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Kinder der Hoffnung

von

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Oz

Dunkle Wolken verdeckten den Himmel, als die Freunde ihre Wanderung fortsetzten. Sie hatten den Hund begraben und bei Kochaw nach einem fantastischen Abendessen die Nacht verbracht. Nun waren sie wieder auf der Suche nach den Kristallen der Garde. Während Verena, Jeanette, Miriam und Thorsten fröhlich plappernd den langen Weg entlangtrotteten blieb Vicky ein ganzes Stück hinter der Gruppe zurück. Deprimiert dachte sie an die Ereignisse des Vortages. Oz' Worte hallten durch ihr Gedächtnis und immer wieder stellte sie sich die gleiche Frage: Warum habe ich nicht gemerkt, dass er nicht auf unserer Seite ist?
 

Noch ahnten sie jedoch nicht, was sich zur selben Zeit『Hel』 's Domizil Südwesten des Landes zusammenbraute.

Oz verließ mit gesenktem Kopf den gewaltigen Saal, in dem sich『Hel』aufhielt und ihre Schergen empfing. Die massiven Eisentüren fielen hinter ihm zu und für einen Moment zerriss das Quietschen und Krachen das düstere Schweigen in der uralten Burg. Dann herrschte wieder Stille. Der junge Mann mit den Raubtierzähnen presste sich mit dem Rücken gegen die kühle Steinwand, dann schlug er wütend mit der Faust dagegen. "Sieh an, sieh an. Mal wieder nichts handfestes vorzuweisen, was Oz?" Ein hämischer Unterton war in der Stimme des zweiten Mannes zu hören der sich zu Oz gesellte. "Lass mich in Ruhe, Sirius!", zischte Letzterer mit finsterer Miene. Sirius zog überrascht spielend die Augenbrauen hoch. "Ach, haben wir etwa schlechte Laune?" Oz starrte sein gegenüber noch wütender an. Sirius sah eigentlich nicht aus, als würde er der Seite der Finsternis angehören. Er hatte platinblondes Haar, dass wuschelig um seinen Kopf herum abstand. Einige Strähnen fielen über seine saphirblauen Augen, die im flackernden Fackellicht des Ganges an eine spiegelglatte Wasseroberfläche erinnerten. Seine dunkelblaue, samtene Jacke hatte einen spitzen, goldbestickten Stehkragen. Unter der nicht vollständig geschlossenen Jacke lugte ein enges, weißes Oberteil hervor, auf dem eine elegante Silberkette blitzte. Die Jacke reichte noch ein Stück weit über die schwarze Hose, wo sie an der Taille von einem ebenfalls nachtschwarzen Gürtel mit einer edlen Silberschnalle zusammengehalten wurde. Die Stiefel, in denen die Hose steckte hatten das gleiche, tiefe blau wie die Samtjacke und um die Knöchel waren goldene Kordeln gelegt. Um seine Schultern wehte ein schwarzer Mantel der mit einer ebenfalls goldenen Kordel an seiner Jacke befestigt war. Und obwohl die Eleganz beider Männer gleich kühl wirkte, zeichnete Sirius' Gesicht eine Sanftheit, die eher an einen Helden erinnerte als an den Nekromanzer, der er nun einmal war. "Was willst du, Sirius?", begann Oz nach einer kurzen Weile des Schweigens, immer noch mit unverändert harten Gesichtszügen. "Soll ich ehrlich sein?", erwiderte Sirius belustigt, "Ich wollte mich an deinem erneuten Versagen weiden. Armer kleiner Außenseiter..." "SEI STILL!", fuhr der Schwarzhaarige ihn an. "Und was wenn ich nicht will?" Oz' Hände bebten. "Wenn du es noch einmal wagst dieses Thema anzusprechen breche ich dir alle Gliedmaßen einzeln!" Sirius lachte. "Mal abgesehen davon", fuhr Oz unentwegt fort, "Bist du doch derjenige der nie seinen Beitrag zu unseren Plänen leistet. Alles was du machst ist in deinem Laboratorium zu hocken und irgendwelchen Forschungen nachzugehen!" Jetzt wurde auch der blonde Mann sichtlich angespannt. "Bevor du mir Vorhalte machst solltest du zusehen, dass du nicht so gefühlsduselig wirst. Der arme Hund, der dich schwach machte, kurz bevor du sie hättest auslöschen können... dein einziger Gefährte..." "Ich warne dich...!" "Und das Mädchen aus dem Dorf, die Hüterin des Lapizlazuli", fiel Sirius ihm ins Wort, "Das alles macht dich schwach!" Wutenbrannt packte Oz Sirius am Kiefer. "Schluss damit! Wag' es nicht mich weiter zu beleidigen!" Einen Moment lang funkelten sich die Männer wütend an, dann begann Sirius zu lachen. Er streifte Oz' Hand von sich ab, als wäre sein Gegenüber kein ausgewachsener Dämon, sondern ein sterbliches Kind. "Du bist so erbärmlich, Oz..." Mit diesen Worten verließ er den Gang und ließ den Mann mit den Raubtierzähnen verwirrt und wütend stehen.
 

