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Schnittchen schmieren für die siegreiche Rückkehr: Roderich Edelstein

„Ah... also das ist es?“

Alfred legte den Kopf in den Nacken und betrachtete interessiert den grauen Betonklotz von Gebäude, über dessen Eingang in leicht schief hängenden Buchstaben Hotel zu lesen war. Ludwig neben ihm warf einen prüfenden Blick auf den Zettel in seiner Hand.

„Die Adresse stimmt. Das muss es sein.“

„Na, dann mal rein ins Vergnügen!“, sagte Alfred zufrieden und zog seinen Koffer auf die Treppe zu. Ludwig folgte ihm etwas langsamer. Eine Uhr an einer Häuserwand auf der gegenüberliegenden Straßenseite zeigte kurz nach sechs. Der Morgen dämmerte gerade erst herauf. Er war erschöpft von dem Flug und noch immer nicht sicher, was ihn hier genau erwartete. Feliciano war nicht da, dachte er.

„Worauf wartest du? Soll ich deinen Koffer nehmen?“, bot Alfred bereitwillig an. Im Gegensatz zu Ludwig sprühte er vor Energie, ganz wie immer.

„Nein, danke, es geht schon.“

Sie trugen die Koffer die paar Stufen hinauf und betraten einen großen Raum mit einigen Sesseln im hinteren Teil. Ein Metallregal mit leicht zerfledderten Stadtplänen und anderen Faltblättchen stand rechts neben dem Eingang. An der Rezeption lehnte ein einzelner anderer Gast, den Koffer neben sich abgestellt, und wartete offenbar darauf, dass jemand ihn bemerkte. Seine Finger trommelten ungeduldig auf dem Tresen herum.

„Ist noch nicht geöffnet?“, fragte Alfred gut gelaunt.

Der Angesprochene zuckte leicht zusammen und sah sich zu ihnen um. Er musterte Alfred von Kopf bis Fuß durch seine schmale Brille und schien nicht sicher zu sein, ob er ihn erkannte. Dann fiel sein Blick auf Ludwig.

„Roderich.“

Roderich riss die Augen auf, löste sich von der Rezeption und kam mit großen Schritten zu ihnen hinüber.

„Wiggerl?“

„Nenn mich bitte nicht Wiggerl“, sagte Ludwig und verzog das Gesicht. „Du weißt, dass ich das...“

„Nun stell' dich nicht so an, Bub“, herrschte Roderich ihn an, betrachtete ihn kritisch und nickte, als habe sich seine Vermutung bestätigt. „Du hast zugenommen.“

„Nette Begrüßung, nachdem ihr euch jahrelang nicht gesehen habt“, bemerkte Alfred und lachte.

„Was machst du hier?“, fragte Ludwig und ignorierte ihn. „Niemand hat erwähnt, dass du kommen würdest.“

„No, dachtest du, ich würde euch Chaoten allein lassen? Das konnte ich nicht machen. Abgesehen davon war Antonio so freundlich, mich anzurufen.“

„Unser Reiseleiter Antonio! Wer auch sonst?“

„Und dann hast du...“

„Guten Morgen“, meldete sich eine junge Frau mit brüchigem Englisch, die soeben hinter dem Tresen aufgetaucht war. „Was kann ich für Sie tun?“

„Na endlich“, sagte Roderich und sah sie an. „Sagen Sie, haben Sie hier eine Küche?“

„Eine Küche?“, wiederholte die Frau verwirrt.

„Es tut mir Leid, aber es ist ein Notfall. Er hier hat seit fünfzig Jahren nichts Anständiges mehr gegessen.“

„Roderich“, zischte Ludwig ihm zu und errötete leicht, „du machst dich lächerlich.“

„Was heißt hier anständig?“, fragte Alfred. „Ich weiß gar nicht, was an meinem Essen nicht anständig sein soll!“

In dem allgemeinen Durcheinander bemerkte niemand, dass Gilbert am oberen Ende der Treppe aufgetaucht war, die in den ersten Stock hinauf führte. Er betrachtete die Szene einige Sekunden lang mit schmalen Lippen, drehte sich dann auf dem Absatz um und verschwand wieder in dem Gang hinter ihm.
 

