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Das Leben danach

Worst-Case-Szenario
von

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Alles auf Anfang, II.

Mit den Händen in den Hosentaschen schlenderte Xanxus durch das Viertel, in dem er bis zu seinem siebten Lebensjahr aufgewachsen war, und sah sich um. Er hatte hier früher noch öfter vorbeigesehen. Eigentlich war er sogar noch zehn Jahre lang immer wieder hier aufgekreuzt. Ja, er hatte hin und wieder jemanden getroffen. Aber manchmal hatte er sich auch nur mal wieder umsehen wollen.

Nach der Cradle Affair war er dann ja leider acht Jahre lang verhindert gewesen. Und dann war ziemlich schnell die Sache mit Japan gekommen. Demnach war es nun wirklich gut achteinhalb Jahre her, dass er hier gewesen war. Fast neun, eigentlich.

Es war seltsam, wie man immer wieder erwartete, dass sich etwas verändert hatte, wenn man nach einer Weile hierher zurückkehrte. Obwohl gerade Xanxus doch wissen sollte, dass dieses Rattenloch sich nie verändern würde.

Es war alles so, wie er es verlassen hatte. Seine alte Heimat empfing ihn mit offenen Armen – mit zitternden, von Heroinspritzen durchlöcherten Armen, und mit einem zahnlosen Grinsen, das nach Bier und schlechtem Wodka roch, und mit einem nervösen Lachen, das er einfach überhörte. Es gab nichts, was man hier hätte vermissen können. Nichts, worauf man sich freute, wenn man zurückkam. Es sah nicht aus wie ein Zuhause, und Xanxus hatte es damals wohl nur so genannt, weil er ein kleiner Junge gewesen war, der alles getan hatte, um zwischen den anderen Kindern die Macht an sich zu reißen.

Nein, hier gab es wirklich nichts, was ihm in seiner Abwesenheit hätte fehlen können.

Nur eines.

Xanxus hatte Hunger. Selbst kochen fiel logischerweise flach, er könnte zurück ins Hotel fahren und sich dort die Sonne aus dem Arsch scheinen lassen, aber der Sinn stand ihm nach etwas anderem. Nach guter, häuslicher, italienischer Küche. Nach der besten häuslichen, italienischen Küche, die man hier überhaupt bekommen konnte, um genau zu sein.

Die Straße, in die er einbog, hatte sich genauso wenig verändert wie alles andere hier. Die Häuser waren windschief und heruntergekommen, manche standen noch und sahen halbwegs bewohnbar aus, andere glichen Ruinen. Ein paar Autos standen am Straßenrand, aber keines von ihnen sah so aus, als könne man es fahren. Eines war komplett ausgebrannt und rußschwarz. Ein kläffender Hund lief einige Meter vor ihm quer über die Straße und verschwand in dem Gebüsch, das auf der anderen Seite lauerte. Die Häuser hier standen alle nur links, rechts ergaben sich unendliche Weiten von wild wachsenden Büschen, schiefen Bäumen und dem, was sie als Kinder das Paradies geschimpft hatten. Heute hörte Xanxus keine Kinderstimmen aus diesem Dickicht. Vielleicht hatte sich ja doch die ein oder andere Sache verändert.

Dass das tatsächlich der Fall war, stellte er fest, als er vor dem Haus stehen blieb. Xanxus legte den Kopf schief, sah sich in der Straße um und überlegte, ob das hier denn wirklich das richtige Haus war. Aber das musste es eigentlich sein. Außer, sie waren mal wieder umgezogen.

Als er das letzte Mal hier gewesen war, war das Haus genauso heruntergekommen gewesen wie alle anderen auch. Drinnen war es zwar recht nett eingerichtet gewesen, aber auch dort hatte es Löcher im Boden und Schimmel an den Wänden gegeben. Manche Zimmertüren waren kaputt gewesen, Fensterscheiben nur mit Duct Tape zusammengehalten. Die Rückstände eines prügelnden Familienvaters, den es damals schon gar nicht mehr gegeben hatte.

Die eingeworfenen Fensterscheiben hatte man logischerweise auch von außen gesehen, die Fassade war angekokelt und mit Graffiti beschmiert gewesen, von der Tür war die Farbe abgeblättert und auf der kleinen Treppe davor hatte fast immer Erbrochenes oder Hundekot gelegen.

Heute aber waren die Steintreppen sauber, gekehrt, und links und rechts von ihnen wuchsen kleine Blümchen. Die Tür war in einem satten Blau gestrichen, die Fassade war strahlend weiß. Alle Fenster wirkten intakt, und als Xanxus den Blick hob, stellte er fest, dass sogar die Dachziegel neu waren, und ebenso blau wie die Tür.

