abends, wenn ich sie abhole. Im Pokéball zu schlafen, ist wohl nicht das Schlimmste.“

Touko überlegte, dass es wohl sinnlos gewesen wäre, ihm zu widersprechen, und nickte. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, einen Streit vom Zaun zu brechen.
 

Ein durchdringendes Schellen wie von einem altmodischen Telefon unterbrach Toukos Gedankengang und N fing an, hektisch in seinen Hosentaschen zu kramen, bis er sein Handy fand.

„Ja?“ Ns gerunzelte Stirn glättete sich sofort, als er die Stimme am anderen Ende der Leitung erkannte. „Ach, hallo! Wie steht’s, bist du fertig mit der Arbeit?“

Eine Weile herrschte Stille, dann lächelte er. „Ja, das dachte ich mir schon.“ Darauf fiel sein Blick auf Touko. „Hör mal, Concordia, kannst du einen Moment dranbleiben? Ich muss noch kurz was machen…“ Er legte eine Hand auf den Hörer und setzte an, etwas zu sagen, als Touko ihm schon zuvorkam: „Ist schon okay, ich wollte sowieso gerade gehen.“ Sie stand auf und schob den Stuhl wieder an.

N zögerte. „Bist du sicher? Ich kann sie ja später zurückrufen …“

Touko schüttelte den Kopf. „Schon gut“, sagte sie steif.

„Also, dann … danke noch mal für alles. Ich stehe in deiner Schuld.“

Sie verabschiedeten sich, und Touko ging zur Tür.

Sie ließ noch einen Zettel fallen, ehe die Tür hinter ihr zufiel.

Mangelware

Geschichte. Wenn es nach Touko und den anderen Zehntklässlern der Orion City-Oberschule ging, schrie dieses Fach geradezu nach Dokus.

Und offenbar dachte ihr gegenwärtiger Geschichtslehrer, Abe-sensei, nicht anders als sie, denn heute spielte er ihnen mit einem verstaubten Fernseher von einer Firma, die schon vor Jahrzehnten dichtgemacht hatte, eine VHS-Kassette aus den Sechzigern vor.

Der Play-Knopf wurde gedrückt, der Sprecher fing an zu leiern, und schon drehte jeder in der Klasse sein eigenes Ding. Die Mädchen in der ersten Reihen schwatzten über den üblichen Kram, die Jungs in den letzten Reihen reichten eine Tüte Chips von Hand zu Hand und unterhielten sich über das anstehende Baseballspiel gegen die Mannschaft der Stratos City-Oberschule, und Abes halbherzige Aufforderung, sie mögen sich doch am Besten Notizen zu dem Film machen, wurde einhellig ignoriert.

Nun, fast einhellig.

„Cheren, du wirst doch jetzt nicht ernsthaft mitschreiben, oder?“, brummte Kuro und folgte mit einem missmutigen Blick Cherens Hand, die gerade dabei war, wie von selbst feinsäuberliche Mitschriften anzufertigen.

„Was spricht denn dagegen?“, fragte Cheren, ohne innezuhalten.

„Na, zum Beispiel, dass Abe das nie und nimmer kontrollieren wird.“

„Ich tu das nicht für ihn, sondern für mich!“ Cheren klang ernsthaft empört.

Kuro verdrehte die Augen. „Schon klar, Konfuzius, ich gebe auf.“

Er legte die Arme auf seinem Tisch übereinander und bettete den Kopf darauf.

„So hab ich keinen zum Quatschen“, beschwerte er sich.

„Tauschen wir doch die Plätze, dann kannst du mit Touko quatschen“, schlug ihm Cheren vor, den Blick wieder auf den Bildschirm geheftet.

„Nee, danke“, erwiderte Kuro aufgebracht. „Die will ja über nichts anderes reden als diesen N!“

Cheren spähte kurz zu Touko herüber, die mit auf den Handflächen gestütztem Kinn neben ihm saß und den Fernseher mit glasigen Augen anstarrte.

„Hat er in letzter Zeit mal wieder von sich hören lassen?“, fragte Cheren, um Interesse vorzuschützen.

Touko blinzelte ein paar Mal, wandte den Blick vom Fernseher ab, und seufzte.

„Nein. Ich habe ihm meine Handynummer überlassen“, sie dachte an den Zettel zurück, den sie bei ihm fallen gelassen hatte, „aber er hat nicht angerufen. Ich wollte ihn mal besuchen kommen, nur… irgendwie ist er immer weg, und ich traue mich nicht, allzu spät noch bei ihm zu klingeln.“ Es war, als hätte Cheren einen Stöpsel gezogen; war ihr Mund eben noch fest verschlossen gewesen, so brachen die Wörter nun wie ein Wasserfall aus ihm hervor.

„… Sogar am Sonntag war er nicht da, ich hab vor seinem Haus gesessen und gewartet, stundenlang hab ich gewartet, da fällt mir ein, vielleicht war er auch im Wald bei seinen Pokémon oder er arbeitet auch sonntags –“

„Touko.“ Zum ersten Mal widmete Cheren ihr seine volle Aufmerksamkeit.

„Ja?“

„Hör auf.“

„Aber wieso denn? Was hast du eigentlich gegen N?“ Touko hatte einen vorwurfsvolleren Tonfall angeschlagen, als Cheren es für angemessen hielt.

„Er ist ein Spinner!“, meldete sich Kuro aus dem Hintergrund.

„Er hat Recht, weißt du“, stimmte Cheren ihm unvermittelt zu. „Einmal Plasma, immer Plasma. Wir wissen nicht, ob er sich wirklich geändert hat oder vielleicht einen neuen Plan verfolgt und uns nur in Sicherheit wiegen will.“ Er wandte sich wieder seinen Notizen zu, als wäre er gar nicht gestört worden.

Daran hatte Touko noch gar nicht gedacht: Dass er einfach nur log. Dass er sie anlog.

Vielleicht, sagte eine ungebetene Stimme in ihrem Kopf, hat er Concordia direkt, nachdem du gegangen bist, gesagt, dass er doch ein neues Team Plasma bilden würde, dass er es vor den anderen nur nicht zugeben wollte …

Touko verscheuchte den Gedanken. So gut konnte niemand lügen. Cheren hatte ihn nicht reden gehört. Er hatte eindeutig die Wahrheit gesagt. Ja. Welchen Grund gab es, daran zu zweifeln? Touko schloss die Augen und versuchte die Stimmen um sie herum auszublenden. Wie sollte sie nur Kontakt mit ihm aufnehmen, wenn er sich im Pokémoncenter nicht vor Besuchern zeigen durfte? Ging er ihr letzten Endes vielleicht sogar aus dem Weg? Hatte er doch etwas zu verbergen …?

Auf einmal hatte sie das dringende Bedürfnis, alleine zu sein. Alleine zu sein und … sich zu bewegen. Diese Bewegungslosigkeit in der Schule war unerträglich – wie hatte sie es nur den ganzen Tag lang ausgehalten, ohne durchzudrehen? Laufen gehen, durch den Wald, allein, bis sie zusammenbrach. Musik hören, etwas von den Tohaidos vielleicht. World So Wrong. Dead End. Crooked.
 

Blurring the fine line between truth and lie

You know your trade like a thief knows his pry

I confess this sounds like superstition

But there is no doubt, it’s intuition

I know if we stay this way forever

There won’t be no frickin’ life together
 

Touko gab sich ganz der Musik in ihrem Kopf hin, und als es endlich zum Unterrichtsschluss klingelte, war sie beinahe wieder gut gelaunt.
 

Bell stand bereits auf dem Schulhof und winkte die drei zu sich heran.

„Los, beeilt euch!“, feuerte sie ihre Freunde lauthals an, was ihr einige hochgezogene Brauen von den anderen Schülern einbrachte. „Ich will keine Sekunde von Liebesbriefe aus Ondula verpassen!“

Ach ja, Bells Lieblings-Seifenoper. Touko erinnerte sich vage, dass Bell einmal erwähnt hatte, Ende April würde die letzte Folge der laufenden Staffel ausgestrahlt.

Sie beschleunigte ihre Schritte und lief Bell entgegen, ließ den Wind über ihr Gesicht streichen und genoss das plötzliche Gefühl der Freiheit.

Sie nahm Bells Hand und lief mit ihr weiter. „Los, wir rennen nach Hause!“, rief sie begeistert.

„Ich bin aber nicht so schnell wie – Vorsicht, Auto!“

Hand in Hand wichen sie nach links aus, um einen schwarz glänzenden Auto vorbei zulassen. Er drehte eine Runde um den Schulhof, dass die Reifen quietschten und einige Schüler sicherheitshalber auf die anliegende Wiese auswichen, und machte wieder neben Bell und Touko Halt.

Eine getönte Scheibe wurde heruntergelassen. „Soll ich euch mitnehmen?“

„Hallo! Was machen Sie denn hier, Handsome?“, fragte Touko überrascht. Obwohl sie längst seinen wahren Namen kannte, sprach sie ihn immer noch mit seinem alten Codenamen an: Handsome.