Die Wanderung der Freunde hatte sich zu einem Tagesmarsch entwickelt. Noch immer hatten sie keine Stadt erreicht, obwohl bereits die Nacht angebrochen war. Der Weg führte sie nun durch einen weiteren Wald. Doch dieser war anders als alle Wälder, die sie je gesehen hatten. Der Wald bestand aus Trauerweiden, die im Wind leise raschelten und im Schatten der wie Vorhänge zu Boden reichenten Äste wuchsen wundersame, große Blumen, von denen ein betörender Duft ausging. Staunend sahen die Fünf sich um. "Hat jemand von euch schon einmal so etwas gesehen?", fragte Jeanette bewundernd. "Nein", erwiderte Vicky, "Aber es ist... wunderschön!" Mit dem tieferen Eindringen in den Wald wurde auch die Nacht immer dunkler und schon bald verwandelte sich der stille Wald in eine zauberhafte Welt voller leuchtender Nachttierchen. Es gab neben Glühwürmchen hier im Osten des Landes nämlich noch die sogenannten Irrlichter- kleine Libellen, deren Körper im Dunkeln in den verschiedensten Farben zu leuchten begannen- und die kleinen Lohetänzer- Schmetterlinge, die für ihre in glühend rotem Licht erstrahlenden Flügelchen bekannt waren. Diese bunten Lichtpunkte tanzten durch die Blätter, ließen sich auf Blüten nieder oder schwirrten den Freunden um den Kopf. Begeistert blickte Miriam ihnen nach. "Seht euch das an! So viele Nachtschwärmer!" Verena wurde nachdenklich. "Es heißt dass sie sich in einer solchen Vielfalt nur an heiligen Orten aufhalten..." "Du meinst an Tempeln oder Kirchen?", fragte Miriam und blieb stehen. "Ganz genau", antwortete die Blonde, "Das heißt, dass hier in der Nähe doch noch ein Gebäude ist. Wir könnten für heute Nacht also doch noch einen Unterschlupf finden!" Ein Grummeln ließ die Mädchen herumfahren. "Ich hoffe, dass wir dort auch etwas zu Essen auftreiben können, sonst sterb ich noch vor Hunger", jammerte Thorsten. "Ach, bestimmt", gab Jeanette beschwichtigend zurück, "Und wenn nicht lassen wir uns eben was anderes einfallen. Hat ja gestern mit den Beeren auch geklappt." Langsam trotteten sie weiter, geführt von den unzähligen bunten Lichtpunkten, die sich nach und nach häuften. Schließlich erreichteten sie eine große Lichtung, in deren Mitte sich ein See befand. Im kühlen Abendwind kräuselten sich die Wellen auf dem dunklen Wasser und die unzähligen Insekten spiegelten sich hundertfach darin. Eine schmale Brücke führte in die Mitte des Sees, wo sich ein eher kleiner, aber äußerst reich verzierter Tempel thronte.