Entweder hatte die alte Mama Rapino im Lotto gewonnen, oder sie waren wirklich umgezogen und hier wohnte jetzt irgendein Idiot, der sich die Mühe machte, ein Haus in dieser Gegend intakt zu halten. Xanxus hielt letzteres für wahrscheinlicher, aber er wollte es trotzdem versucht haben. Immerhin hatte er wirklich Lust, jetzt etwas zu essen, was Mama gekocht hatte, und wenn sie nicht mehr hier lebte, dann würde der Typ, der jetzt stattdessen hier lebte, ihm eben sagen müssen, was aus ihr geworden war.

Er stieg also die drei kleinen, irritierend sauberen Stufen hoch und drückte auf die Klingel. Und es dauerte keine fünf Sekunden, bis die Tür aufschwang – und Xanxus niemanden sah. Na ja, er hatte damit gerechnet, dass hier irgendjemand wohnte, der normalgroß war, und deshalb auf Augenhöhe gesucht. Als er den Blick jedoch senkte, entdeckte er die Frau, die ihm geöffnet hatte. Als er sie das letzte Mal gesehen hatte, musste sie ungefähr 1,50 Meter groß gewesen sein, jetzt war sie bestimmt noch einmal fünf Zentimeter geschrumpft. Musste das Alter sein.

Oh Gott, sie wohnten wirklich noch hier. Statt einer Begrüßung wollte Xanxus gerade fragen, woher zur Hölle sie das Geld genommen hatten, ihre Bruchbude so aufzuputzen, aber sie kam ihm zuvor.

»Xanxus!«, rief sie, und es war so selten, dass Menschen seinen Namen mit so viel Elan und Freude aussprachen. »Mein Gott, das muss ja Ewigkeiten her sein! Diego ist noch gar nicht da, aber er wird sich sicherlich freuen, dich zu sehen! Komm rein, komm rein, ich hab gerade die Pizza in den Ofen geschoben, und wenn du willst, kannst du Kuchen haben! Trinkst du deinen Kaffee immer noch schwarz?«

Sie ging zur Seite, um ihm Platz zu machen, und Xanxus war überfordert. Einige Sekunden lang stand er nur auf der Schwelle und wusste nicht so wirklich, wohin mit sich, bis er ihrem einladenden Lächeln nicht mehr standhalten konnte und eintrat.

Drinnen roch es nach Hefeteig und Tomatensoße – Mama Rapinos selbstgemachte Pizza. Das Beste, was es auf diesem ganzen Planeten gab. Zweifelsfrei.

Es war immer noch so eingerichtet wie früher, nur, dass es nicht mehr nach Schimmel roch und Xanxus auf Anhieb auch keine Löcher oder mit Tape geflickten Wände, Fenster oder sonstige Gegenstände sehen konnte. Die Sessel waren hell und groß, die Tische blitzblank gewischt, die Läufer darauf waren selbstgehäkelt, die Schränke aus dunklem Holz gefüllt mit kitschigem Geschirr, alten Büchern und tausenden Fotos. Und laut Mama lebte Diego scheinbar immer noch hier. Nicht besonders männlich.

»Ja, immer noch«, hörte er sich schließlich auf ihre Frage wegen des Kaffees antworten. Er riss seinen Blick von der Einrichtung los, die immer noch aus dem letzten Jahrzehnt zu sein schien, und sah zu der kleinen, korpulenten Italienerin, die ihn immer noch anstrahlte. »Und meistens mit Schuss.«

Sie zog die Brauen hoch, dann gluckste sie und tätschelte seinen Arm. »Vergiss es, Herzchen. In diesem Haus gibt es nach wie vor keinen Alkohol!«

Hatte er sich fast schon gedacht. Aber das machte nichts, nicht hier, nicht bei Mama Rapino.

»Setz dich, mein Schatz, ich komm gleich zu dir!«, sagte sie, fuchtelte vage in Richtung Wohnzimmer und huschte dann zurück in die Küche. »Käsekuchen?«

»Äh«, machte Xanxus, während er durch den Flur schlich und sich umsah, als sei er in irgendeiner verqueren Parallelwelt gelandet. »Ja. Gerne.«

Letztendlich überwand er sich und ließ sich am runden Wohnzimmertisch nieder, jedoch nicht, ohne sich weiterhin umzusehen. Die Möbel waren noch immer so wie früher, aber alles andere… Es wirkte noch friedlicher als damals. Noch gelassener. Keine kaputten Einrichtungsgegenstände, kein schreiendes Kleinkind, keine Nervosität vor der Polizei oder irgendwelchen Banden. Was in aller Welt hatten Diego und seine Mutter angestellt, dass es hier drinnen plötzlich wirkte, als befände er sich in irgendeiner friedlichen Vorstadt?