Der Polizist deutete mit dem Daumen hinter sich. „Ausnahmsweise bin ich mal nicht im Dienst, da dachte ich mir, ich könnte doch Kuro abholen.“

Er zwinkerte ihnen zu. „Aber die Damen dürfen natürlich zuerst einsteigen.“

„Danke.“ Touko beschloss, sich nicht darüber aufzuregen, und setzte sich mit Bell auf die komfortable Rückbank.

„Wow, hier sitzt man ja wie auf Wolken!“, sagte Bell und strich bewundernd über den gepolsterten Sitz.

Akio Nakano grinste ihr über den Rückspiegel zu. „Europäische Autos haben einfach was, nicht wahr? Wenn man schon mal das nötige Kleingeld hat, dann kann man sich schon etwas gönnen, findet ihr nicht auch?“

Natürlich, dachte Touko und verkniff sich eine sarkastische Bemerkung. Es war kaum zu glauben, dass er gar nicht mit Kuro verwandt sein sollte, sie waren sich einfach zu ähnlich.

Während seines Aufenthalts in Einall wegen der Fahndung nach den Sieben Weisen hatte Handsome Kuros geschiedene Mutter kennengelernt und sich in sie verliebt. Inzwischen war er zu ihr nach Avenitia gezogen und hatte eine Stelle als Polizist in Einall angetreten.

Durch das Fenster beobachtete Touko, wie Kuro mit geschwellter Brust auf das Auto zumarschierte und die Beifahrertür öffnete.

„Ahh, das nenne ich einen Service!“, sagte er und ließ sich auf den Sitz fallen. „Da braucht man keine Limousine, um sich wie ein VIP zu fühlen.“

In diesem Moment öffnete Cheren die Tür rechts von Touko und setzte sich neben sie.

„Hallo, Herr Nakano“, sagte er steif. Anscheinend mochte er Handsome genauso wenig wie sie, dachte Touko.

„Also, so langsam könntet ihr mich auch mal beim Vornamen nennen!“, entgegnete Handsome vorwurfsvoll. „Wir kennen uns doch inzwischen …“

Den Rest bekam Touko allerdings nicht mehr mit, denn mit einem Mal schoss ihr siedendheiß ein Gedanke durch den Kopf: Was, wenn Kuro Handsome von N erzählte? Bisher hatte er wohl dichtgehalten, aber sobald er genervt genug war, würde ihm vielleicht etwas herausrutschen …

„Kuro?“, platzte sie heraus, ohne darauf zu achten, was er gerade gesagt hatte.

Er verstummte und drehte sich zu ihr um. „Ja? Wo brennt’s denn?“

„Wollen wir uns heute treffen?“ Auf Kuros Gesicht breitete sich ein Ausdruck unerwarteten Glücks aus.

„Es ist schon nach fünf … aber wenn du meinst, es lohnt sich noch, gerne!“

„Warum kommst du nicht zum Abendessen?“, meinte plötzlich Handsome mit einem väterlichen Unterton. „Ich lade dich ein.“

Touko biss sich auf die Lippe. Verdammt! Sie musste mit Kuro allein reden. Vielleicht, wenn sie schnell genug aßen, hatten sie noch Zeit, zusammen auf sein Zimmer zu gehen, bevor sie nach Hause musste

„Danke, da sage ich nicht nein. Ich muss nur meine Eltern anrufen.“

Den Rest der Fahrt verbrachte sie damit, Kuro mit Belanglosigkeiten vollzutexten, damit er nicht auf ein ganz anderes Thema abdriftete. Glücklicherweise machte er sich nicht die Mühe – er genoss das Gespräch sichtlich.
 

Touko war schon oft bei Kuro zu Besuch gewesen, seit sie sich vor drei Jahren in der Kampfmetro kennengelernt hatten, und ein paarmal hatte sie auch schon bei ihm gegessen, aber nie zusammen am Tisch mit Handsome.

Er und Miru Taya, Kuros Mutter, schienen sich alle Mühe zu geben, die beiden nicht voneinander abzulenken, und aßen schweigend. Handsome dachte wohl, dass sie noch nicht mit ihrem Gespräch im Auto fertig waren, aber warum Kuros Mutter mitmachte, war ihr schleierhaft.

Das Problem war nur, dass Touko inzwischen der Gesprächsstoff ausgegangen war. Egal, beim Abendessen würden sie ohnehin nicht über N reden. Anstatt ihre Zeit mit Palaver zu vergeuden, aß sie Frau Tayas Misosuppe so schnell, wie sie sich traute, ohne den Eindruck von Unhöflichkeit zu erwecken.

Als sie schon beim Bodensatz angekommen war, brach plötzlich Handsome das Schweigen.

„Mir fällt gerade ein, Kuro, ich hab’s dir ja noch gar nicht gezeigt. Ich habe heute ein neues Pokémon vom Chef bekommen. Willst du es mal sehen?“ Das war natürlich eine rhetorische Frage. Noch bevor Kuro sein „Ja!“ gegeben hatte, nestelte er an seinem Gürtel herum und zog einen Hyperball hervor.

„Doch nicht beim Essen, Akio!“, meinte seine Verlobte vorwurfsvoll, aber Handsome tat so, als hätte er sie nicht gehört.

„Arkani, raus mit dir!“ Ein stattliches Hundepokémon brach aus dem Ball hervor und erleuchtete das Zimmer mit seinem glühenden orangeroten Fell.

Touko sah Kuros Augen erstrahlen. „Wow, so eins hab ich noch nie gesehen!“

„Tja, der Chef hat sie extra von den besten Trainern trainieren lassen, um uns mit ihnen auszurüsten. Die besten Polizeihunde, die es gibt, meint er!“

Kuro war sofort Feuer und Flamme. „Ich werde mir auch ein Arkani fangen. Das ist einfach zu cool …“

Touko verkniff sich ein Augenverdrehen. Natürlich wollte er auch so eins haben, er wollte alles haben, was sein Stiefvater auch hatte; für ihn war Handsome einfach das Idol schlechthin. Unnötig zu erwähnen, dass er seinen Traumberuf des Arenaleiters längst fallengelassen und kurzerhand entschieden hatte, es sei schon immer sein größter Traum gewesen, Polizist zu werden.
 

Sie war schon fertig mit der Suppe, als sich Handsome und sein Fast-Stiefsohn über Fukanos auf der Route 7 unterhielten und das Arkani währenddessen wie ein zu groß geratener Dekorationsgegenstand in der kleinen Küche herumstand und unruhig sein Gewicht von einer Pfote auf die nächste verlagerte.

„Wie wäre es“, schlug sie nach einer Weile vor, „wenn wir gleich losziehen, um ein Fukano zu fangen?“ Die perfekte Gelegenheit, um ohne Mithörer ein Wort an Kuro zu richten.

Keine Minute später war es entschieden: Kuro und Touko würden zunächst zum örtlichen Pokémarkt gehen, um Pokébälle zu kaufen, und sich dann auf den Weg zur Route 10 machen.

Touko bedankte sich bei Frau Taya für das Essen und verließ mit Kuro die Küche.

Sie schloss die Tür hinter sich. Kuro sagte etwas von wegen, er müsse noch kurz ins Badezimmer, und Touko setzte sich auf den Treppenabsatz zum Obergeschoss, um sich die Schuhe anzuziehen.

Unterdessen war zu hören, wie sich Handsome und Miru in der Küche unterhielten, und Touko gab sich alle Mühe, nicht mitzuhören – bis sie die Worte ‚N Harmonia’ hörte und erstarrte.

Mit einem Gefühl, als wären ihre Eingeweide zu Eis gefroren, schlich sie zurück zur Küchentür und lauschte durch das Schlüsselloch.

„… ‚Route 9, da hab ich ihn gesehen, das war so um viertel nach vier’, das hat er gesagt und sofort danach aufgelegt“, sagte Handsome gerade.

„Hm“, machte Miru nachdenklich. „Glaubst du nicht, das war nur ein Scherz?“

„Ich gehe davon aus. Aber es ist trotzdem meine Pflicht, diesem Hinweis nachzugehen. Auch wenn ich das ehrlich gesagt für Zeitverschwendung halte.“

Es entstand eine kurze Pause, in der nur das Klappern von Stäbchen zu hören war, die auf einen Teller gelegt wurden.

„Hast du auch vor, Kuro und seine Freunde zu fragen, ob sie etwas Verdächtiges bemerkt haben? Immerhin waren sie doch an dem Tag im Kaufhaus 9.“ Touko hielt den Atem an.

„Tatsächlich.“ Handsome schwieg einen Moment. „Ja, ich denke, wenn Kuro wieder zurückkommt, werde ich ihn fragen.“

Mit zitternden Knien richtete sich Touko auf, ließ sich wieder auf die unterste Treppenstufe fallen und schlang die Arme um ihre Knie. Es war entschieden. Handsome würde Kuro nach N fragen. Kuro würde sein Idol nicht anlügen. Und wenn er erst einmal erwähnte, dass Touko Ns Wohnort kannte …

Auf einmal ergriff eine lähmende Müdigkeit von ihr Besitz. Wie sollte sie N nur vor der Polizei warnen? Und wenn sie es tatsächlich schaffte, bevor es zu spät war – was konnte N auch unternehmen? Ist doch klar, meldete sich die boshafte Stimme wieder. Er wird wegziehen müssen.