Verena atmete tief durch, bevor sie zögerlich an dem schweren Holztor des Tempels klopfte. Eine Weile lang schien sich nichts zu tun, doch dann öffnete sich unter Quietschen und Ächzen doch noch das Tor. Ein hübsches, junges Mädchen mit schimmerndem, platinblonden Haar und eisblauen Augen öffnete die Tür. "Nanu? Besuch um diese Uhrzeit?" "Entschuldigen Sie die späte Störung", begrüßte Jeanette sie, "Wir sind seit einigen Tagen auf reisen. Könnten wir heute Nacht hier schlafen?" Das Mädchen aus dem Tempel lächelte und öffnete das Tor weiter. "Natürlich, ihr seid herzlich Willkomen!" Sie trug ein weißes Kleid aus fließendem Stoff und eine beachtliche Menge an Goldschmuck, die typische Kleidung für Tempeldienerinnen des alten Glaubens. "Ich heiße Tipa", stellte sie sich vor. Verlegen fügte sie hinzu: "Ich bin nur eine Novizin, aber ich denke Meister Nahar hat nichts dagegen wenn ihr hier bleibt. Tretet ein." Die Fünf betraten noch etwas zögerlich die große Vorhalle des Tempels, dann schloss Tipa die Tür. "Ich bin Vicky", begann Vicky fröhlich die Vorstellung der Freunde, "Und das sind Jeanette, Miriam, Verena und Thorsten." Tipa verbeugte sich. "Es ist mir eine Ehre euch kennenzulernen." Miriam tat es ihr gleich. "Ganz unsererseits." "Bitte, folgt mir doch. Ich werde euch zu unserem Meister bringen."

Der Tempelmeister, Meister Nahar, war ein großer Mann, mit breiten Schultern und kantigem Gesicht. Seine Haut war dunkel, ebenso wie seine Augen. Sein zu einem Zopf gebundenes Haar sowie sein Spitzbart waren bereits ergraut. Mit grimmiger Miene hatte er sich vom Innenhof, welcher nur durch Säulen von seinem Gemach getrennt war, abgewandt. "Tipa, wieso bist du so spät noch auf? Und wer sind diese Leute?" Erneut verbeugte sich die junge Tempeldienerin. "Verzeiht mir, aber das hier sind Reisende, die für die Nacht einen Unterschlupf suchen. Ich hoffe Ihr habt nichts dagegen?" Meister Nahar schüttelte schnaubend den Kopf. "Das nicht. Aber du solltest mir in Zukunft Bescheid geben BEVOR du Gäste in den Tempel einlädst." Tipa errötete. "Es freut mich jedoch immer wieder Besuch hier begrüßen zu dürfen. Wie wäre es wenn..." Die Begrüßung des Meisters wurde durch ein lautes Magenknurren unterbrochen. Thorsten hielt sich mit wehleidiger Miene den Bauch, woraufhin der Meister laut zu lachen begann. "Scheint, als sollten wir uns beim Essen weiter unterhalten. Tipa?" "Jawohl, Meister!", erwiderte Tipa und eilte hinaus.