„Ich versuche, einen Plan zu machen“, erklärte Gilbert mit gerunzelter Stirn, ohne von dem Gebäudegrundriss aufzusehen, der vor ihm auf dem Tisch ausgebreitet war. „Damit wir wissen, wer morgen wo sein muss.“

„Ich werde mit hinein gehen“, sagte Ludwig, der hinter ihm in der Tür stand.

„Siehst du, genau das wirst du nämlich nicht“, erwiderte Gilbert, noch immer ohne aufzusehen. „Du wirst draußen bleiben und das Gebäude sichern.“

„Warum?“

„Weil ich alles andere nicht riskieren werde. Ich sehe dich zum ersten Mal seit fünfzig Jahren. Wenn du mich nicht anständig begrüßt, ist das deine Sache. Aber dann werde ich zumindest nicht zulassen, dass du dich vor meinen Augen totschießen lässt.“

„Gilbert...“, begann Ludwig und trat einen Schritt weiter in den Raum.

„Ich meine, nicht, dass ich eine Erklärung für dein komisches Benehmen verlangen würde oder so!“, unterbrach Gilbert ihn wütend und knallte ein Trinkglas auf den Plan, der sich an einer Ecke aufrollte. „Wer bin ich denn, dass mich das etwas angeht? Aber ein einfaches Hey, Gilbert, schön, dich zu sehen hätte ich ja vielleicht von meinem einzigen kleinen Bruder erwarten können!“

„Seitdem ich angekommen bin, ist alles drunter und drüber gegangen. Es tut mir Leid, dass du darüber zu kurz gekommen bist.“

„Ich bin nicht zu kurz gekommen!“

„Worüber regst du dich dann auf?“

Gilbert ließ den Kugelschreiber auf das Papier fallen und fuhr zu Ludwig herum. „Also schön, Lutz. Ich bin zu kurz gekommen. Du bist nicht zurückgekommen, als ich dich darum gebeten habe, sondern erst, als Romano gefragt hat. Du hast bis jetzt mehr Zeit mit Sissi verbracht als mit mir!“

„Nur, weil er darauf bestanden hat, mir Kaiserschmarren zu machen.“

„Ausrede!“, fauchte Gilbert wütend. „Und ich kann mich von Romano auslachen lassen, weil ich der einzige bin, der nicht weiß, was du angestellt hast! Was zum Teufel ist da zwischen dir und Feliciano vorgefallen, Westen? Was?“

Ludwig schluckte kaum merklich und senkte den Blick. „Ich weiß nicht“, murmelte er, „ob du es wissen willst.“

„Ob ich es wissen will? Ob ich es... Jetzt hör mal, Lutz, du bist mein Bruder! Ich halte zu dir, egal, was du ausgefressen hast. Ich bin immer auf deiner Seite!“

„Ich weiß. Aber vielleicht... will ich das gar nicht.“

„Warum solltest du das nicht wollen? Verflucht, was ist denn passiert, Westen?“

Ludwig biss auf seine Lippe und sah Gilbert an. „Wenn ich es dir sage“, sagte er langsam, „habe ich dann deinen Segen, morgen ins Gebäude zu gehen?“

„Warum?“

„Weil ich etwas wiedergutzumachen habe. Feliciano gegenüber.“

Einen Moment lang sah Gilbert ihn stumm an. „Daher weht der Wind, ja? Ich hätte es mir denken sollen. Alles hängt mit Feliciano zusammen, oder?“

„Ja.“

Gilbert schüttelte den Kopf und seufzte. „Wer bin ich, dass ich deiner seelischen Aufarbeitung im Weg stehen könnte?“

„Danke“, sagte Ludwig leise. „Ich... ich habe dich vermisst, Gilbert.“

„Ich dich auch, Lutz“, erwiderte Gilbert und grinste schief. „So. Verrätst du mir jetzt, was du ausgefressen hast?“
 

Erneut war das Zimmer von Antonio und Romano zur Einsatzzentrale erklärt worden – nur war es diesmal noch voller als beim ersten Mal.

„Einige von uns werden genau hier drinnen bleiben“, sagte Gilbert ernst.