Touko zog sich den zweiten Schuh an und knotete die Schnürsenkel fester zu als nötig.

Das hast du davon, N, dachte sie mit einem süffisanten Lächeln und setzte sein schockiertes Gesicht vor ihr inneres Auge. Das hast du nun davon, mir aus dem Weg zu gehen. Ich hätte dich gewarnt, du hättest fliehen können, aber nein, du hast mir ja keine Möglichkeit gegeben, und jetzt sitzt du hinter Gittern. Toukos Lächeln erlosch. Nein, das war es nicht, was sie wollte. Nicht Schadenfreude. Nicht dieses selbstgefällige Wenn-du-mich-nicht-hättest-Getue. Sie wollte nicht mehr das kleine Mädchen sein, das es wundersamerweise geschafft hatte, den Bösewicht Geechisu zu besiegen. Sie wollte für N eine ebenbürtige Partnerin sein. Ihm helfen, sein neues Leben in den Griff zu bekommen. Das war der Grund, warum sie sich Tag für Tag vor seine Haustür setzte und wartete, bis ihr alles wehtat, das und nichts anderes.

Heute, wenn Kuro endlich sein verdammtes Fukano gefunden hatte, würde sie sich zu ihm begeben und auf ihn warten, wenn es sein musste, auch bis zum nächsten Morgen.

„Auf zum Pokémarkt!!“, schallte plötzlich Kuros Stimme hinter ihr und ließ sie zusammenzucken.
 

Kaum dass die Haustür hinter ihnen zugefallen war, konnte sich Touko nicht mehr halten.

„Kuro?“

„Ja?“

Sie überlegte kurz, wie sie anfangen sollte. „Hast du Handsome irgendetwas über N erzählt?“

Kuro zog die Brauen hoch. „Hältst du mich wirklich für so ein Kameradenschwein?“

Touko starrte ihn an. „Ich dachte, du könntest ihn nicht ausstehen.“

„Ich meine ja auch nicht ihn“, sagte er, als wäre es offensichtlich. „Wenn ich ihn verraten würde, dann würdest du mir niemals verzeihen, hab ich Recht?“

Touko ignorierte seine Frage. „Wirst du ihn auch weiterhin geheim halten?“

„Ja.“

„Versprichst du es mir?“

„Worauf willst du hinaus?“ Touko erzählte ihm von dem anonymen Anruf, den Handsome erhalten hatte.

Kuro kratzte sich am Kinn und sagte nichts. Sie wiederholte ihre Frage. „Versprichst du mir, N nicht zu verraten?“

Nur allzu deutlich sah man den Kampf, der sich in seinem Inneren abspielte: Natürlich wollte er es sich nicht mit Touko verscherzen – aber andererseits war es beinahe eine Folter, diese einmalige Gelegenheit verstreichen zu lassen, seinem Stiefvater zur Hand zu gehen und vielleicht sogar den entscheidenden Hinweis zu liefern, der N ins Gefängnis bringen würde. „Du weißt, wo N wohnt, nicht wahr?“

„Das war die falsche Antwort“, versetzte Touko bissig. „‚Ja, ich verspreche es dir, Touko’ ist alles, was ich dazu hören will.“

Kuro seufzte schwer und verbittert. „Okay, ich tue es, aber du sollst wissen, dass ich es nicht gerne tue und dass unter bestimmten Umständen das ganze Versprechen nichtig wird.“

„Ach ja?“

„Wenn N wieder anfängt, hier oder sonst irgendwo Scheiße zu bauen, dann werde ich meinem Vater sofort alles sagen, was ich weiß, inklusive der Tatsache, dass du seinen Wohnort kennst. Verstanden?“

Touko nickte einmal. „So spricht ein wahrer Polizistensohn.“

Kuro versenkte die Hände in den Hosentaschen und blickte missmutig vor sich hin.

Zeit, ihn auf andere Gedanken zu bringen, bevor sich das schlechte Gewissen meldet.

„Wann werden deine Eltern noch mal heiraten? Ich hab’s ganz vergessen.“

„Am 5. Mai, wir werden bald die Einladungen verschicken.“

„Ach ja, zur Kirschblüte. Das wird bestimmt schön. Sind wir auch eingeladen?“

„Ja, natürlich.“ Einen Moment lang sah es so aus, als läge ihm noch etwas anderes auf der Zunge, dann schien er es jedoch wieder zu verwerfen.

Touko ließ den Blick über die Bäume in den umliegenden Gärten schweifen; noch sah man überall nur winzige grüne Knospen aufkeimen. „Wenn ich einmal heirate, dann auch während der Kirschblütezeit.“

Kuros Blick hellte sich auf. „Ja, das ist einfach die beste Zeit im Jahr.“ Jetzt schien er auch Mut für das gefasst zu haben, was er gerade hatte sagen wollen: „Touko… gehen wir dieses Jahr zusammen zum Kirschblütenfest?“

„Natürlich.“ Sie machte eine Pause. „Du, ich, Cheren und Bell, so wie immer.“

„Ähm… ja. Genau.“ Wieder breitete sich dieser unzufriedene Ausdruck auf seinem Gesicht aus.

Touko dachte an N. Würden es ihr die anderen wohl sehr übel nehmen, wenn sie ihn auch zu ihnen einlud?
 

„Das gibt es doch nicht.“ Kuro schüttelte den Kopf und konnte gar nicht mehr damit aufhören. „Das kann echt nicht wahr sein. Warum immer ich?“

Touko stellte sich breitbeinig vor das Pokéballregal, um einen festen Stand zu haben, und wähnte sich beinahe in einem bösen Traum: Zum ersten Mal in ihrem Leben sah sie es leer. Komplett ausgeräumt, bis auf die letzte staubige Ecke, wie eine Kraterlandschaft aus Plastik.

„Okay, wir können ja immer noch in Panaero City nachschauen …“

„Ja sicher! Wie groß ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass sie dort noch welche haben?“

Kuro drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Laden im Laufschritt.

Touko indes fand einen Angestellten, der gerade einen Karton voller Tränke zum Kühlregal hievte, und fragte ihn nach den Pokébällen.

Der zuckte nur die Schultern. „Keine Ahnung, wann die nächste Lieferung ankommen soll. Anscheinend hat das Massensterben der Aprikokos mehr Schaden angerichtet, als die in den Medien zugeben wollten. Wenn ich dir einen Tipp geben darf: Versuch’s doch mal mit dem Secondhandshop in Gavina, da sollen zurzeit welche zum Verkauf stehen. Nur leider sollen die unglaublich teuer sein …“

Touko bedankte sich und verließ den Laden.

Vor der Tür stand Kuro und wartete auf sie. „Ich geh jetzt nach Hause“, sagte er sogleich mit einem Gesichtsausdruck, der keinen Alternativvorschlag erlaubte.

„Na schön, dann gehen wir eben morgen zu diesem Secondhandshop in Gavina.“

Kuro nickte, ohne verstanden zu haben, was sie meinte.

Bevor sie sich trennten, sagte er noch: „Ich weiß, du wirst das nicht gerne hören, aber... das sieht ganz nach einer Aktion aus, wie sie N gefallen würde.“

Tag X

Es geht weiter! Vielen Dank für eure Kommentare! Besonders dir natürlich, TKTsunami. ;D

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„Admurai!“

„Serpiroyal.“

„Flambirex!“

„Zapplarek!“
 

N saß mit angezogenen Beinen im Gras unter einem Kirschbaum und hatte keine andere Wahl, als den kämpfenden Trainern vor ihm zuzusehen, wie sie ihre Sklaven hinausschickten, um sie zwecks eigener Belustigung sich gegenseitig quälen zu lassen –

Er kniff die Augen zusammen und zwang sich, an etwas anderes zu denken. Würde er jemals einem Pokémonkampf zusehen können, ohne in seine alten Denkmuster zu verfallen?

Sein Blick blieb an Touko hängen, die an Kuros Seite mit ihrem Feuer-Starter gegen Cheren und Bell kämpfte. Er sah die lodernde Leidenschaft in ihrem Gesicht, die strahlenden Augen, die angespannten Muskeln und fragte sich, ob er sich jemals damit abfinden konnte, dass ausgerechnet sie eine der besten Trainerinnen Einalls war.

Er beobachtete auch die anderen beim Kämpfen und konnte nicht umhin, Vergleiche mit Touko zu ziehen.

Cheren blieb defensiv und versuchte zunächst, sich Vorteile zu verschaffen, bevor er angriff, was an sich ja eine gute Strategie war, nur dass sein Pokémon dabei beträchtlichen Schaden nahm, bevor er es überhaupt angreifen ließ; Kuro benahm sich genau gegenteilig, scheuchte sein Zapplarek über das Kampffeld wie einen Rennwagen und spornte es mit Begeisterung zu Höchstleistungen an, war aber zu Ns Bedauern mit seiner Haudrauf-Methode auch nicht erfolglos; Bells Kampfstil war unstet, was wohl daran lag, dass sie sich nicht entscheiden konnte, ob sie mit ihrem Admurai nun Cherens Serpiroyal vor Flambirex schützen oder ihm doch lieber gegen Kuros Pokémon helfen sollte; schließlich entschied sie sich für eine holprige Mischung aus beidem, die sie verbissen beibehielt. Ihnen allen stand der Siegeswille quer übers Gesicht geschmiert.