Das Essen viel äußerst üppig aus- gerade richtig für die ausgehungerten Freunde. Ohne Zeit zu verlieren stürzte sich Thorsten auf die Köstlichkeiten, die Tipa zubereitet hatte. "Und schon ist die Höflichkeit vom Dîner im Schloss futsch", kommentierte Miriam grinsend. "Nur eine Vorsichtsmaßnahme", erwiderte der Junge nach einem hastigen Schlucken, "Damit du mir nicht wieder alles wegfrisst!" Verena verdrehte die Augen. "Könnt ihr nicht einmal irgendwo nebeneinadersitzen OHNE euch zu zanken?" "Wir zanken nicht!", gaben beide wie aus einem Mund zurück. Für einen Moment sahen sie sich erstaunt an, dann senkten sie die Köpfe und wandten sich wieder dem Essen zu. Der Meister gluckste amüsiert. Dann faltete er die Hände und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. "Nun, jetzt erzählt mir doch mal, wer ihr seid und was euch zu so später Stunde hierher führt." "Aaaalso...", begann Jeanette, "Ich bin Jeanette. Die zwei Pappenheimer die sich dauernd ärgern sind Miriam und Thorsten..." Ein entrüstetes "Hey!" war zu hören. "Und das hier sind Vicky und Verena." "Sie können mich auch V nennen", fügte Verena hinzu. "Wir stammen aus dem Dorf Corneo", führte Vicky die Erzählung fort, "Aber das ist, wie sie wahrscheinlich wissen, vor einigen Tagen zerstört worden." Meister Nahar nickte. "Ich hörte davon. Es hieß man konnte keine Überlebenden finden, aber von den fünf Jugendlichen gab es weder ein Lebenszeichen, noch konnte man ihre Leichen finden." Die Freunde erstarrten. Der Gedanke daran, dass man in ihrem Heimatdorf nach ihren Leichen gesucht hatte, obwohl sie noch hier saßen und lebten, war doch allzu makaber. Schweigen legte sich einige quälende Minuten lang über den Raum, doch dann wurde es, zur Erleichterun aller, von Tipa gebrochen. "Vicky, was ist das für ein Stein da an deiner Kette? Der ist wirklich schön." "Oh", machte Vicky, "Nun ja..." "Das ist Rhianna's Lapislazuli, nicht wahr?" Der Meister stützte seine Arme nun wieder auf den Tisch und musterte Vicky interessiert. "Ja, das stimmt! Woher wissen sie das?" Er lachte. "Es ist noch nicht lange her, da waren zwei andere Fremde in diesem Tempel. Sie erzählten, dass es wieder Hoffnung für das and gebe. Denn die Erben der Garde hätten ihre Aufgabe angenommen." Er machte eine Pause und schloss die Augen. "Fünf Jugendliche aus dem Dorf Corneo, ein Junge und vier Mädchen." Miriam schnippte. "Ha, dann waren das bestimmt Dimitri und Kouji!" Der Mann nickte. "Weswegen waren sie hier?", fragte Verena erstaunt. "Nun... sie wollten mit mir über eines meiner Besitztümer reden. Es handelte sich um ein Zepter, dass einen Saphir enthält, den man auf dem Grund dieses Sees gefunden hatte." "Dann ist das hier der Kristallliliensee???", entfuhr es den Mädchen gleichzeitig. "Der was?" Thorsten sah sie irritiert an. "Mann, hast du's mit den Ohren oder was?", erwiderte Miriam, "Der Kristallliliensee, von dem Kochaw erzählt hat. An dessen Grund der Saphir von Muriel lag!" "Ach so. Sag das doch gleich." Die Mädchen stöhnten entnervt, während Tipa und der Meister lauthals lachten. Als wieder Ruhe einkehrte beugte sich Verena neugierig vor. "Können wir den mal sehen?", bat sie. Meister Nahar überlegte einen Moment, dann nickte er. "Er wird ja so oder so wieder in euren Besitz übergehen."
 

Der Saphir glänzte wunderschön, als Meister Nahar das Zepter aus der Schatulle nahm. "Dieses Zepter wird seit Generationen an die Tempelmeister hier weitergegeben. Es soll dem Schutz des Tempels und des Waldes dienen. Denn Muriel hatte ebenso die Macht des Wassers inne, wie der Wassergeist, der sich der Legende nach in diesem See befindet." Faszinierd starrten Tipa und die fünf Freunde auf das Juwel. "Leider...", sagte der Meister und legte das Zepter behutsam zurück, "War es mir bisher nicht möglich den Stein aus seiner Fassung zu lösen." "Ach, das bekommen wir schon hin", beschwichtigte Thorsten ihn, "Irgendwie haben wir bisher alle Fassungen für die Steine geschrottet." "Aber nicht mit Absicht!", warfen Jeanette, Miriam und Vicky ein. Nahar und Tipa lachten. "Ihr solltet euch langsam in eure Gemächer begeben. Sicher seid ihr müde." "Naja, noch nicht ganz, aber das kann ja nicht Schaden." Verena lächelte.

Während Vicky beschloss, sich im Innenhof noch ein wenig hinzusetzen und den Leuchtkäfern zuzusehen, war für Jeanette die Stunde der Wahrheit gekommen. Tipa und Miriam hatten Eis und eine Nadel besorgt, die Tipa nun fachkundig über einer Kerzenflamme erhitzte. "Lasst mich! Lasst mich!", schrie Jeanette, die mit Decken und Tüchern an ihr Bett gebunden war. "Nix da!", gab Miriam zurück und schwenke breit grinsend das Tuch in dem sie das Eis transportiert hatten. "Wir stechen auch nur ein Loch, weil du ja nur einen Ohrring hast." Verena tätschelte ihr aufmunternd die Schulter. "Wartet nur, wenn ich hier loskomme, dann...-" "Es ist soweit!", rief Tipa und zeigte triumphierend die heiße Nadel. "Gnade, bitte...", bettelte Jeanette, doch es war zu spät. Unter den neugierigen Blicken von Verena und Miriam durchstach Tipa ihr Ohrläppchen. Jeanette Schrie wie am Spieß. "Das Eis, Miriam, schnell!", befahl Tipa. Doch als sie sich umsah, musste sie feststellen, dass Miriam beim Anblick der ganzen Prozedur und des vielen Blutes in Ohnmacht gefallen war. Sie seufzte, hob das Eis auf und quetschte es mitsamt dem Tuch an das Ohr der jammernden Jeanette. "Jetzt müssen wir nur warten bis Miriam aufwacht und die Wunde aufhört zu bluten."
 