„Und wer wird das sein?“

„Kirkland bleibt hier, damit er Kontakt zu uns halten und versuchen kann, alles ein bisschen zu koordinieren – und damit er Rücksprache mit seinen Leuten halten kann, falls sich etwas Neues ergeben sollte.“

„In Ordnung“, sagte Arthur.

„Und Sissi bleibt auch. Du kannst für unsere siegreiche Rückkehr Schnittchen schmieren, wenn du willst.“

„Sehr witzig“, schnaubte Roderich und rückte seine Brille zurecht.

„Möchtest du lieber mitkommen? Wenn man dir eine Waffe in die Hand drückt, findest du doch das kleine Loch nicht, wo die Kugel rauskommt. Geschweige denn den Abzug.“

„Ich bleibe. Aber ich werde... den Überblick behalten und Arthur mit Rat und Tat zur Seite stehen.“

Gespielt beeindruckt zog Gilbert die Augenbrauen hoch. „Hört, hört. Deine Schnittchen könnten uns unter Umständen mehr nützen.“

„Ich kann es nicht riskieren, für das Buffet zu sorgen“, erwiderte Roderich hochnäsig. „Sonst stopfst du wieder so viel von meiner Torte in dich hinein, dass du dich nicht mehr bewegen kannst – und das, obwohl meine Torte ja angeblich zu nichts taugt.“

„Wenn ihr beide mit eurem Kleinkrieg fertig seid, könnten wir vielleicht fortfahren“, sagte Ivan sanft. „War das alles, Gilbert? Die anderen gehen ins Gebäude?“

„Im Grunde schon“, sagte Gilbert, wandte sich von Roderich ab und warf Ludwig einen kurzen Blick zu. „Lutz kommt mit mir.“

„...damit du auf ihn aufpassen kannst.“

„Kannst du jetzt endlich die Klappe halten, Sissi? Erwachsene unterhalten sich!“

„Ich gehe mit Romano“, sagte Antonio eifrig. „Damit ich auf ihn aufpassen kann.“

„Vergiss es, Bastard! Als ob ich das nötig hätte!“

„Ihr solltet alle versuchen, aufeinander aufzupassen“, sagte Arthur düster. „Je umsichtiger ihr vorgeht, desto besser.“

„Ach, Angleterre“, seufzte Francis. „Keine Sorge. Ich werde schon auf deinen Alfred achtgeben.“

„Ich meine es ernst. Seid bloß vorsichtig.“

„Wären wir ja sowieso gewesen“, nörgelte Feliks und streckte sich. „Ich bin müde. Kann ich ins Bett?“

„Ich habe den Rest des Plans noch nicht erklärt, Łukasiewicz. Bleib gefälligst noch so lange.“

Nachdenklich betrachtete Francis von der Seite her Arthur, der eine Weile lang ins Leere blickte, dann den Kopf hob und Alfred ansah, der schon mit Fiebereifer begonnen hatte, mit Gilbert über Details des Plans zu diskutieren. Sein Gesicht wirkte besorgt, stellte Francis fest. Auch etwas müde.

„Kopf hoch, Angleterre“, sagte er beruhigend und legte ihm einen Arm um die Schulter. „Es wird alles gut.“

„Was?“, fragte Arthur aufgeschreckt und schüttelte den Arm ab. „Fass mich nicht an. Natürlich wird alles gut.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Erstens: Dieses Kapitel hatte den Arbeitstitel „Das Kapitel, in dem Gilbert seine Tage hat“ und war mal wieder eine von diesen schweren Geburten. Zweitens: Ich mag den Namen Wiggerl. Er klingt wie ein kleines, würmeliges Würmchen. Awww! Kein Wunder, dass Ludwig ihn nicht leiden kann. Drittens: Wir verschaffen dem guten Roderich hier den zweiten Nebenjob, irgendwie muss er ja über die Runden kommen. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sternenschwester
2012-07-10T17:49:37+00:00 10.07.2012 19:49
echt super das du weitergeschrieben hast, und auch wenn du öfters behauptetest du steckst in der FF in einer kleinen Schreibkrise, kann ich nur sagen das man das nicht wirklich merkt.
lg, Sternenschwester



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