Touko dagegen fiel in keines dieser Extreme – sie schien die Einzige von den vier zu sein, die wirklich nur den Spaß am Kampf vor Augen hatte, nicht das Gewinnen. Auch wenn ein Außenstehender ihren Stil wahrscheinlich als lasch bezeichnet hätte – N würde es für nichts in der Welt zugegeben, aber es machte ihm tatsächlich Spaß, ihr zuzusehen. Wenn irgendein Trainer auf der ganzen Welt seine Pokémon als ebenbürtige Partner behandelte, dann Touko, dachte er.

Trotzdem konnte er im Moment nicht anders, als ziemlich sauer auf sie zu sein – schließlich hatte sie ihn, wie er fand, unter einem falschen Vorwand hierher gelockt.
 

Es war schon fast 10, als N endlich die Zeit fand, Touko anzurufen.

„Ja?“

„Hey. Ich bin’s, N. Entschuldige, dass ich noch so spät anrufe.“

Es wurde still am anderen Ende der Leitung.

„Touko, bist du noch dran?“

Keine Antwort.

N seufzte schwer; er hatte es ja geahnt. „Tut mir leid, dass ich dich nicht früher…“

„Nein, ist schon okay.“

E schwieg überrumpelt und wartete, dass sie weitersprach.

„N… hast du morgen Nachmittag etwas vor?“

Er dachte an seine Pokémon, mit denen er an seinem freien Tag einen Spaziergang machen wollte. „Nein“, log er.

„Warum treffen wir uns dann nicht am Teich?“

Ihm war sofort klar, welchen sie meinte. „Ja, warum nicht? Um wie viel Uhr?“

„Ist drei okay?“

„Ja.“ Er überlegte kurz. „Ich werde meine Pokémon mitbringen.“

„Gut. Und stell dich schon mal darauf ein, dass du dich morgen nicht so schnell wieder loseisen kannst. Ach ja, noch was … zieh was von den neuen Sachen an und nimm die Kontaktlinsen.“

Danach hallte nur noch das Freizeichen in seinen Ohren.
 

Es war nie die Rede davon gewesen, dass sie Cheren, Kuro und Bell anschleppen und mit ihnen zur Krönung des Ganzen auch noch einen Kampf austragen würde.

N senkte den Blick und malte mit den Fingern Muster ins Gras.

Was wollte Touko hiermit nur bezwecken? N war es schon immer schwer gefallen, die Motive von Menschen zu deuten. Wollte sie ihn dafür bestrafen, dass er so lange nicht angerufen hatte? Oder wollte sie ihm demonstrieren, dass Kämpfe gar nicht so schlimm waren, wie er dachte? Oder plante sie schlicht und einfach, ihn an Pokémonkämpfe zu gewöhnen? N pflückte einen Grashalm und zerrieb ihn zwischen den Fingern.

Oder vielleicht machte er sich auch nur zu viele Gedanken.
 

„N!“, ertönte es plötzlich neben ihm und ehe N sich’s versah, sprang sein Zorua auf seine Knie und durchbohrte ihn mit ihren stechenden blauen Augen.

„Was ist los, Yami?“ N wich vorsichtshalber so weit zurück, wie es der Baumstamm hinter ihm erlaubte; mit einem zornigen Zorua war, trotz seiner Größe, nicht zu spaßen.

„Dieses Mädchen hat dich eingeladen, aber sie beachtet dich kein Bisschen.“ Ihr Kopf ruckte unwirsch in Richtung Touko. „Was will sie von dir?“

N blickte erstaunt zu Zorua auf, dann hinüber zu Touko, die gerade einen „Flammenwurf!“ von ihrem Flambirex verlangte, und zum Schluss wieder zurück zu Zorua. Sie hatte tatsächlich nur einmal kurz Hallo gesagt und sich dann ihren Freunden zugewandt, um ihm von da an nicht mehr Beachtung zu schenken als einem Grashalm.

„Eine berechtigte Frage“, entgegnete N. „Ich werde sie ihr nach dem Kampf stellen, der hoffentlich bald vorbei ist.“

„Warum lässt du das mit dir machen, N?!“ Enttäuschung ließ ihre Stimme erbeben. „Seit wann lässt du einfach zu, dass ein Mensch dich so behandelt? Wenn für dich ein neues Leben anzufangen bedeutet, dass du von nun an nach der Pfeife der Menschen tanzt, dann will ich lieber dein altes Leben zurück!“

N strich ihr besänftigend über das linke Vorderbein, bis er bei der Stelle ankam, an der normalerweise die Pfote hätte sein müssen, der Stelle, an der Yamis Vorbesitzer vor so vielen Jahren ihre Wut über die Schwäche des kleinen Zorua ausgelassen hatten.

Geechisu hatte sie gefunden und zu N gebracht, der sie zusammen mit Anthea und Concordia gepflegt hatte. Beide, N wie Zorua, waren damals noch klein gewesen. Soweit er zurückdenken konnte, hatte sie sich immer geweigert, zu kämpfen.

„Wenn ich gegen irgendjemanden kämpfen wollte, dann gegen die Menschen“, hatte sie immer gesagt.
 

„Ich weiß, dass du die Menschen nicht magst, Yami. Aber genau das war damals unser Fehler. Wir haben immer alle Menschen in einen Topf geworfen, sie immer nur scheel angeguckt und uns gesagt, ,sieh nur, wie sie alle gleich sind, sieh, wie sie alle bösartig sind’, und wo hat uns das am Ende hingeführt? Richtig, in den größten Irrtum unseres Lebens.“ Unwillkürlich dachte er an den Tag zurück, an dem er zum ersten Mal gegen Touko gekämpft hatte.

„Also lass uns nicht gleich wieder damit von vorne anfangen. Gib den Menschen noch eine Chance. Glaub mir, sie haben sie verdient.“

„Verdient!“ Zorua entwand sich Ns Streicheleinheiten und sprang von seinen Knien. „Vielleicht hast du schon vergessen, dass ein paar von denen mir einfach mal so die Pfote abgeschlagen haben, weil sie gerade sauer waren? Du hast selbst gesehen, zu was diese Spezies fähig ist. Nimm nur mal Geechisu als Beispiel. Es reicht nicht, dass es ein paar gute Menschen gibt, die so etwas nicht tun würden. In jedem einzelnen Menschen steckt das Potenzial, ein blutrünstiger Massenmörder zu werden, sie könnten die ganze Welt zerstören, wenn sie nur wollten. Und jetzt sag mir: Gibt es auch nur ein einziges Pokémon auf der Welt, das von Grund auf – und ohne menschliches Zutun! – so bösartig ist? Womit in aller Welt haben diese Wesen nun eine zweite Chance verdient? Sag es mir!“

„Ich …“ N verstummte und wandte den Blick von Zorua ab. Es hatte ihm alles abverlangt, die Menschen zu verteidigen, obwohl er selbst kaum überzeugt von dem war, was er zu Zorua gesagt hatte. „Ich gebe dir ja Recht, Yami, aber diese Einstellung wird uns nicht weit bringen. Ich bin immerhin einer von ihnen, also was soll ich tun? Mich im Wald verstecken und Wurzeln essen?“
 

Zorua blieb stumm. N wandte sich wieder zu ihr um und sah sie ausdruckslos vor sich hin starren.

„Yami …?“ Sie regte sich nicht. Mit einem wachsenden Kloß im Hals stupste N sie an. „Hey, was hast du? Ist irgendwas passiert?“ Aber sie reagierte nicht, sondern starrte nur mit leeren, glasigen Augen geradeaus und vor Ns geistigem Auge machte sich das Bild einer Poképuppe breit – ein toter Gegenstand…

„Hör auf damit, das ist jetzt nicht mehr witzig! Hörst du?“ Er legte die Hand auf ihren Rücken und spürte ihr Herz wie wild in ihrer Brust schlagen. Dann schüttelte er sie leicht. „Hörst du mich?“

Aber sie hörte ihn nicht, wie N jetzt klar wurde. Zorua drehte ihm den Rücken zu und lief mit schlafwandlerischer Sicherheit in Richtung Gavina.

Eine grauenhafte Vorahnung ergriff von N Besitz. Er sprang auf und rannte seiner Yami hinterher, nahm sie hoch, drückte sie an seine Brust, wiegte sie sanft.

„Yami … Yami, hörst du mich? Antworte mir. Was ist los? …“

Doch Zorua machte keine Anstalten, etwas zu sagen. Stattdessen fing sie an, sich in seinen Armen zu winden und zu strampeln, zu kratzen und zu beißen; schon nach kurzer Zeit waren seine Arme von blutigen Kratzern übersät und auch sein T-Shirt hatte Risse bekommen.

N empfand keine Angst, noch nicht einmal Schmerzen wollten zu ihm vordringen. Nur ein einziger Gedanke fand Platz in seinem tauben Gehirn, eine Gewissheit beherrschte sein ganzes Denken: Irgendjemand – oder irgendetwas – hatte von seinem geliebten Zorua Besitz ergriffen.