Zur selben Zeit saß Vicky allein auf einer der Marmorbänke im Innenhof und blickte in den Himmel hinauf. Sie dachte an Oz und das, was die letzten Tage geschehen war. Seltsam, dass sie nicht gemerkt hatte, was seine wahre Gesinnung war. Doch seltsam war auch, dass er sich bei ihren Treffen so unterschiedlich verhalten hatte. Hatte er ihr von Anfang an nur etwas vorgespielt und gestern sein wahres Ich gezeigt? Oder war alles genau anders herum? Aber woher kam dann seine plötzliche Veränderung? Und was hatte es nur mit diesem Hund auf sich? Sie senkte raurig den Kopf. Plözlich sah sie auf ein schwarzes Paar Stiefel hinab. Erschrocken blickte sie auf. "Oz?" Er lächelte und seine Raubtierzähne blitzten im fahlen Licht, dass die leuchtenden Tierchen erzeugten. Hastig sprang sie auf und nahm ihren Kettenanhänger in die Hand. "Sparkling...-" Weiter kam sie nicht, denn Oz griff nach ihrem Arm. "Ich bin nicht zum kämpfen gekommen." "Weswegen dann?" Vicky funkelte ihn wütend an. "Um das, was ich gestern gesagt habe zu... erklären." "Was gibt es da schon zu erklären?" "Mehr als du denkst!" Er zog sie zurück auf die Bank. "Du denkst sicher, ich hätte dir bei unserem ersten Treffen etwas vorgespielt... dass ich dir aus Berechnung geholfen habe." Das Mädchen schnaubte verächtlich. "War dem etwa nicht so?" "Nein!", rief der junge Mann verzweifelt, "Ganz im Gegenteil. Ich... ich hatte von Meisterin『Hel』den Auftrag erhalten den Lapislazuli zu stehlen und ihn ihr zu überbringen. Aber dann hörte ich euch kommen und versteckte mich. Und dann... habe ich dich gesehen." Einen Moment lang schwiegen sie. "Ich wusste, dass ich euch eigentlich hätte töten sollen, aber ich konnte es nicht über mich bringen. Ich habe mir eingeredet, ich würde dir jetzt helfen und dir den Lapislazuli später entreißen. Aber... als ich dir dort in die Augen gesehen habe..." "Gestern wolltest du mich noch töten", gab Vicky bitter zurück, "Warum sollte ich dir jetzt glauben?" "Blutrausch", erwiderte Oz. "Bitte?" "Der Geruch von frischem Blut löst bei uns Dämonen einen Berserkerzustand aus, in dem wir Dinge tun, die wir später bereuen.『Hel』nutzt diese Macht aus um mich unter Kontrolle zu halten. Zumindest seit dem Vorfall in der Ruine." "So ganz verstehe ich das aber immer noch nicht. Wieso warst du dann dem Hund gegenüber so emotional?" "Zu Snow- das war sein Name- hatte ich schon seit Kindertagen eine starke Bindung. So stark, dass sie sich dem Blutrausch widersetzte." Er schwieg erneut einen Moment. "Was habt ihr mit ihm... gemacht?" "Wir haben ihn begraben. Im Garten der alten Frau bei der wir übernachtet haben", antwortete Vicky mit gesenktem Blick, "Ich habe... eine kleine Tafel auf sein Grab gesetzt." "Was steht auf der Tafel?", fragte Oz mit zittriger Stimme. "... Ein treuer Freund ..." Sein Körper bebte in einem stummen Schluchzer. Vor seinen Augen verschwamm die Landschaft hinter einem Vorhang aus Tränen. Er schüttelte sich und sah zu dem Mädchen neben ihm auf. "Danke." "Ist schon in Ordnung." Sie schwiegen wieder. Dann erhob Vicky erneut die Stimme. "Möchtest du mir... deine Geschichte erzählen?" Erstaunt sah Oz auf. "Das... Ich..." Er seufzte. "Es ist aber eine traurige Geschichte..." "Ist schon okay." Das Mädchen lächelte und er nickte etwas unsicher. "Ich... war als ich auf die Welt kam ein ganz normaler Junge. Ich hatte eine wundervolle Familie. Mutter, Vater, einen großen Bruder... Einzig mit den anderen Kindern lief es schlecht. Ich war schon immer anders