Prolog
Mit dem letzten Gesang der Vögel verschwand die gewaltige Sonne, die ewige Herrscherin über den Tag und das Leben, langsam hinter den Bergen und verwandelte den Horizont in ein farbenprächtiges Gemälde. Eine kühle Windbrise ließ die langen, schwarzen Haare und den dunkelgrünen Umhang, der mehr eine Legende als ein Stoffstück war, sanft wehen und trug den Geruch eines vergehenden, warmen Frühlingstags mit sich.
»Eins.« Eine tiefe, grollende Stimme übertönte das leise Zwitschern der Vögel im Wald, unter den Klippen des Berges, die trotz des dunklen Klanges zu einer Frau gehören musste.
Der Mann, der bereits aufgehört hatte, seine Sommer zu zählen, aber dennoch in der Blüte der Kraft und Jugend stand, saß auf dem von der Sonne gewärmten Felsvorsprung und starrte hinunter in den dichten, weiten Wald, und manchmal streiften seine dunklen Augen auch die Holz- und Strohdächer der Siedlungen, viele Meilen von ihnen entfernt, die von dieser Distanz nur wie verlassene Kleckse zwischen den grünen Blätterdächern wirkten.
»Zwei«, sagte die Stimme, direkt hinter ihm.
Er hob den Blick, betrachtete den Farbverlauf des Himmels, die orange, blendende Sonne, und strich sich geistesabwesend ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Die schwarzen Haare hinter seinen Ohren waren an seinem Hinterkopf mit einem roten Band zu einem langen Pferdeschwanz gebunden, der Rest fiel ihm in das Gesicht, betonte seine dunklen Augen und die männlichen Gesichtszüge. Der grüne Umhang, der um seine Schultern lag, wies einige dunkle, schmutzige Flecken und Risse, sowie Löcher auf. Er war mitgenommen und ein einziger Blick genügte um zu wissen, dass er tausende Geschichten erzählen könnte, hätte er die Möglichkeit dazu.
»Drei.« Erneut sie.
Das Ende des Schwertgriffes, das nicht mit dem dunklen Leder bezogen war und ein Teil des Metalls sichtbar werden ließ, spiegelte die tiefe Sonne wider, blitzte auf. Ein breiter Stoffgürtel und ein feines Seil hielten die edle Waffe stets an seiner Seite und ein Blick in seine Augen genügte um zu erfahren, dass er wusste, wie man mit so einem Schwert umgehen musste, dass er es nicht nur zur Einschüchterung mit sich herum trug.
Doch seine Augen sagten noch so vieles mehr.
»Vier.« Die Stimme war noch immer ein grollender, tiefer Laut, ging unter die Haut und wirkte unglaublich mächtig.
Als würde er die laute Stimme nicht hören, saß er weiterhin auf dem Gestein und strahlte eine völlige Ruhe aus, und betrachtete die Sonne bei ihrer Reise ins ferne Land. Der Himmel über ihm wurde dunkler, die Luft frischer und inzwischen konnte man schon den ein oder anderen glänzenden Stern entdecken.
»Fünf.«
Das rechte Bein angewinkelt, die behandschuhte Hand auf das Knie gestützt, genoss er die letzten Sonnenstrahlen des Tages auf seiner Haut. Und auch wenn er ignorant wirkte, so aussah als wären seine Gedanken in einer fernen Welt, lauschte er der grollenden Stimme hinter ihm.
»Sechs.«
Es wurden immer mehr, die Zahl stieg weiterhin an und der Schwertkämpfer war sich nicht sicher, ob er das gut oder schlecht finden sollte. Er war geteilter Meinung, er war unschlüssig. Aber dennoch bestand der Drang danach, dass sie schweigen würde, dass sie endlich aufhören würde zu zählen. Letztendlich wusste aber auch er, dass es noch nicht so weit war.
Es waren noch mehr. Mehr als sechs.
»Sieben.« Das Wort kam wie ein knurrender Laut aus ihrem Rachen.
Sieben. Waren es sieben? Er kannte die Antwort und deswegen wendete er die Augen von dem wunderschönen Farbspiel und erhob sich langsam. Einen letzten Blick auf den dunklen Wald geworfen, drehte er sich schließlich um, schloss die Augenlider für einen Moment und setzte sich in Bewegung.
»Acht«, sagte er, nachdem er neben dem hünenhaften Kopf des Drachens zum Stehen gekommen war.
Der aufsteigende Rauch aus den großen Nasenlöchern des gigantischen Wesens, das hinter ihm auf dem Felsen in voller Länge, mit angelegten Flügeln lag, war die Antwort, die Bestätigung.
Acht. Es waren acht.