„Schsch… Alles wird gut, alles wird gut! Du musst nur dagegen ankämpfen! Du darfst es nicht in dich hineinlassen!“ Yami antwortete nur mit einem unzoruahaften, schauerlichen Fauchen, das N die Nackenhaare zu Berge stehen ließ, und schlug ihre kleinen, spitzen Zähne in seinen Arm.

N biss die Zähne zusammen, um nicht zu schreien. Er handelte instinktiv. Mit Tränen in den Augen tastete er sich mühsam Zoruas Hals hinauf, bis seine Hand unter ihrem Kinn ankam, der einzigen Stelle, an der sie kitzelig war, und kraulte sie mit bebenden Fingern.

Entgegen seiner Erwartungen ließ Zorua seinen Arm tatsächlich los. Ihr ganzer Körper erschlaffte und nur Sekunden später hing sie wie ohnmächtig in seinen Armen. N dankte Arceus, dass es überstanden war, und küsste Yami auf die Stirn, das nagende Pochen in seinem Arm nahm er nur noch unterschwellig wahr.

„Mein Gott, Yami. Du wolltest mich wohl zu Tode erschrecken, meine –“ Es war schon zu spät, als er es endlich merkte.

Winzige schwarze Funken erschienen aus dem Nichts und näherten sich ihrem Körper, verschmolzen mit ihrem Fell, wurden eins mit ihr, und nur einen Herzschlag nachdem N es begriffen hatte, entlud sich Yamis Nachtflut[*] wie ein Stromschlag in seinem Körper, nur um vieles schlimmer.

Dunkelheit durchstieß ihn. Sie raubte ihm die Sicht, jagte durch seine Adern wie Gift und ließ seine Gliedmaßen erlahmen. Steif wie ein Brett krachte er zu Boden, beißende Schmerzen durchzuckten seinen Kopf, als wäre sein Gehirn in glühenden Drähten eingewickelt.

Eine normale Attacke konnte unmöglich solche Schmerzen verursachen, vor allem nicht von seinem Zorua, das er nie trainiert hatte. Aber woran verschwendete er nur seine Gedanken? Er lag im Sterben! Und noch dazu hatte Yami ihn verlassen.

Bittere Tränen verließen seine blinden Augen und er schämte sich für seine Schwäche, aber doch konnte er nicht anders: Seine erste Freundin, das einzige Wesen, mit dem er die schönen Erinnerungen seiner düsteren Kindheit teilte, hatte ihn tödlich verwundet und ließ ihn nun sterbend zurück.

Hätte er seinen Mund noch bewegen können, hätte er geschrien. Hatten die anderen wohl inzwischen bemerkt, dass etwas passiert war? Oder waren sie immer noch so beschäftigt mit ihrem Kampf, dass sie nichts um sich herum wahrnahmen? Die Qualen, die Ungewissheit, die Dunkelheit – es war die Hölle auf Erden.
 

Dieser Gedanke war gerade erloschen, als es anfing, abzuflauen. Die Schmerzen klangen ab, die Lähmung wich dem vagen Gefühl, sein ganzer Körper wäre eingeschlafen. N spürte wieder das Gras, auf dem er nach wie vor lag, und schloss probehalber seine Hand um einen Grasbüschel – es gelang ihm, wenn auch mit Mühe.

Nachdem er festgestellt hatte, dass auch seine anderen Gliedmaßen wieder funktionierten, traute er sich auch, seine Augen zu öffnen. Und obwohl das blendend helle Sonnenlicht ihn dazu zwang, sie sofort wieder zuzukneifen, schöpfte er augenblicklich neue Hoffnung: Yami hatte ihn nicht sterben lassen. Sie mochte davongelaufen sein, doch er würde sie finden, wo auch immer sich ihr Ziel befand.

Er richtete sich auf, langsam, mit wackeligen Knien; seine verschwitzten Hände fanden den Kirschbaum neben ihm und stemmten sich an ihm hoch.

Dann hörte er einen gellenden Schrei, der ihn vor Schreck den Halt verlieren und wieder zu Boden fallen ließ.
 

Bis zu diesem Moment war ihm gar nicht bewusst gewesen, dass ihm die Nachtflut auch das Gehör geraubt hatte. Ächzend hievte er sich in eine sitzende Haltung und lehnte sich wie zuvor an den Stamm des Baumes hinter ihm.

Erst jetzt sah N, was er verpasst hatte.

Vor seinen Augen tobte immer noch ein Kampf, jedoch war es nicht der Kampf, den er noch vor Minuten (war wirklich so wenig Zeit vergangen?) beobachtet hatte.

Es war nicht mehr Pokémon gegen Pokémon, sondern Pokémon gegen Trainer.

Wie zuvor schon sein Zorua versuchte Admurai zu entkommen – von Zapplarek und Flambirex fehlte bereits jede Spur, und Serpiroyal war gerade dabei, in die gleiche Richtung wie Zorua davonzukriechen.

Niemand hielt es auf. Kuro lag reglos auf dem Boden, alle Viere von sich gestreckt; Cheren lag zusammengekrümmt nur wenige Meter entfernt, die Arme krampfhaft um seinen Bauch geschlungen, das Gesicht eine einzige Grimasse aus Schmerz; neben ihm kniete eine in Tränen aufgelöste Bell (sie war es, die geschrien hatte) und versuchte verzweifelt, Cherens Arme von seinem Bauch zu zerren, unter denen sich, wie N nun ungläubig feststellte, Blut karmesinrot auf dem weißen Stoff seines Hemdes ausbreitete.

Einzig und allein Touko war noch auf den Beinen, wobei das Wort noch keineswegs pessimistisch gewählt war. Vollkommen durchnässt und mit aschfahlem Gesicht klammerte sie sich an Admurais Vorderbein und sah dabei aus, als würde sie jeden Moment zusammenknicken. In N regte sich etwas und er kam wieder zu sich. Helfen – er musste helfen! Sofort!

Wieder rappelte er sich hoch; diesmal gelang es ihm sogar, ohne die Unterstützung des Baumes aufrecht zu stehen. Mit wackeligen Beinen wankte er wie ein Betrunkener auf Touko zu.

Admurai bemerkte den Störenfried und schüttelte sein Bein, als wollte es eine lästige Fliege loswerden. Kurioserweise hatte das die gleiche Wirkung auf Touko wie auf eine Fliege, nur dass Touko zu Boden fiel, nachdem sie das Bein losgelassen hatte.

Und Admurai folgte Zorua, Serpiroyal, Flambirex und Zapplarek in Richtung Norden, wo die Freiheit auf sie wartete.
 

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*Nachtflut ist eine Unlicht-Attacke, die nur Zorua und Zoroark lernen können

Flucht

N sah, wie Touko zu Boden fiel, und fing an zu laufen.

Das lähmende Gefühl in seinen Gliedmaßen war inzwischen ganz verflogen. Er lief vorbei an Bell, die immer noch mit Cheren kämpfte, vorbei auch an Kuro, der nach wie vor ohnmächtig im Gras lag, und kniete sich neben Touko.

„Ist alles in Ordnung?“ Es war eine blöde Frage, und das wusste er auch, doch irgendwoher kam das Bedürfnis, etwas zu sagen.

Touko lag seitlich im Gras, ihre Augen blickten ins Leere, so als könnte sie N gar nicht sehen. „Weg“, murmelte sie. „Weg … und wir haben sie nicht aufgehalten. Was sind wir nur für Trainer?“ Sie kniff die Augen zusammen, konnte die Tränen jedoch nicht zurückhalten.

N wandte sich ab; er wollte Touko nicht weinen sehen. Er war tatsächlich ein Feigling, wenn er schon vor Toukos Gefühlen Angst hatte …

„N!“ N hob den Blick und sah nur einige Zentimeter entfernt ein paar großer, grüner Augen. Er wich einen Schritt zurück.

„Wo hast du eigentlich deine Ohren? Ich frag dich jetzt zum dritten Mal: Hast du ein Handy dabei?“ Bell hatte aufgehört zu weinen; sie fauchte N mit einer Hysterie an, die ansteckend war. Wie von Pionskoras gestochen, langte er in seine Hosentasche und angelte sein Handy heraus, das ihm keinen Wimpernschlag später aus der Hand gerissen wurde. Natürlich, Cheren brauchte einen Krankenwagen – da sah man mal wieder, wie gut er darin war, sich in die Welt der Menschen zu integrieren!

Mit einem gegen seinen Willen schlechten Gewissen drehte er sich wieder zu Touko um, doch die Stelle, an der sie eben noch gelegen hatte, war verlassen.
 

Er wirbelte herum und entdeckte Toukos zitternde Gestalt, wie sie auf das Haus der Araragis zuhielt.

„Touko, wo willst du hin?“, rief er ihr hinterher, doch sie reagierte nicht.

Es mochte vielleicht an Yamis Worten liegen, aber langsam fing dieses sture Mädchen tatsächlich an, ihm an den Nerven zu zerren. Mit einer plötzlichen Entschlossenheit lief er ihr hinterher und ergriff kühn ihren Arm.