als die anderen. Ruhiger, schweigsamer... belesener. Sie nannten mich "Bücherwurm" und nahmen mir dann die Bücher weg. Sie stahlen später noch mehr Dinge. Meine Familie war es, die mich stützte. Dann, später, bekam ich einen Hundewelpen, als Spielkameraden. Snow. Ich hätte nie gedacht, dass es ihr Abschiedsgeschenk an mich sein würde." Er stoppte für einen Moment, biss sich auf die Lippe und ballte die Hände zur Faust. "Was ist passiert?", fragte Vicky mitfühlend. "Plünderer überfielen die Stadt. Snow und ich wurden in einem geheimen Raum im Keller versteckt, durch den man jedoch in den Hauptraum sehen konnte. Ich musste sie alle nacheinander sterben sehen." "Warum hatten sie sich nicht ebenfalls in dem Geheimraum versteckt?" Oz schüttelte den Kopf. "Er war zu klein. Wir hätten nicht mal mit meinem Bruder, Snow und mir darin die Tür schließen können." "Oh." "Als ich den Keller verließ, lag das Dorf in Schutt und Asche. Ich war der letzte Überlebende. Als mir klar wurde, dass ich ganz alleine war, setzte ich mich in die Trümmer und weinte. Ich weiß nicht wie lange ich dort saß, doch dann kam ein Reisender durch das Dorf. Ich hätte niemals mit ihm mitgehen dürfen." Er holte tief Luft. "Der Reisende war ein Dämon. Ich hatte es gut bei ihm. Snow und ich konnten in seinem Haus leben und er kümmerte sich gut um uns. Aber dann, eines Nachts... leitete er die Verwandlung ein." "Verwandlung?" "Er ritzte mir Runen auf den Unterarm, genau auf der Innenseite. Daraufhin begann ich mich in einen Dämon zu verwandeln." Mit düsterer Miene schob er seinen Ärmel hoch und gab den Blick auf einen langen Schriftzug frei. Alte Runen. "Der Prozess der Verwandlung dauert sieben Tage und sieben Nächte", fuhr er fort, während er den Ärmel zurückschob, "Tage und Nächte voller Qualen. Ich... spielte mit dem Gedanken mir das Leben zu nehmen. Aber Snow ließ mich alles durchstehen. Er gab mir Kraft. Und als die Verwandlung vollendet war, tötete ich den Dämon. Von diesem Tag an durchwanderten wir einsam die Lande. Wir hatten kein Zuhause mehr, keinen Ort an den wir gehen konnten. Bis wir in『Hel』's Territorium gelangten." "Verstehe...", murmelte Vicky. "Unsere Geschichten ähneln sich, nicht wahr? Ich habe es erst heute von『Hel』erfahren."Sie nickte. Plötzlich spürte sie Oz' Hand auf ihrer. Sie blickte auf und er warf ihr einen bittersüßen Blick des Verständnisses zu. Noch bevor das Mädchen etwas sagen oder tun konnte, begann er, sich ihr zu nähern. Vicky lief purpurrot an und sie fühlte sich, als würde ihr Herz aus ihrer Brust springen. Doch der Moment wurde jäh unterbrochen, als ein Donnergrollen den Tempel erzittern ließ. Aus dem kleinen See innerhalb des Hofes schoss eine menschenähnliche Kreaur heraus, mit leeren Augen, Schlangen als Haaren und drei peitschenden Teufelsschwänzen. Oz Gesicht erstarrte zu einer leblosen Maske. "Sie weiß Bescheid...!"



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Taroru
2012-06-12T23:31:11+00:00 13.06.2012 01:31
da freut man sich über acht seiten zum lesen und dann sind es eigentlich doch nur sieben *lach*
der rest ist irgendwie leer *lach* XD

aber es hat spaß gemacht und ich finde es gut das man etwas mehr über oz erfährt XD
und nen ohr durchstechen mit einer nadel *schüttelt sich* sie tut mir ja so was von leid >.< ich kann das echt nach fühlen... das geht doch nicht >.<

ich hatte auf jedenfall spaß beim lesen ;p die dialoge waren wieder echt gut gemacht ^^


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