Er hätte liebend gern gefragt, aber irgendwie fühlte es sich falsch an, sich damit an Mama zu wenden. Was Mama anging, so war man einfach nur froh, wenn sie fröhlich war und es ihr gut ging, und fragte nicht nach dem Warum. Das konnte ihm Diego später immer noch erzählen.

Also saß Xanxus erst einmal gut eine halbe Stunde lang bei Käsekuchen und schwarzem Kaffee mit Barbara Rapino, der Mutter seines einzigen wirklichen Kindheitsfreundes, am Wohnzimmertisch, und unterhielt sich mit ihr über Gott und die Welt. Wie immer schien sie zu spüren, dass Xanxus ihr nicht unbedingt sagen wollte, wieso er hier war, also fragte sie einfach nicht nach. Es war so unglaublich angenehm, dass es einfach partout nicht in dieses Viertel passen wollte.

Und dann hörte er irgendwann die Haustür auf- und zugehen, Klamotten raschelten, Schritte näherten sich, und als Xanxus aufsah, stand ein großer, vernarbter Mann in der Tür, der gerade, offensichtlich erschrocken, zusammengezuckt war.

Xanxus und Diego sahen einander an, und nachdem Diego ein paar Mal geblinzelt und sich gefangen hatte, waren sie beide gleichermaßen emotionslos.

»Xanxus«, sagte Diego schließlich und trat näher. »Ich hab gedacht, du wärst verreckt.«

»Na, sowas sagt man bei so einem Wiedersehen aber nicht«, tadelte Mama und sah anklagend zwischen den zwei Männern hin und her. »Wollt ihr euch nicht mal umarmen?«

»Nein«, sagten sie unisono.

»Wann sollte ich denn verreckt sein?«, fragte Xanxus tonlos.

»Na ja, du hast mir erzählt, du willst deinen Alten stürzen«, antwortete Diego und setzte sich ebenfalls an den Tisch. »Bist in den Krieg gezogen und danach hab ich nie wieder was von dir gehört. Das ist … neun Jahre her, oder? Hab angenommen, es hat nicht geklappt.«

Xanxus verzog das Gesicht und sah in seinen Kaffee. »Hat es auch nicht«, sagte er.

Diego nickte und fragte nicht weiter nach. Während seine Mutter seufzte, beobachtete er Xanxus. »Und weshalb bist du jetzt hier?«, fragte er schließlich.

»Ich geh die Pizza schneiden«, sagte Mama, bevor Xanxus antworten konnte, und stand auf. »Wer ein Stück will, kann es sich in der Küche abholen.«

»Danke, Mama«, sagte Diego, nicht ohne den Blick von Xanxus zu wenden.

Der nickte ihr zu und lehnte sich dann langsam zurück. »Sind sozusagen alle rausgeflogen«, sagte er schließlich dumpf. »Die Varia ist Geschichte. Also bin ich wieder hier und kümmer mich um das Drecksloch.«

»Nett von dir«, sagte Diego sarkastisch. »Also hast du vor neun Jahren versucht, deinen Vater umzulegen, und er wirft dich jetzt erst raus?«

»Er ist nicht mein Vater«, sagte Xanxus.

»Was?«

»Der alte Sack. Er ist nicht mein Vater. Und die Auflösung der Varia war keine Folge auf meine Revolte von damals.«

Diego seufzte. »Weißt du, Xanxus, wenn du mir einfach erzählen würdest, was los ist, müsste ich keine so dummen Fragen stellen.«

»Du könntest auch einfach die Klappe halten«, antwortete Xanxus und sah sich um. »Woher in aller Welt habt ihr das Geld, um es hier so aussehen zu lassen?«

Diego folgte seinem Blick kurz, dann zog er die Brauen hoch und zuckte die Achseln. »Ich arbeite«, sagte er schlicht.

»Als was?«, fragte Xanxus spöttisch. »Mafioso?«

Die Antwort war nicht die, mit der er gerechnet hatte.

»Ja. So in der Art. Und wenn du vorhast, dasselbe zu tun, wirst du wohl nicht so einfach an mir vorbeikommen.«



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Mezamasidokei
2011-05-22T21:18:23+00:00 22.05.2011 23:18
Boah xD
Nette Begrüßung..
Xanxus..
Du hast einen guten Freund =D
Oder auch nicht xD
Ehm.. Oje..
Und nun?
[Ist doch klar =D Xanxus macht ihn zur Schnecke.. xD]
*Rumtänzel*
*Mal wieder nichts sinnvolles einfällt xD*

PS: Ich kann mit Bel und Squalo leben.. Vor allem wenn auch die beiden so lustig sind xD Vor allem Squalo.. Ich vermisse seine VOIIS x3

Mezamasidokei


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