„Kommt gar nicht infrage“, kommentierte er ihr unausgesprochenes Vorhaben, zu Professor Araragi zu gehen. Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn mit großen Augen an. „Geh erst mal nach Hause und zieh dir was Trockenes an – “

„Du hast mir überhaupt nichts zu sagen, N!“, entgegnete Touko schrill und riss sich von ihm los. Ihre Augen waren immer noch gerötet und von einem feuchten Schimmer überzogen, doch ihr Blick war mörderisch. Es war, als hätte sie ihre Verzweiflung in Sekundenschnelle gegen Wut ausgetauscht. Wahrscheinlich ein Adrenalinschub, mutmaßte N.

Touko marschierte verbissen weiter, ganz die Sturheit in Person.

N seufzte schwer. „Interessiert es dich gar nicht, was aus deinen Freunden wird?“

Touko blieb stehen. Der Adrenalinschub schien vorbei zu sein, denn plötzlich geriet sie wieder ins Wanken und N eilte herbei, um sie aufzufangen.

„Kuro … Cheren …“ Man hätte meinen können, es hier mit einer multiplen Persönlichkeit zu tun zu haben. War dies das Ergebnis, wenn man einen Menschen von seinen Pokémon trennte? Hatte er sich wohl auch verändert?

Mit wachsendem Unmut schleifte N Touko zurück zu ihren Freunden und hielt sie sicherheitshalber weiterhin fest.

Bell hatte es inzwischen geschafft, Cherens Hemd zu entfernen; ein langer Schnitt zog sich vom rechten Brustkorb abwärts bis zum Bauchnabel. Umgeben anscheinend vom ganzen Inhalt ihrer Tasche, kniete Bell neben ihm und tupfte die Wunde mit einem Wattebausch ab. Cheren blickte auf, als sie sich näherten, blieb jedoch stumm.

„Geht’s wieder, Cheren?“, fragte Touko leise. Cheren nickte nur, sein Blick war auf N gerichtet. Auch Bell drehte sich jetzt um.

„Dein Handy liegt hier, N.“ Sie deutete irgendwo in den Haufen ihrer Sachen. „Danke.“

„DA IST ER JA!“ Kuros Schrei ließ alle vier zusammenzucken. „Du Ratte, dafür wirst du bezahlen! Erst die Pokébälle, dann das! Ich bring dich um!“

Mit sichtlicher Mühe drehte Kuro sich auf den Bauch und hievte seinen Körper auf Hände und Knie hoch.

Touko löste sich aus Ns Griff und ging auf ihn zu. „Hör zu, Kuro, es war nicht N, er –“

„Seit still, Touko! Aus dem Weg!“ Überraschend schnell kämpfte er sich auf die Beine und lief auf N zu. Mit seinen in alle Richtungen abstehenden Haaren und einer wütenden Grimasse von Gesicht sah er zugegebenermaßen alles andere als harmlos aus. Er holte zum Schlag aus, dem N jedoch rechzeitig ausweichen konnte.

„Du hast ja nicht gerade lange gebraucht, um einen Schuldigen zu finden“, stellte N trocken fest. „Wie wär’s, wenn du mal ein bisschen weiterdenken würdest?“

„Wozu denn, wer soll es sonst gewesen sein?“ Erneut hob Kuro die Faust zum Schlag, war aber wieder zu langsam; instinktiv ergriff N seine Hand und drehte sie um; Kuro keuchte auf vor Schmerz.

„Tu ihm nicht weh!“, rief eine weibliche Stimme, aber N hörte sie kaum; das Blut rauschte durch seinen Kopf, laut wie ein reißender Fluss, und eine kalte Entschlossenheit ergriff von ihm Besitz.

„Hm, mal überlegen“, sagte er spöttisch, „warum kann es nicht N sein, der die Pokémon fliehen ließ? Vielleicht, weil sein eigenes Pokémon weggelaufen ist?“

N griff auch nach Kuros linker Hand, um ihn am Schlagen zu hindern. Im Gegenzug trat Kuro ihm die Beine weg, sodass er zu Boden fiel und Kuro mit sich hinunterriss.

Nur allzu schnell fand sich N mit dem Rücken auf dem Boden und Kuros Händen um den Hals wieder. Er sah Kuros Gesicht über sich, sah den brennenden Hass in seinen Augen. Erst als er spürte, wie sich zwei Daumen auf seine Kehle drückten, hegte N keinen Zweifel mehr, dass Kuro seine Drohung wahr machen würde. Er packte Kuros Arme und zerrte mit Leibeskräften, während Kuro ihm die Luft abschnürte, bis sein Gesicht in einem weißen Funkenregen versank.
 

Nur verschwommen nahm N wahr, wie Touko und Bell in seinem Blickfeld auftauchten, und spürte kurz darauf, wie Kuros Gewicht von seinem Körper genommen wurde.

Es war ihm schleierhaft, wie Touko und Bell es schließlich schafften, ihn von Kuro zu befreien, aber es war ihm auch gleich. Nach Luft schnappend wie ein Ertrinkender richtete er sich auf. Das war das zweite Mal innerhalb von weniger als zehn Minuten, dass er dem Tod von der Schippe gesprungen war. Wenn das so weiterging, konnte er sich demnächst schon mal sein Grab schaufeln.

Bell und Touko redeten gerade auf Kuro ein, doch es war ihm gleichgültig, was sie zu ihm sagten.

Die nächsten Minuten verbrachte N in einem Trancezustand. Er sah zu, wie sich ein Krankenwagen der Wiese näherte und einige Sanitäter ausstiegen, die schon wenig später Cheren, Bell und Kuro (der allerdings merklich aufbegehrte) mitnahmen.

Touko sah dem Krankenwagen kurz nach, bevor sie zu N zurücklief. „Alles in Ordnung?“

„Natürlich“, nuschelte N und erhob sich. „Und bei dir?“

Touko lächelte zur Antwort nur schwach. „Tut mir leid, dass es so weit kommen musste. Ich hätte nie gedacht, dass Kuro jemals … so etwas tun würde …“

„Hör auf. Ich will nicht, dass du dich für ihn entschuldigst.“

Ein unangenehmes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus.

„Komm, wir gehen zu Professor Araragi“, wechselte Touko hastig das Thema. „Vielleicht weiß sie schon was.“

„Das bezweifle ich. Und außerdem, du bist immer noch –“

„– nass, ich weiß. Komm jetzt!“ Damit nahm sie seine Hand und zog ihn mit sich, ohne irgendeine Widerrede zu dulden.
 

Nachdem Touko fünfmal geklingelt und N die Sache für zwecklos erklärt hatte, öffnete sich die Tür einen Spalt breit und Udo Araragis[*] Kopf schob sich ins Freie.

„Tut uns sehr leid, aber im Moment sind wir– Ach Touko, du bist es! Und…?“ Sein Blick richtete sich fragend auf N.

Er räusperte sich. „Shin Oshiro. Freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Professor.“ Und noch mehr freut es mich, dass Sie mich noch nie gesehen haben …

„Aha. Hört mal, ich möchte euch nicht gern abwimmeln, aber zur Zeit haben Aurea und ich alle Hände voll zu tun. Wann anders könnten wir gern plaudern, aber jetzt muss ich euch leider bitten, zu gehen. Auf Wiedersehen.“ Sein Kopf verschwand hinter der Tür.

„Aber Professor“, warf Touko rasch ein, „es geht um unsere Pokémon. Sie sind geflohen!“

Araragi wirkte unverkennbar müde, als er wieder auftauchte. „Da sind eure nicht die einzigen. Wir erhalten Anrufe aus ganz Einall, die von denselben Problemen berichten. Und eben hat auch Professor Okido aus Kanto– Ach, was tu ich hier eigentlich. Kommt einfach rein, ich erzähle euch kurz, was wir schon wissen. Aber nur das Nötigste!“
 

Er öffnete die Tür ganz und ließ Touko und N herein. Nachdem er sie beinahe durch den Flur gehetzt hatte, vorbei am Arbeitszimmer seiner Tochter, aus dem ihre Stimme, das Klingeln mehrerer Telefone und zu allem Überfluss auch noch das stetige Klicken einer Tastatur durch die geschlossene Tür drangen, ließen sie sich auf einer Couch im Wohnzimmer nieder. Araragi schloss die Tür und setzte sich ihnen gegenüber auf einen ausgefransten Sessel.

„Wir haben Anrufe aus den verschiedensten Städten Einalls bekommen. Eure Pokémon sind in Richtung Norden gelaufen, nicht wahr?“, fragte er unvermittelt.

N und Touko wechselten Blicke. „Ja, das stimmt.“

„Tja, unsere Telefonate haben folgendes ergeben: Wer im Süden wohnt, dessen Pokémon ziehen gen Norden. Pokémon im Norden ziehen nach Süden; und von Westen nach Osten, von Osten nach Westen, und das heißt – ihr Ziel ist die Kontaktebene!“

Die Kontaktebene war etwas wie das Stonehenge von Einall: Sie war da, sie war berühmt, eine beliebte Touristenattraktion, das war allgemein bekannt. Doch niemand konnte sich erklären, warum es sie gab.

