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Zwischenwelten

-Sidestory X ~ Veleno-
von

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Beginn: 10.01.2011

Ende: 10.01.2011
 

Kapitel 3
 

Ich musste zugeben, seine Sturheit überraschte mich. Ich wusste nicht, ob es an meinem Überfall in jener ersten Nacht lag, jedenfalls weigerte er sich seither, auch nur ein einziges Wort mit mir zu wechseln. Wir gehörten beide zu jener Vampirgattung, die auch menschliche Nahrung zu sich nehmen konnten, wenngleich eher des Geschmackes und des Rituals wegen. Bei diesen Gelegenheiten leistete er mir Gesellschaft, schwieg jedoch beharrlich. Tags wie nachts streifte er durch das Haus oder das umliegende Gelände. Gerade so weit, dass er sich noch im Schutz meiner Gegenwart wähnen konnte. Ein einziges Mal wagte er sich zu weit vor und die Wunden, die er sich dadurch zuzog, verärgerten mich. Dennoch versorgte ich sie, fragte mich jedoch zunehmend, weshalb ich dieses Wesen noch bei mir behielt. Sicher, er war schön. Seine blauen Augen, die mich kaum eines Blickes würdigten. Sein blondes Haar, das an den Spitzen in dunkles Braun überging. Ein hübsches Gesicht, das mir, ich konnte es nicht leugnen, gefiel. Doch war seine schlanke Gestalt auch das Einzige, das an seiner Anwesenheit bereichernd war. Ich hatte schon lange niemanden mehr an meiner Seite gehabt, aber dieses Wesen enttäuschte alle Erwartungen und Hoffnungen. Vielleicht habe ich mich geirrt, dachte ich, während ich in einem Buch blätterte, ohne auch nur eine einzige Zeile zu lesen. Vielleicht hatte mich die lange Zeit des Alleinseins mit der Sehnsucht nach Gesellschaft, einem Begleiter, erfüllt und ich hatte diesen Wunsch auf jenen Mann projiziert. Etwas, das er ganz offensichtlich nicht für mich tun konnte.

Selbst die Kleidung, die ich ihm zur Verfügung gestellt hatte, trug er nur, wenn ich sie ihm während seine Streifzüge herauslegte und verschwunden war, bevor er zurückkehrte. Ich konnte nicht leugnen, dass ich enttäuscht war. Sein Drang nach Kommunikation schien genauso ausgeprägt zu sein wie bei den Vittorios. Offenbar hatte ich mir den ungeselligsten Vampir im Umkreis von zahllosen Meilen ins Haus geholt.

Zumindest hatte er nicht versucht mich zu töten, aber das war ein wenig tröstlicher Gedanke. Es wäre ihm ohnehin nicht gelungen. Es mochte ungerecht sein, doch allmählich begann ich mich zu fragen, was Urag an diesem Wesen gefunden haben mochte. Was war es, das ihn so fasziniert hatte, dass er es für die Ewigkeit hatte bewahren wollen?

Vielleicht war es nur aus einer Laune heraus geschehen. Urag war ein Mann gewesen, der sich durchaus und durchaus gern durch oberflächliche Schönheit beeindrucken ließ.

Ich seufzte resigniert. Nun, was diesen speziellen Fall anbelangte, war ich keinen Deut besser. Wäre er ein Monster gewesen, ich hätte ihn wohl kaum hierher gebracht. Eher hätte ich sein Leid an Ort und Stelle beendet, bevor die Sonne ihn verbrannte oder die Meute ihn einholte.

Noël. Nun, vielleicht war er ein Weihnachtswunder, ein Geschenk war er jedenfalls nicht. Noël. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es sich anhörte, wenn ich diesen Namen aussprach – und wie es sich anfühlte.

Als hätte er meine Gedanken gelesen sah er auf. Mit einem gewissen Missfallen, gespeist aus der Resignation gegenüber diesem Mann, klappte ich das Buch zu und legte es beiseite. Leise erhob ich mich. Sein Blick folgte mir, blieb jedoch unergründlich.

„Ich gehe auf die Jagd. Begleitest du mich?“

Er sah mich an, sein Gesicht emotionslos wie eine Maske. Es ärgerte mich.

„Wenn ich das tue, werde ich früher oder später den Verstand verlieren.“

Ein kluger Einwand und ein berechtigter noch dazu. Nur, dass er dabei etwas Wichtiges vergessen hatte.

„Dann wird es der Hunger sein, der dich in den Wahnsinn treibt.“

Er sah mich missbilligend an. Und beinahe hätte ich in die Hände geklatscht, um diese erstaunlich klare Emotion gebührend zu würdigen. Doch ich tat es nicht. Der Hunger machte mich ungeduldig, das wusste ich. Zu lange hatte ich meines Gastes wegen die Jagd aufgeschoben.

Schon wollte ich den Raum verlassen, als er noch einmal die Stimme erhob. Während er sprach glitt sein Blick durch den Raum, berührte jeden einzelnen Gegenstand.

„Ist es hier immer so still?“

„Nein“, erwiderte ich und ergänzte, in der Annahme, dass er darauf anspielte, ob ich allein hier lebte: „In den Wintermonaten lebt ein Teil meiner Familie hier. Mt ihren Dienstboten und der übrigen Gefolgschaft. Den Rest des Jahres ist es hier ruhig.“

„Diesen Sommer war niemand hier?“

Ich fragte mich, ob er mir nicht zugehört oder lediglich nicht verstanden hatte, was ich gerade gesagt hatte.

„Sie waren hier.“

„Aber sie sind gleich wieder gegangen.“

Wären die Umstände andere gewesen, ich hätte ihn gefragt woher er das zu wissen glaubte. Doch im Augenblick stand mir der Sinn eher nach einer warmen Mahlzeit. Und ich konnte unleidlich werden, wenn ich hungrig war. Sehr, sehr unleidlich. Und das war nichts, was ich meinem Gast zumuten wollte.

„Weil ich nicht da war“, erklärte ich und beendete damit das Gespräch. So dachte ich. Doch mit einem Mal sahen mich die blauen Augen mit einem völlig anderen Ausdruck an.

„Wart Ihr einsam?“

Vielleicht war es seine Art, ein Versuch Kontakt aufzunehmen. Wenn es so war, dann war die Nicht-Nutzung dieser Gelegenheit in jedem Falle beklagenswert. Nach all den vielen Stunden des Schweigens, der Missachtung. Nur, dass diesmal ich derjenige war, der nicht in Plauderstimmung war. Und Einsamkeit war ein Thema, über das ich nicht sprechen wollte.

„Ich werde in ein paar Stunden zurück sein“, gab ich zur Antwort. „Soll ich dir irgendetwas mitbringen?“

Er legte den Kopf schief und lächelte das sonderbarste Lächeln, das ich jemals gesehen hatte.

„Das Blut eines Adligen?“

Zorn flammte in mir auf. Zorn über dieses undankbare, respektlose Wesen, dessen Anwesenheit mir bisher nichts als Umstände und Verdruss bereitet hatte.

„Hol es dir selbst“, erwiderte ich kalt und ließ ihn allein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2011-06-20T08:20:55+00:00 20.06.2011 10:20
....
Fehlgriff...
werden wir ja noch sehen~
Er IST einsam :D
Will er nur nicht zugeben :)


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