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deine blauen augen

Deutsche Geschichte - Preußen & Deutschland
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über die grenzen hinaus

über die grenzen hinaus
 

Verärgert rammt Gilbert die Feder zurück ins Tintenfass und wischt in einer heftigen Armbewegung die restlichen Akten von verhafteten Studenten von seinen Arbeitstisch. Stundenlang sitzt er schon über den Blättern und diese Schar an verrückten Burschenschaften scheint kein Ende zu nehmen. Schlimmer ist noch, dass genau in diesem Moment seine Soldaten auf der Suche nach Ludwig sind. Gilbert weiß nicht, was für Flausen der Junge sich in den Kopf gesetzt hat, aber die Karlsbader Beschlüsse haben ihn ganz sicher nicht davon abgehalten, weiter in Salons zu sitzen und mit Jungspunden nationale Pläne auszuarbeiten, angespornt von – ausgerechnet – Frankreichs Revolutionen. Der Preuße kann sich nicht erklären, warum sein kleiner Bruder eine solche Wende vollzogen hat. Heinrich war so vollkommen anders gewesen, zurückgezogen, unsicher, introvertiert. Ludwig hingegen ist entschlossen und lässt sich von Gilbert nichts sagen. Er ist bereits wie ein pubertärer Backfisch, eigenwillig und unbelehrbar und ihm fehlt die Tugend, die Preußen stolz präsentiert: Gehorsam. Stattdessen schwenkt er schwarz-rot-goldene Fahnen, deren Zusammensetzung noch nicht einmal den Regeln entspricht und verbrennt - verbrennt – Bundesakten.

Gilbert hatte den Jungen mit zu sich nach Berlin geholt, um ihn weiter hinein nach Deutschland zu bringen, was schließlich sein Gebiet war. Was soll er bei Roderich, der sich sowieso den ganzen Tag mit Basch streitet, was soll er mit Lilli, die kein Wort herausbringt. Gilbert ist ohnehin der Meinung, dass man das Auferstehen einer neuen deutschen Nation in kleinen Schritten angehen sollte. Wozu Österreich, die Schweiz, Luxemburg und Liechtenstein mit umfassen, wenn es genug nordische Territorien gibt, die zu halten sind.

Allerdings hat sich sein Plan in eine Richtung entwickelt, die auch ihm nicht lieb ist. Über all seinen Diskussionen mit Roderich, hatte Gilbert kaum Zeit, sich um Ludwig zu kümmern und der fing an sich mit Leuten in der Stadt herumzutreiben – "um mein Volk besser kennen zu lernen". Gilbert hatte es zuerst begrüßt, dass der Junge mehr Ansporn als Heinrich besaß, vor die Tür zu gehen und mit Menschen zu reden und nicht mit Unterschriften unter Beschlüssen über sie zu herrschen. Aber leider hatte Ludwig nicht die Leute getroffen, die er sollte. Nein, stattdessen kam er unter Studenten.
 

Was Gilbert am verrücktesten macht, sind Ludwigs unvorsehbare Stimmungswechsel. Sind sie in Berlin, kann der Junge richtig vorlaut werden und hat sich schon die eine oder andere Backpfeife eingefangen. Gelangen sie in Bürgerviertel, wird Ludwig still. Er zieht sich zurück und spricht kein Wort mehr, hängt seinen Träumen nach und benutzt eine Sprache, die schlimmer klingt, als Roderichs Rumgesülze gegenüber Erzébet. In solchen Momenten tut die junge Nation ihm Leid, denn Gilbert kann ahnen, was für ein Kampf in ihm tobt. Ein Zwiespalt im Volk ist nie einfach für ein Land, aber für ein so junges wie Ludwig es ist, erst recht nicht.
 

Als Gilbert seufzend erneut die Feder ansetzt, um den 13. März und seinen Namen unter die nächste Akte zu setzen, springt die Tür mit einem berstenden Krachen auf und Soldaten stolpern in sein Zimmer hinein. Verärgert über die Störung lässt der Preuße die Feder wieder sinken, presst die Lippen aufeinander, wartend den Soldaten betrachtend.
 

"Melde Massendemonstrationen in Berliner Vierteln, wir schlagen bereits mit Waffengewalt zurück, aber die Menschen sind nicht aufzuhalten, sie…"
 

Er hält kurz inne und mit einem ungeduldigen Kopfnicken deutet Gilbert ihm, weiter zu sprechen.
 

"Ihr Bruder führt sie an, Herr Beilschmidt."
 

Gilbert runzelt die Stirn. Dann stellt er die Feder wieder ruhig ins Tintenfass zurück und sieht zu dem Soldaten, sich in seinem Stuhl zurücklehnend.
 

"Sattelt mir ein Pferd. Und bringt mir meinen Revolver. Wegtreten."
 

"Jawohl!"
 


 

Notes:
 

Kurz nach der Entstehung des Deutschen Bundes bildeten sich Burschenschaften, die sich Nationalität und Verfassung versprachen, nicht zuletzt angespornt durch die Französische Revolution. Diese nationalen und liberalen Gruppierungen waren von Regierung und Adel alles andere als gewünscht, weshalb sich Österreich und Preußen zu einem Überwachungs- und Zensursystem entschlossen, das in den Karlsbader Beschlüssen festgelegt wurde. Das Unterdrückungssystem führte auch zum Rückzug in Heim und Hof, die sogenannte Biedermeier-Gesellschaft entstand, konträr zur Vormärzbewegung der radikalen Studenten.

Zu den wichtigeren Aufständen gehörten das Treffen auf der Wartburg, bei der Restaurationsschriften, u.a. die Bundesakte verbrannt wurden, sowie das Hambacher Fest, bei dem die schwarz-rot-goldene Fahne geschwenkt wurde, deren Farben an die Uniform des Freikorps Lützow bei den napoleonischen Befreiungskriegen angelehnt waren. Nach den Flaggenregeln dürfen rot und gold aber nicht nebeneinander liegen, da weder Farbe auf Farbe noch Metall auf Metall folgen darf.

Im Jahr 1848 spitzte sich die ganze Bewegung zu. In Berlin stieß das Militär zum ersten Mal am 13. März mit den Bürgern zusammen. Währenddessen traf man sich in Frankfurt in der Paulskirche, um eine national ausgerichtete Verfassung auszuarbeiten, aber dazu dann im nächsten Part. :D
 

Preußen bevorzugte eine kleindeutsche Lösung und damit das Ausschließen der deutschsprachigen Bereiche Österreich, Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg.
 

Ich habe gelesen, dass Basch eigentlich der korrekte Name wäre. Außerdem mag ich Vash nicht, erinnert mich immer an das Vanish Oxy – Zeug.

Erzébet wäre die ungarische Form von Elizaveta und gefällt mir auch viel besser.
 

Und damit sind die Anmerkungen bald so lang wie das eigentliche Kapitel. Haha. :D



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  desearu
2011-04-12T10:45:17+00:00 12.04.2011 12:45
Ludwig als vorlauter, rebellischer Jugendlicher, der Gilbert einiges an Ärger bereitet ist so eine witzige Vorstellung. :D Darüber könntest du echt mal eine detailliertere Fanfiction schreiben.
Ich finde es auch interessant, wie du den Unterschied zu HRR deutlich machst.


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