Man konnte Touko ansehen, dass ihr eine Frage unter den Nägeln brannte, aber Professor Araragi sprach ohne Unterbrechung weiter: „Wie gesagt, in den anderen Regionen laufen die Pokémon ebenfalls auf freiem Fuß. Anscheinend versammeln sie sich auch in Waldgebieten. Wir erwarten noch Anrufe der Professoren Utsugi, Odamaki, Nanakamado –“

„Verzeihung, dass ich Sie unterbreche, aber hat irgendjemand schon eine Idee, was überhaupt mit den Pokémon geschehen ist?“ N lehnte sich vor und beobachtete scharf die Gesichtszüge des Professors, der sofort in sich zusammensackte wie ein Mann, der einem Gläubiger erklären musste, dass er seinen Job verloren hatte.

„…Um die Wahrheit zu sagen: Wir haben nicht den blassesten Dunst. Aber es ist ja noch nicht aller Tage Abend! Sobald sich die erste Panik gelegt hat, werden wir diese Angelegenheit intensiv erforschen.“

N lachte kurz auf. „Wie denn, vom Büro aus? Darauf, dass sich die ‚erste Panik’, wie Sie eben so schön sagten, gelegt hat, können Sie noch lange warten. Wir haben es hier womöglich mit einer Katastrophe zu tun, Professor.“ Ns Finger krallten sich so fest um die Sofalehne, dass er in seinem verletzten Arm wieder ein unangenehmes Pochen spürte. „Glauben Sie wirklich, Sie könnten etwas zur Lösung des Problems beitragen, indem Sie zu Hause sitzen und warten, bis das Schlimmste vorbei ist?“

„Shin …“, murmelte Touko warnend, während sie dem Professor einen entschuldigenden Blick zuwarf, aber es war zu spät.

Die zur Schau gestellte Erschöpfung in Araragis Blick fiel in Sekundenschnelle von ihm ab. „Ach ja? Was schlägst du denn vor, was ich tun sollte, Shin Yoshio?“

„Oshiro. Wie wär’s, wenn Sie mal ein Pokémon untersuchen würden? Touko hat ihre noch dabei, sie könnte doch eines hier lassen…“

„Stimmt!“, rief Touko aufgeregt. „Meine anderen Pokémon sind immer noch in ihren Pokébällen, noch ist nicht alles verloren!“

„Du wirst sie trotzdem früher oder später rauslassen müssen“, meinte der Professor kühl. „Sonst werden sie noch da drin verhungern.“

Das begeisterte Lächeln, das sich eben auf Toukos Gesicht ausgebreitet hatte, verschwand sofort wieder. „Aber …“

„Vater!“, schallte plötzlich Aurea Araragis Stimme durch das ganze Haus. „Wo treibst du dich schon wieder rum? Ich brauche deine Hilfe!“ Udo Araragi zuckte zusammen und blickte schuldbewusst in Richtung Tür.

„Warte kurz, ich bin gleich bei dir!“ Damit war er schon aufgestanden und komplimentierte Touko und N unter gestammelten Entschuldigungen (die nur an Touko gerichtet waren) in einer Geschwindigkeit aus dem Haus, dass man schon fast von Rauswurf sprechen konnte, und wirkte nahezu erleichtert, als er mit einem kurzen „Wiedersehen!“ wenig später die Tür hinter ihnen zuschlug.
 

Einen Moment lang herrschte Schweigen. „Was für ein netter Kerl“, fasste N das eben Geschehene zusammen und trat den Weg nach Hause an.

„Normalerweise ist er wirklich freundlich“, beteuerte Touko, die ihm wie selbstverständlich folgte. „Außerdem hättest du dich nicht aufführen müssen, als hätte er dich persönlich beleidigt.“

„Hab ich das?“ N sah sie erstaunt an.

Touko blieb stehen. „Ja. Und außerdem müssen wir hier links abbiegen, um nach Hause zu kommen.“

„Um zu dir nach Hause zu kommen, meinst du wohl. Bis dann.“

„Warte! Ich muss dir noch was sagen!“

Auch N blieb jetzt stehen. „Wenn es etwas mit Professor Leichtfuß zu tun hat, dann kannst du von mir aus –“

„Nein, nein, das ist es nicht!“ Touko überwand den Abstand zwischen ihnen, der sich gebildet hatte, und näherte ihr Gesicht seinem. „Ich hatte eigentlich geplant, es dir direkt nach unserem Kampf zu sagen.“ Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. „Du musst vorsichtig sein, N.“

„Hm… Vorsichtig?“, fragte er zögernd.

„Die Polizei sucht nach dir. Jemand hat dich anscheinend erkannt, und sofort angerufen –“

„Und das sagst du mir erst JETZT?“, rief N außer sich. „Hättest du mir das nicht schon am Telefon sagen können?! Ach, vergiss es. Das spielt jetzt sowieso keine Rolle mehr, oder? Die werden jetzt schon genug mit den Pokémon zu tun haben, hoffe ich jedenfalls … Aber so, wie ich euch Menschen kenne, werdet ihr euch nur an den kleineren Problemen festklammern, die einen schnelleren Erfolg versprechen, nur damit ihr sagen könnt ‚Guckt mal, wir können was, wir haben einen Verbrecher gefasst!’, um vom größeren Problem abzulenken ...“ N hatte sich in Rage geredet und alles um sich herum ausgeblendet.

Touko seufzte ungehalten. „Bist du dann mal fertig mit deinen Parolen? Wir haben eine Katastrophe abzuwenden, schon vergessen?“

Wie um Toukos Worte zu bestätigen, lief ihnen eine ganze Horde Pokémon entgegen, dicht gefolgt von einem jungen Mann, der ihnen verzweifelt hinterherrief: „Bissbark! Sharfax! Bleibt stehen! Toxiped, Petznief! Was habt ihr denn alle?“ N und Touko mussten auf die Straße ausweichen, um nicht überrannt zu werden.

„In deinen nassen Sachen wirst du schon mal gar nichts abwenden, Touko“, sagte N unbeirrt. „Außerdem bist du immer noch geschwächt. Warum gehst du nicht zu erst nach Hause?“

„Ja, du hast recht.“ Touko blickte missmutig an sich herab. „Okay. Vielleicht zeigen die irgendwas Hilfreiches im Fernsehen. Gehen wir.“

„Wir?“, wandte N ein.

„Wir“, bestätigte Touko und setzte sich in Bewegung. „Mein Haus ist näher!“

„Kommt gar nicht infrage. Was, wenn dein Vater zuhause ist?“

Touko kicherte. „Meine Güte, N, jetzt sag mir nicht, dass du Angst vor meinem Vater hast!“

„Na ja, er hat mich immerhin in hohem Bogen aus eurem Haus geworfen und mir gedroht, also warum sollte ich scharf drauf sein, ihm so schnell wieder zu begegnen?“

„Er ist um diese Zeit sowieso nicht zu Hause.“ Touko grinste immer noch aus irgendeinem Grund, der N schleierhaft war. Aber schließlich gab er sich geschlagen und folgte ihr.
 

Touko schloss die Tür auf und lief in die Diele. „Suzu?“, rief sie. „Suzu!“

N trat ebenfalls ein und schloss leise die Tür hinter sich. „Ähm … rufst du deine Mutter?“

„Sei nicht albern. Suzu ist ihr Yorkleff. Bestimmt versucht sie gerade, ihn zurückzuholen … Wie auch immer. Das Badezimmer ist gleich da um die Ecke, wenn du deinen Arm waschen willst.“ Damit wandte sie sich um und stieg die Treppe hoch zu ihrem Zimmer.

N besah sich prüfend seinen Arm. Dort, wo Yami ihre Zähne und Krallen versenkt hatte, war bereits Schorf entstanden. Es tat kaum noch weh; N war an Pokémonbisse und -kratzer gewöhnt.

Dennoch, um irgendetwas zu tun zu haben, ging N ins Badezimmer und ließ kaltes Wasser aus dem Hahn über seine Arme fließen.

Sein Blick fiel auf sein mit Rissen übersätes T-Shirt und obwohl er es immer noch hässlich fand, machte sich leises Bedauern in ihm breit. Das neue T-Shirt, das Touko ihm geschenkt hatte …

„N! Komm schnell her! Das musst du dir ansehen!“ Toukos Stimme riss ihn jäh aus seinen Gedanken. Mit nassen Armen lief er die Treppe hoch und platzte in Toukos Zimmer.

Sie saß vor ihrem Fernseher und winkte ihn hektisch zu sich heran.

„Sie zeigen gerade die Kampfmetro… Es ist so schrecklich!“

Zögerlich setzte er sich zu ihr, unsicher, ob er noch etwas Schreckliches an diesem Tag überhaupt ertragen konnte.
 

Auf dem Bildschirm war ein Reporter zu sehen, der offenbar in der Nähe der Kampfmetro stand.

„… die offenbar verzweifelt versuchten, die Züge zu verlassen“, sagte er gerade. „Augenzeugen, die sich nicht vor der Kamera äußern wollten, berichten davon, wie ihre Pokémon die Fenster einschlugen und so ausbrachen. Andere hatten offenbar weniger Glück. Viele Pokémon haben es nicht geschafft, die Fenster zu durchbrechen, und fingen an, ihre Trainer zu attackieren. Die Zahl der Verletzten ist noch unklar.

Innerhalb der Metro sind überall Rettungskräfte im Einsatz, die die Gleise von verendeten Pokémon befreien müssen. Zur Zeit werden noch fünf Züge in der Station von Rayono City erwartet …“

Aus dem Augenwinkel sah N, wie Touko das Gesicht zu ihm drehte. Er riss sich vom Anblick der Kampfmetro los und sah ihr in die Augen.

„Wir müssen etwas tun.“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

„Das ist längst beschlossen.“ N stand auf und wandte sich zur Tür um. „Ich werde heute noch aufbrechen. Yami wartet auf mich. Und Reshiram und alle anderen …“

„Warte auf mich.“ Touko klang nicht flehend, sondern eher befehlend. N drehte sich nicht zu ihr um. „Warte noch bis morgen früh. Dann gehen wir gemeinsam.“

N schüttelte den Kopf, die Hand bereits auf der Türklinke. „Es ist zu gefährlich für dich, mit mir zu reisen. Dein Freund Kuro hat es doch deutlich genug gemacht, oder? Sie werden alle denken, dass ich es war. Sie würden dich für meine Komplizin halten. Du darfst mir also nicht folgen.“ Damit verließ er das Zimmer, ohne sich noch einmal umzuwenden, und traf in Gedanken schon die ersten Vorbereitungen für seine nächste Reise – für seine nächste Suche nach der Wahrheit.
 

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*Offenbar hat Eberhard Esche keinen offiziellen japanischen Vornamen, daher habe ich selbst einen dazuerfunden. Professor Esche scheint nur einen offiziellen englischen Vornamen zu haben, deshalb habe ich einfach den genommen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (12)
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Von:  TKTsunami
2011-09-29T16:58:37+00:00 29.09.2011 18:58
Wetten sie geht trotzdem mit? XD
Oh man das ist so spannend
die armen Pokemon...
N ist estimmt sauer...

TK was here
Von:  TKTsunami
2011-09-29T16:47:45+00:00 29.09.2011 18:47
*total gefrustet dank mathe*
*les*
*einigermaßen gute laune bekomm*
Oh ha, was get denn da ab?
Was haben die Pokemon bloß????
Und wie geht es jetzt weiter?
*schnell zum nächsten kapi*

TK was here
Von:  Myobie
2011-09-26T13:13:27+00:00 26.09.2011 15:13
Da ist Blacky aber gut ausgerastet o.ô
Klar hat der was gegen N, das Touko so blind ist und Kuros Gefühle nicht vor sich in der Luft tanzen sieht, ist schon ne Leistung ~.~
Aber die Reaktion ist verständlich.

Zu dem Kapitel hab ich dann jetzt nicht so viel zu berichten, denn das fand ich gut ^-^
Aber natürlich geht Touko mit!! bzw. wird hinterherschleichen

lg
myo
Von:  Myobie
2011-09-26T13:09:00+00:00 26.09.2011 15:09
Ok, ich bin gerade wahnsinnig froh, das ich auf animexx so zufällig über deine FF gestolpert bin, das glaubst du gar nicht...
Habe es nämlich gerade geschafft, mich daran zu erinnern, das ich ja auch noch auf fanfiktion.de angemeldet bin *hust*

Ich muss sagen, das ich das dieses Kapitel, nachdem ich es denn mal grad hier gelesen habe, nicht so gut finde. Vom Schreibstil her natürlich wie immer schön, nur hast du immer am Kapitelanfang diese komischen Sprünge drin, mit denen zumindest ich nicht klar komme. Dann komm ich wieder ins Krübeln, wie viel Zeit ist vergangen, wo sind die jetzt, was ist in der Zwischenzeit passiert und blabla. Mag aber auch einfach daran liegen, das du so langsam schreibst (oder ich so ewig brauche, die Kapitel zu finden) =P
Das N ´wusste´, das er sterben würde, nachdem ihn sein Pokemon angegriffen hat, fand ich merkwürdig, muss ich sagen wie es ist. Klar fühlt man sich danach bestimmt nich toll, doch fand ich die Reaktion etwas überbewertet, zumindest in dem Zusammenhang, WIE du seinen Gemütszustand beschrieben hast. Wenn du mehr auf N´s Körperreaktionen eingegangen wärst, wie z. B. das seine Gliedmaßen zittern vor Angst und er das alles nicht mehr unter Kontrolle hat, die Frage, warum sein Fuchs ihm das angetan hat, die Wut auf die Person, die dafür verantwortlich ist etc., wäre es wieder anders rüber gekommen ;)
Gerade da liegen deine Schwachpunkte, die du allerdings von Kapitel zu Kapitel zu verbessern suchst und es dir meistens auch gelingt. Diese Szene war meiner Meinung nach allerdings ein Rückschlag. Sowas kann auch mal passieren, keiner ist perfekt.
Da dein Erzählstil ziemlich gut ist, flüssig lesbar und vor allem verständlich, müsstest du es schaffen, das bald auch noch einzubauen. Versetze dich einfach in die Person hinein, die du beschreibst, dann tippen deine Finger von ganz alleine und glaub mir, ich saß schon mehrfach zitternd und heulend vorm Laptop.
Ziemlich langer negativer Text *hust* Hoffe, du verstehst, wie ich das meine, ist ja eigentlich nur ein Punkt ~.~

Ansonsten finde ich dieses Kapitel auch gut!! Die Storie ist sehr interessant beschrieben, warum flippen die Pokemon so aus? Die Frage brennt mir grad unter den Fingern. Deine Fantasie ist sehr weit ausgebreitet ;)

lg
myo
Von:  Senria
2011-09-20T13:22:23+00:00 20.09.2011 15:22
Na endlich komm ich mal dazu auch hier auf Mexx nach deiner FF zu suchen! Und ich bin sau froh, sie gefunden zu haben um dir endlich etwas zu schreiben.

Ich liebe es sie immer und immer wieder zu lesen! Andauernd müssen Freunde von mir meine Schwärmerreien hören XDD
Es ist total super, wie du alles beschreiben kannst, sei es Gefühlszeug oder Umgebung ect, ohne das es langweilig wirkt! Das kenn ich zum Beispiel aus Eragon oder doe Drachen. Zwar schöne Geschichten, aber manchmal muss ich echt Textstellen überspringen da ws einfach langweilig beschrieben ist. Bei dir das totale Gegenteil. Seit ich bis Kapitel 7 lesen durfte, hab ich immer wieder gehofft, das 8. Kapitel würde schnell folgen :3 und im Hotel auf der Connichi konnt ichs endlich weiterlesen, das warten hatte sich wahrlich gelohnt ^^

Es ist ein super Schreibstil den du hast, er lässt sich super lesen ohne das man hängen bleibt. Die Geschichte an sich ist auch geil, N der Neu anfängt, Probleme hat aber trotzdem nicht wie ein heulender Emo rüberkommt. Gibts ja zuhauf.
Mal abgesehen davon, dass ich das FerrisWheelShipping eh super gern hab ^^

Also ich hätt dir gerne zu jedem Kapitel was geschrieben, hätt ich das mal früher gewusst!
Jetzt werd ich aber auf jedenfall dranbleiben und mehr oder weniger (XD) geduldig aufs nächste Kapitel warten!
Tolle FF, supertolle Geschichte, man sieht kaum was als nächstes passiert, das ist einfach super ^^

ganz großer Fan Seni
(per 3DS geschrieben, Fehler schwer zu sehen XD)
Von:  TKTsunami
2011-09-07T18:12:46+00:00 07.09.2011 20:12
Okay
Du bist verdammt schnell *lach*
Ein schönes Kapi
Man merkt richtig wie sich Touko fühlt und wie blöd sie manchmal ist, dass sie nciht merkt, das Kuro was von ihr will XDDD
weiter~

TK was here
Von:  TKTsunami
2011-09-07T17:42:56+00:00 07.09.2011 19:42
*endlich dazu kommen zu lesen*
Mau~
Ist Touko etwa eifersüchtig??? XD
Was ist das für ein Zetel? ><
Mau ich bin genauso ungeduldig wie sie~
Aber ich muss mich in Geduld üben, wenn ich wissen will wie es weiter geht^^°
Also weiter^^

TK was here
Von:  Mirabella
2011-09-04T13:11:45+00:00 04.09.2011 15:11
Du hast einen schönen Schreibstil : ) Und mir gefällt das Pairing NxTouko!
Bisher habe ich noch nicht viele Pokemon-FFs gelesen, deshalb habe ich keine Vergleichsmöglichkeit! Aber bisher gefällt mir deine Geschichte schon ganz gut!
Hoffe du bleibst dran und schreibst weiter!

Gruß
Mirabella
Von:  fahnm
2011-09-03T21:50:38+00:00 03.09.2011 23:50
Hammer Kapi^^
Von:  TKTsunami
2011-08-29T20:10:03+00:00 29.08.2011 22:10
Der Vater ist... gemein... aber ich glaube N hat das nur gepasst. Ihm war die Situation ja sehr angenehm. Aber süß wie Touko über Verbote denkt XDDDD
Was ich auch cool fand, war ja, dass Touko genau wusste, wie sie ihre Reize einsetzen muss, armer N XD

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